Gefährliches Erbe

 
  • Deutscher Titel: Gefährliches Erbe
  • Original-Titel: Campbell's Kingdom
  •  
  • Regie: Ralph Thomas
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1957
  • Darsteller:

    Dirk Bogarde (Bruce Campbell), Stanley Baker (Owen Morgan), Michael Craig (Boy Bladen), Barbara Murray (Jean Lucas), James Robertson Justice (James MacDonald), Athene Seyler (Ms. Abigail), Robert Brown (Ben Creasy), John Laurie (Mac), Sidney James (Tim)


Vorwort

Come Lucky, eine Goldgräberstadt in den kanadischen Rocky Mountains, hat schon bessere Zeiten gesehen. Wirtschaftlichen Aufschwung verspricht ein Dammbauprojekt, das einer nahegelegenen Mine die Stromversorgung sichern soll. Nur der alte Stewart Campbell ist dem Unterfangen im Weg, vermutet er doch unter seinem zukünftig zu flutenden Besitz ein Ölfeld. Als der alte Knacker ob eines negativen Gutachtens hinsichtlich des Ölvorkommens herzgebrochen den Löffel reicht, wähnen sich Dammbauer Morgan, dem sowieso halb Come Lucky geöhrt, und seine Partner am Ziel. Unerwarteterweise taucht aber Stewarts Enkel Bruce, direkt importiert aus England, auf, und trägt sich mit dem Gedanken, Opas Theorien nochmals auf den Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen. Tatsächlich finden er und der junge Geologe Bladen bald schon Ungereimtheiten im Gutachten, die dafür sprechen, dass Morgan die von Bladen ermittelten Daten in seinem Sinne manipuliert hat. Dieweil er der einzigen Frau der Stadt in heiratsfähigem Alter, Jean Lucas, gesteht, dass bei ihm eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wurde und er deswegen ein wenig unter Zeitdruck steht, widersteht Bruce sowohl finanziellen als auch eher rabiaten Anreizen, sich aus Camp Lucky zu verdünnisieren, sondern schafft es sogar, den schottischen Ölbohrer MacDonald zu einer Probebohrung auf Erfolgshonorarbasis zu bewegen – sehr zum Ärger von Morgan, dem es aber gelingt, eine Regierungsgenehmigung zum Fluten des Terrains zu erwirken. Nun müssen Bruce und seine Freunde erst recht schnellen Erfolg vorweisen und über all dem schwebt noch das böse Gerücht, Morgan hätte aus Kostengründen beim Dammbau minderwertigen Zement verwendet…


Inhalt

„Gefährliches Erbe“ – ein für den britischen Film der 50er Jahre eher ungewöhnliches Projekt. In einer Zeit, in der das Inselvolk seine Filme hauptsächlich im Studio und in schwarz-weiß drehte, scheuchte man für die Adaption eines Hammond-Innes-Romans (an der der seinerzeit populäre Autor von Abenteuergeschichten selbst werkelte) sein Ensemble in die freie Wildbahn (natürlich ging man nicht soweit, tatsächlich in Kanada zu drehen, sondern ging für die spektakuläreren Aufnahmen in die Dolomiten) und spendierte dem Kameramann ein paar Rollen Farbfilm.

Das Resultat ist ein nicht sonderlich bemerkenswerter, aber gut wegkonsumierbarer, altmodischer Abenteuerfilm mit nicht sonderlich getarnten Western-Elementen (ob jetzt Öl- oder Goldsucher, Truckdriver oder Postkutscher – das alles macht ja keinen großen Unterschied), der sich im Finale hin – ob des letzten Satzes obiger Inhaltsangabe wohl kaum überraschend – einen kleinen Schlenker hin zum Katastrophenfilm erlaubt.

Die Story selbst ist, wie gesagt, nicht neu und klassischer Western-Stoff: junges Greenhorn kommt in die Stadt, die unter der Knute eines tyrannischen Monopolisten steht, verfolgt den Traum eines exzentrischen und angefeindeten alten Verwandten weiter, steht dadurch den Plänen des Tyrannen im Weg, wird von der Bevölkerung, die von diesen Plänen persönlichen monetären Vorteil erwartet, verachtet, gewinnt die Liebe einer jungen Frau und den Respekt eines vom Tyrannen ebenfalls schon geleimten eingesessenen Verbündeten. Naja, und dass er am Ende Recht hat, dürfte niemanden überraschen. Im Endeffekt ein klares, simples und praktisch unkaputtbares Konzept, das von Regisseur Ralph Thomas (trotz eines breiten Ouevres wohl am bekanntesten für seine harmlosen „Herr Doktor“-Späße, die von 1954 bis 1970 sieben Filmepisoden erlebten) und dem eher undistinguierten Drehbuchautoren Robin Estridge („Permission to Kill“, „Drums of Africa“) auch routiniert dargeboten wird.

