Glen or Glenda?

 
  • Deutscher Titel: Glen or Glenda?
  • Original-Titel: Glen or Glenda?
  • Alternative Titel: I Changed My Sex | I Lived Two Lives | Behind Locked Doors | The Transvestite | He or She |
  • Regie: Edward D. Wood jr.
  • Land: USA
  • Jahr: 1953
  • Darsteller:

    Der „Wissenschaftler“ (Bela Lugosi)
    Inspector Warren (Lyle Talbot)
    Dr. Alton (Timothy Farrell)
    Glen/Glenda (Edward D. Wood jr. [als Daniel Davis])
    Barbara (Dolores Fuller)
    Alan/Ann („Tommy“ Haynes)
    Johnny (Charles Crafts)
    Banker (Conrad Brooks)
    Mann mit Hut (Harry Bederski)
    Teufel/Glens Vater (Captain DeZita)
    Miss Stevens (Shirley Speril)
    Richter (William C. Thompson)
    Patrick/Patricia (Mr. Walter)
    Sheila (Evelyn Wood)


Vorwort

Zu „runden“ Anlässen wage ich mich ja gerne an die grossen Klassiker der Schundgeschichte, und dass es da keinen grösseren Klassiker als good ole Eddie Wood himself gibt, ist ja klar. Nun ist es eine recht knifflige Aufgabe, zu diesem Thema noch irgendwas halbwegs originelles von sich zu geben, aber man kann´s ja zumindest probieren. Und Glen or Glenda ist ja nicht sooo bekannt wie Eddies Opus Grande Plan 9 From Outer Space oder Bride of the Monster. In Woods Ouevre nimmt Glen or Glenda in vielerlei Hinsicht einen Sonderplatz ein – es handelt sich um seinen ersten fertiggestellten abendfüllenden Spielfilm, seine erste Zusammenarbeit mit Dracula Bela Lugosi, nicht um einen Western, Horror- oder SF-Film, sondern, cough-cough, mehr oder minder ein „Mockumentary“, und abgesehen davon ist der Streifen schlichtweg autobiographisch. Wer Tim Burtons sehenswerten, aber beschönigenden Biopic Ed Wood gesehen hat, weiss ja, dass Eddie zwar ein ordentlicher Frauenaufreisser war, gleichzeitig aber das, was man heute einen Crossdresser nennen würde – seinerzeit scherte man das noch über den Kamm „Transvestit“. Eddie also lief gern im Frauenfummel rum und sein Fimmel für Angorapullover ist bekannt.

Nun begab es sich zu dieser Zeit, also 1953, als Eddie versuchte, irgendwie im Filmbusiness unterzukommen, dass der Fall „Christine Jorgensen“ in den USA Schlagzeilen machte – Christine war vormals ein Mann gewesen und hatte sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. Der Producer George Weiss, der mit seiner Mini-Klitsche und dem üblichen Exploitation-Blahblah um Frauenwrestling, Marihuana-Filme etc. leidlich Kohle verdiente, witterte eine günstige Gelegenheit, hier einzucashen. Enter Ed Wood, der sich dem recht anspruchslosen Produzenten als Regisseur und Autor aufdrängte und immerhin sogar einen Star mitbringen konnte – Bela Lugosi. Es kursieren die unterschiedlichsten Gerüchte über die Entstehung des Streifens. Eddie Wood behauptete später, der Film sei als Dokumentation und Vehikel über und für Christine Jorgensen geplant gewesen, sie sei aber ausgestiegen, als Bela Lugosi zum Projekt kam; George Weiss gab später zu Protokoll, unbedingt Lugosi „wegen seines Namens“ (den er zu dem Zeitpunkt aufgrund seiner Drogensucht schon längst nicht mehr hatte) haben zu wollen.

Vermutlich liegt man damit der Wahrheit am nächsten, wenn man sagt, dass Weiss Wood „carte blanche“ gab und es ihm relativ wurscht war, was der Jungregisseur ablieferte, hauptsache, es würde sich im Nachhinein verkaufen lassen. Immerhin verbriet Wood satte 26.000 Dollar und übernahm neben Regie und Drehbuch noch eine Hauptrolle (für die er sich das Pseudonym Daniel Davies zulegte, um nicht den Eindruck zu erwecken, eine „one man show“ zu sein) – endlich konnte Eddie Wood der Welt, die es nicht wirklich interessierte, seine ganz persönlichen Probleme schildern. Man kann sich das entsetzte Gesicht von George Weiss, der einen reisserischen Sexploiter erwartet hatte, förmlich vorstellen, als er zum ersten Mal den fertigen Film zu Gesicht bekam…


