Ganga Dacait

 
  • Original-Titel: Ganga Dacait
  •  
  • Regie: Kishan Shah
  • Land: Indien
  • Jahr: 2000
  • Darsteller:

    Sapna, Amit Pachori, Ishrat Ali, Mohan Joshi, Shakti Kapoor, Kiran Kumar, Moon Moon Sen, Joginder


Vorwort

Disclaimer:
Wie üblich bei obskurem Bollywood-Kram habe ich „Ganga Dacait“ auf Hindi ohne Untertitel gesehen. Folgende Inhaltszusammenfassung steht also unter dem Vorbehalt völligen Blödsinns, falls ich die „visual cues“ des Streifens gänzlich falsch verstanden haben sollte…

Irgendein Kaff in der indischen Provinz leidet unter dem Terror einer gar fürchterlichen kriminellen Vereinigung. Einer deren Vertreter ist Saleem Singh (personifiziert durch einen drittklassigen Bud-Spencer-Imitator, der sich Theo Waigels Augenbrauen geborgt und bei Toys’R’Us ein Faschings-Clownskostüm erstanden hat. It’s terrorizin‘, indeed), seines Zeichens Vorsteher einer Reiterbande, die in mehr oder minder reglemäßigen Abständen ins Dorf stromert, um dort üblen Schindluder zu treiben. Scheint ihnen nicht so sehr um monetäre Bereicherung zu gehen, sondern um schieren Spaß am Leute abknallen. Gerade hat Singh mal wieder ein lockeres Dutzend Zivilisten mit seiner Maschinenpistole gemeuchelt. Kurioserweise wird dies von der indischen Polizei, zumindest aber von deren aufrechten Verbrechensbekämper Inspektor Gupta, ausgesprochen mißbilligt. Bei Singhs nächster Appearance hat sich Gupta verkleidet unters Volk gemischt, streckt den ein oder anderen von Singhs Reitern mit seiner Dienstwaffe nieder und verhaftet den gern mit gutturalem Kampf-Tirilieren brillierenden Clownskasper.

Nun ist Singh allerdings auch nur ein Henchman des Oberbosses der Bosse, den ich aufgrund seines herausragenden Zinkens El Naso getauft habe (in Ermangelung eines identifizierbaren Rufnamens und irgendwelcher Credits, die mir hier weiterhelfen könnten). El Naso betrachtet die Einknastelung seines Untergebenen als persönlichen Affront, und der passende Hebel, um Gupta zur Räson zu bringen, ist auch schnell gefunden. Monsieur Gupta ist nämlich, seit seine holde Gattin an irgendeiner bösen Krankheit verröchelt ist, alleinerziehender Vater von so ungefähr drei Gören, und Kinder sind ja immer ein guter Ansatzpunkt, um renitente Bullen auf Linie zu bringen. Also wird mal schnell eins der Kids ermordet, nebst fröhlicher Botschaft, die anderen beiden Kurzlinge könnten demnächst ebenfalls die Reise zu Wischnu antreten. Solchermaßen terrifiziert weiß Gupta sich nicht anders zu helfen, als Singh freizulassen (was offensichtlich in der indischen Provinz problemlos geht, ohne dass Kollegen, Richter oder Staatsanwälte da ein Auge oder zwei drauf haben) und sich anschließend die Rübe mit der eigenen Kugelgebe zu perforieren.

Ein paar Jahre vergehen (nehme ich zumindest an, weil sonst meine Story-Interpretation keinen Sinn mehr macht – dass außer der Hauptfigur niemand altert, z.B. die Bösewichter, wäre nicht das erste Mal im Bollywoodfilm). El Naso und sein Triumvirat des Schreckens (neben Singh bestehend u.a. aus einem Glatzenkaiser mit Zwirbelbart, einem Chiranjeevi-Lookalike – wohl für die Freunde des Telegu-Films, Frau El Naso, die ganz offenbar mehr oder minder unheimlich das Sagen hat, einem komischen Typen, der sich ein schickes Mobutu-Mützchen auf die Birne getackert hat, einen schicken An-Ab-Bart trägt und seine gewichtigen Feststellungen gerne dadurch unterstreicht, sich einen Leckstein o.ä. quer über die Schnute zu ziehen, und dem indischen Star-Komödianten Shakti Kapoor, der offenbar zum Spaß immer wieder Z-Filme dreht) sind immer noch die Chefs im Ring, aber sie haben einen neuen Gegner. Bzw. eine Gegnerin, Inspektorin Sapna (natürlich heißt die im Film nicht so, aber ihren Rollennamen hab ich auch nicht verstanden), inzwischen ausgewachsenes Töchterlein des selbstgemörderten Gupta. Auch Sapna stört die Geschäftskreise El Nasos durch unsachgemäßes Inhaftieren seiner Unterlinge. Nun, dass Sapna bei ihren Vorgesetzten nicht gerade Dauerkandidatin für die Angestellte des Monats ist, könnte daran liegen, dass ihre Verhaftungsmethode darin besteht, jeden verdächtig aussehenden Burschen halb tot zu schlagen (dank ihrer superioren Kampfkünste, ähempt). Okay, okay, es liegt natürlich *wirklich* daran, dass Sapnas Chef längst auf der Gehaltsliste von El Naso steht und deswegen umgehend anordnet, den gerade festgenommenen Verdächtigen wieder freizulassen. Der revanchiert sich bei nächstbester Gelegenhet mit einer Tracht Prügel für Sapna. Bevor aber ernsthafter körperlicher Schaden angerichtet wird (was schade wäre), steht Sapna ein junger Bursche, Babyface McStirnband (ja, er heißt wohl Raj), und sein Sidekick, der indische Warwick Davis, zur Seite. Babyface McStirnband verkuckt sich natürlich sofort über alle Ohren in Sapna, die allerdings hat für romantische Techtelmechtel keine Zeit.

