Guru, the Mad Monk

 
  • Original-Titel: Guru, the Mad Monk
  •  
  • Regie: Andy Milligan
  • Land: USA
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Neil Flanagan (Father Guru), Jacqueline Webb (Olga), Judith Israel (Nadja), Jack Spencer (Igor), Frank Echols (Bishop Kopel), Gerald Jacuzzo (Father Polanski, als Jeremy Brooks), Paul Lieber (Carl), Julia Wills (Christine), Ron Keith (Lars), Myschka (Mara), Irving Metzmann (Hans)


Vorwort

Milligan, zum Dritten…

Unser neuer Lieblings-No-Budget-Filmverbrecher aus Staten Island hat uns mit THE GHASTLY ONES und THE BODY BENEATH zum Nachdenken gebracht, d.h. zumindest mich, und dieweil ich mich durchaus dem allgemeinen Tenor anschließe, wonach Andy Milligan als Regisseur eine Totalkastastrophe von unvergleichlichem Ausmaß darstellt, glaube ich tatsächlich, dass hinter der grusligen Kameraarbeit, dem Heckenscherenschnitt und den primitiven Gore-Effekten ein „auteur“ verborgen liegt. Nicht notwendigerweise ein „Guter“, aber jemand, der glaubte, etwas zu sagen zu haben und zumindest versuchte, das ansatzweise in den ultrabilligen Horrorkloppern, die er der Kohle wegen drehte, auch einfließen zu lassen. Vergessen wir nicht – Milligan kam aus der Off-Broadway-Szene und begann seine Filmemacherkarriere als Avantgarde-Experimentalfilmer, es liegt also auf der Hand, dass er seine Gore-Klopper nicht drehte, weil ihm das eine besondere Herzensangelegenheit war, sondern eine Möglichkeit, *überhaupt* Filme zu machen und so vielleicht doch seine „künstlerischen“ Absichten, getarnt als blutige Schlachtplatten unters Volk zu bringen.

Auf GURU, THE MAD MONK war ich einigermaßen gespannt. Der Film ist einerseits wohl der „zweitbekannteste“ Milligan-Streifen nach THE GHASTLY ONES (oder sagen wir vielmehr „der zweit-schon-mal-davon-gehört-haben-Gekonnteste“), andererseits der Film, den der Meister selbst für seinen schlechtesten hielt. Warum dieser Anfall unerwarteter Selbstkritik? Dafür gibt es zwei potentielle Gründe, die mir an dieser Stelle einfallen würden- zum einen verfilmte Milligan hier zwar ein eigenes Drehbuch, aber nach einer „Idee“ seines Geldgebers M.A. Isaacs, und Milligan war nie besonders gut darin, Produzenten sonderlich entgegenzukommen. Die sollten Zaster fürs Budget ausspucken, ansonsten aber die Klappe halten und sich nicht in den kreativen Prozess einmischen (Probleme bekam Milligan in der Hinsicht in seiner Westküsten-Phase, wo auch Ultra-Low-Budget-Produzenten eine deutlich stärkere „hands-on“-Mentalität hatten und am Set herumlungerten, um aufzupassen, dass der Herr Regie-Sir das alles im Sinne und nach dem Geschmack der Geldgeber hindeichselte). Der andere, eher praktischer Natur, wäre für manch anderen Regisseur von Milligans Gewichtsklasse womöglich ein Quantensprung gewesen – es war Milligans erster so richtig auf 35 mm geschossener Film. Das allerdings bedingte eine komplette Änderung von Milligans „bewährtem“ modus operandi, mit einer einzigen handheld-16-mm-Kamera zu arbeiten. Die 35-mm-Kamera war sperrig und standortgebunden, völlig unmöglich, mit ihr so nah an die Figuren heranzugehen, wie Milligan es gewöhnt war, und in „Actionszenen“ wild mit ihr herumzuwirbeln. GURU, THE MAD MONK musste also ein ziemlich statischer, starrer Film werden, und das kommt Andy halt überhaupt nicht entgegen.

Dafür dauert das Ding nur ´ne knappe Stunde. Kann doch also gar nicht SO schlimm werden, oder? ODER??? (ominous music playing)