Inhalt

Wer sich (mit Recht) fragt, wie man Bela Lugosi in eine Geschichte um Crossdresser und Transvestiten einbaut, wird nach der Intro-Texttafel („dieser Film macht keine Ausflüchte, alles ist real – die Gesellschaft muss entscheiden – richtet nicht!“ – waggawaggawu) instruiert – uns Bela, vom Film scheu „der Wissenschaftler“ (?) genannt, sitzt in einem Mittelding aus unaufgeräumten Speicher und Labor und gibt nicht nachvollziehbaren Blubber über die Neugier des Menschen, „new and startling … things“ zu entdecken, die aber so neu und startling gar nicht sind, zum Besten. Nach ominösem Donnerhall und Blitz mixt uns Bela ein Reagenzglassüppchen, es brodelt und zischt und Bela sagt: „A life is begun!“ Dann wechseln wir in eine gewöhnliche Strassenszene (grob geschätzt bestehen ca. 50 % des Films aus Stock Footage) und Bela beobachtet sehr treffend: „People. All going somewhere.“ Während also unschuldige Menschen, nichtsahnend, dass sie gerade in einem Ed-Wood-Film vermutlich für die Ewigkeit der Kulturgeschichte festgehalten werden, durch die Gegend wuseln, salbadert Bela über diejenigen, „who are wrong because they do right and those, who are right because they do wrong.“ Naja, das ganz normale Leben halt. Doch da bricht Bela plötzlich in ein vehementes „PULL THE STRING!!!“ aus. Jaja, wir kapieren´s ja, dass Bela den grossen Strippenzieher markieren soll. „A new day is begun,“ erleuchtet uns Bela, und, zu Babygeschrei von Off-Screen, „a new life is begun“ (hatten wir das nicht schon mal? Naja, die omnipotenten Beings neigten schon immer zu Wiederholungen). Soll uns aber nicht weiter interessieren, denn „a life is ended“, unterrichtet uns Bela und wir finden uns in einem Micker-Apartment wieder, wo sich gerade ein Crossdresser, okay, bleiben wir bei der Terminologie dieses Films, ein Transvestit in full drag per Gasheizung entleibt hat. Inspektor Warren findet den herzzerreissenden Abschiedsbrief: Weil er/sie schon viermal wegen des Tragens von Frauenkleidern verhaftet wurde, hat es unser Transvestit vorgezogen, in den Freitod zu gehen.

Der Inspektor ist bestürzt und erhofft sich Rat beim Psychoklempner Dr. Alton (selbst grosse Firmen haben „Suggestion Boxes“, wie Warren bemerkt, also bräuchten manchmal SOGAR Arbeitgeber Rat!), schliesslich ist der Cop lernwillig („I thrive on learning“) und wenn Alton ihm irgendwas über die vermeintliche Abartigkeit der Transen erzählen kann, könnten damit vielleicht künftige Selbstmorde verhindert werden (eine gewiss etwas wacklige Theorie, aber irgendwie müssen wir ja den, hüstel-hüstel, Plot des Streifens in Fahrt bekommen). Warren will erst mal wissen, ob dem armen suizidären Teufel eine Geschlechtsumwandlung geholfen hätte. Kann sein, kann nicht sein, koinzidiert Dr. Alton mit der vagen Bestimmtheit eines Seelendoktors, jeder Fall ist anders. Zu ominösem Blitz und Donner stimmt Bela aus seinem Speicher dem „jungen und weisen“ Dr. Alton aus tiefster Seele zu: „The story is begun!“ (Na, endlich!!!).

Dr. Alton erzählt also dem guten Inspektor die Geschichte von Glen und Glenda. Zunächst lernen wir Glenda kennen, die in vollem Fummel Schaufenster bewundert. „The world is shocked by a sex change“, dröhnt Altons Erzählerstimme, aber warum nur? Vor nicht allzu langer Zeit, so erklärt uns Alton zu halbwegs zusammenpassender Stock Footage verlachten die Menschen das Flugzeug oder, shock-gasp-terror, gar das Automobil! (Ihr kennt die Routine: „Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass der Mensch fliegt usw. usf.“). Und doch hat der Mensch das, was die Natur ihm nicht gegeben hat, durch seinen Erfindungsreichtum ausgeglichen. Alton folgert, dass es demzufolge doch auch „natürlich“ wäre, jemanden, der unglücklicherweise im falschen Geschlecht gefangen sei, zum richtigen Geschlecht zu verhelfen und da dies so selbstverständlich sein sollte wie Autofahren.