Was Thomas und Estridge (und vermutlich auch in der Romanvorlage Innes) an der Formel verändern, ist ein Hochfahren des Melodramas. Neben der Krankheit des Helden (die sich allerdings in genau einem Ohnmachtsanfall äußert, ihn ansonsten – sogar vom einer Nebenfigur des Films angemerkt – nicht abhält, ein „sehr aktives Leben“ zu führen und am Ende selbstverfreilich einer Wunderheilung unterfällt) erfahren wir, dass Campbell senior wegen Betruges verknackt wurde (mit seiner erfolglosen Ölfirma verbrannte er die Ersparnisse der ganzen Dorfbelegschaft), aber es in Wahrheit sein Partner war, der mit den Geldern durchbrannte, Jean Lucas wiederum die Tochter (oder Enkelin, I keep forgettin‘) dieses Partners war und ein wohlsituiertes Leben in England aufgegeben hat, um moralisch „ihre Schulden zurückzuzahlen“ – und dann gibt es noch ein angedeutetes, aber nie wirklich ausgespieltes Dreiecksverhältnis zwischen Jean, Bruce und Bladen (und ein Beispiel der altertümlichen Filmmoral, in der Bruce mit einer vehementen „Kuss-Attacke“, bei der fortschrittliche Emanzen vermutlich „Vergewaltigung!“ kreischen würden, durchkommt – aber so sind halt ECHTE MÄNNER (TM)). Man erkennt aber immerhin das Bemühen, aus den Figuren etwas tiefgründigere Charaktere als üblich zu machen und ihnen etwas background, etwas Motivation mitzugeben.

Leider ist die Gegenseite dafür, klassische „Westernschurken“ (wie den fiesen Viehzüchter o.ä.) zu verkörpern, zu schwach ausgeprägt. Morgan und seine Schurken sind einfach nicht böse genug – ihre Sabotageakte sind eindeutig auf Sachbeschädigung angelegt, manchmal unternimmt Morgan auch rätselhafterweise gar nichts (z.B. als es Morgan gelingt, MacDonalds Spritvorräte zu vernichten und Bruce – finanziert durch eine deus-ex-machina-Lösung, wie sie im Buche steht – auf die Idee verfällt, den Treibstoff durch eine Ponykarawane zur Bohrstelle zu bringen. Morgan bemerkt dies zwar dank seiner aufmerksamen Leute, entscheidet sich aber, nichts zu unternehmen, wodurch sein vorheriger Sabotageakt sinnlos wird). Eine gute Szene hat allerdings Morgans eher unterbelichteter Untergebener Mac, als er von Bruce erwischt wird, einige wichtige Papiere zu verbrennen. Anstatt nun einen Faustkampf vom Zaun zu brechen, knickt Mac * sofort * ein, heult Bruce die Ohren voll und bringt ohne weiteres einen (wohl tödlich verlaufenen) Zwischenfall aus seiner Kindheit oder Jugend zur Sprache. Das kommt völlig „out of left field“, ist aber überraschend wirkungsvoll, weil es auch hier aus einem eindimensionalen Schläger auf einmal einen echten „Charakter“ macht (leider vergisst der Film ihn anschließend völlig). Zu diesem „die sind gar nicht sooo böse“-Symptom passt auch, dass im dramatischen Finale sowohl Morgan als auch sein Chief-Henchmen Creasy ihre Heldengene entdecken. ECHTE MÄNNER (TM) stehen halt über persönlichen Fehden, wenn’s um die Wurscht geht.

Die Regie von Ralph Thomas ist flott, die Kameraführung für die Zeit dynamisch – man merkt allerdings schon, dass Thomas seinen Film auf die zwei „major set pieces“ hin inszeniert. Da gibt es zum einen eine (leider nicht sonderlich spannende) „Spannungssequenz“, in der Bruce versuchen muss, fünf Trucks mit Bohrequipment heimlich mit Morgans Lasten-Seilbahn zur Bohrstelle zu bekommen (und dabei beabsichtigt mehr sabotierenden Sachschaden anrichtet als es Morgan je einfiele – er sprengt sogar eine Brücke), zum anderen freilich den finalen Dammbruch, der allerdings in knapp fünf Minuten abgehandelt wird und nicht das Maß an Zerstörung mit sich bringt, auf das der Film-Eventie vielleicht lauert. Bis auf ein-zwei Expositions-Sequenzen kommt keine wirkliche Langeweile auf.

Der Score von Clifton Parker ist nicht memor-, aber praktikabel. Auf der Effekte-Seite verbucht „Gefährliches Erbe“ einige achtbar gewerkelte Modelltricks. Der „Lastenaufzug“ ist klar als Modell erkennbar, aber durchaus auf dem 1957 zu erwartendem Niveau, der Dammbruch muss für die Entstehungszeit sogar als richtiggehend beeindruckend gewertet werden. Verbesserungsfähig sind die Rückprojektionsaufnahmen sowie der etwas unbedarfte Einsatz von stock footage (als Bruce mit der Seilbahn zu seinem Besitz fährt, ist’s unten stockfinstere Nacht, die verwendeten Natur-Archivaufnahmen allerdings bei strahlendstem Sonnenschein gedreht; da tut die post production zu wenig, um den Umstan dzu tarnen).