Inhalt

Es sagt uns keiner, aber wir befinden uns ungefähr im späten 15. Jahrhundert, auf einer Insel namens Mortovia, die, ohne dass wir dafür nähere Anhaltspunkte geliefert bekämen, wohl irgendwo dem Baltikum vorgelagert ist. Prinzipiell besteht die Bebauung der Insel aus der „Lost Souls Church of Mortovia“, wie uns ein erstaunlich modern gelettertes, dafür aber äußerst schlampig über das „real-life“-Kirchenschild geklebtes, Schild verrät. „Lost Souls“ hört sich jetzt nicht sonderlich einladend ein, und das ziemlich süße junge Ding mit der schicken und sicherlich absolut mittelalterlich-authentisch silberblonden Kurzhaarfrisur (Judith Israel), das von zwei mutmaßlich unsympathischen Typen in Inquisitoren-Kutten mit schwarzen Ganzkopfkapuzen herangeschleift wird, wirkt auch nicht unbedingt so, als würde sie einem angenehmen Erholungsurlaub freudig entgegenblicken. In der Tat wird das Mädchen in eine Zelle (pufharghz! „Ein unaufgeräumtes Eck Scheune, vor das man schnell ein Gitter geschoben hat“ kommt der Sache deutlich näher) gehasselt, wo es heulend und zähneklappernd einer vermutlich unschönen Zukunft entgegensieht. Carl (Paul Lieber, der erstaunlicherweise nach eine lange Karriere als TV-Schauspieler anschloss und u.a. in DALLAS, ALIAS, FREDDY’S NIGHTMARES, AKTE X oder LAW & ORDER zu sehen ist), der, wie wir auch später sort-of erfahren werden, so eine Art Gefängnisbürokrat ist, u.a. für die korrekte Buchführung der Ein- und Ausgänge verantwortlich, fühlt sich emotional berührt und versucht, das Mädchen zu trösten. Erst mal erkundigt er sich nach ihrem Namen. Nadja. Nadja. MOMENT MAL. NADJA? Doch nicht etwa DIE Nadja, Carls verloren geglaubte Flamme und Jugendliebe? Indeed, indeed, it is she. Es besteht natürlich Erklärungsbedarf… nein, Naddel hat ihren Karlemann nicht eines anderen Kerls wegen sitzen gelassen, nein, sie wurde von einer „Bande von Dieben, die sich selbst ‚Zigeuner‘ nannten“, wie Nadja erklärt, entführt und zu einem Leben in Sklaverei und Kriminalität gezwungen. Das Oberhaupt der Bande hat sie dann irgendwann geschwängert, und weil die Zigeunerbande offenbar keinen Bock auf Nachwuchs hatte, wurde sie hochschwanger allein zurückgelassen, um das Kind selbst zur Welt zu bringen. Was dann eher ungut verlief, alldieweil das Baby tot geboren wurde. Beim Versuch, die Babyleiche zu begraben, wurde sie allerdings ertappt und aufgrund einer Zeugenaussage einer vertrauenserweckenden älteren Dame wegen Kindesmord zum Tode verurteilt. Und letzteres, also das Todesurteil, soll in Bälde und hier auf der Insel vollstreckt werden. Es gibt romantischere Anlässe für ein Wiedervereinigung Liebender… Carl ist fest entschlossen, seiner Flamme zu helfen und im Anschluss die frühere Liebesbeziehung wieder aufzugreifen. Da er allerdings ein loyaler Angestellter seiner Kirche ist, fällt eine gewaltsame Befreiung o.ä. aus, vielmehr spekuliert Carl auf die Milde seines Chefs, dem Vorsteher des gesamten hiesigen Etablissements, Father Guru (Neil Flanagan, TORTURE DUNGEON, SOMETIME SWEET SUSAN. Und nein, keiner weiß, warum ein katholischer Priester in Osteuropa als Namen die Bezeichnung für einen indischen Propheten trägt).

Guru ist Carls Ansinnen sympathisch genug gesonnen, nur lässt sich auf offiziellem Wege da nichts machen. Guru mag hier der Chef von Kirche nebst angeschlossenem Knast sein, aber er hat keine exekutiven Vollmachten hinsichtlich der Gefangenen, sondern ist daran gebunden, die Urteile der jeweiligen Gerichte wortgetreu zu vollstrecken, ein Begnadigungsrecht steht ihm auch nicht zu. Carl ist ein trauriger Panda, aber Guru ist ja noch nicht fertig. Wenn „offiziell“ nichts geht, heißt das ja noch lange nicht, dass „inoffiziell“ auch nichts geht. Und Guru hätte schon eine Idee, wie die Buchstaben von Recht und Gesetz überlistet werden könnten. Er weiß von einem Zaubertränkchen, das Nadja in einen scheintoten Zustand versetzen könnte. Verabreicht man ihr rechtzeitig vor der Hinrichtung, wird niemand zweimal hinsehen, zumal Guru günstigerweise auch dafür zuständig ist, förmlich den Exitus zu bescheinigen. Dann müsste Carl sich nur schnell genug die vermeintliche Leiche unter den Nagel reißen und zu Guru bringen, damit der ihr das Gegengift geben kann. Klingt nach einem soliden Plan, sofern man nie „Romeo & Julia“ gelesen hat und ahnt, wie solche großartigen Priester-Ideen gemeinhin enden, und Carl vergeht vor Dankbarkeit. Mehr als die kann er aber auch nicht als Gegenleistung anbietet, aber Guru ist, Gottesmann der er ist, natürlich das gemeinsame Glück des jungen Paares Belohnung genug. Allerdings… wenn Carl dem Priester einen kleinen Gefallen tun möchte…