Nachdem Sapna das Spielchen „Festnahme-umgehende Freilassung“ ein paar Mal durchgezogen hat, wird ihr klar, dass sie auf dem ordnungsgemäßen Pfad von Recht und Ordnung in Uniform nicht weiter kommt und erschafft sich kurzerhand ein Superhelden-Alter-ego mit schickem schwarz-gelben Kostüm und einer custom-pump-gun als Argumentationsverstärker. Das bringt Erfolge, bleibt logischerweise aber auch nicht ohne gelinde Opposition. Versuche von Babyface McStirnband und Zwerg, sich als Partner im Heldengeschäft aufzudrängen, bleiben Versuche (lustigerweise weiß offenbar jeder von jedem, wer er ist. Sapna geht bei El Naso ein und aus, Babyface erkennt Sapna in Heldentracht usw.). Aber den Tipp, dass ihr Polizeichef Waffen an El Nasos Gang vertickt, den nimmt Sapna an und erledigt ihren Boss per Pumpgun-Ladung in die Fettplauze. El Naso greift zum ultimativen Mittel und setzt Reverse Sapna gegen sie ein – eine gedungene Schergin in der Negativ-Version ihrer Heldentracht, die Sapna zwar totschlagen kann, dabei selbst aber schwere Verletzungen davon trägt. Babyface McStirnband schleppt sie zwecks körperlicher und spiritueller Reinigung in einen Tempel – interessanterweise aber keinen Hindu-Tempel, sondern offenkundig eine Moschee (oder dem, was sich die Filmemacher darunter vorstellen. Gibt zwar genug Muslime in Indien, aber die kucken wahrscheinlich wenig Bollywoodfilme und umgekehrt), jedenfalls, wenn ich nach den zahlreichen Bildern von Mekka und der Kaaba ausgehe, die dort rumhängen.

Wird also wohl langsam Zeit für den offiziösen Showdown. Zunächst einmal erhält Sapna unerwartete Unterstützung von einer eher rundlichen Kollegin (und das meine ich jetzt nicht im typischen Bollywood-Women-have-curves-Stil, sondern schon im Sinne von Kampfgewicht ein Doppelzentner) – ist das ihre Schwester aus vergangenen Tagen? Who knows, jedenfalls not me. El Naso will die Politösen nun aber unbedingt in einem letzten Gefecht in die ewigen Jagdgründe befördern und entführt darob Babyface McStirnband, Zwerg und irgendeine Maid, deren Wichtigkeit und Identität irgendwie an mir vorbeigegangen ist, bindet sie in freier Wildbahn an provisorische Kreuze und foltert sie gar garstig. Sapna erscheint pflichtschuldigst und nachdem sie El Naso und seine Schergen mit einer Gesangsnummer (inkl. mirakulösem Kostümwechsel) becirct hat, kann ans finale Massakrieren gegangen werden.


