Funny Games

 
  • Deutscher Titel: Funny Games
  • Original-Titel: Funny Games
  •  
  • Regie: Michael Haneke
  • Land: Österreich
  • Jahr: 1997
  • Darsteller:

    Susanne Lothar (Anna), Ulrich Mühe (Georg), Arno Frisch (Paul), Frank Giering (Peter), Stefan Clapczynski (Georg jr.), Doris Kunstmann (Gerda), Christoph Bantzner (Fred), Wolfgang Glück (Robert)


Vorwort

Die dreiköpfige Familie Anna, Georg und Sohn Schorschi dürstet nach Erholung im noblen Ferienhaus am Bergsee – mit dem eigenen Boot auf’m See rumschippern, mit den Nachbarn Golf spielen und ansonsten gepflegt den faulen Luxuslenz der Privilegierten schieben. Daraus wird leider nichts – unter dem Vorwand, Bekannte der Nachbarn zu sein, verschaffen sich die jugendlichen Upper-Class-Kids Peter und Paul Einlass und schaffen es in Rekordzeit, durch ihr zwar ausgesucht höfliches, aber nichtsdestoweniger penetrantes Verhalten Mutter Anna zur Weißglut und zum verbalen Platzverweis zu bewegen. Der linkische Peter und der smarte Paul gehen nur einfach nicht und als Papa Georg diesbezüglich insistiert, wird ihm mal eben das Bein mit dem Golfschläger gebrochen. Damit sind die Spiele im wahrsten Sinne des Wortes eröffnet. Für Peter und Paul ist die Angelegenheit ein Spiel, und die verbinden sie gleich mal mit einer Wette: Entweder ist die Familie am nächsten Morgen tot oder nicht…


Inhalt

Wenn Michael Haneke, dem seit „Bennys Video“ das Image eines provozierenden Skandalregisseurs anhängt, einen Psychopathen-dringen-in-das-Leben-einer-gewöhnlichen-Familie-ein-Film dreht, darf man gepflegterweise davon ausgehen, dass dem Meister nicht primär an erbaulicher Spannungsunterhaltung für den couchbesetzenden Gewaltfan gelegen ist. Vielmehr beabsichtigt Haneke eine Analyse und Anklage der Medien-Gewalt, speziell will er dem gerade zitierten Fan (nennen wir für den Moment einfach mal „Gewaltproll“) einen Spiegel vorhalten. Keine Frage, dass der Film gespaltene Reaktionen – ergo entweder begeisterte Zustimmung oder energische Ablehnung – erfährt.

Das Szenario ist dabei keinesfalls außergewöhnlich, sondern Genre-Standard. Zwei durchgeknallte Psychos, drei wehr- und ratlose Opfer, eine Nacht. Soweit, so wenig originell, aber das ist natürlich nichts anderes als pure Absicht. Haneke will uns als Zuschauer in eine altbekannte Situation drängen. Der Plot ist durchkonstruiert bis ins Detail – mit dem „Twist“, dass die bewährten Zufälle, die normalerweise den Helden eines solchen Films irgendwann einmal zum Vorteil gereichen, „umgedreht“ werden, quasi zum „worst case scenario“; sprich – die Helden treffen grundsätzlich die falschen Entscheidungen, alles, was ihnen zum Schaden gereicht, passiert und selbst das, was ihnen im Filmverlauf normalerweise einen Vorteil verschaffen sollte (z.B. das zu Filmbeginn achtlos fallengelassene Messer, das im Finale programmgemäß dem Helden in die Finger fällt), bringt nichts. Anders ausgedrückt – die tapfere Familie hat keine faire Chance.

Dieser Umstand jedoch dient ausschließlich dafür, den Zuschauer in die entsprechende Stimmung zu versetzen, um den entscheidenden Punkt, die zentrale Aussage, die eminent wichtige Szene des Films wirken zu lassen. Dazu komme ich aber sofort noch, das fällt aber unter die Kategorie „massiver Spoiler“, deswegen eine Vorwarnung.

Jetzt also zum großen heftigen Spoiler – Ihr seid gewarnt… (nach „SPOILER ENDE“ geht’s neutral weiter).