Es ist nämlich so – Mortovia ist nicht nur Zyste am Furunkel des Arsch der Welt, sondern auch ein ziemlich braches und verlassenes Eiland, will sagen, es gibt nicht viel, was sich hier zu Geld machen ließe, und beim besten Willen kostet es halt die ein oder andere Krone, um den Betrieb am Laufen zu halten. Das, was die Kirche schickt, ist erstens zum Leben zu wenig und zum Sterben nicht unbedingt zu viel, und noch dazu kommt es meistens unpünktlich. Guru halt also ein ständiges Liquiditätsproblem, für das sich allerdings eine Lösung anbietet. Neuerdings ploppt ja in jeder Stadt, die was auf sich hält, eine neumodische Universität mit ihren medizinischen Ausbildungsfakultäten auf, und was diese Vereine brauchen, sind massenhaft Leichen, an denen sie herumexperimentieren können. Und wenn’s eines gibt, woran Guru und seine Kirche einen reichhaltigen Überschuss haben, sind’s die Leichen exekutierter Krimineller. Natürlich kann Guru als Kirchenmann nicht offiziell ins Leichenhandelsgeschäft einsteigen, aber unter der Hand hat er Kontakte geknüpft. Carl könnte hierbei hilfreich sein – er könnte Lieferungen überwachen, Zahlungen einholen, und, was ganz besonders nützlich wäre, in seiner Funktion als Gefängnisschreiber „vergessen“, den ein oder anderen Gefangenen in die Bücher einzutragen, denn die Leichen von Leuten, die nie offiziell auf der Insel eingetroffen sind, sind natürlich deutlich weniger riskant zu verhökern als die, für die es allen möglichen Papierkram gibt. Carl als gutem gläubigem Christenmenschen fällt es begreiflicherweise schwer, den Vorteil dieses Arrangements zu sehen, aber Guru lässt durchblicken, dass dieser etwaige Gefallen nicht wirklich fakultativ zu sehen ist. Notgedrungen schlägt Carl ein.

Damit ist Carl aber noch lange nicht im Besitz des Komatranks. Den hat Guru nämlich nicht selbst, er kennt nur jemanden, der ihn hat. Dieser jemand ist eine schauerliche Schreckgestalt namens Olga (Jacqueline Webb), und es bräuchte nicht der okkulten Symbole auf ihrer Halskette noch des ausschweigenden Kopfschmucks, um sie als eine Hexe zu klassifizieren. Jedenfalls hält alle Welt Olga für eine solche, und weil Olga nun wenig Neigung verspürt, vorzeitig auf einem Scheiterhaufen gegrillt zu werden, ist sie auf diese Insel gezogen, wo es keine Bevölkerung gibt, die mit Mistforken und Fackeln basic justice ausüben könnte, und gleichzeitig Father Guru seine schützende Hand über sie halten kann. Prinzipiell wäre Olga bereit, den Trank, ggf. auch in Pulverform für leichtere Darreichung, rauszurücken, aber natürlich stellt auch sie die Frage – was hat sie selbst davon? Eine Idee hätte sie schon… Olga ist so etwas wie eine Wissenschaftlerin und für ihre Experimente braucht sie Blut. Bislang arbeitet sie mit den vertrockneten, aber gerne mal verunreinigten Resten, die sie heimlich vom Richtblock kratzt, und Tierblut, aber um bei ihrer Arbeit wirklich weiter zu kommen, bräuchte sie die regelmäßige Versorgung mit einigermaßen frischen roten Saft. Wenn Carl im Rahmen seiner Verantwortlichkeit für die Ausführung der Hinrichtungen dafür sorgen könnte, dass die Leichen, sagen wir mal, ein halbes Stündchen liegen blieben, bis sie abgekarrt werden, könnte sie sich die benötigten Mengen Blut mit ihrer eigenen neuartig-genialen Methode abzapfen. Bei Leichendiebstahl geht Carl ja noch erzwungenermaßen mit, aber das geht ihm dann doch deutlich über jede christlich-katholische Hutschnur. Dann eben nicht, meint Olga, packt ihr Zauberpulver wieder ein und „Good day to you, Sir!“ Das passt Carl jetzt auch wieder nicht, und letztendlich siegen Liebe, Triebe, Schubiduu über religiös-moralische Bedenken. Carl bekommt das Pulver und kann es an Guru weitergeben.