Inhalt

Der obskure Bollywood-B-Film (und dieses Mal stimmt’s auch, denn „Ganga Dacait“ ist ein waschechtes Bollywood-Produkt, wenn auch eins aus der bestenfalls vierten Liga, und kein Abkömmling des regionalen Bengal- oder Telegu-Kinos) hat’s mir bekanntlich angetan – was minderbemittelte indische Regisseure in den Filmen, die theoretisch eher westliche Genres bedienen (also Äktschn, Horror oder Erotik, gerne auch in Verbundschaltung) und, weil so’n bisschen unter dem Radar fliegend, ein bisschen mehr auf die Kacke hauen können dürfen sollten als das Mainstreamprodukt von Sharukh Khan & Co., anstellen und eben normalerweise nur in Ausnahmefällen den Weg nach Europa findet (MiG brachte auf dem Höhepunkt des Bollywood-Hypes ja ein paar Telegu-Kracher wie „Azaad“ oder „Diler“ raus, im Falle von „Diler“ auch noch um die Song- und Tanznummern geschnitten, also für den wahren Fan völlig unbrauchbar), hat oft genug immensen Unterhaltungswert. Sicher, nicht alles kann „Shaitani Dracula“ sein und sich jeglicher erzählerischen oder handwerklichen Form durch beherztes Ignorieren entziehen (ich halte das Ding für ein surreales Meisterwerk und den unerreichbaren Höhepunkt von „outsider art“), aber ich hatte schon einigen Spaß mit solchen Teilen.
Und wurde, was natürlich auch nicht zu unterschätzen ist, Fan von Indiens Z-Starlet extraordinaire Sapna, zumeist auffällig geworden in den Horror- oder Erotik-„Thriller“-Werken ihres Ehemanns Kanti Shah. Bevor Sapna aber die Muse von Herrn Shah wurde und primär auf für indische Verhältnisse freizügige oder „harte“ Rollen setzte, schien sie mal einen Versuch unternommen zu haben, sich als Action-Heroine zu erfinden, Low-Grade-Bollywoods Michelle Khan o.ä. Obwohl… Regisseur Kishan Shah (der seinen Namen nach ungelogen 22 Minuten einblenden lässt, als wäre es eine triumphale Enthüllung) ist Kanti Shahs Bruder, also gut möglich, dass Kanti und Sapna schon damals verheiratet waren und der Gutste sein angetrautes Weib mal an den Bruder auslieh. In Indien soll man’s ja mit Frauenrechten nicht so haben, hüstel.

Das 129-Minuten-Opus (für Bollywood also noch auf der handlichen Seite) ist ein drolliger Revenge-Actionthriller, der recht geradlinig vor sich hin rollt und daher auch für nicht des Hindi-Idioms mächtige trotz ellenlanger Dialogesequenzen leicht zu durchschauen ist (auch wenn man ein ums andere Mal meint, die Prota- und Antagonisten hätten primär vor, sich gegenseitig totzuquatschen, weil jeder feindseligen Auseinandersetzung mehrminütige couragiert vorgetragene Reden vorgeschaltet werden). Hin und wieder könnte man als Westler auf die Idee kommen, es wäre nicht durchgängig eine ernst gemeinte Veranstaltung – Dinge wie Saleem Singhs hysterisches Kostüm, die Kampfszenen des Zwergs oder die Klischeeschurkengeisterbahn von El Nasos Verbrechersyndikat wirken ein bisschen nach absichtlicher Comedy oder Parodie, aber so wie ich die Inder kenne, und ganz besondere die Inder, die doofe B-Filme drehen, meinen die das todernst… Wie gesagt, trotz der Laufzeit und der eher dosiert eingesetzten Actionszenen ist die Chose wegen des ebenfalls für unser Augen extrem campy Schauspiels nicht langweilig, und sollte es wirklich mal etwas zu dialoglastig zu werden drohen, kann man sich immer noch an einer der fünf (wenn ich richtig gezählt habe) musikalischen Einlagen erfreuen, die allesamt nicht zum formidabelsten gehören, was Bollywoods Komponisten jemals hervorgebracht haben, aber auch nicht nerven – es ist halt die typische Mixtur von vage traditionell indischen Klängen mit Eurodancebeat. Bester Song (und beste Choreographie) dürfte der zweite Song sein, eine Traumsequenz von Babyface McStirnband, in der er sich in einer heißen Nummer mit Sapna glaubt und die ein bisschen schon Sapnas spätere „Erotik“-Filme vorwegnimmt (natürlich ist das bestenfalls sexy und nicht wirklich Sex, weil das auch der indische Z-Film kaum darf oder nur, wenn die Zensoren schlafen, was mir zumindest einmal aufgefallen ist…).