Für Hauptdarsteller Dirk Bogarde gilt ähnliches wie für seinen (Stamm-) Regisseur Ralph Thomas. Obwohl Bogarde ein weites Feld von historischem Abenteuerfilm über Agententhriller bis zur locker-leichten Komödie beackerte, ist er dem breiten Publikum hauptsächlich aus letzterem Sujet bekannt (will sagen, aus den „Herr Doktor“-Filmen, obwohl er sich nach der vierten Folge aus der Reihe verabschiedete und anspruchsvollere Kost wie „Der Tod in Venedig“ oder „Der Nachtportier“, aber auch trashigeres wie „Permission to Kill“, abdrehte). Bogarde gibt hier, durchaus überzeugend, den „typisch untypischen“ Actionhelden, also den „everyman“ – hier noch mit dem zusätzlichen Krankheits-Handicap – der über sich hinauswachsen muss. Stanley Baker („Richard III., „Helen of Troy“, „Hell is a City“, aber auch 1970 „A Lizard in a Woman’s Skin“ – endlich kann man Dirk Bogarde in zwei Schritten zu Lucio Fulci linken…) hat zwar durchaus das Gusto und Charisma für einen angemessenen Schurken, leidet aber darunter, dass er zu wenig „schurkiges“ zu tun hat. Michael Craig („Mysterious Island“, „Spezialkommando Wildgänse“, „The Vault of Horror“, „Turkey Shoot“) ist als Geologe Bladen ein wenig zu blass und macht kaum Eindruck. Barbara Murray, die sich in der Folgezeit hauptsächlich im britischen Fernsehen beschäftigte und Genre-Freunden im schwächlichen 84er-Horror „The Power“ vor die Linse laufen könnte, spielt die Frauenrolle (mehr ist es ja wirklich nicht) und deutet in zwei-drei Szenen schauspielerisches Vermögen an. Als Gaststars fungieren Charakterkopf James Robertson Justice (in allen sieben „Doktor“-Filmen Klinikchef Sir Lancelot Spratt, aber auch in „Ich, Dr. Fu-Man Chu“, „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ und dem ersten „richtigen“ Miss-Marple-Film „16.50 Uhr ab Paddington“ am Start) als brummiger schottischer Ölbohrer (ohne Möglichkeit, sich wirklich auszuzeichnen) und der spätere „Ist ja irre“-Star Sidney James („Quatermass II“) in einer kleinen Rolle als einer von MacDonalds Truckfahrern (natürlich hat er die eher witzigen Szenen).

Bildqualität: „Gefährliches Erbe“ ist bei AmCo in der „Classic Movie Collection“ erschienen (und ich wiederhole mich, für Ultra-Low-Budget-Scheiben sind die Dinger wirklich schön aufgemacht) und wird in 4:3-Vollbild präsentiert – was leider in einem ziemlich übel gecroppten Transfer resultiert (das Originalformat dürfte mindestens im Bereich von 1.85:1 gelegen haben). Von diesem Fauxpas abgesehen kann der Print aber für eine Budget-Veröffentlichung durchaus überzeugen – die Farben sind lebendig, die Schärfewerte durchschnittlich, dito Kontrast und Kompression. Klar, das ist kein Superbit-Standard, aber man kann’s kucken (und wenn man nur einen schlappen Euro hingelegt hat, hat man auch nicht wirklich das Recht, sich zu beschweren).

Tonqualität: Deutscher und englischer O-Ton liegen in Dolby Digital 2.0 vor. Der englische O-Ton ist wieder einmal leicht knarzig ausgefallen, aber noch gut verständlich und schon allein für Justices schottischen Akzent zu bevorzugen (ob der authentisch ist oder nicht, darüber streiten sich die Geister. Justice behauptete, gebürtiger Schotte zu sein, seine Geburtsurkunde sagt aber was anderes…).

Extras: Nada.

Fazit: „Gefährliches Erbe“ ist weder filmhistorisch gesehen noch im speziellen Einzelfall ein Weitwurf – als run-of-the-mill-Abenteuerfilm aus den 50ern aber absolut tauglich und mag ältere Semester wie mich an die guten alten Zeiten erinnern, als man Sonntag nachmittag den „Abenteuerfilm“ der Woche (einer der drei Sender brachte bestimmt irgendeinen) mit der ganzen Familie vor der Glotze betrachtete (gern mit Kaffee und Kuchen). „Gefährliches Erbe“ hätte in dieses Schema prima reingepasst. Und als dezente, inoffensive Unterhaltung für verregnete Sonntagnachmittage bietet sich der Streifen dann auch heute gerne an – solides Schauspiel mit einem eher gegen sein Image besetzten Dirk Bogarde, akzeptable bis richtig gute Trickarbeit und eine unverwüstliche Story – man kann sich erheblich schlechter die Zeit vertreiben.

3/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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