Grizzly

 
  • Deutscher Titel: Grizzly
  • Original-Titel: Grizzly
  •  
  • Regie: William Girdler
  • Land: USA
  • Jahr: 1976
  • Darsteller:

    Christopher George (Michael Kelly), Andrew Prine (Don Stober), Richard Jaeckel (Arthur Scott), Joan McCall (Allison Corwin), Joe Dorsey (Charley Kittridge), Kermit Echols (Corwin), Tom Arcuragi (Tom), Victoria Anderson (Gail), Kathy Rickman (June)


Vorwort

Ein ganz normaler Nationalpark, irgendwo in den USA… Camper und Hiker bevölkern die Wälder, gefährliche Tiere wurden in die höhergelegenen Regionen vertrieben. Und doch… zwei junge Camperinnen werden getötet und alles sieht danach aus, als hätte sich ein Meister Petz dazu entschlossen, leckere Menschen auf seinen Speiseplan zu setzen.

Park Ranger Kelly, in dessen Verantwortungsbereich gefräßige Bären fallen, geht wenig später auch noch einer seiner Rangerinnen verlustig und drängt auf eine Schließung des Parks. Natürlich hält Park-Direktor Kittridge von dieser Idee eher wenig, sieht er doch öffentliches Krisenmanagement als exzellente PR-Möglichkeit und Eintrittskarte in höhere politische Sphären. Kittridges Lösung besteht daher darin, die Jagd auf den Bären freizugeben. Schießwütige Hillbillys passen nun wiederum Kelly nicht in den Kram (man kommt auf den Gedanken, Kelly würde am liebsten die Gegend im 100-Meilen-Radius evakuieren und dann eine Atombombe drauf werfen).

Kellys Sorge erweist sich zumindest im Hinblick auf die Jäger als unbegründet, denn die erlegen nicht mal ein freifliegendes Rotkehlchen, für den Bodycount sorgt ausschließlich der Bär, nach Ansicht des lokalen Waldschrats Scotty ein mutmaßlich vier Meter hoher Grizzly. Nachdem Kelly zwischendurch temporär gefeuert wird und sich im Selbstmitleid suhlt, sorgt ein Grizzly-Angriff auf eine alleinerziehende Mutter und ihr Kind für einen Stimmungswechsel. Kittridge knickt ein, Scotty macht sich auf eigene Faust auf in die Wälder und Kelly sattelt einen Helikopter für die Bärenjagd.


Inhalt

Nach dem großen Erfolg von „Jaws“ war es nur eine Frage der Zeit, bis geschäftstüchtige Epigonen auf den Gedanken verfielen, der Spielbergschen Fischsuppe nachzueifern. David Sheldon und Harvey Flaxman waren die schnellsten Nachzieher. Sie kloppten in acht Tagen ein Drehbuch herunter, verpflichteten William Girdler, mit dem Sheldon gerade „Project: Kill“ realisiert hatten und schon ein paar Wochen später befanden sich die Komplizen in der Pre-Production.

Für weniger als eine Million Dollar in einem Vier-Wochen-Shoot gedreht, wurde „Grizzly“ kein Lieblingsfilm der Kritiker, die in ihm primär das „Jaws“-Rip-off sahen, das er im Grunde natürlich auch war, aber das Publikum liebte den Streifen, der allein in den USA fast 40 Millionen Dollar einspielte, bis zum Release von „Halloween“ die Krone des erfolgreichsten Independent-Films stolz trug und, wie Flaxman und Sheldon sich gern erinnern, auch international, besonders in Japan und Deutschland, prima lief. Ihren wohlverdienten Anteil am Reibach mussten die Produzenten von ihrem Vertriebspartner, dem Raffke Edward Montoro, zwar erst in einem aufwendigen Prozess einklagen, aber, vor allem natürlich mit einem Sieg nach allen Regeln der juristischen Kunst im Rücken, erinnern sich die Herren noch heute gerne an ihre Zeit mit „Grizzly“.

Und das können sie auch durchaus guten Gewissens tun, den von allen „Jaws“-Nachziehern ist der erste tatsächlich auch einer der besseren, auch weil er entgegen landläufiger Überzeugung kein so direktes Plagiat ist, wie behauptet wird. Klar, natürlich gibt es gewisse Ähnlichkeiten, denn, wie auch Flaxman zugibt, gibt’s halt nur eine recht überschaubare Anzahl Szenarien für einen Tierhorrorfilm, erst recht, wenn es sich bei der animalischen Bedrohung um ein einzelnes Tier handelt. „Grizzly“ ist, wie auch Girdlers späterer Nachzieher „Day of the Animals“ ziemlich reduziert. Mit Familiengedöns Marke Spielberg hält er sich nicht auf, hier geht’s nur und ausschließlich um den Grizzly, und Kellys Love Interest darf zwar ein paar emanzipierte Sätze nuscheln, aber wenn ihr Park-Ranger-Lover sagt, sie soll sich gefälligst aus der finalen Jagd auf den Grizzly raushalten, dann tut sie das auch. Das von Spielberg aufgebrachte und oft kopierte „Evil Capitalist/Evil Policitican“-Plotdevice wird aufgebracht, spielt aber keine wirklich große Rolle, und, worauf ich eigentlich voller Überzeugung gewartet hatte, es gibt keinen „falschen“ Bären, der so zur Mitte des zweiten Akts erlegt wird und die Lage vermeintlich beruhigt. Wo „Jaws“ und „Grizzly“ recht starke Ähnlichkeit aufweisen, ist im Finale – die Jagd des Protagonisten mit wenigen (zwei) Getreuen, von denen einer (Scotty) ein typischer Quint-Charakter ist, aber, wie gesagt, es gibt nun mal nicht so viele verschiedene Arten, einen Tierhorrorfilm enden zu lassen (und mit „Day of the Animals“ stellte Girdler zwei Jahre später unter Beweis, dass er auch anders kann).