Handwerklich ist das schon ein bisschen ordentlicher als die teilweise wirklich hanebüchen zusammengeschraubten Horrorfilme vom Subkontinent. Klar, der Schnitt ist immer noch äußerst rumpelig und stellenweise unverständlich (ganz abgesehen davon, dass zwischen Cuts physikalisch unmögliche Positionswechsel der Darsteller passieren. Continuitygirls werden in Mumbai also wohl eher nicht beschäftigt), die Kameraführung oft genug abenteuerlich (wenn dann mal sanft nachgeschoben wird, um den gewünschten Bildausschnitt hinzukriegen ist, ist das okay. Nen zweiten Take verschwenden wir dafür doch nicht), und ganz besonders mags Kishan Shah offenbar, wenn seine Darsteller direkt in die Kamera sprechen. Obwohl der Streifen schon einen zünftigen Bodycount aufweist, wird meist unblutig gestorben – wenn Sapna einen Gangster mit einer abgebrochenen Flasche abmurkst, dürfen wir auch mal ein bisschen Blut bewundern, dito in einigen der Prügelszenen, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, wenn aber geschossen wird, wird auf squibs großmütig verzichtet. Arme hochreißen und umfallen reicht ja auch als „tot“-Indikator für’s Publikum.

Ein „Highlight“ sind zweifellos die mano-a-mano- bzw. womano-a-mano-(und einen womano-a-womano-Kampf haben wir ja auch)-Prügelszenen. Das *soll* wohl so was ähnliches wie „martial arts“ darstellen, ich hab aber Prügeleien in Kindergärten gesehen, die besser choreographiert waren (und, ja, es GIBT jemand seinen Namen für die Kampfchoreographie her, also sind die Fights wohl „rehearsed“). Gut, es ist schwer genug, das zierliche Sapna-Persönchen als knallharte Arschtreterin zu kaufen, aber gute Güte, wenn’s richtig inszeniert ist, glauben wir das ja auch bei Moon Lee oder Sibylle Hu, die auch nicht gerade Muskelpakete sind. Dafür müsste man dann aber schon wenigstens so TUN, als wolle man die Gegner schlagen und nicht nur Löcher in die Atmosphäre boxen, und die Kicks… ach herrje, die Kicks… Sapna ist aber noch nicht mal das Nonplusultra, das ist der Zwerg, der ebenfalls munter Gegner mit Schlaggeräuschen wie Atombomben vermöbeln darf… es ist debil, es ist schlimm, es ist wunderbar, noch besser als in türkischen Actionfilmen (nur gestorben wird nicht ganz so schön, wobei sich so mancher hiesige Statist auch große Mühe gibt, wenigstens bei seinem Abgang aufzufallen). Dagegen sind die Tanzchoreographien durchaus in Ordnung – das ist bei Telegu-Filmen deutlich schräger (obwohl’s auch hier einige merkwürdige Moves zu bestaunen gibt. Pelvic Thrust FTW).

Darstellerschelte kann man sich ruhig sparen, erstens hab ich abgesehen von Sapna und Shanti Kapoor eh keinen großen Schimmer, wer wen spielt und auch kaum Motivation, mich durch Filmographien und Fotos zu wühlen, um ein paar Rollen zuzuordnen. Sapna ist schnucklig wie immer (hat sich aber offenbar post-2000 mal die Zähne richten lassen, hier hat sie noch ’ne hübsche Eve-Myles-Gedächtniszahnlücke, durch die der Wind schön pfeifen kann) und in ihrem Heldinnen-Kostüm auf alle Fälle ein Hinkucker. Der Gupta-Darsteller müht sich um großen Pathos, El Naso überlässt seinem Gesichtserker die Schauspielerei, der Glatzenkaiser glaubt offenbar, in einem Stummfilm von 1923 zu agieren, und Shanti Kapoor trägt zwar zum Film nichts weiter bei, strahlt aber eine gewisse Professionalität aus, die dem Film gar nicht zusteht… (obwohl er, wie gesagt, einer der „besseren“ B-Filme sein dürfte und nicht nur von begeisterten Amateuren gebaut wurde). ’nen ganz guten Eindruck hinterlässt Ishrat Ali („Chand Bujh Gaya – Der verloschene Mond“) als Nasos Compadre mit dem Steintick.

Die Bildqualität der 3-auf-1-DVD aus dem Haus Captainvideo (39 Rupien!) ist gewohnt abenteuerlich (2.20:1 oder so Windowbox für moderne Geräte) mit ständig schwankenden Farben und ausgerechnet in den Tanznummern immer wieder in Pixelbrei versumpfend. Auch der Ton könnte aus zwei Blechbüchsen nicht klappriger und scheppriger erklingen.

„Ganga Dacait“ ist also ein durchaus lustiger Film – er ist nicht so durchgehend wahnsinnig wie die indischen Horrorfilme und nicht so freizügig wie Sapnas „Sex“-Streifen, aber der Freund abstruser Unterhaltung kommt durchaus auf seine Kosten. Vielleicht speziell interessant für die Klientel, die sich vom „normalen“ Mainstream-Bollywood-Film langsam an die obskureren, billigeren und insgesamt seltsameren B-Movies heranwagen wollen.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 7


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