- Regie: Hugo Lilja, Damien McCarthy , Stephane Papet, Sergio Colemar, Michel Leray, Claudia Romero, Olaf Encke, Oliver Tietgen, Adrian Cardona, Rafe Dangra, David Munoz
- Land: Schweden, Irland, Belgien, Spanien, Frankreich, Deutschland,
- Jahr: 2009, 2010, 2011
Vorwort
Mal ein bissl außerhalb der eigentlichen FFF-Review-Chronologie, aber mir ist grad danach. Für mich war’s ’ne Premiere, das Kurzfilmprogramm habe ich bislang stets mit Nichtachtung gestraft, aber da mir einige Leute glaubhaft versicherten, man würde was verpassen, habe ich mich in diesem Jahr todesmutig in die Vorstellung gestürzt (die schockierenderweise richtig richtig gut besucht war). Es gab einige organisatorische Probleme – die Aufführung musste in einen anderen Saal verlegt werden (im ursprünglichen Festivalkino gibt’s keinen 35-mm-Projektor mehr und einer der Filme kam tatsächlich von der Rolle), obschon schon (Platz-)Karten verkauft wurden, was diejenigen benachteiligte, die wie moi ihr Ticket frühzeitig erworben hatten und jetzt in die vorderen Reihen transferiert wurden. Gab einiges an Protesten, aber… mein Gott, man kann sich auch künstlich aufregen. Weniger nett fand ich, dass der annoncierte belgische Film „The Peacock’s Eye“ ohne Angabe von Gründen nicht gezeigt wurde (ich weiß allerdings nicht, ob das auch in den anderen Festivalstädten so war oder „nur“ ein Nürnberger Problem. Wäre allerdings nett gewesen, wenn man den im Programm angekündigten Film „förmlich“ abgesagt hätte).
Aber trotzdem wurden ja noch acht Filme gezeigt, die ich in aller Kürze abhandeln möchte.
Disclaimer: Ob ich alle Charakternamen noch so richtig auf die Reihe bekomme, ist zweifelhaft. Bitte mich im Fall des Falles nicht *deswegen* schlagen…
Inhalt
THE UNLIVING
(Originaltitel: Aterfödelsen) Schweden 2010, 29 min Regie: Hugo Lilja
25 Jahre nach Ausbruch einer Zombieplage hat sich die Lage einigermaßen normalisiert – zumindest in Stockholm hat Bürgermeisterin Rotmeier alles im Griff. Dank eines genialen Wissenschaftlers, der eigentlich nach einer Heilmethode für die Zombieseuche suchte, können die „Unlebenden“ per Lobotomisierung domestiziert und als Arbeitssklaven verwendet werden – die prosperierende Wirtschaft der Stadt ist von den Zombies abhängig, und deswegen ist es Madame Rotmeier sehr daran gelegen, dass der Nachschub an frischen, von „draußen“ geholten Zombies nicht nachlässt. Dafür sorgen die „Catcher“, eine Elitetruppe, deren Kodex, im Kampf gebissene Mitglieder zu töten, bevor sie zu Zombies werden können, der Bürgermeisterin ein Dorn im Auge ist. Kristin ist eine solche Fängerin, ihr Mann Mark arbeitet in der Zombie-Lobotomisierung und hat eines Tages ein echtes Aha-Erlebnis – was vor ihm im Behandlungsstuhl festgeschnallt ist, ist seine Mutter! Irgendwo verständlich, dass Mark es nicht über’s Herz bringt, aus ihr eine Drohne zu machen und sie lieber heimlich nach Hause bringt. Kristin weiß, dass das keine gute Idee ist, und in der Tat lassen die Konsequenzen nicht auf sich warten.
