Guardians

 
  • Deutscher Titel: Guardians
  • Original-Titel: Zashchitniki
  •  
  • Regie: Sarik Andreasyan
  • Land: Russland
  • Jahr: 2017
  • Darsteller:

    Anton Pampushnyy (Arsus), Sanjar Madi (Khan), Sebastian Sisek (Ler), Alina Lanina (Xenia), Valeriya Shikrando (Mayor Elena Larina), Vyacheslav Razbegaev (General Dolgov), Stanislav Shirin (August Kuratov), Aleksandr Komissarov (Viktor Dobronravov)


Vorwort

Die Demonstration einiger neuartiger autonomer Kampfroboter auf einer russischen Militärbasis gerät erwartungsgemäß – weil die Russen wohl nie „RoboCop“ gesehen haben – zu einem Desaster ersten Ranges. Die Basis wird von den Robotern zerstört und die Maschinen selbst dampfen mit dem Superschurken August Kuratov ab.

Der ist ein zu Sowjetzeiten in Ungnade gefallener Wissenschaftler, der im Rahmen des Geheimprojekts „Patriot“ an einer Universal-Fernsteuerung für jegliche technische Geräte feilte, aber gegen die Genexperimente seines Kollegen Dobranravov den Kürzeren zog, dessen Forschungen stahl und selbst unmenschliche Genexperimente an humanen Versuchskaninchen durchführte. Als man ihm endgültig den Strom abdrehen wollte, arrangierte Kuratov eine Explosion, durch die er zu einem superstarken (und nicht besonders hübschen) Mutanten wurde.

Nun ist Kuratov also im Besitz von Superwaffen. Da können nur noch seine früheren Experimente helfen, die aber seit gut 40 Jahren untergetaucht sind. Mayor Larina wird damit beauftragt, die damaligen Probanden aufzuspüren und zum Kampf gegen ihren Erschaffer zu überreden. Ler, der telekenetische Macht über alles aus Stein hat, Speedster Khan, Xenia, die sich unsichtbar machen kann (aber an ihre Vergangenheit als Versuchskaninchen keine Erinnerung hat) und Arsus, der sich in einen superstarken Bären verwandeln kann, willigen ein, hat ihnen Kuratov doch jede Chance auf ein normales Leben genommen (und sei’s darum, weil die Herrschaften nicht mehr altern).

Wie’s im Leben halt so ist, geht der erste Versuch, Kuratovs Hauptquartier, wo der sich von einer Armee willfähriger Klone bewachen lässt, total in die Binsen. Kuratov bricht Ler das Rückgrat und nimmt die anderen drei „Guardians“ gefangen, hätte er doch nichts dagegen, wenn die Superhelden sich unbürokratisch der ungerechten Sache anschließen würden. Großzügig räumt der Schuft seinen Gefangenen Bedenkzeit ein, dieweil er mit seinen Klonen und mittels seiner Fernsteuerung geklauter Armee-Panzern Moskau überfällt (er ist auch schlau und tut’s im Sommer, ähm).

Zum Glück für „Patriot“ taucht Dobranravov wieder auf und bringt Ler wieder auf die Beine, während es Larina gelingt, Arsus, Xenia und Khan zu befreien. Bleibt die Frage, was Kuratov eigentlich vor hat. Aber der Bösmann lässt die Guten nicht lang im Dunkeln tappen – er kapert die vergessene Weltraumwaffe „Hammer“ und baut sich aus dem Moskauer Fernsehturm, nach leichten Umbauarbeiten in der Moskauer Stadmitte, eine Riesenantenne, um mit Hilfe seines neuen Fernsteuerungsmodul die Kontrolle über sämtliche technischen Apparate der Welt zu übernehmen. Die „Guardians“ müssen sich also was einfallen lassen…


Inhalt

Superhelden! Die gibt’s nicht nur in Amerika und nicht nur von DC und Marvel. Auch im Land von Balalaikas, Vodka und Gulags macht man sich Gedanken um Leute mit Superkräften, und da muss es nicht mal der „Red Son of Krypton“ sein (eine der zahlreichen Alternativweltgeschichten um Schnupie).

Als vor anderthalb-zwei Jahren so um den Dreh der Trailer von „Guardians“ sich viral ins nichtsahnende Netz ergoß, sorgte das schon für den ein oder anderen anerkennenden Kopfnicker. Das sah auf den ersten Blick im 2-3-Minuten-Formatt schon ziemlich nach HOLLYWOOD!11 aus, und, meine Güte, ein Superheldenteam mit einem Super-Bären? Wie könnte man das nicht lieben wollen?