Nun kann ernstlich an die Arbeit gegangen werden. Die neu eingetroffenen Gefangenen werden dem Priester vorgeführt. Als erstes bekommt ein diebisches Mädel namens Mara (Myschka), einen 50-Pfennig-Segen und ein Brandzeichen, das Guru mit sichtlicher Begeisterung zwischen die Glocken der Kriminellen dengelt. Das Verbrechen des nächsten Übeltäters, eines gewissen Hans (Irving Wetzmann, DER EQUALIZER, CROCODILE DUNDEE, DER VERRÜCKTE MIT DEM GEIGENKASTEN) ist so abartig, dass es Guru nur ins Ohr geflüstert werden kann (es hat wohl irgendwas mit Sex zu tun…). Auch Hans bekommt nen halben Segen und ein Brandzeichen, und dann wird Nadja vor den Priester geschleppt. Da sie zum Tode verurteilt ist, gibt es nicht nur fromme Wünsche von Demdaoben, sondern die Sterbesakramente, und die sind offenbar (meine Katholenzeiten sind lange her, ich hab da echt keine Erinnerung mehr aus Religions- oder Firmunterricht) mit einem kräftigen Schluck vom Heliigen Meßwein verbunden. Da Nadja mit dem Richtbeil ja schon gestraft genug ist, verzichtet Guru großmütigerweise auf das Branding (obwohl Nadja in gewissen BDSM-Kreisen damit sicher ganz weit vorn wäre…). Carl fliegt der Draht aus der Mütze – wasn nu mit dem Zauberpulver? Und überhaupt… wieso wird Nadja zum Richtplatz geschleppt? Es ist völlig unauffällig, wie Carl ausflippt und Guru nimmt ihn mal kurz beiseite. Er soll sich mal nicht so aufregen, das Pulver war im Meßwein, also kein Grund zur Veranlassung usw.

Auf dem Kirchhof, wo die Gefangenen zwecks weiterer Verarbeitung zwischengelagert werden, bricht Nadja dann auch zusammen und ist, so Gurus fachkundige Diagnose, mausetot. Carl, being the idiot that he is, kriegt wieder einen hysterischen Anfall (obwohl doch genau das der verfickte Plan war), und Guru ist kurz davor, die Geduld zu verlieren. Alles verläuft nach Plan, nur Carl stört – sein auffälliges Verhalten hat schon den ein oder anderen kritischen Blick seitens der restlichen Soldateska verursacht und jetzt einfach Nadja vom Leichenkarren zu pflücken, ist ob der entstandenen Aufmerksamkeit nicht mehr möglich. Congratulations, dickhead. Jetzt muss Nadja tatsächlich begraben werden. Zum Glück hat das Pulver die Nebenwirkung, dass die Delinquentin zehn Minuten ohne Sauerstoff auskommt, aber hat Carl sie dann nicht wieder ausgebuddelt, wird aus dem temporären Herzstillstand ein permanenter.

Wenigstens die Begräbnis- und Unbegräbniszeremonie funktioniert soweit, jedenfalls spielen sich dabei nach Milligans Ansicht keine filmreifen Szenen ab, so dass Guru Nadja wenig später in seiner Sakristei das Gegenmittel einflößen kann. Nadja ist ein wenig dreckig geworden (Särge erspart man sich für Kriminelle hierzulande), aber ansonsten nicht weiter beeinträchtigt. Wenn’s nach Carl ginge, würde er sich das Mädel jetzt unter den Arm klemmen und seiner Wege gehen, und Guru muss ihn an sein kleines Versprechen erinnern. Hier geht keiner, bevor Guru es nicht erlaubt hat. Nadja muss man eh erst mal unter Verschluss halten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Hierfür offeriert Guru großzügig den Südturm seiner Kirche, wo Igor (Jack Spencer), Gurus loyaler einäugiger Hunchback (3/3 for hunchbacks in Milligan movies!) es ihr schon gemütlich einrichten wird. Und Carl hat ja nun eine Aufgabe, z.B. gleich in die nächstbeste Stadt reisen und dort für eine Leichenlieferung 3000 Kronen kassieren (100 davon darf er selbst behalten, also würde ich mich an Carls Stelle nicht beschweren). Carl beschwert sich trotzdem – wie lang soll das Versteckspiel dauern? Guru schlägt eine Dienstzeit von ungefähr drei Monaten vor, was ich all-in-all für keinen schlechten Deal für eine hochgradig illegale Lebensrettung halte. Carl ist, wie gewohnt, minderbegeistert, aber Guru erklärt ihm, dass in dieser Welt nur vorwärts kommt, wer an sich selbst denkt, ein anderer wird’s nämlich nicht für ihn tun. Guru ist sich über die hypokritische Einstellung seinerseits durchaus im Klaren – er weiß, dass er Wasser predigt, an das er nicht mehr glaubt, und Wein säuft, aber die Zeiten sind schlecht, man keinem mehr trauen, und auch ein Priester ist sich selbst der Nächste, den’s zu lieben gilt.