Mit einer knappen halben Stunde Spielzeit ist „The Unliving“ der längste Beitrag im diesjährigen Kurzfilmprogramm und was Hugo Lilja auf die Beine stellt, ist streckenweise richtig beeindruckend. Recht geschickt baut er ein durchaus brauchbares Szenario mit interessanten (wenn auch nicht gänzlich neuen) Ideen auf (den Einfall, domestizierte Zombies als Sklaven zu gebrauchen, hatte schließlich vor ein paar Jahren schon Fido). Der Look des Films ist großartig – ohne große FX-Hexerei, rein durch’s Filmen an den siffigeren, kaputteren Orten einer Großstadt (und die hat jede), schafft Lilja eine angemessen dystopische Stimmung; auch die Zombie-Masken sind durchaus knorke, die Splattereffekte ebenfalls. Wenn da nicht nur noch die Story wäre – es ist nicht, dass sie *schlecht* wäre (für den endlich mal ausgesprochenen Umstand, dass Zombies nicht altern, weswegen Marks Mutter immer noch aussieht wie 29, nur halt jetzt wie ein 29-jähriger Zombie, gibt’s einen wohlverdienten Anerkenntnispunkt), es ist nicht die Idee, dass Mark, obwohl er’s aus professioneller Sicht besser wissen müsste, einen leibhaftigen Zombie mit zu sich nach Hause nimmt, es ist nicht die Tatsache, dass es kommt, wie’s kommen muss, Mama Zombie sich selbständig macht und Mark dabei infiziert wird, es ist vielmehr die Tatsache, dass „The Unliving“ sich wie der erste Akt eines potentiell guten Zombiefilms spielt, und genau dann aufhört, wenn der Plot richtig in Fahrt kommt (SPOILER: mit Hilfe des gleichen Kollegen, der ihm schon beim Herausschmuggeln der Zombiemama geholfen hat, flüchtet Mark aus der Stadt in die „wilden“ Gebiete, wo er zwangsläufig irgendwann mal auf „Fänger“, dramatisch-idealerweise auf Kristin, treffen dürfte; ähnliches gilt für Kristin selbst, die auf eine vermutlich riskante Mission zur Unterwasser-Einkäschung von Zombies geschickt wird, die mit ein paar schicken Unterwasseraufnahmen auch bildhaft gezeigt wird, ohne dass die Szene einen richtigen Abschluss hätte).
Es wirkt so, als wäre „The Unliving“ entweder ein Demo-Reel, mit dem Lilja Investoren für eine ausführliche Langfilmfassung ködern möchte, alternativ so, als wäre ihm irgendwo auf noch nicht mal halbem Weg die Kohle ausgegangen, weswegen er einfach das fertige Material als Kurzfilm ausgegeben und auf die Menschheit losgelassen hat. Keine Ahnung, ob und ggf. welche Variante stimmt, ich fühlte mich aber gelinde unbefriedigt. Wie gesagt, technisch ist das alles eins rauf mit Mappe, die darstellerischen Leistungen sind auch okay, aber „The Unliving“ ist einfach inhaltlich „unfertig“. Passabler Showcase für den Regisseur, als „Film“, auch als Kurzfilm, jedoch leicht ärgerlich. Bewertung daher im neutralen Bereich.
3/5
HUNGRY HICKORY
Irland 2010, 7 min Regie: Damien McCarthy
Eine junge Frau übernachtet in einem Zimmer, dessen Einrichtung außer dem Bett offensichtlich nur aus einem in der Wand eingelassenen Hickory-(d.i. Walnuss-)Schrank besteht. Die Doppeltür des Schranks macht die Frau berechtigterweise sehr nervös, denn die die Position des Hickorys passt sich immer ihrer aktuellen Position im Bett an. Da ist an ruhigen Schlaf nicht zu denken.
Und da ist auch schon der erste WTF-Kurzfilm. McCarthy war offensichtlich schon mit „He Dies at the End“ im Get-Shorty-Programm vergangener Tage vertreten. Keine Ahnung, ob das auch so’n gespielter Witz wie dieser Film hier ist (dem Titel nach eher schon), aber „Hungry Hickory“ ist das Äquivalent eines dieser alten Internet-Scherz-Videos, in dem man sich ein paar Minuten lang irgendetwas Friedvolles betrachtet, ehe mit Getöse eine Horror-Visage o.ä. den Zuschauer dem Herzinfarkt näher bringen soll. Mit einfachen Mitteln, aber dafür wenigstens in arthouse-tauglichen s/w, gefilmt, ist das Ding wirklich nicht sehr gehaltvoll (und mit einer mehr als lächerlichen „Monstermaske“ als Highlight), wir raten daher einfach mal ab.
