Ghost Ship

 
  • Original-Titel: Ghost Ship
  • Alternative Titel: Curse of the Phoenix |
  • Regie: Robert Young
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2014
  • Darsteller:

    Joseph Sentance (Josh), Sheena May (Alex), James Kennan (Garth), Fawn James (Catherine), Lizzie Stables (Louise), Patrick Romer (Vicar), Michael Sani (Croft), Kevin Johnson (DS Scott), Kate Young (The Wraith)


Vorwort

Für Josh könnte der Morgen besser anfangen als auf seiner morgendlichen Joggingrunde zu beobachten, wie sich ein junges Frauenzimmer in offensichtlich suizidaler Absicht von einer ordentlich hohen Brücke stürzt (man könnte natürlich argumentieren, dass der Morgen für selbiges Frauenzimmer noch erheblich schlechter anfängt). Josh ist schockiert – allerdings auch davon, dass er zwar das Mädel springen, aber nicht wirklich in den Fluss tauchen sieht… Nichtsdestoweniger ruft er pflichtschuldigst die Polizei, die mangels einer Leiche allerdings geneigt ist, Joshs Geschichte für gequirlten Humbug der bovinen Sorte zu halten.

Für jemanden, der einen vermeintlichen Selbstmord beobachtet hat, ist Josh auch nicht sonderlich beeindruckt von der Geschichte und findet sich an seinem Arbeitsplatz ein – dem historischen Segelschiff „Phoenix“, wo er gemeinsam mit den ungefähr gleich alt-jungen Garth und Catherine für Touristen und/oder Schulklassen in historischen Kostümen Tourguide spielt. Zum Leidwesen seiner eher gestrengen Chefin Louise (die auch nicht viel älter ist), ist Josh geneigt, seine Erzählungen mit der ein oder anderen Geistergeschichte aufzupeppen, obwohl die klare dienstliche Anweisung lautet, sich nur an die Fakten zu halten. Zumal Josh auch dazu tendiert, ein bisschen zu viel von seinen eigenen Geschichten mitgerissen zu werden und die jüngeren Besucher der „Phoenix“ ins Bockshorn zu jagen. Dafür kassiert er einen ordentlichen verbalen Rüffel.

Dieweil sich Josh bei der Polente nicht dadurch beliebter macht, eine günstig vorbeigetriebene Wasserleiche nicht als seine Brückenspringerin zu identifizieren, geht er auch seinem Hobby nach – dem Sammeln von Artefakten, die im Zusammenhang mit der „Phoenix“ stehen. Ein befreundeter Antiken-Dealer hält für ihn eifrig Ausschau und hat heute auch ein besonderes Schnäppchen parat – ein Foto und das Tagebuch von Emily Carson, die 1850 mit der „Phoenix“ aus Indien kommend nach England reiste, um dort in den Hafen einer arrangierten Ehe zu laufen. Josh ist von Emily fasziniert und diese Faszination schlägt schnell in eine regelrechte Obsession um – so nimmt Josh als Tourguide die Identätit von Lt. Frobisher an, Emilys Eskorte, mit dem sie zu Beginn der Reise eine innige Abneigung verbindet, die sich aber im Laufe der mehrmonatigen Reise in Liebe verwandelt, mit dem kleinen Handicap, dass Frobisher aufgrund eines kleinen Scharmützels mit Piraten England nicht lebendig erreicht hat…

Ist Emily die Frau, die er auf der Brücke gesehen hat? Der Verdacht liegt nahe, zumal sich die Ereignisse wiederholen. Wieder ist Josh beim Joggen, wieder steht die Frau auf der Brücke, wieder springt sie… doch dieses Mal findet sich im Wasser auch eine ertrinkende Frau. Josh entdeckt seine Heldengene und rettet die Ersaufende. Der Polizei kommt’s zwar höchst verdächtig vor, dass Josh schon wieder eine Selbstmördering meldet, aber wenigstens gibt’s dieses Mal einen körperlichen Beweis. Alex Cross, so heißt die Gute, weiß aber nichts davon, von einer Brücke gesprungen zu sein. Dennoch fühlt sich Josh zu ihr hingezogen, besucht sie im Krankenhaus und, nachdem Alex aus dem ärztlichen Gewahrsam entlassen wird, beginnt eine zärtliche Beziehung mit ihr – nicht ohne weiterhin ständig Erscheinungen der mysteriösen Frau zu sehen und Emilys Schicksal zu recherchieren.

