- Deutscher Titel: Goké - Vampir aus dem Weltall
- Original-Titel: Kyuketsuki Gokemidoro
- Alternative Titel: Goké - Bodysnatcher from Hell |
- Regie: Hajime Sato
- Land: Japan
- Jahr: 1968
- Darsteller:
Teruo Yoshida (Sugisaka), Tomomi Sato (Kazumi), Eizo Kitamura (Mano), Hideo Ko (Teraoka), Kathy Horan (Mrs. Neal), Yuko Kusunoki (Noriko), Kazuo Kato (Dr. Momotake), Nobuo Kaneko (Tokuyasu), Masaya Takahashi (Saga), Toshihiko Yamamoto (Matsuyima)
Vorwort
Auf einem spärlich besetzten japanischen Inlandsflug erhalten die Piloten plötzlich eine Warnung vom Tower – es gab eine Bombendrohung gegen das Flugzeug. Co-Pilot Sugisaka nimmt eine persönliche Überprüfung des Handgepäcks in Angriff und stellt fest, dass seine Passagiere ein kurios zusammengestellter Haufen sind – Gozo Mano ist ein einflussreicher Politiker, Tokuyasu ein Waffenfabrikant, dessen Frau Noriko mit Mano eine recht un-heimliche Affäre führt. Die Amerikanerin Mrs. Neal ist unterwegs, um die Leiche ihres in Vietnam gefallenen Manns abzuholen, außerdem sind noch der Psychologe Dr. Momotake, der Weltraumbiologe Saga und ein junger Mann namens Matsuyima und ein geheimnisvoller Herr mit Sonnenbrille an Bord, der eifrig Verdacht auf sich lenkt. Währens Sugisaka zwar keine Bombe, aber in einem vermeintlich herrenlosen Koffer ein Gewehr findet, werden die Passagiere durch suizidal veranlagte Vögel, die sich gegen die Fenster der Maschine schmettern, ins Bockshorn gejagt.
Der Sonnenbrillenmann entpuppt sich als Terrorist und Flugzeugentführer – er hat gerade den britischen Botschafter erschossen und plant nun die Flucht nach Nordkorea. Wird allerdings nichts, da die Maschine unerwartet mit einem unbekannten Flugobjekt beinahe kollidiert. Dem Piloten gelingt eine halbwegs erträgliche Bruchlandung – nur er selbst kommt ums Leben, der Rest kommt mit dem Schrecken davon. Leider hat der Terrorist die Funkanlage zerstört, so dass kein Notruf möglich war, und auf sein Geheiß wurde der Kurs geändert. Niemand weiß also, wo die Maschine runtergekommen ist, jedenfalls aber ziemlich weit weg vom Irgendwo. Dr. Momotake ist begeistert – es wird sich die Gelegenheit für eine erstklassige Feldstudie in Sachen menschliches Verhalten in Extremsituationen auftun, und der Psychofritze erwartet nichts anderes, als dass eher früher oder später alle tot sind. Das baut auf, zumal bis auf eine Flasche Whiskey auch nichts trinkbares an Bord ist und, da kurzer Inlandsflug, auch kein Happa-Happa.
Der Terrorist greift sich Stewardess Kazumi als Geisel und versucht stiften zu gehen, stolpert jedoch über das gelandete außerirdische Raumschiff und wird von dessen Insassen, gallertartigen, unförmigen Aliens, übernommen. Sugisaka findet Kazumi unter Schock, der Terrorist ist allerdings erst einmal verschwunden. Momotake hypnotisiert Kazumi, die so von ihren Erlebnissen berichtet. Das führt zu Aufruhr unter den Überlebenden und mehr oder weniger aus Versehen stürzt Momotake, bedrängt von Matsuyima (der, wie von Sugisaka korrekterweise verdächtigt, der Eigentümer der zwischenzeitlich von ihm versteckten Bombe ist), einen Abhang hinunter und wird für tot gehalten. Tot ist er aber wenig später, weil er vom Terroristen, der nun eine vulvaförmige Wunde auf der Stirn trägt, durch die sein außerirdischer Parasit in ihn eingestiegen ist, vampirisch belangt wird.