Es folgt einer der etwas kurioseren Ausflüge in falsch verstandene Psychologie (sofern man das überhaupt so nennen kann) der B-Film-Geschichte. Alton stellt fest, dass ein Mann, der gerne Frauenkleider trägt, glücklicher ist, wenn er eben im Fummel rumläuft und wenn er glücklich ist, kann er seiner Gemeinde und seiner Regierung von grösserem Nutzen sein (es wird gleich noch besser).

Damit wir unsere Titelgestalt nicht vergessen, kehren wir kurz zurück zu Glen/Glenda. Wie wir sicher schon alle kombiniert haben, ist Glenda in „Wirklichkeit“ Glen und als solcher glücklich verlobt mit der attraktiven Blondine Barbara, man plant baldige Hochzeit, auch wenn Barbara etwas eifersüchtig auf Glens lange und hübsche Fingernägel ist („wir sollten sie mal spasseshalber lackieren“, schlägt sie vor).

Kurioser Ausflung Nr. 2: Der hart arbeitende moderne Mann, so der Kommentar, muss sich zur Arbeit mit praktischer, aber unbequemer und rauher Kleidung herumärgern und gemeinerweise seien die Klamotten, die er zum Entspannen und Relaxen für daheim hätte, auch nicht besser. Und dann noch die Hüte! Männerhüte sind zu eng geschnürt und unterdrücken den Blutfluss in den Kopf, was den Haarwuchs beeinträchtigt! 70 % der Männer tragen Hüte, rechnet man uns vor, 70 % der Männer haben ´ne Glatze! Shocking News! (Ich wage die Akkuratesse dieser Zahlen geringfügig zu bezweifeln, selbst für 1953). Dagegen haben die Frauen das unverdiente Glück, sich in ihrer Freizeit mit bequemsten Klamotten (und nicht-blutabschnürenden Hüten) kleiden zu dürfen. Interessanter Gedanke, nicht wahr? (Letzterer Satz Originalzitat). Werfen wir einen Blick auf die primitiven Stämme (weil wir gerade noch dreissig Sekunden Negertanz-Stock-Footage übrighaben): dort ist es „interessanterweise“ der Mann, der sich herausputzt – wie es im Tierreich auch so üblich sei. Wo ist der „animal instinct“ in unserer zivilisierten Gesellschaft? (Tja, wo?)

Dann zeigt man uns einen bärtigen (nicht wirklich hübschen) Mann in full drag, der eine Zeitung liest. „Was,“ so fragt der Kommentar scheinheilig, „wenn ER SO auf die Strasse ginge?“ Tja, wir intolerante Gesellschaft aber auch…

Erfahren wir kurz etwas zu Glens Hintergrund. Er ist „fully a man“, aber schon in seiner Jugend mit diesem Wunsch gesegnet, Frauenkleider tragen zu wollen. Dem Kleid seiner Schwester sei Dank gewinnt er einen Kostümwettbewerb zu Halloween (selbstverständlich wird uns all dies nicht wirklich gezeigt, sondern zu generic stock footage erzählt), Mami ist begeistert („you always looked better as a girl“), bis zu dem schicksalshaften Tag, als Glens Schwester ihn dabei ertappt, einfach so ihre Sachen zu tragen. Shocking! Sheila reported das sofort einer Kollegin, die das eigentlich nicht wirklich tragisch findet, aber Sheila insistiert, dass es ja wohl hochnotpeinlich wäre, wenn sie mit ihrem Lover nach Hause kommt und das traute Brüderchen in ihren Klamotten rumhängt. Glen, so versichert uns Dr. Alton kommentierenderweise, ist ganz gewiss nicht homosexuell, er ist Transvestit (der Film erklärt uns mindestens dreimal, dass dies der Ausdruck sei, denn „modern medicine“ für Leute erfunden hat, die Kleider des anderen Geschlechts tragen).

Unzusammenhängende Szenen zeigen uns einen Landarbeiter, der angeblich laut Kommentar Damenunterwäsche trägt (wenn das der arme Darsteller des vermutlich einmal landwirtschaftlichen Lehrfilms mal wüsste), und eine Gerichtsszene (so aufwendig, dass man sich nur leisten konnte, den Richter, Kameramann „Wild Bill“ Thompson, ins Bild zu setzen), wo eine Ehe wegen Crossdresserei des Ehemanns geschieden wird.