Louise verfügt tatsächlich über ein paar Aufzeichnungen aus der aktiven Dienstzeit der „Phoenix“, und, weil sie plötzlich romantische Gefühle für Josh entwickelt, wäre sehr gerne bereit, diese nach Feierabend mit ihm durchzugehen. Weil Josh allerdings ja mittlerweile mit Alex anbandelt, lehnt er überschaubar höflich ab, was nun wieder Louises Gefühle verletzt.

Ihre Gefühle werden aber vielleicht nicht das einzige sein, was verletzt wird, denn als sie eine abendliche Inspektion der „Phoenix“ vornimmt, wird sie von unbekannter Hand in eine bis dato unentdeckten Geheimraum unter Deck geschubst und eingeschlossen.

Reines Glück lässt Garth, Catherine und Josh die Vermisste am nächsten Tag in psychisch und physisch angeschlagenem Zustand finden. Nachdem Josh auch noch das Tagebuch des Bordarztes der „Phoenix“ entdeckt und herausfindet, dass Frobisher nicht im Kampf mit Piraten gefallen ist, sondern einem Mordkomplott seines Kapitäns und des Knochensägers zum Opfer gefallen ist, um durch eine Blitzheirat an Bord an Emilys Vermögen zu kommen, wird ihm klar, dass Emilys Geist ihn für die Reinkarnation Frobishers hält und jegliche romantische Konkurrenz notfalls gewaltsam aus dem Weg räumen wird. Was nun wieder für Alex irgendwie doof ist…


Inhalt

Geisterschiffe. Nicht erst seit dem „Fliegenden Holländer“ regen sie unsere Fantasie an. Filmisch allerdings, ist der track record bespukter Kähne überschaubar. „Death Ship“, „Ghost Ship“, „Das Geisterschiff der schwimmenden/reitenden Leichen“ – das mieft alles nicht nach besonderer Qualität.

Unser heutiger „Ghost Ship“, eine kleine britische Indie-Produktion, versuchte in ihrem ersten Leben, den Geisterschiffaspekt eher kleinzureden, nannte sich der Film doch zunächst „Curse of the Phoenix“, bevor der findige Vertrieb High Fliers, Spezialist für erstklassige Ramschware (ehrlich, die Trailershows vor den jeweiligen Hauptfilmen sind Fundgruben obskurer Genrefilme, die höchstwahrscheinlich alle nix taugen, mich aber oft genug mit einem WTF-Face zurücklassen), ihn umtitelte.

Spannend an „Ghost Ship“ ist zunächst mal die Identität des Regisseurs. Robert Young ist ein Veteran, der 1972 den allgemein wohlgelittenen Hammer-Horror „Circus der Vampire“ vorlegte und mit diesem seinem Debütfilm auch gleich sein magnum opus ablieferte. In der Folge arbeitete Young primär fürs britischen Fernsehen (u.a. für die Serien „Jim Bergerac ermittelt“ und die frühe Fry-/Laurie-Kollaboration „Jeeves and Wooster“). 1993 inszenierte er Eric Idle in der Komödie „Und ewig schleichen die Erben“, was Idle offensichtlich genug beeindruckte, um ihn 1997 als Regisseur für das Quasi-„Wanda“-Sequel „Wilde Kreaturen“ an Bord zu holen. 2007 überraschte Young mit dem billigen Monster-Movie „Bloodmonkey“ (auf diesen Seiten besprochen). Was ihn im zarten Alter von 80 Jahren dazu bewegte, das Kommando bei einem Ultra-Low-Budget-Indie-Film zu übernehmen, anstatt seine Rente zu verprassen, wird sein Geheimnis bleiben – vielleicht wollte er ja seine Karriere, nachdem sie mit einem Horrorfilm begann, auch mit einem beenden. Seitdem jedenfalls befindet er sich im Ruhestand.