Technisch gesehen soll GURU, THE MAD MONK ein Horrorfilm sein, bislang war’s aber allenfalls ein Kostümdrama. Also wird’s Zeit, dass wir uns mal mit eigenen Augen anschauen, was denn im kircheneigenen Strafvollzugskeller vor sich geht. Hans, dessen Verbrechen wohl in gewissen voyeuristischen Neigungen stand, werden die Augen ausgestochen (der Effekt hat Milligan in THE BODY BENEATH wohl gut genug gefallen, um hier wiederholt zu werden), der diebischen Elster Mara werden die Hände abgehackt, und ein Typ, der so aussieht, als hätte er schon ein paar Winter im Kerker verbracht und wäre dabei seines bescheidenen Restverstands verlustig gegangen, wird geköpft. Das alles sind natürlich Splattereffekte auf Andy-Milligan-Niveau, d.h. Herschell Gordon Lewis wirkt dagegen wie Tom Savini. Kaum haben sich Folterknechte und Scharfrichter verdrückt, taucht Olga auf, um ihre Blutproben abzhuholen. Und wie tut sie das? SIE LECKT SIE AUF! Die ist entweder nicht mehr ganz knusper oder hinter ihr steckt doch mehr als es den Anschein hatte.

Guru ist nicht entgangen, dass Igor, der bucklig und einäugig, aber nicht gänzlich blind ist, Nadja recht schnucklig findet. Fies, wie der Priester ist, macht er dem Hunchback erst mal Hoffnung, dass Nadja für etwaige Zuwendungen Igors empfänglich sein könnte, weil Carlchen ja meistens abwesend sein wird, nur um ihm dann mit der groben Pfanne überzubraten, dass ein mieser verunstalteter Klumpen Fleisch wie er nie eine Frau und schon gar nicht so was feines wie Nadja abbekommen wird. Bastard.

Das hindert Igor allerdings nicht daran, Nadja weiterhin mit Essen zu versorgen und Naddelein herself, nun, sie ist einsam… nicht einsam genug, of course, um Igor den Höcker oder andere Körperteile zu kneten, aber seine Freundin sein will sie trotzdem. Für Igor, der wie er ihr berichtet, als Kind gefesselt vor der Kirchenpforte ausgesetzt wurde, und Guru, der ihn aufgenommen hat, durchaus dankbar und loyal ist, ist das eine neue Erfahrung.

Guru himself überrascht uns indes mit einem couragierten Selbstgespräch vorm Sakristeispiegel. Wir erfahren – der Gottesmann hat eine zutiefst gespaltene Persönlichkeit, und das, was wir bislang kennengelernt haben, war actually seine GUTE Seite! Sein böses Ich lechzt nach Kontrolle und sein, sagen wir mal, weniger böses Ich hat alle virtuellen Hände voll zu tun, um die dunkle Seite zu begraben, und, wenn das nicht hinhaut, zumindest dessen Taten irgendwie zu vertuschen. Das böse Ich des Gurus informiert den Rest des Priesters, dass es immer stärker werde und es nicht mehr allzulang dauern wird, bis es stark genug ist, das Gute (well, das *relativ* Gute) in Guru mit Stumpf + Stiel auszumerzen. Gurus helle Seite gelobt einen harten Kampf.

Hin und wieder schlägt Carl zwischen seinen Errands für Guru auf und versichert der zutiefst verunsicherten Nadja, das alles in Ordnung und sie am denkbar sichersten Platz untergebracht sei. Dass man darüber eine längere Diskussion führen könnte, wird schon während Carls nächster Dienstreise deutlich.