Glen und Barbara unterhalten sich rein zufällig über die Headline-Story der Geschlechtsumwandlung (das muss 1953 ja wirklich eine schrecklich riesige Story gewesen sein, wenn sich sprichwörtlich jeder Hinz & Kunz plötzlich für das Thema interessierte). Barbara ist voll des Mitleids für die arme Seele, die sich dieser OP unterzog und bis dato nicht in der Lage war, ein Leben wie „wir zwei normale Leute zu führen“. Hüstel, hüstel, macht der gute Glen und der Kommentator ist sich sicher: Er muss es ihr erzählen, irgendwann…

Indes pflegt Eddie, eh, Glen seinen Angorafimmel. „Barbaras Angora-Sweater. He must have it!“ bellt der Kommentar, während der arme Glen ob der bohrenden „Hast-du-was?“-Fragen seines Schatzis vor sich hin stottert. „Ist es eine andere Frau?“ schluchzt Barbara schlussendlich, ohne ahnen zu können, dass sie gleichzeitig einen Volltreffer wie auch eine totale Niete gezogen hat. PULL THE STRINGS, brüllt uns Bela entgegen, denn „the story must be told!“ (Whatever).

Okay, das grosse dramatische Element der Story ist also: Wann & Wie sagt der gute Glen seiner trauten Barbara, was kleidertechnisch bei ihm Sache ist. Excitement pur!

Watch in terror wie Glen in einem Miederwarengeschäft beinahe auffliegt, weil er sich ein wenig zu intensiv mit dem tollen Material (echtes Nylon!) beschäftig! (Blitz & Donner!).

Gaze in despair wie Glen als Glenda sich den Zudringlichkeiten eines männlichen Verehrers entziehen muss (und lerne einmal mehr den Unterschied zwischen „homosexuell“ und „Transvestit“… ich glaub, selbst der Dümmste hat´s jetzt begriffen).

Und – erstarre in Ehrfurcht, wie es Meister Ed Wood gelingt, über einen handelsüblichen Industriefilm über Stahlerzeugung gelingt, zwei „Arbeiter“ einen herzerweichenden Dialog über Geschlechtsumwandlungen, Transvestitentum und Toleranz legen zu lassen – der lebende Beweis, dass Bild und Ton bei einem Film nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben müssen…

Glen erhofft sich Rat von Johnny, einem väterlichen Freund und Mit-Transvestitem (bewundert die Kameraführung: während John zu seiner Wohnungstüre geht, um Glen einzulassen, bleibt die Kamera steif auf Johns Küchentür gerichtet, vor und in der sich sprichwörtlich nichts abspielt, mehr zufällig laufen die handelnden Personen irgendwann wieder ins Bild – that´s Wild Bill Thompsons Trademark-Photography!) John berichtet von seiner eigenen Ehe, die daran scheiterte, dass er a) seiner Ehefrau seine Crossdressing-Leidenschaften nie auf die Nase band und b) sie ihn dann eines schönen Tages im Nachthemd zuhause rumsitzen sah. Ergo – sag´s ihr vorher, damit´s kein böses Erwachen gibt. Dr. Altons Off-Kommentar gibt Glen den hilfreichen Tip, psychiatrischen Beistand in Anspruch zu nehmen, obwohl es „viele Transvestiten gibt, die sich nicht ändern wollen“ (Sachen gibt´s!).

Flashback einige Monate zurück, for no particular reason wohnen wir der romantischen Verlobungsszene Glens und Barbaras bei.

Dann offenbar zurück in die Gegenwart, Glen kommt (in drag) nach Hause und kollabiert (begleitet von Blitz & Donner) in seinem Appartment. BEWARE, dröhnt Bela, „beware of the big green dragon that sits on your doorstep!“ (Äh, wie bitte???). „It eats little boys!“ (Aaaah ja). „Puppy dog tails and big fat snails, beware!!!“ Okay, this movie now officially enters INSANE COUNTRY. (Und wer nicht weiss, dass es diesen blöden amiländischen Kinderreim von wegen eben „puppy dog tails and big fat snails, that´s what little boys are made of“ gibt – im Gegensatz zu „sugar and spice, everything nice, that´s what little GIRLS are made of“ [ein Spruch, der Alice Schwarzer gefallen sollte], der ist jetzt endgültig auf verlorenem Posten). Wir erreichen nun die weltberühmte, oder zumindest einschlägig berüchtigte Alptraum-Szene.