Mit Drehbuchautor Hugh Janes hatte Young schon 2010 die schwarze Komödie „Wide Blue Yonder“ mit Brian Cox und Lauren Bacall (!) gedreht. Man verstand sich offenbar gut genug, um ein weiteres Projekt in Angriff zu nehmen, anstatt eines mit Starpower on location in Norwegen gedrehten Films (bei dem auch so ziemlich die komplette Elite bekannter norwegischer Comedians mitwirkte) wurde es aber nun eine mikroskopisch budgetierte Geistergeschichte in Plymouth ohne auch nur eine halbwegs bekannte Nase im Cast. Die Wege des Herrn sind unergründlich, und manchmal auch die von Filmemachern.

Wie ich schon erwähnte, hat der Film nicht viel mit den klassischen „Geisterschiff“-Geschichten gemein. Zwar ist die „Phoenix“ der Katalysator die Geschichte, die Spukereien beschränken sich aber nicht auf die Gefilde des Kahns. Die „Phoenix“ ist dabei, wenn ich kurz abschweifen darf, eine Mogelpackung – das Schiff wurde erst 1929 als gewöhnlicher Frachtschoner erbaut und 1991 in eine spanische Karavelle aus dem 15. Jahrhundert konvertiert, um Ridley Scott für „1492 – Die Eroberung des Paradieses“ als „Santa Maria“ zu dienen. 1996 erfolgte ein erneuter Umbau in die heutige Zwei-Mast-Brigg-Form. Als solche kann die „Phoenix“ heutzutage für Firmenevents, Feiern oder eben auch TV- und Filmproduktionen gemietet werden. „Echt“ ist an der „Phoenix“ aber praktisch nichts…

Janes‘ Story steht in der klaren Tradition der klassischen britischen Geistergeschichte, wir denken an M.R. James oder Henry James. Es geht um ein düsteres Geheimnis aus der Vergangenheit (hier den gemeinen Mord an Lt. Frobisher, weil er den schamlosen Bereicherungsplänen von Captain und Schiffsarzt im Wege steht), das in die Gegenwart ausstrahlt. Richtig logisch ist die Sache nicht – laut Auflösung ist die Krux des Ganzen, dass der Geist von Emily Carson Josh für die Wiederkunft von Lt. Frobisher hält und in Erfüllung der ewigen Liebe versucht, andere Frauen, die sich in Josh/Frobisher verlieben könnten, als Konkurrenz auszuschalten. Allerdings erscheint Emily Josh erstmals, bevor der überhaupt ansatzweise so etwas wie romantische Gefühle für eine andere Frau entwickelt und auch, bevor Josh seine Obsession mit Emily Carson beginnt (zumindest verstehe ich den Filmverlauf so, dass Emily eher zufälliger Bestandteil seiner Recherchen nach der „Phoenix“-Vergangenheit ist und erst, als er ihr Tagebuch und ihr Foto entdeckt – wohlgemerkt nachdem sich Emily zum ersten Mal vor seinen Augen von der Brücke gestürzt hat -, sein spezielles Interesse für sie und ihre Beziehung zu Frobisher entwickelt. Während die sich anbahnende Beziehung zwischen Josh und Alex durchaus einigermaßen glaubhaft ist (wenn auch sehr schnell voranschreitet) – seinen Lebensretter kann man schlecht gänzlich abweisen, newa – hat man am plötzlich entflammenden Interesse Louises an Josh schon ein wenig zu knabbern. Gut, man kann natürlich der Ansicht sein, dass ihr bis dahin gezeigtes wonnevolles Herumhacken auf Josh und seiner Arbeitseinstellung ein Zeichen von „tough love“ ist – richtig überzeugend ist das aber nicht (und auch Emily sollte eigentlich bemerken, dass Josh keinerlei Interesse an Louise hat, sie somit eigentlich keine wirkliche Rivalin um seine Gunst ist).