1/5
DANCE WITH THE DEVIL
(Originaltitel: La terrible malediction) Belgien 2010, 10 min Regie: Stephane Papet
Man kennt das ja – da fährt man als Frau durch die Prärie, plötzlich verreckt die Karre, und kaum wagt man mal zwei Schritte von der Straße weg, wird man mirnix-dirnix von einem Zombie verfolgt. Komisch nur, dass der Zombie die Sache offenbar als amüsanten sportlichen Wettstreit sieht und das potentielle Opfer, den Protesten des Regisseurs zum Trotz, nicht auffrisst, sondern lieber auf ein Tässchen Kaffee einlädt. Schließlich, verkündet der Zombie, ist er das Typecasting gründlich leid und würde viel lieber in einem Musical spielen…
Ist das schon ein subversives Spiel mit Genrekonventionen oder einfach nur ein blöder Witz, wenn Stephane Papet die Frage, die sicherlich noch keiner gestellt hat, ob Zombies, wären sie „echt“, wirklich Spaß dran hätten, ständig durch den Wald zu rennen und Leute zu fressen, beantwortet? Das mögen andere Geister entscheiden, zumindest aber bietet dieser Kurzfilm 10 Minuten ganz passable Unterhaltung. Klar, es ist eine one-joke-Geschichte, was bei Kurzfilmen aber kein k.o.-Kriterium ist, und ja, der Witz wird vielleicht etwas länger gemolken, als es schicklich wäre, die gut aufgelegen Darsteller und eine kurze, solide Splatterszene halten den Zuschauer bei Laune. Kein Weitwurf und auch nicht unbedingt ein Werk, dessentwegen ich Papet im Auge behalten werde, aber decent fun.
3/5
SABRINA
Spanien 2011, 5 min Regie: Sergio Colemar
Ein Mann sitzt am Tisch und erklärt seinem Gegenüber, warum es an der Zeit ist, die Beziehung zu beenden. Soweit ganz normal, nur unterhält sich der Typ mit einer verwensenden Leiche.
Belangloser Nekrophilie-Schmarrn, der aus einem einzigen Monolog besteht. Wer’s per se für witzig hält, dass der Nekrophile seiner Leiche vorwirft, sie würde nicht sonderlich gut riechen, mag daran seinen Spaß haben und dank nur 5 Minuten Laufzeit hat „Sabrina“ keine echte Chance, dem Kritiker auf den Senkel zu gehen, aber bei aller akzeptablen Machart und einer okayen Darstellerleistung hätte ich auch gut damit leben können, den Film nicht zu sehen.
2/5
BLOODY CHRISTMAS 2 – THE RISE OF THE CHRISTMAS TREES
Frankreich 2009, 12 min Regie: Michel Leray
Auf dem Weg zu einer Party springt einer jungen Frau plötzlich und unvermutet mitten in der Prärie ein voll dekorierter Weihnachtsbaum samt Lametta und Christbaumkugeln vor den Kühlergrill. Mit Müh und Not entkommt das Girl mit heiler Haut (verliert aber dabei einen Stiefel) und rettet sich ins Hospital, wo man ihrer Geschichte begreiflicherweise (und dank des in ihrem Auto gefundenen Allohol- und Drogenvorrats) eher skeptisch entgegentritt. Zumindest so lange, bis das mordgierige Nadelgehölz mit seinen Christbaumkugelgeschossen und dem Killerlametta das Krankenhaus infiltiert…
Das Sequel zu einem vor acht Jahren gekaufenen Kurzfilm trifft dann schon sehr meine Wellenlänge – eine hemmungslos doofe Idee mit der Ernsthaftigkeit einer einer großen Tragödie serviert. Wenn der böse Baum mit Lamettatentakeln nach seinen Opfern angelt oder seine Kugeln als tödliche Projektile einsetzt, bleibt kein Auge trocken – vom wahrhaft apokalyptischen Finale ganz zu schweigen. Lustige Nummer, die bei 12 Minuten Laufzeit ihren Witz auch nicht überstrapaziert, gute Effektarbeit aufweist und auf jeder bierseligen (Weihnachts-)Party ein Schlager sein sollte. Daumen hoch!
4/5
JUDAS & JESUS
Deutschland 2009, 15 min Regie: Claudia Romero, Olaf Encke
Eine ewige Rivalität in der Welt der Schafe und Ziegen – während das Jesus-Lämmlein ordnungsgemäß im Stall zur Welt kommt, ist Judas, das sprichwörtliche schwarze Schaf, Resultat einer der zahlreichen Orgien im Hause Ischariot. Schon in der Schule interessieren sich beide für die entzückende Maria Magdalena. Jesus allerdings, der Klassenstreber, wird von seinen Mitschülern schon mal an der Tafel gekreuzigt. Als Teenager versucht Judas, Maria Magdalena auf die dunkle Seite (mit Schnaps & Kippen) zu locken, sie jedoch entscheidet sich für den Love & Peace-predigenden Jesus. So wird Judas notgedrungen zum mißgelaunten widerstrebenden Jünger, dieweil Jesus sich in seiner Freizeit die Dornenkrone aufsetzt und sich selbst geißelt. Eines Abends bemerkt Judas, wie Maria Magdalena sich heimlich aus dem Haus schleicht – er folgt ihr und staunt nicht schlecht: die Gute betreibt einen Swingerclub! Zum großen Glück fehlen Judas jetzt nur noch die 30 Euro Eintrittsgeld. Aber Moment, wieviel Belohnung bieten nochmal die Behörden für die Ergreifung von Jesus?