Erst mal laufen Glen und Barbara ein wenig hintereinander her, dann verschwindet Glen und taucht als Glenda wieder auf. Barbara wird in das surreal umgestaltete Glen-Appartment transportiert und dort unter einem umstürzenden Baum begraben (? – just reportin´, my friends…). Als Glenda ist unser Held zu schwach, um seine Angebetete zu retten, also verwandelt er sich in Glen und befreit Barbara aus ihrer hilflosen Lage, was zum sofortigen Gang vor den Traualtar führt. Neben dem Priester hält sich dort aber noch der Teufel auf (Bela aus dem Off: „Tell me dragon, do you eat little boys?“)… Und damit´s jetzt ganz abgefahren ist, kommt nun der siebenminütige Par-force-Ritt, für den Eddie nichts kann, denn der wurde erst nachträglich „aus kommerziellen Erwägungen“ eingeführt. „Raffiniert“ mit Einstellungen eines erstaunt-amüsierten Belas und eines entsetzten Glens „umschnitten“, werden wir Zeuge der Auspeitschung einer auf einer Couch liegenden blonden Frau, einer Art Striptease einer Dame mit ziemlich breitem Hintern, die dann wiederum Couch-Blondi fesselt und knebelt. Eine andere Dame macht sich erst in Haar und räkelt sich dann auf der bewussten Couch, wo sie von einem Macho-Kerl offensichtlich vergewaltigt wird (was, wie schon bei anderen Filmen bemerkt, überzeugender wäre, wenn sich das Mädel dabei nicht halb totlachen würde). Diese bemerkenswerte Sequenz endet, wie könnte es anders sein, mit einem Bela Lugosi, der fasziniert in bester Spock-Manie seine Brauen hochzieht.

Es schliesst sich der Rest von Glens ursprünglichem Alptraum an – Glen wird von diversen Gestalten anklagend angeschaut und bedrängt, der Teufel ist auch mit dabei, sie lassen erst von ihm ab, als er sich wieder in Glenda verwandelt. Barbara lacht Glen aus, dafür reisst er ihr die Bluse vom Leib. Das findet Barbara weiterhin amüsant und der Teufel grinst sich eins.

Aus unerfindlichen Gründen (die auf gar keinen Fall irgendwas mit gesundem Menschenverstand und/oder Logik zu tun haben) bringt dieser Traum Glen dazu, das Gespräch mit Barbara zu suchen. Barbara ist ob der Enthüllung zunächst schockiert und verstehen tut sie das alles auch nicht (womit sie mit Sicherheit nicht alleine ist), aber „gemeinsam werden wir das durchstehen“ – und als grosse Geste der Liebe reicht sie dem verblüfften Glen ihren Angorasweater…

Wie wohl auch ein Gutteil der Zuschauer hofft auch Inspektor Warren, dass die Story damit beendet ist, aber soweit sind wir noch lange nicht. Erst darf sich Alton noch über die psychologischen Ursachen von Glens Krankheit (der Film lässt trotz aller Toleranzgeplänkel keinen Zweifel daran, dass Transvestitentum eine Krankheit ist – möglicherweise nicht Eddies Idee, aber wenn man sieht, wie schwer sich die heutige aufgeklärte Gesellschaft mit Schwulen, Lesben, Drag Queens etc. tut, kann man sich vorstellen, dass vor fünfzig Jahren noch ganz andere Geschütze aufgefahren worden wären, hätte Eddie dem Streifen nicht etwas im Sinne der Allgemeinheit Moralisierendes mit auf den Weg gegeben). Kurz und gut: Glen wurde von den Eltern nie geliebt, daher erschuf Glens Unterbewusstsein Glenda als Ersatz-Liebesobjekt. Wie fundiert das ganze (hier auch arg simplifiziert wiedergegeben, geb ich zu, aber ´ne ausführlichere Erklärung folgt noch später)) ist, na, die Einschätzung überlasse ich den Millionen arbeitslosen Diplom-Psychologen, die Jahr für Jahr von unseren Unis gelassen werden…