Der eigentliche Kniff des Films ist, dass Haneke völlig bewusst mit den Konventionen des klassischen Erzählkinos bricht, um dem Zuschauer ein schlechtes Gewissen zu verpassen. Er lässt nämlich seine Psychopathen mehrmals im Filmverlauf direkten Kontakt mit dem Zuschauer aufnehmen und mehr oder weniger direkt aussagen, dass seine Figuren keine „interne“ Motivation haben, sondern schlicht und ergreifend dazu da sind, um die Triebe des gewaltgeilen Publikums zu befriedigen (nach dem Motto „wir tun das für euch“). Damit zerstört er die schützende Distanz zwischen dem Treiben auf der Leinwand bzw. der Mattscheibe und dem gemütlich auf seinem Sessel parkenden Konsumenten, wobei er diese Komplizenschaft subtil aufbaut – den ersten „Kommunikationsversuch“ kann man noch als eine „interne“ Handlung, also eine im Film begründete, begreifen (mögen), aber diesen bequemen Rückzugspunkt vernichtet Haneke dann einige Minuten später konsequent. Die Gewalt, postuliert Haneke, ist nur da, WEIL wir sie sehen wollen. Sie hat keinen anderen Grund. Wie jeder zünftige Film dieses Story-Kalibers appelliert „Funny Games“ vordergründig an die primitiven Rache-Instinkte und dreht genau daraus dem Zuschauer einen stabilen Strick (Spoiler continues): Kurz vor Toresschluss hat einer der „Helden“ die Faxen dicke – an dieser Stelle würde in jedem anderen Film der klassische „Revenge“-Teil beginnen, in dem die „Guten“ den „Bösen“ gewaltsam den Garaus machen. So zunächst auch hier, doch Haneke bedient sich nun eines zweifellos unfairen, aber um so effektiveren Tricks, um die Rachegelüste des mordgierigen Publikums gehörig am Nasenring durch die Manege zu führen – er lässt den überlebenden Psychopathen den Film einfach zurückspulen, ihn die Situation im zweiten Anlauf entschärfen und so den Film auf sein konsequentes Ende hin zu dirigieren. Das ist ohne Frage eine ganz linke Nummer, um dem Zuschauer nicht die Befriedigung zu gönnen, dass die Bösewichter ihr verdientes Ende finden und macht den Film für Anhänger „realistischer“ Filme natürlich vollkommen ungenießbar. Aber es ist eben der Punkt, den Haneke machen will – man mag sich trefflich darüber streiten, ob dieser Punkt gerechtfertigt ist (ich gehe mit Haneke völlig damit konform, dass Gewaltfilme niedere Instinkte ansprechen, aber ich verweigere mich zumindest der Schlussfolgerung, dass Gewaltfilme insofern per se schädlich sind), aber es ist bei aller Boshaftigkeit dem Zuschauer gegenüber ein mit drei Ausrufezeichen und unterstrichener Punkt, der eine Menge Mut erfordert. Haneke selbst führt im Begleitmaterial mehr oder minder aus, dass „normale“ Menschen (seiner Definition) den Film nicht bis zum Ende anschauen würden (wörtlich: „Wer den Film bis zum Ende ansieht, hat es gebraucht“) – ein pauschaler Tiefschlag; ich streite nicht ab, dass es die von Haneke als Zielgruppe ausgemachten Gewaltprolls gibt, wohl aber, dass jeder Gewaltfilmkonsument ein solcher Proll ist. Aber ich respektiere seine Meinung und vor allem seine Chuzpe, den Film quasi formvollendet auf diese Aussage hin zu konstruieren.

SPOILER ENDE

Alles, was sich auf den ersten Blick als „unlogisch“ oder „unrealistisch“ erweist, dient letzten Endes der Aussage des Films, dazu gehört die Umkehrung der Geschlechterrolle in der Familie (der Vater, den Eindringlingen körperlich sicher überlegen, wird frühzeitig als physische Bedrohung für diese ausgeschaltet), die mithin unverständlich anmutenden Verhaltensweisen aller Figuren usw. Haneke spielt mit den Konventionen des Genres, um sie ad absurdum zu führen. Diesen Umstand muss man akzeptieren, um mit dem Film einigermaßen zu Rande zu kommen; das wird fraglos nicht jedem Zuschauer gelingen.
Belassen wir es einmal mit dem Statement, dass man das Drehbuch des Films kaum kritisieren kann, weil es sich einem einzigen bestimmten Zweck, nämlich der von Haneke gewünschten Message, unterordnen muss und daher nicht anders erzählt werden KANN.