An Bord der Unglücksmaschine wird die Lage immer verzweifelter – Allianzen zwischen den Überlebenden bilden und verschieben sich. Tokuyasu enthüllt, dass er Mano, der sich, ganz Politiker, stets dem anschließt, der momentan die brauchbarsten Ideen zu haben scheint, seit Jahren im Gegenzug für politische Gefälligkeiten bestochen hat, dieweil Saga seinen Gefährten erklärt, dass die Idee, Aliens könnten auf der Erde gelandet sein, überhaupt nicht weit hergeholt, vielmehr sogar hochgradig wahrscheinlich ist. Noriko wird temporär von den Aliens übernommen und verkündet als deren Botschafterin, dass die Eindringlinge sich anschicken, die Erde zu erobern und dabei die Menschheit zu vernichten.
Es gelingt Sugisaka, den Terroristen-Alien zu töten, doch das schaltet nur den Wirtskörper aus. Der schleimige Alienparasit sucht sich schnell ein neues Opfer…
Inhalt
Man reduziert den japanischen Genre-Film gerne auf die Monsterbalgereien von Toho & Co., und im Großen und Ganzen ist das auch nicht völlig verkehrt – eine gewisse Grundnaivität kann man den meisten japanischen SF- und Horrorfilmen nicht absprechen, und sei’s aufgrund ihrer oft genug durchschaubaren Effekte. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Freunde aus dem Land der aufgehenden Sonne sich nicht nur mit Godzilla und anderen man-in-suit-Monstern befassten, diese Klopper waren wegen ihres Appeals für Kinder halt einfach die international erfolgreichsten Verkaufsschlager der japanischen Filmindustrie. Aber natürlich hatten die Japaner auch andere Themen – man denke an Hondas Gangster-cum-Horror-Thriller „The H-Man“ oder die skurrile Drogenallegorie „Matango“. Toho, Nikkatsu und Daei, die drei großen Studios, teilten den Fantasy-Markt weitgehend unter sich auf, aber 1968 gab es einen kleinen Ausreißer.
Die Shochiku-Studios hatten zwar eine durchaus eindrucksvolle Tradition, die bis ins Jahr 1895, als die Firma als Kabuki-Theaterproduktionsgruppe gegründet wurde und 1920 ihre ersten Filme produzierte, zurückreicht, galt aber innerhalb der japanischen Filmindustrie in den 60ern als „altmodisch“. Während die Konkurrenz moderne Gangsterfilme für die Jugend oder Softcore produzierte und sich die Kassen füllte, befasste sich Shochiku primär mit gefälliger Familienunterhaltung, in allererster Linie mit der populären „Tora-san“-Serie, mit deren Hauptdarsteller Kiyoshi Atumi bis 1995 48 Filme (!) gedreht wurden, was der Reihe einen Guinness-Buch-Eintrag als längste Filmserie mit dem gleichen Hauptdarsteller einbrachte. Atumi verstarb 1995, und damit sollte die Serie eigentlich ebenso zu Grabe getragen werden, aber mittlerweile ist der 50. Beitrag zur Serie in Arbeit (offenbar will man Atumi mit stock footage oder Computertechnik in den Film integrieren). Egal – jedenfalls war Shochiku nicht unbedingt bekannt für Genreware und doch überraschte das Studio 1968 mit „Kyuketsuki Gokemidoro“, einem SF-Horror-Hybriden, inszeniert von Hajime Sato („UX Bluthund – Tauchfahrt des Schreckens“) nach einem Script von Kyuzo Kobayashi und Susumu Tanako („Mazinger Z“ und zahlreiche Super-Sentai- und Tokusatsu-Serien).
Der Streifen stand sicherlich nicht weit oben auf Shochikus Prioritätenliste und verleugnet in keiner Sekunde sein auch für japanische Verhältnisse verdammt kleines Budget, braucht er doch nicht mehr als ein Set (das Flugzeug-Interior) und ein paar Studio-Außenaufnahmen, und kommt mit einem sehr überschaubaren Ensemble und geringem Effekt-Aufwand auf, aber wie so oft, wenn’s nicht wirklich beabsichtigt wird, kommt ein kleiner Klassiker zustande, der auch fünfzig Jahre später noch sein Publikum finden kann und sollte.