„Grizzly“ wird von Girdler in ordentlichem Tempo vorgetragen (wir halten allerdings im Auge – es sind die 70er, und da nahm man sich grundsätzlich etwas mehr Zeit als im Zeitalter der Michael-Bay-eine-halbe-Sekunde-ist-viel-zu-lang-für-einen-Shot-Schule), es gibt kaum Leerlauf, da praktisch alles, was sich zwischen den Grizzly-Attacken abspielt, maßgeblich und direkt mit der bärigen Bedrohung zu tun hat. Das Script erlaubt sich sogar einen kurzen Ausflug in Richtung Medienkritik, wenn Kelly einen sensationslüsternen Reporter (gespielt von Flaxman himself) maßregelt, das ist aber so ziemlich der einzige Abstecher in Gefilde, die nicht per se mit dem Bären zu tun haben. Okay, ich hab mich lang darum gedrückt, jetzt also zum Bären selbst. Der wird von einem echten Grizzly (dem größten in Nordamerika in Gefangenschaft gehaltenen, behaupten die Macher) gespielt und war faktisch nicht trainiert, mehr als auf Kommando hin- und her laufen konnte er eigentlich nicht. Begreiflicherweise war das Tierchen daher für direkte Interaktion mit Schauspielern oder auch nur Stuntmen nicht geeignet – mehr als second-unit-Stuff, der den Bären beim Laufen, Aufrichten und Tatzen wedeln filmt, und den man dann in die Szenen mit den Schauspielern reinschneidet, war mit dem Viech nicht anzufangen. In getreuer „Jaws“-Tradition hatte die Produktion auch einen mechanischen Bären, der aufgrund der harschen Witterungsbedingungen (obschon der Film im Sommer spielt, wurde im Winter gedreht) nicht funktionierte. Für die Szenen, in denen eine Bärenklaue tatsächlich einen leibhaftigen Schauspieler tätschelt, muss dann wohl doch der gute alte Mann im Bärenkostüm zuständig gewesen sein. Will sagen – die Bärenangriffe sind nicht sonderlich überzeugend: second-unit-Bär, Schnitt auf kreischendes Opfer, Schnitt auf second-unit-Bär, Schnitt auf Prop-Bärenklaue und blutendes Opfer. 1976 hat das sicher noch gereicht, um das Publikum ordentlich zu erschrecken, vierzig Jahre später ist das dann doch schon etwas schwerer (um „Day of the Animals“ wieder heranzuziehen – es ist halt doch einfacher, mit etwas „handlicheren“ und trainierteren Tieren zu arbeiten). Die Make-ups sind für einen Mainstreamfilm recht blutig (wobei sich die Künstler bei den ersten Kills verausgaben, später reicht’s dann manchmal nur noch für ein paar Blutspritzer im Gesicht) und immerhin, auch Kinder sind fair game (der kurioseste Effekt ist aber fraglos der, in der der Grizzly ein Pferd köpft).

Schauspielerkino ist „Grizzly“ natürlich nicht gerade. Christopher George wirkt etwas lebendiger als in „Day of the Animals“, Richard Jaeckel ist patent als Naturbursche Scotty, Andrew Prine (jüngst noch in Rob Zombies „Lords of Salem“ zu sehen) ist hauptsächlich für die (von ihm improvisierte) Backstory zuständig. In Nebenrollen verdingen sich Penthouse-Pet Victoria Johnson (als erstes Opfer des Bären, auch in der von mir heftig gesuchten Ultragraupe „Starship Invasions“ am Start) und der routinierte character actor Joe Dorsey („Das Philadelphia Experiment“, „War Games“).

Von Girdlers Tierhorrorfilmen ist „Day of the Animals“ sicher der bessere und originellere, aber „Grizzly“ bringt für einen schnell konzipierten und realisierten „Jaws“-Nachzieher auch ordentlich Frohsinn. Zusammen mit „Jaws“ stellt der Streifen sicherlich die Blaupause für fast alle „nature-strikes-back“-Tierhorrorfilme dar, und im Vergleich zu Spielberg punktet „Grizzly“ für Puristen durch seinen no-nonsense-hier-geht’s-nur-um-den-Killerbären-Approach. Kein Wunder, dass gerade die Japaner auf den Film abfuhren, er ist fast so was wie ein amerikanischer kaiju…

3/5
(c) 2016 Dr. Acula


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