Hollaho. Ein blasphemischer, sexuell aufgeladener Zeichentrickfilm aus Deutschland, der die Beziehung von Judas und Jesus im Stile einer Looney-Tunes-Farce verhackstückt? In dem die Hauptfiguren Schafe und Ziegen sind? Und der vor allem richtig richtig witzig ist? Boah. Auch wenn mitlesende Hardcore-Katholen die Nummer vermutlich nicht wirklich lustig finden werden, bei „Judas & Jesus“ stimmt ausnahmsweise alles – der Einfallsreichtum, das Timing der Gags, das Charakter-Design, die Animation, das Sounddesign (bis auf Jesus, der in einer Art pig-latin murmelt, geben die anderen Figuren lediglich Geräusche von sich). Das waren – mit einer in einem anderen Review noch zu würdigenden Ausnahme – die irrsten, komischten, wahnwitzigsten 15 Minuten des Festivals. Die DVD ist übrigens bereits erschienen (FSK 16). Get it now!
5/5
BLOOD SNOW
Deutschland 2010, 4 min Regie: Oliver Tietgen
Ein Mann steht im Schnee und blutet vor sich hin. Ein anderer Mann kommt hinzu und findet den Kontrast des roten Bluts auf weißem Schnee echt wunderschön. Weswegen die beiden Genossen schnell zu der Übereinkunft kommen, sich mit Fäusten, Messern und Sägen zu traktieren, auf dass der Schnee noch schöner wird.
? Sorry. Aber tumben Amateurspackenkram brauch ich auf dem FFF eigentlich nicht – obwohl, vielleicht das ja auch ein Film mit großer Message (schließlich legt er einer seiner Figuren das Statement: „Es ist Kunst, große Kunst!“ in den Mund). Ist das eine Verarschung der Splatterproleten, die meinen, mit ihren Goreepen tatsächlich irgendetwas „relevantes“ zu schaffen? Oder ist es die beleidigte Antwort eines Splatterproleten, weil ein doofer Kritiker seine wichtige künstlerische Aussage in „Rasenmähermassaker Teil IX“ nicht kapiert hat? Sei’s drum – es ist, egal wie’s intendiert ist, ’ne sinnlose Verschwendung wertvoller Rohstoffe (und nicht mal die Splatterszenen sind gut). Forget it.
1/5
BRUTAL RELAX
Spanien 2010, 15 min Regie: Adrian Cardona, Rafe Dangra, David Munoz
Der Onkel Doktor schickt unseren „Helden“ zur Entspannung in den Urlaub. Am Strand zieht er die Verwunderung der Mit-Touristen auf sich, weil er sich genüßlich in die Fäkaliengrube legt und sich mit sichtlicher Begeisterung (und flotten Rhythmen auf den bewalkmanten Ohren) mit dem Dreck von Kopf bis Fuß einschmiert. Nu ja, whatever stirs your coffee, unser stämmiger Held entspannt sich offenbar königlich. Auch, als aus der See ein Rudel blutrünstiger Dämonen steigt und aus der versammelten Strandmannschaft Hackfleisch macht, tangiert das den Shitfreak nicht sonderlich. Zumindest solange, bis der Walkman den Dienst quittiert – jetzt wird er zum dämonenkillenden Tier…
Gut, eine Ultrasplattergranate geht immer. Der weitestgehend handlungsfreie spanische Short, der übrigens bildschön gefilmt ist, delektiert sich an praktisch ununterbrochenen zehn Minuten Extrem-Splatterei, in der kein Körperteil sicher ist und auch Kinder „fair game“ sind. Zuerst dürfen die Dämonen (hübsch gestaltet) durch die Strandbrigade fetzen, dann schlägt unser Dreckbär mit noch größerer Brutalität zurück (ehrlich, wer schon immer sehen wollte, wie ein halbzerfetzter Kinderkadaver als Schlagwaffe gegen Monster eingesetzt wird – this is your movie, folks!). Das ist fetzig geschnitten, mit einem lässigen Score versehen und, wie gesagt, knüppelhart. Schöner Showcase für die beteiligten FX-Hexer, vielleicht gen Ende hin in seiner repetitiven Splatterei etwas ermüdend, aber dennoch mit Potential zum crowd pleaser.
3/5