„Goké“ ist ein ungewöhnlicher Film – schon allein deshalb, weil er bereits ohne seine SF-/Horror-Elemente funktionieren würde. Ehrlich gesagt wäre ich nicht dagegen gewesen, hätte „Goké“ sich seine Genre-Einflüsse ganz gespart, denn der Streifen arbeitet ganz hervorragend als „post-disaster film“, das etwas über die conditio humanis aussagt und mühelos das alte Sprichwort vom Menschen, der des Menschen größter Feind ist, glaubhaft bestätigt. Der Mikrokosmos der Absturz-Überlebenden ist bereits von seiner Anlage her zum Scheitern verurteilt – zu unterschiedlich sind die Charaktere, ihre Motivationen, ihre emotionale Struktur, als dass dieser Haufen ernsthaft im Sinne des gemeinsamen Überlebens zusammenarbeiten könnte. Auch Sugisake, theoretisch als Co-Pilot die Stimme der Autorität und der Vernunft, kann den Laden nicht zusammenhalten; es bräuchte überhaupt keine außerirdische Bedrohung, um die Gruppe in den „jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste“-Modus zu schalten, in einen Teufelskreis des Misstrauens und der Gewalt, aus dem es kein Entkommen gibt. Die Herrschaften mögen uns – mit Ausnahme von Sugisake und Kazumi – nicht sonderlich ans Herz wachsen: Momotakes Einstellung, die ganze Bescherung als wunderbares soziologisches Experiment anzusehen, wirkt ebensowenig sympathisch wie Sagas Arroganz des Wissenschaftlers; Tokuyaus Schleimigkeit lässt verstehen, warum Noriko ihn offen verachtet, und Manos selbstsüchtiger Opportunismus wird die Sache auch nicht besser machen (ein wenig vage bleibt der Film im Hinblick auf den jungen Bombenleger Matsuyima, aber wer eine Bombe in Zündungsabsicht an Bord eines Flugzeugs bringt, dürfte wohl kein sonderlich fröhlicher Geselle sein).
Die Gemengelage ist also explosiv genug, um früher oder später zu einer Eruption zu kommen, da ist der außerirdische Blutsauger lediglich ein Katalysator, der alles etwas schneller ins Rollen bringt. Interessanterweise entsprang die Idee, dass das Alien seinen Wirtskörper wechseln kann, einer Notlage – Darsteller Hideo Ko stand wegen eines Doppelengagements nicht für den kompletten Dreh zur Verfügung, was es notwendig machte, ihn früher aus dem Film zu verabschieden und seinen Alien-Parasiten einem anderen Charakter einzupflanzen. Die Aliens haben keine großartige Motivation, die über „wir wollen euch und euren Planeten kaputtmachen“ hinausgeht, brauchen es aber auch nicht – „Goké“ ist eben über weite Strecken kein „Invasionsfilm“, sondern ein Film über Menschen in einer Extremsituation und ihre Reaktion darauf. Nur in den letzten zehn Minuten geht „Goké“ in dieser Hinsicht aus sich heraus und liefert ein Ende, das auch sehr gut in den italienischen Genrefilm der 80er gepasst hätte…
Nicht zu vergessen ist die deutliche Antikriegs-Botschaft des Films – immer wieder wird auf die kriegerische Vergangenheit und Gegenwart der Menschheit (auch in kurzen Zwischenschnitten auf authentische Kriegs-Footage) hingewiesen, und dass der Blick der Menschheit sich nach vorne bzw. außen, ins All, richten sollte, anstatt sich in kleingeistigen Auseinandersetzungen auf der Erde zu verzetteln (durch Mrs. Neals Charakter, deren Ehemann in Vietnam durch eine Napalmbombe getötet wurde, gibt es sogar einen direkten Bezug innerhalb der Story, der allerdings hier nicht weiter verraten werden soll).
Sato inszeniert den Streifen mit einer beeindruckenden Disziplin und Straffheit – gerade einmal 80 Minuten gönnt er sich und der Geschichte und so ist klar, dass keine Sekunde verschwendet wird. Wir springen direkt ins Cockpit und in die Handlung, es gibt keine langwierige Einführung der Charaktere, notwendiger Background wird durch Zeitungsausschnitte und Radioberichte vermittelt, alles ordnet sich der strengen Hand des Regisseurs unter, da ist kein Gramm Fett dran (was die früheren deutschen Verleiher nicht daran hinderte, offenbar nach dem Zufallsprinzip einige Dialogzeilen zu schneiden, die im aktuellen DVD-Release nun untertitelt vorliegen. War wohl eine gesetzliche Vorschrift in den 60ern, keinen japanischen Film ohne ein paar pro-forma-Schnitte in die Kinos zu bringen). Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten, visuelle Abwechslung reinzubringen – aufgrund der wie gesagt spärlichen Locations -, gelingt es Sato immer wieder, neue Winkel, neue Perspektiven zu bringen, um aus seinem Flugzeug-Set das Maximum herauszuholen.