Wie so oft stellt sich nach tatsächlicher Betrachtung der Angelegenheit gewisse Ernüchterung ein und das hat nicht nur mit dem immer wieder von mir beobachteten Phänomen zu tun, dass russischen Blockbuster im „look’n’feel“ immer so fünf Prozent zu einer richtigen US- (oder Euro-)Produktion fehlen (das ist irgendwie so ’ne uncanny-valley-Geschichte, ich kann’s an nichts konkretem festmachen, aber zeigt mir einen Dreißig-Sekunden-Filmausschnitt aus einem russischen Film, ohne mir die Herkunft zu sagen, und ich bin ziemlich sicher, ich erkenne das), sondern auch daran, dass „Guardians“ nicht wirklich einen großartig anderen Blickwinkel auf das Superhelden-Genre richtet als der 21. Marvel-Film. Und wie ich auch im Zusammenhang mit dem neueren Hongkong-Kino oder den geschliffenen aktuellen Big-Budget-Bollywood-Kloppern schon schrob – ich brauche nicht noch MEHR Filmindustrien, die einfach Hollywood kopieren und dabei die eigenen kulturellen und filmhistorischen Gegebenheiten vergessen.

Aber genug der allgemeinen Jammerei, hin zum speziellen Gemecker. Es hat schon seine Gründe, warum die wirklich erfolgreichen Superheldenfilme solche sind, die auf etablierten Properties aus anderen Medien (bevorzugt eben dem Comic) aufsetzen (der letzte „original superhero“ für’s Kino war wohl „Hancock“, und der spielte zwar einen Batzen Geld ein, aber niemand schrie und schreit danach, dass man daraus dringend ein Franchise hätte machen müssen). Marvel ist es zwar gelungen, auch aus second- und third-tier-Charakteren wie den Guardians of the Galaxy, Ant-Man, Black Panther und – mit Abstrichen – den Helden der Netflix-Shows, erfolgreiche Bestandteile des MCU zu machen, aber auch wenn der einzelne Kinogänger vielleicht vorher nicht wusste, wer Rocket Raccoon ist, wusste er, dass sie innerhalb eines etablierten Kontextes „funktionieren“, eine Menge an eigener Lore mitbringen und eben in einem bereits aufgebauten Universum eingeführt wurden (das MCU mit „Ant-Man“ zu starten, hätte wohl nicht geklappt).

„Guardians“ hat eben diesen Goodwill nicht und muss sich auf eigene Faust das Interesse und die Leidenschaft des Zuschauers erkämpfen. Und das klappt nicht, weil, um’s salopp auf Englisch zu sagen „we don’t give a shit ‚bout the characters“. Wir kennen diese Typen nicht, der Film macht nicht wirklich interessante Dinge mit ihnen, und wir haben schlussendlich keinen Grund, warum wir uns emotional mit diesem Team verbinden sollen. Prinzipiell ist es zwar ganz sympathisch, dass „Guardians“ das Origin-Gedöns, das uns bei jedem neuen „Spider-Man“ oder „Fantastic Four“-Reboot tierisch auf die Genitalien geht, äußerst knapp hält und das Team schon nach gut 20 Minuten beisammen ist und in den ersten Einsatz zieht, aber die Kehrseite ist halt auch, dass wir die Figuren quasi „fertig“ bekommen. Als Comic-Nerd mag man über Origin-Storys stöhnen (und natürlich ist es nicht nötig, bei jedem Relaunch eines Charakters wieder bei Adam und Eva anzufangen. Selbst der letzte Pygmäe im Busch der Serengeti weiß inzwischen, wer Clark Kent und Superman ist, dass Bruce Wayne Batman wurde, weil seine Eltern erschossen wurden, und das Peter Parker vom wilden Affen, äh, der wilden Spinne gebissen wurde), aber um komplett neue Charaktere aufzubauen und sie dem Publikum „relatable“ zu machen, ist es schon unabdingbar, dass wir irgendwie mitbekommen, wer diese Leute einmal waren, wie sie zu dem wurden, was sie jetzt sind, und wie sie damit umgehen. „Guardians“ handelt die Transformation der Charaktere in einem zweiminütigen Expositions-Block ab, und bemüht sich dann im Nachhinein, ein wenig Melodrama und Pathos in die Figuren zu bringen (was natürlich auch aus einem zweiten Grund, für den der Film an sich aber nichts kann und auf den ich deshalb weiter unten eingehen werde, nicht klappt), ohne Erfolg, allerdings, denn trotz dieses krampfhaften Versuchs, aus eindimensionalen Pappkameraden, die ausschließlich über ihre Superfähigkeiten definiert werden (wer braucht ’ne Persönlichkeit, wenn er telekinetisch Steine werfen kann? Damit ist man bei jeder 1.-Mai-Kundgebung sicher gut gebucht), echte, greifbare Charaktere zu machen.

Das liegt natürlich auch daran, dass der Streifen (für ein Budget von knapp 5 Mio. US-Dollar gedreht, was schon gewissen Respekt abverlangt) mit 89 Minuten recht kurz geraten ist, um die Origin-Story eines Helden-Team-ups abzuhandeln und nebenher noch ’ne rasante Actionstory zu erzählen. Auch da – es hat schon wieder seine Gründe, warum der typische „Avengers“-Film zweieinhalb Stunden braucht. In der Kürze liegt zwar die Würze, doch dadurch kommt eben weder der Origin-Part noch Kuratovs Masterplan richtig zur Geltung (das führt auch zu Stilblüten wie, dass Kuratov seinen Angriff gegen Moskau führt, bevor die Bedenkzeit für die gefangenen Guardians abläuft, was wiederum Larina überraschend einfach – und ohne Superkräfte – erlaubt, die Gefangenen zu befreien). Und so richtig aus dem Keks, was genau Kuratov mit der Weltraumwaffe vor hat, kommt das Script auch nicht.