Zeit für eine zweite Story? Uargh. You bet. Als ob das wirklich nötig gewesen wäre. Na gut, wo wir schon nun mal hier sind, also zu Alan. Alans Mami wollte unbedingt ein Mädel, und Papi wars egal. also zog Mami Alan wie ein Mädchen auf – und Alan gefiel´s… ja, er lief gern in Frauenklamotten rum und erledigte gerne die Hausarbeit (gefährliche Theorie, dass gewisse Tätigkeiten quasi genetisch den Frauen zugewiesen werden – das dürfte Alice Schwarzer nu wieder weniger gefallen), aber in der Schule wurde er weder von den Jungs noch von den Mädels akzeptiert (hm, zu meiner Zeit musste man dazu nicht unbedingt Transe sein). Egal, dann brach der Krieg aus und Alan wurde rekrutiert – Eddie Wood nutzt die günstige Gelegenheit, gut fünf Minuten Wochenschau-Stock-Footage aus dem Zweiten Weltkrieg einzustricken und dabei die Geschichte von Alan und seinem Koffer für die Wochenenden (in denen sich die Frauenkleider befinden) zu erzählen (was zu einem gewissen Grad wieder autobiographisch ist, denn von Eddie ist überliefert, dass er sogar in Frauenunterwäsche ins Gefecht zog). Hochdekoriert entlassen hört Alan zuhause von der Möglichkeit, sein Geschlecht operativ ändern zu lassen, was bei ihm recht einfach ist, da er ein Pseudohermaphrodit ist, sprich jemand, der ein gut entwickeltes Geschlechtsorgan des einen und ein unterentwickeltes des anderen Geschlechts zur Verfügung hat (insert your own „ich kann mich selbst f….en“-Joke here). Technisch gesehen war Alan bis jetzt also weder Fich noch Fleich, wie Jupp Heynckes sagen würde, könnte sich für beide Richtungen entscheiden, aber ´s is ja klar, dass er Frau werden will. Also… „zwei Jahre der Folter“ schliessen sich an (die für uns zum Glück nur zwei Minuten dauern…), Hormoninjektionen, plastische Chirurgie bis zum „grossen Tag“ der eigentlichen OP (der Trailer brüllte seinerzeit prominent „SEE DOCTORS PERFORM AN ACTUAL SEX CHANGE!!!“ – klar, dass die OP ungefähr so realistisch ist wie Doktor Bibber und noch weniger graphisch) – et voila, „modern medical science“ hat eine „lovely lady“ erschaffen, fast wie ein „Frankenstein-Monster“. Fehlt nur noch, dass sich die Kreatur gegen ihren Schöpfer erhebt, was? Aber den Gefallen tut uns Meistro Wood nicht, denn Alan/Anne ist happy (nebenher fiedelt der Streifen noch eine kurze Szene ein, in der Alan zu Bela in seinen Laborspeicher kommt und per Handbewegung in Anne verwandelt wird – man könnte also sagen, Bela spielt weniger „den Wissenschaftler“ als vielmehr „die Wissenschaft“ an sich – starke Rolle ;-)). Nun muss Anne nur noch lernen, sich wie eine Frau zu verhalten, d.h. sich ordentlich zu schminken (jaja, wir sind in den 50ern… ungeschminkt kann man da doch nicht rumlaufen), sich die Haare zu machen, mit Stilettos rumlaufen, bis sich die Kerle auf der Strasse nach ihr umdrehen.

Happy End. Nee, immer noch nicht. Der begriffsstutzige Inspektor fragt nach, warum Glen denn dann keine Geschlechtsumwandlung machen lässt. Weil Glen damit nicht glücklicher wäre, klärt Alton den dumb cop auf und wir kommen noch in den Genuss von ein wenig Psychoanalyse. Warum erschuf Glen Glenda? Ookay, also sein Daddy wollte eine Sportskanone zwecks Angeben vor den Kumpels, was Glen aber nicht wurde, daher no love from daddy. Mutti wiederum wurde von Glen an ihren eigenen verhassten Vater erinnert, daher auch no love from Mutti, die lieber seine Schwester verwöhnt. Ergo schuf sich Glen Glenda als Ausgleich für die entgangene Liebe aus der Kindheit. Und nun, so folgert Glen in der Sitzung mit Alton, muss er diese Charaktereigenschaften auf Barbara übertragen. Genau, jubiliert Alton, „love ist the only answer“ (insert sitcom-„aaaaaaaaawwww“-Track here). Glücklich verlassen Glen und Barbara das Büro des Seelendocs und wir hören schon die Hochzeitsglocken läuten. „The end is only the beginning,“ resümmiert Alton, jetzt wo Glen seine Mutter, Schwester und Glenda „rolled in one“ in Barbara gefunden hat, kann Glenda langsam verschwinden.

Happy End für Glen, aber Inspektor Warren stellt sich die 64.000-Euro-Frage: „Aber was ist mit den hunderten anderer Glens da draussen?“ Bela nimmt diesen Ball nur zu gerne auf: „Ja – was ist mit den hunderten anderen Glens? Snips and snails, puppy dog tails…“ THE END. UFFZA.

Glen or Glenda ist zweifellos ein komischer Film. Kein lustiger Film (naja, doch irgendwie, aber auf jeden Fall keine Komödie), sondern ein seltsamer Film. Ein Film, an dem stark verwundert, dass er überhaupt gedreht wurde und das, man stelle sich vor, 1953 (wo wir 2002 immerhin soweit sind, dass ein bezaubernder Schwulenfilm wie Iron Ladies ohne Promotion in fünftklassigen Hinterhofkinos gezeigt werden muss und nicht verdientermassen in den Multiplexen dieser Welt läuft).