Von der technischen Seite ist „Ghost Ship“ primär sehr schlicht und simpel gehalten – zwar gibt’s einige schöne Bilder und für die Flashbacks in die Vergangenheit der „Phoenix“ (die auch die ruppigsten Szenen enthalten) wird, wie’s der Väter Sitte ist, ordnungsgemäß auf s/w (was den billigen Videolook, den der Film ansonsten aufweist, auch etwas kaschiert) und als besonderes Kabinettstückchen ergeht sich der Film in seiner Klimax (der Enthüllung, was wirklich 1850 auf der „Phoenix“ passiert ist) in einer s/w-Splitscreen-Orgie mit teilweise 6 gleichzeitigen Einstellungen. Die Auftritte des Rachegeists sind annehmbar gestaltet – weniger auf jump scares ausgelegt denn auf die Entwicklung schleichenden Unbehagens und sanfter Eskalation der Geschehnisse (was den Schlussakt fast ein wenig überhastet erscheinen lässt). Eine spezielle Handschrift des Genreveteranen ist nicht zu erkennen, wenn man nicht das überwiegend gemächliche Erzähltempo und den Verzicht auf Schock- oder Gore-Effekte nicht als, sagen wir mal, „old-school“-Machart verstehen will. Man würde sich allerdings wünschen, der Film würde wenigstens in ein-zwei Szenen etwas die Angst vor der eigenen Courage verlieren und etwas expliziter werden (besonders, was das Schicksal Louises angeht, das man in der hier gefilmten Form schon selbst eruieren muss). Die „härtesten“ Szenen gibt’s, wie gesagt, in den Flashbacks, wenn der Schiffsarzt die Knochensäge wetzt…

Schauspielerisch gibt’s Licht und Schatten – Joseph Sentance (Josh), für den es die erste (und bislang letzte) Hauptrolle war, ist nicht unsympathisch und hängt sich auch ordentlich rein, James Kennan (Garth) erinnert mich massiv an jemanden, ich weiß bloß nicht an wen, er macht seine Sache, wie auch Fawn James (Catherine, „The Honorable Rebel“) ganz okay. Sheena May (Alex, „Rosamunde Pilcher: Lizenz zum Seitensprung“) bleibt dafür, dass sie faktisch die zentrale Figur ist, etwas blass, und Lizzie Stables (Louise, „The Inbetweeners“, „Zoo Factor“) ist ziemlich furchtbar. Kate Young muss als Rachegeist nicht viel mehr als unheimlich rumstehen, das kriegt sie hin.

Die DVD von High Fliers ist okay – wie oben erwähnt, sorgt allein die ausschweifende Trailershow schon für verblüffende Momente… Die Bild- (1.85:1 anamorph) und Tonqualität ist ordentlich, als Extra gibt’s eine Behind-the-Scenes-Doku.

Um „Ghost Ship“ unterhaltsam zu finden, braucht man sicherlich ein Faible für langsam erzählte, altmodische Gespenstergeschichten. Lässt man sich darauf ein und hat auch Freude daran, wenn Filmhelden auf die „klassische“ Tour ein Geheimnis aus der Vergangenheit enträtseln, ist der Streifen eine Sichtung sicher wert; wer moderenes Horrorkino oder wenigstens jump-scare-Gewitter im Blumhouse-Stil erwartet, dem wird das hier deutlich zu langweilig, zu unaufregend sein. Einen weiteren Klassiker wie „Circus der Vampire“ hat Maestro Young hier sicher nicht geschaffen, als ruhiges Alterswerk ist „Ghost Ship“ aber nicht ganz unsympathisch…

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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