Von den technischen Aspekten her ist „Guardians“ ordentlich – die CGI schwankt zwischen ziemlich eindrucksvoll bis najaaaaokeeeeh (besonders die Animation von Arsus‘ Bärengestalt wird im Filmverlauf gefühlt immer schlampiger), wobei die Visualisierungen der Superkräfte von Ler, Xenia und Khan gefällig sind. Das Halb-Monster-Design Kuratovs ist ebenfalls manierlich. Und, Ehre, wem sie gebührt, die Sequenz, in der Kuratovs ferngesteuerte Hubschrauber- und Panzer-Flotte den Moskauer Fernsehturm erst kappt und dann durch die Stadt transportiert, ist ziemlich beeindruckend. Sarik Andreasyan (der auch schon in den USA tätig war und dort „American Heist“ inszenierte) holt aus dem überschaubaren Budget ’ne Menge Bang für den Rubel. Die Actionszenen sind ordentlich (auch wenn das Finale ganz auf den großen CG-Overkill setzt und mit hand-to-hand-combat eher geizt), und da Kuratov ja nicht mit „richtigen“ Menschen als Handlangern arbeitet, sondern mit Klonen, kann auch der Body- bzw. Clone-Count in recht alpine Höhen getrieben werden.

Auf Darstellerseite sind Sebastian Sisak („Drift“) als Ler und die durchaus aufregende Alina Lanina (gut beschäftigte russische TV-Aktrice) als Xenia herauszuheben, wohingegen Anton Pampushnyy („Mädchen im Eis“, „Der 7. Tag“) als Arsus und Sanjar Madi („Hunting the Phantom“) eher blass bleiben (aber eben auch vom Drehbuch im Stich gelassen werden). Stanislav Shirin könnte als Oberbaddie für mich deutlich mehr auf die Overacting-Schiene setzen und wer sich je gefragt hat, wie ein magersüchtiger Brigitte-Nielsen-Klon ausfallen würde, wird bei Valeriya Shkirando fündig.

Ich hab ein paar Absätze weiter oben erwähnt, dass „Guardians“ an einem Problem leidet, für das der Film selbst nichts kann, und das ist die ursprüngliche deutsche Synchronfassung. Unter der Maßgabe, dass ein Film mit einem Bären in einem Superhelden-Team unmöglich ernst gemeint sein kann, ließ Verleiher Capelight eine Comedy-Synchro anfertigen und tut dem Streifen damit absolut keinen Gefallen. „Guardians“ ist nunmal nicht als Komödie gemeint, und die Eindeutschung ist dann noch nicht mal konsequent im Sinne einer Rainer-Brandt-Synchro, sondern haut einfach in gewissen Abständen ultradoofe Sprüche rein, die nie im Leben nie nicht zu den Szenen passen. Ein paar „Gags“ gefällig:

„Haben Sie noch Fragen, Major Latrina?“ – „Ich heiße Larina. Keine Fragen, aber ich muss mal auf die Toilette.“

„Die Operation heißt Defloration. Schnell rein, schnell raus, viel Blut hinterlassen“.

Logisch, dass die Originalfassung an der Stelle von Witzen weiten Abstand nimmt (und das kann man sogar ohne Russischkenntnisse überprüfen, da die Untertitel – Zeus sei’s getrommelt und gepfiffen – sich an die russische Fassung halten). Außerdem befleißigt sich die Synchro noch völlig unangebrachter Referenzen an die „X-Men“ und „Deadpool“ (Khans Bruder, den er nach Erhalt seiner Superkräfte versehentlich umgebracht hat, heißt nach dem Willen der deutschen Synchroverbrecher „Wade Wilson“), und an der Stelle, in der man in der Originalfassung zumindest eine gewisse Vorstellung von Kuratovs Plan erhält, ist die deutsche Version mit Phallus-Witzen beschäftigt.

Immerhin – aufgrund energischer Proteste der zahlenden Kundschaft sah sich Capelight genötigt, eine ernsthafte Synchronfassung anfertigen zu lassen und eine neue Version mit beiden Synchros auf den Markt zu bringen (natürlich muss man die extra kaufen, ne)…

Aber in letzter Konsequenz ist das auch ein Streit um des Zaren Bart – „Guardians“ ist zwar ansehbar, aber auch kein derartiger Burner, dass man ihn unbedingt in zwei Versionen in seinem Schrank braucht. Man wird 90 Minuten lang einigermaßen kurzweilig unterhalten, aber sonderlich im Gedächtnis behalten wird man ihn nicht. Zwar teasert der Film ein Sequel an, händeringend warten wird man da drauf aber nicht – schon allein, weil bis dahin die nächsten fünf Marvel-Filme in den Kinos gelaufen sein sollte…

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 5


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