Dramaturgisch versteht Sato es, die Spannungsschraube immer weiter anzuziehen (er arbeitet auch mit Hitchcock’scher Suspense und gibt dem Zuschauer, was die Taten des Aliens angeht, immer wieder einen Wissensvorsprung gegenüber den Charakteren), obwohl wir als Zuschauer früh ahnen (ja bereits durch Momotake angekündigt), dass die ganze Misere nicht gut ausgehen wird, bleiben wir bei der Stange.
Technisch ist „Goké“ natürlich ein Kind seiner Zeit und seiner Herkunft. Die optischen Effekte sind einfach, aber hin und wieder nicht ohne Effizienz. Den „roten Himmel“, in den die Maschine zu Beginn fliegt, hat sich Quentin Tarantino (der „Goké“ zu seinen vermutlich drei Millionen offiziellen Lieblingsfilmen zählt) für „Kill Bill“ ausgeliehen; die Einstellungen, in denen hypnogesaftete Opfer auf das glühend gelbe UFO zugehen, sind einprägsam und memorabel. Die Bruchlandung des Flugzeugs ist, wie sich das gehört, mit Modelltricks gestaltet und ungefähr so realistisch wie ein Godzilla-Landgang, aber solide gewerkelt (Anthony M. Dawson wäre begeistert). An „Horror“ ist wenig zu vermelden – die Vulva-Stirnwunde des Alien-Vampirs ist okay gearbeitet, der Effekt der aufplatzenden Stirn überraschend gut, und im Finale gibt’s dann auch ein-zwei auf den „gross-out“ ausgerichtete, simple, aber brauchbare Make-ups. Die Attacken des Vampirs sind völlig unblutig.
Da sich niemand um eine FSK-Freigabe gekümmert hat, ist das Ding heute noch nicht jugendfrei, könnte aber, wenn man’s drauf anläge, wahrscheinlich mit einer FSK 12 durch die Prüfung gehen.
Die schauspielerischen Leistungen sind nicht herausragend, aber okay. Teruo Yoshida (ein Lauch vor dem Herrn), der sich in der „Tokugawa“-Reihe um den frühen Folterfilm verdient gemacht hat, ist absolut adäquat als Co-Pilot, der nach Kräften versucht, aber letztlich völlig damit überfordert ist, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Tomomi Sato ist hauptsächlich nett anzuschauen, Eizo Kitamura (Sonny Chibas „Street Fighter“) gibt einen hassenswerten Ekelpolitiker ersten Ranges ab. Hideo Ko („Der Killer von Tokio“) zieht eine eindrucksvolle stoneface-Nummer ab, Kathy Horan („The Green Slime“, „Genocide – Die Killerbienen greifen an“, „“Guila – Frankensteins Teufelsei“) spielt die obligatorische blonde Amerikanerin mittelmäßig gut. Yuko Kusonoki („Verbotene Leidenschaft“, „Eros Massacre“) ist als entrückte Noriko brauchbar, Kazuo Kato („Weltkatastrophe 1999“, „Der Untergang Japans“, „Ran“) und Masaya Takahashi („Returner“, „Belladonna of Sadness“) sind mir als Momotake bzw. Saga etwas zu steif. Das gleicht Nobou Kaneko („Shogun“, „Godzilla 1984“) als Tokuyasu lebhaft aus.
Die mir vorliegende DVD aus dem Hause NEW kommt in schicker Hartbox und präsentiert den Film in ausgezeichneter 2.35:1 (anamorph)-Qualität. Ein paar Filmrisse, die die ein oder andere Dialogsilbe verschlucken, sind zu verzeichnen, dafür aber ist der Print in Sachen Kontrast, Farben und Sauberkeit vorbildlich. Der deutsche Ton ist okay, aber nicht weltbewegend, wie gesagt sind einige Sequenzen untertitelt. Als Extras gibt’s eine Bildergalerie, Trailer und einen ROM-Part, auf dem sich u.a. eine MP4-Version des Films für Mobilgeräte findet.
„Goké“ ist der völlig andere Vampirfilm – nihilistisch, pessimistisch, aber sauspannend und mit einer geradezu vorbildlich uhrwerkhaften Effizienz inszeniert, ist der Film vielleicht keiner der bekanntesten, mit Sicherheit keiner der „größten“, aber ebenso fraglos einer der besten japanischen Genrefilme. Dicke Empfehlung!
© 2019 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 4
BIER-Skala: 8
Review verfasst am: 02.02.2019