Ed Wood sagte selbst später, „auf Plan 9 bin ich stolz, aber Glen or Glenda, das bin ich!“ – und man merkt´s… Ed schüttet sein ganzes Herzblut aus, der ganze Film ist mehr oder minder ein verzweifelter Schrei nach Liebe für einen zeitlebens Missverstandenen – man sollte meinen, ein solcher Film sollte am Ende einer Biographie wie der von Ed Wood stehen als am Anfang.

Ansonsten ist es natürlich sehr schwer, in üblicher Form mehr oder minder intelligente Kommentare zu diesem Streifen abzugeben. Der Film ist wirr und unzusammenhängend, seine „Geschichte“ wird immer wieder für pseudopsychologische Abschweifungen, völlig verquere Stock Footage mit herzergreifend pathetischen Kommentaren und lächerlichen Schlussfolgerungen unterbrochen (von der nachträglichen „erotischen“ Aufpeppung der Alptraum-Szene wollen wir mal gar nicht reden – sie ist zwar, wie erwähnt, nicht von Eddie, aber passt irgendwie mit ihrer Zusammenhanglosigkeit zum Rest des Streifens wie der sprichwörtliche Arsch auf´n Eimer). Die psychologischen Deutungsversuche stehen auf reichlich tönernen Füssen, auch wenn man natürlich dem Film sein Alter diesbezüglich zugute halten muss – die Psychoanalyse ist fuffzich Jahre später halt doch ein paar Schritte weiter.

Natürlich ist es schwer, aus vielleicht vierzig Minuten eigenem Material und dem Rest Stock Footage einen schlüssigen Film zu basteln, aber Ed gibt sich Mühe – die Tatsache, dass viele der eigens gedrehten Szenen, die nicht mit der eigentlichen Story zu tun haben (z.B. die Zigaretten-Szene, in der Glenda sich den aufdringlichen Verehrer vom Hals hält, oder die Szene, die das Gleichnis enger Hut – Glatze verdeutlichen soll), EXTREM billig aussehen (meistens gibt´s dazu nicht mal Kulissen, sondern einfach einen black screen als Hintergrund), hilft nicht wirklich weiter, dito, dass so mancher Einsatz von Stock Footage beim besten Willen nur noch als absolut wahnsinnig bezeichnet werden kann (so z.B. die berühmte Büffel-Stampede). Als linear erzähltes Drama ohne den pseudodokumentarischen und -psychologischen Aufsatz könnte Glen or Glenda sogar ein halbwegs nettes Filmchen abgeben, das aber – im Umkehrschluss – heutzutage niemanden mehr interessieren würde. Gerade die Zusammenhanglosigkeit von Storyelementen, psychologischem Gebrabbel und hanebüchenem Stock-Footage-Einsatz macht den eigentümlichen Reiz des Films aus, garniert durch die vollkommen überflüssige, doch hochgradig unterhaltsame „Rahmenhandlung“ mit dem gottgleichen Bela Lugosi. Ed Wood meinte später, dass die gottartige Präsenz Lugosis in der Rahmenhandlung notwendig war, um dem Film eine „moralische Instanz“ zu verleihen, damit der Film durch die Zensur ging – das war offenbar eine berechtigte Kalkulation, denn selbst die US-Armee zeigte den Film später auf ihren Basen (allerdings ist nicht überliefert, ob als Lehr- oder als Lachfilm).

Schauspielerisch bietet Bela Lugosi eine echte tour de force. Laut Ed Wood wollte Lugosi anfänglich von dem Projekt gar nichts wissen, aber 1000 Dollar waren 1000 Dollar und für einen Tag Arbeit für einen damals nicht wirklich im Zaster schwimmenden abgetakelten Ex-Star nicht zu verachten. Was auch immer Lugosi von der Materie hielt, er lässt es sich nicht anmerken, sondern gibt seine weitgehend sinnfreien Monologe mit vollem ungarischen Verve (und Akzent) von sich. Lyle Talbot, in den 30ern und 40ern ein echter Hollywood-Star, hat nicht viel zu tun als auf einem Stuhl zu lümmeln und ein paar dumme Fragen zu stellen. Auch Talbot ging´s seinerzeit nicht viel besser als Lugosi – er war für jeden Job dankbar und stand später auch noch in Plan 9 für Wood vor der Kamera. Timothy Farrell, ein Veteran von George Weiss´ Exploitern, der hier reichlich wenig überzeugend den Psychologen Dr. Alton gibt (köstlich die Szene, in der Alton völlig irrsinnigerweise zur Erklärung des „Pseudohermaphroditentums“ eine zusammenhanglose anatomische Schautafel konsultiert – fällt mir nur gerade ein), wurde von Wood später für Jail Bait als Schurke verpflichtet. Dolores Fuller macht deutlich, warum sie vermutlich bessere Songschreiberin (wie allgemein bekannt sein dürfte, schrieb sie nach ihrer Trennung von Ed Wood, dessen Lebensgefährtin sie kurze Zeit war, Songs für Elvis Presley) als Schauspielerin war. Weitgehend talentfrei im acting-department, die Dame. Tja, und Eddie selbst? Er zieht sich gar nicht so schlecht aus der Affäre, neigt ein wenig zum Chargieren und agiert insgesamt als „Glenda“ deutlich überzeugender als als „Glen“, offenkundig ganz wie im richtigen Leben. Wer Eddie nur als den aufgeschwemmten alten Sack aus Love Feast kennt, ist vermutlich erstaunt, dass Eddie anno 1953 ein durchaus attraktives Mannsbild abgegeben hat.