Guru wird über einen Besucher unterrichtet. Der will nix Böses, ist nur ein Seemann, der ein paar Monate mit Wellen und Delfinen verbracht hat, und dessen gläubiger Seele es nun nach einer Hlg. Messe dürstet. Dem Manne kann geholfen werden, auch wenn ich stark davon ausgehe, dass Milligan sich hier ein bisschen vertut. Selbst der wohlmeinendste Katholenpfaffe wird nicht für einen hergelaufenen Seebären völlig außerhalb der Reihe eine Messe zelebrieren; was Milligan wohl meint und auch das ist, was die Bilder aussagen, ist, dass der Seemann die Kommunion empfangen will, und das lässt sich ja auch ohne den ganzen sonstigen Firlefanz bewerkstelligen. Während Seemann Lars (Ron Keith, VAPORS, FLESHPOT ON 42ND STREET) erwartungsvoll kniet, schleicht Guru sich hinter ihn, zückt einen Dolch und rammt ihm dem dussligen Gläubigen ins Gebälk. Igor kann die Leiche entsorgen. Kaum hat Guru sich wieder in seine Sakristei zurückgezogen, da wird schon wieder nach ihm geschickt. Jetzt ist es ein junges Mädchen, Christine (Julia Wills), die geistlichen Beistand benötigt. Sie ist, weil unerhört schwanger, und das vom lieben Papa, von daheim ausgebüxt und zu Fuß bis hier her gelatscht (was ich angesichts der Tatsache, dass Mortavia bekanntlich eine Insel ist, für eine reife Leistung und ein gottverdammtes Wunder halte). Gefallene Mädchen sind nicht unbedingt Gurus Spezialität, schon eher die von Olga. Guru entschuldigt sich, Olga erscheint und hypnosaftet Christine mit ihrer Halskette in Gefügigkeit. Dann entblößt sie ihre (muwa-ha-ahaaaaa) Vampirhacker (das schlimmste Zahnteil, das ich je gesehen habe, das schlägt sogar noch Colins Kauleiste aus THE GHASTLY ONES) und beraubt das arme Girl ihres wertvollen Lebenssafts. Und schon wieder zerrt Igor eine Leiche hinfort…

Unseligerweise – für Guru – gibt es jemanden, der einen hervorragenden Blick auf die einzige Pforte der Kirche und extrem viel Zeit hat, um aus dem Fenster zu starren – Nadja. Und der fällt durchaus auf, dass Menschen die Kirche betreten, aber sie nicht mehr verlassen. Carl, mal wieder auf Stippvisite, hält das für Einbildung, aber Najda ist sich sicher, was sie gesehen hat bzw. eben gerade nicht gesehen hat. Kaum ist er weg, versucht Olga Nadja zu hypnotisieren – um sie auszusaugen? Man weiß es nicht, und wird es auch nicht herausfinden, weil Igor in letzter Sekunde die Hexe wegreißt und Nadja sich dadurch aus dem Bann befreien kann. Igor bezahlt diese bodenlose Frechheit mit einer kleinen Kreuzigung unter Freunden (auch das hat Milligan in THE BODY BENEATH offenbar gut gefallen).

Guru hat indes ganz andere Sorgen. Ein Brief kündigt Besuch an, den der Priester nun überhaupt nicht brauchen kann – den Erzbischof Kopel (Frank Echols, ED WOOD), und der möchte Guru, wie sich dem Ankündigungsschreiben entnehmen lässt, herzlich gerne von seinen hiesigen Aufgaben entbinden und anderweitig einsetzen. Das kann Guru nun gar nicht brauchen, nicht zuletzt wegen Olga, die nirgendwo sonst hin kann und dass Gurus potentieller Nachfolger ihren vampirischen Gelüsten ebenso tolerant gegenüber steht wie er, ist nicht zu erwarten. Guru kann gar nicht großartig planen, denn Kopel ist schon da, und im Schlepptau hat er bereits den Neuen – Father Polanski (Gerald Jacuzzo, TORTURE DUNGEON, THE MAN WITH TWO HEADS). Das gibt Kopel die Gelegenheit, Polanski und uns ein paar genauere Einzelheiten über das hiesige Arrangement zu verraten. Die Insel wurde vor ein paar Jahrzehnten von der Pest überrollt und entvölkert. Als die Katholen dann hier die Kirche errichteten, übernahmen sie für praktisch ganz Mitteleuropa die Aufgabe, unerwünschte Subjekte hier einzukerkern und zu exekutieren. Sofern man davon ausgeht, dass es in begrenztem Umfang Sinn macht, den Vollzug der Todesstrafe an die Kirche outzusourcen, weil die Pfaffen den Delinquenten dann gleich letzte Ölung & Co. verabreichen können, kann man trotzdem diskutieren, was dann die nicht-letalen Bestrafungen angeht, die hier ja, wie schon gezeigt und auch von Kopel bestätigt, ebenfalls hier durchgeführt werden. Der Aufwand, einen Dieb, dem die Hand abgehackt werden soll, von Gottweißwo an den Arschderwelt zu karren, ihm dort die Flosse abzukloppen und ihn dann wieder zurückzuschiffen, erscheint mir nicht sonderlich effizient.