Glen or Glenda ist trotz des ein oder anderen erheiternden Elements und des kuriosen Patchworks, das er letztendlich darstellt, kein richtiger Schenkelklopfer – die ideale Einstiegsdroge ins filmische Gesamtschaffen von Ed Wood ist der Streifen sicherlich nicht (obwohl zumindest mir dieser Film als erster echter Wood´scher Hit unter die Glotzbuchten kam). In mancherlei Hinsicht ist es sogar schwer, den Film als echten „Spielfilm“ zu klassifizieren. Irgendwo schwankt das ganze zwischen ernsthaftem Versuch an Drama und dokumentarischem Aufklärungsfilm (man kennt ja diese herzigen 50er-Jahre-Filmchen, die Something Weird Video so gern als Extras auf DVDs packt) – so gesehen kein richtiger Unterhaltungsfilm im eigentlichen Wortsinne, sondern vielmehr ein auf recht eigene Art und Weise faszinierendes Zeitdokument. Bizarr, eigentümlich, chaotisch, aber auf eine typisch Wood´sche Art irgendwo liebenswert-unbeholfen in seiner Ehrlichkeit und seinen guten Absichten.

Die Vielzahl der verschiedenen Titel ist, for the record, dadurch zu erklären, dass seinerzeit Filme in den USA von ihren Produzenten noch bundesstaatenweise verscherbelt wurden, und je nach dem, in welchen Staat man den Film verkaufte, bediente man sich des jeweils dort vermeintlich zugkräftigsten Titels. Darüber hinaus lief der Streifen als Louis ou Louise in Frankreich und als Io cambio mi sexo in Argentinien.

Wie gesagt – Glen or Glenda würde ich nicht unbedingt als Partyfilm empfehlen – dazu ist der Streifen zu ernsthaft, hat nicht dieses Potential an unfreiwilligen Gags wie Plan 9 oder Bride of the Monster. Wer sich diesen Streifen seiner Sammlung einverleiben will, sollte schon ein gewisses Interesse für die Thematik aufbringen, allgemein an Filmkuriosa interessiert sein und deren Unterhaltungswert nur sekundär als wichtig ansehen oder einfach ein Ed-Wood-Komplettist sein. Leider ist die unten von amazon.com angepriesene DVD cut – jede Menge Dialoge (hauptsächlich die, in denen das Wort „Sex“ vorkommt) und Szenen, in denen Dolores Fuller ihren BH zeigt, sind geschnitten, so vermeldet zumindest die IMDB. Eigentlich erstaunlich, da die DVD auch aus dem Hause der Wade Williams Collection kommt, genau wie die von mir inhaftierte Laserdisc-Version von Lumivision (in Form der Ed Wood Collection Vol. II, gepaart mit Bride of the Monster) – die Laserdiscfassung bietet ganz gutes Bild, ausreichenden Ton und einen (allerdings nachbearbeiteten) Trailer sowie ausführliche Linernotes von Rudolph Grey. Ansonsten gibt es verschiedene Videofassungen, da der Film rein technisch im public domain steht (auch wenn Wade Williams das anders sehen dürfte), Bijou Flix bietet den Streifen m.W. uncut als Video-CD und NTSC-Video für relativ kleines Geld an.

Viele weitere amüsante Episoden zum Dreh von Glen or Glenda und Kommentare des Maestros selbst liefert die hier schon des öfteren empfohlene sehr lesenswerte Biographie Nightmare in Ecstasy von Rudolph Grey, hier unter dem Titel Ed Wood als Begleitbuch zum Burton-Biopic bei Heyne erschienen.

(c) 2003 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 7


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