Kopel macht deutlich, dass die Entscheidung bereits gefallen ist und nichts, was Guru zu seiner Verteidigung anbringen könnte, zünden wird. Man weiß z.B. davon, dass er Olga hier Schutz und Sicherheit gewährt, und dass Guru in der Vergangenheit mit der Vampirhexe (well, dass sie Vampirin ist, dürfte der Bischof nicht wissen) ein Verhältnis pflegte! Während Kopel und Guru unter vier Augen debattieren, sieht sich Polanski ein wenig in seinem neuen Refugium um und stößt dabei auf Nadjas Versteck. Für Nadja ist Polanskis Auftritt ein Segen, denn endlich hat sie jemanden, dem sie ihre wüsten Anschuldigungen ans Bein nageln kann und der durchaus gewillt ist, schließlich hat Guru einen guten schlechten Ruf, sie zu glauben. Blöd nur, dass bei Guru nun endgültig die schwarze Seite die Überhand gewonnen hat und einem mordlustigen Psychopathen haben auch zwei ehrenvolle Gottesmänner nichts entgegenzusetzen. Polanski fängt sich einen Dolch ein und der alte Erzknackerbischof ist für einen im Blutrausch befindlichen Wahnsinnigen auch kein großes Hindernis. Der böse Guru will nun Nägel mit Köpfen machen und auch Nadja abmurksen. Igor gelingt es immerhin, Olga zu töten und versucht sein Bestes, um Guru aufzuhalten – dieweil Carl wieder erscheint und erst mal dumme große Augen macht ob des Pandemoniums, das sich vor selbigen Glubschern abspielt. Guru schubst Igor den Glockenturm hinunter, also muss Carl doch persönlich handgreiflich werden. Es gelingt ihm, Guru die Glockenschnur um den Hals zu wickeln und den Mordpriester daran aufzuhängen…

Auch wenn, um das vorwegzunehmen, GURU, THE MAD MONK (wir sehen mal entspannt darüber hinweg, dass Guru kein Mönch ist…) sicher der schwächste der von mir gesichteten drei Milligans ist, stecken auch in diesem Film ein paar gute Ideen, die eine bessere Umsetzung verdient hätten. Das Hauptproblem, das uns hier entgegenspringt, ist fraglos, dass in der knappen 60-Minuten-Laufzeit an allen Ecken und Ende die Zeit fehlt, angerissene Plotpunkte aufzugreifen und zu vertiefen. Es ist, als würde man uns quasi eine Reader’s-Digest-Version präsentieren, eine komprimierte Fassung, in der im Endeffekt alles zumindest mal kurz vorkommt, aber nichts davon Zeit zum Atmen hat.

Carls Dilemma, als gottesfürchtiger Mensch gegen alle moralischen, ethischen und religiösen Prinzipien verstoßen zu müssen, um seine Geliebte zu retten? Wird angerissen, aber nicht aufgearbeitet. Das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis von Olga und Guru? Wird angerissen, aber nie wirklich erklärt. Olgas Vampirismus? Ist da, aber keiner weiß, wie und warum. Gurus Schizophrenie? Wird plötzlich ins Prozedere geworfen. Die korrupte Verstrickung der Kirche in politische Angelegenheiten? Packt Milligan in einen Exploitation-Dump. Gore und Splatter? Wird en bloc in einer Zwei-Minuten-Sequenz in der Mitte serviert und kommen danach nicht wieder.

Einiges davon ließe sich ohne große Mühe in nicht unbedingt bahnbrechendes, aber für einen Low-Budget-Film brauchbares Drama formen, anderes könnte interessante philosophisch-moralische Fragen aufwerfen, deren Untersuchung lohnen könnte, und praktisch alles wäre geeignet, einen Plot am Laufen zu halten. Nur verzichtet Milligan eben auf einen Plot im Wortsinne – wie Ihr obigem Geschwafel sicherlich entnommen habt, entspinnt sich GURU, THE MAD MONK nicht in Form eines schlüssigen Narrativs, sondern in Form von „stuff happens followed by more stuff that happens“. Praktisch nichts entwickelt sich aus der Handlung heraus, sondern wird plötzlich irgendwann und irgendwo in den Film geworfen, weil Milligan seine entsprechende Checkbox auf seinem shooting schedule abhaken will (die 1:1-Reproduktion einiger Szenen aus THE BODY BENEATH spricht dafür) und er die unbedingt drin haben wollte, ganz egal, ob das jetzt Sinn macht oder nicht. Die logische Folge dieser Herangehensweise ist, dass nichts von dem, was Milligan uns auftischt, irgendeine Wirkung erzielt, sondern eben einfach „passiert“ und vom Zuschauer mit dem Äquivalent eines „gesehen/gelacht“ quittiert.

Nun ja, man muss auch ehrlich zugeben, dass die inhaltliche Ebene zwar verbessert werden könnte, aber die formale Ebene so besch…eiden ist, dass das dem Filmvergnügen auch keinen großen Zusatzgewinn mehr bescheren könnte. Wie schon oben gesagt, ist der Film ob der verwendeten 35-mm-Kamera sehr statisch fotografiert, was Milligans gewohntem Stil, eben mit viel Bewegung der handheld-Kamera zu arbeiten und dann auch über den (rumpeligen) Schnitt Tempo reinzubringen, nicht entgegenkommt; es fehlt ihm hier einfach die coverage, um in einer längeren Dialogszene irgendwohin schneiden zu können. Zudem ist der Film auch mal wieder sehr klaustrophobisch-eng fotografiert, und dafür gibt’s nen guten Grund. Milligans Location ist eine echte, durchaus in Benutzung befindliche Kirche auf Staten Island, umgeben von allerlei modernem Kram, und der Regisseur, wie stets seine eigener Kameramann, muss sich krampfhaft bemühen, die Shots so „eng“ zu halten, dass nichts Anachronistisches zu sehen ist… was ihm natürlich ein ums andere Mal misslingt. Die Kirche an und für sich ist natürlich viel zu neu und modern, um als Bauwerk aus dem 15. Jahrhundert durchzugehen, und wer mit mehr als nur einem Auge hinsieht, wird oft genug da einen Lichtschalter, da einen Kabelschacht, da ein modernes Treppengeländer erspähen… (und ich will gar nicht über den Motorroller reden, der in der Szene, in der Kopel Polanski vor der Tür der Kirche die Zusammenhänge erklärt, in gleich mehreren Shots deutlich sichtbar im Bild steht).

Die Kostüme sind wieder mal albern – herausragende Beispiele sind Olgas Fummel und die Fetzen, in die man Igor gehüllt hat, aber auch die Mitras sind bemerkenswert, wie auch die Kasperlhosen Carls. Dagegen wirken die Inquisitorenkostüme regelrecht authentisch…

Die Make-up-Effekte sind furchtbar, besonders Igors Matscheauge ist ein Meisterwerk aus was-auch-immer-Milligan-da-für-Spielzeugpaste-aufgetrieben-hat.

Das Darstellerensemble… suckt. Neil Flanagan als Guru ist, immerhin, wie Kollege El Santo es ausdrückte, so oft in Milligan-Filmen aufgetreten, dass er beinahe gut darin geworden ist. Die Betonung liegt auf „beinahe“. Judith Israel ist extremely cute, aber schauspielerisch ungefähr so begabt wie mein Bürolocher, aber noch eine legitime Academy-Award-Anwärterin gegen Paul Lieber – dass ausgerechnet der, nach sieben Jahren Pause, in denen er offenbar geübt hat, TV-„Karriere“ gemacht hat, ist ein weiteres Wunder, bewirkt vom Heiligen Bimbam persönlich. Jacqueline Webb als Olga ist ebenfalls nur als abschreckendes Beispiel brauchbar. Jack Spencer müht sich als Igor redlich darum, das Klischee des liebenswerten Hunchbacks zu erfüllen. Frank Echols ist als Kopel milde amüsant, Gerald Jacuzzo als Polanski reichlich furchtbar.

Julia Mills erhält ein Sonderlob dafür, dass sie zumindest versucht, straight-faced zu spielen, dass ihr Charakter noch nie auf die Idee gekommen ist, aus ihrem Namen Christina die Verbindung zu Christus zu ziehen…

Der Print in der Milligan-Grindhouse-Box von Retromedia ist, wie üblich, in anamorphem 1.66:1-Widescreen gehalten, weniger ramponiert als der von THE GHASTLY ONES und mehr ramponiert als der von THE BODY BENEATH. Generell ist der filmische „Look“ dank der 35-mm-Fotografie etwas besser als bei den 16-mm-Wundern des Meisters. Der Ton ist brauchbar, aber wieder sehr leise.

Die Box beinhaltet neben den drei Filmen auch noch deren Trailer, eine Milligan-Bildergalerie und eine kurze Featurette, in der Tom Vazzo, der bei den Westcoast-Filmen Milligans als Still Photographer mit von der Partie ist, durchaus unterhaltsam über seine Erfahrungen mit Milligan und seinem Arbeitsstil berichtet.

Der Film selbst, abschließend gesprochen, ist nicht gut – sicher nicht das „schlechteste, was je gedreht wurde“ (allein vom handwerklichen Standpunkt ist THE GHASTLY ONES sicher deutlich schlimmer, aber dafür hat der halt einen dort ausführlich geschilderten Effekt, von dem GURU nur träumen kann), jedoch größtenteils langweilig und statisch, mit zu seltenen Ausbrüchen in den schieren Wahnsinn, um wenigstens den Trashfreund bei Laune zu halten. Auch hier hat Milligan sicher wieder ein paar interessante Ideen, aber nicht die Möglichkeiten, diese wirklich in einer Form umzusetzen, die im positiven oder negativen Sinn (wir hier bei badmovies.de nehmen bekanntlich beides) auffallen und für Unterhaltungswert sorgen könnten. Mehr als die cuteness von Judith Israel hat der Film letztlich nicht zu bieten.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 3


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