Filmisch ergibt sich Haneke ebensowenig den Gepflogenheiten des Genres – er verzichtet praktisch vollständig auf tatsächlih gezeigte Gewalt (wenn etwas gewaltsames passiert, schaut die Kamera grundsätzlich, und sei’s allein, um den zitierten Gewaltproll zu nerven, rein zufällig in eine andere Richtung). Die 18er-Freigabe verdient sich der Film daher weniger aufgrund der expliziten Darstellungen, sondern vielmehr wegen der extrem nihilistischen und zynischen Grundeinstellung. Der Film wird zunächst sehr flott vorangetrieben (hier helfen die pointierten Dialoge), wobei Haneke prinzipiell mit sehr langen Einstellungen arbeitet (was die Sache für die Darsteller auch nicht einfacher gemacht haben dürfte). Das Meisterstück in dieser Hinsicht ist eine fast zehnminütige Sequenz nach etwa einer Stunde (ich würde jetzt hier wieder einen entscheidenen Plotpoint spoilern, verriete ich, was zuvor geschieht), in der die Kamera zunächst fast fünf Minuten völlig starr auf die bewegungs- und sprachlosen Darsteller gerichtet bleibt (das einzige Indiz dafür, dass die DVD nicht eingefroren ist, liegt am weiterlaufenden Ton eines Fernsehers in der Szene) und die sich auch dann in quälender Langsamkeit fortentwickelt – hier scheiden sich die Geister wieder einmal. Manch einer wird versucht sein, die Vorlauf-Taste zu strapazieren, aber für andere, wie mich z.B., ist dies eine der emotional aufwühlendsten Szenen des Films, in der die ganze Hoffnungs- und Ausweglosigkeit der Situation, in der die Figuren sich befinden, kulminiert. Das inszeniert (und spielt) man nicht mal einfach so… Nach dieser – wieder gekonnt die Genre-Konventionen brechenden – Szene zieht der Streifen tempo- und spannungstechnisch wieder an, ein „show stopper“ im Wortsinne.

Die sparsam eingesetzte Filmmusik besteht aus klassischen Tönen von Mozart, Bach und Händel sowie kakophonischem Lärm aus der Werkstatt des Avantgarde-Saxophonisten und Teilzeit-Grindcore-Kollaborateurs John Zorn (nix für Weicheier). Da kann man natürlich wieder meckern, dass die „anständige“ Familie dem renommierten klassischen Kulturgut lauscht und die fiesen Killerkids den schlimmen Lärm…

Die Schauspieler sind generell zu loben – ihr Spiel ist sehr intim und intensiv, wobei Susanne Lothar („Die zweite Heimat“, „Die Klavierspielerin“) als Mutter Anna auf der „Opfer“-Seite herauszuheben ist. Ulrich Mühe („Rennschwein Rudi Rüssel“, „Sieben Monde“, „Straight Shooter“) hat es scriptbedingt (aufgrund seiner frühen Immobilisierung) schwerer, kann aber ebenfalls überzeugen. Bemerkenswert selbstredend auch die Leistungen der charmant-sadistischen Bösewichter. Arno Frisch – das „Gehirn“ der Psychopathen – („Bennys Video“, „99 Euro Films“) hat auf der Haben-Seite schon mal den österreichischen Akzent, Frank Giering („Anatomie 2“, „Kaliber Deluxe“) ist mehr als nur ein idealer Stichwortgeber. Ihre Rollen der quasi motivationslosen Killer-Spieler sind eben gerade aufgrund ihrer bewusst fehlenden Definition schwierig, werden von ihnen aber souverän gemeistert. In einer Nebenrolle findet sich Doris Kunstmann („Sieben Tote in den Augen der Katze“).

Bildqualität: Vorbemerkung – die technischen Angaben fallen heute etwas knapp aus, ich hatte die DVD nur kurz leihweise hier. Die lange antizipierte DVD-Fassung wird nun von Concorde ausgeliefert. Die Scheibe besticht durch einen akzeptablen, wenn auch nicht überragenden anamorphen Widescreen-Transfer (1.85:1), wobei das Bild auf der soften Seite liegt, an Detail- und Kantenschärfe sollten also keine großartigen Ansprüche gestellt werden. Auch die Kompression schwächelt gelegentlich, ansehbar bleibt der verschmutzungs- und störungsfreie Print aber stets.

Tonqualität: Die Tonspur fällt nicht überragend, aber allemal zweckdienlich aus. Zur Wahl stehen drei Tonspuren (Dolby Digital 2.0/5.1 sowie dts).

Extras: Herzstück des leider nicht übermäßig umfangreichen Bonusmaterials ist ein ca. 18 Minuten langes Interview mit Michael Haneke, von einem französischen Filmkritiker geführt und deswegen auch auf Französisch mit deutschen Untertiteln. Dem Gespräch lässt sich vieles über Intention und Aussage des Films entnehmen. Des weiteren werden Kurzinterviews mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar sowie eine Art „Pressespiegel“ geboten. Dazu gibt’s eine Trailershow.

Fazit: „Funny Games“ macht es dem oberflächlichen Betrachter nicht leicht. Es ist ein Film, der eigentlich, was seine vordergründige Plotte angeht, überhaupt nicht funktionieren SOLL. Haneke will eine Aussage machen (über die man, wie im gespoilerten Textteil schon ausgeführt, sicherlich streiten kann) und ordnet dieser alles andere unter. Lässt man sich darauf ein, kann „Funny Games“ den gewillten Zuschauer durchaus packen, und zwar genau da, wo’s weh tut und weh tun soll. Man darf den Film keinesfalls als plumpen Horrorthriller missverstehen, was aber wiederum nicht heisst, dass die „falsche“ Zielgruppe, die nach Hanekes Ansicht aber wieder genau die „richtige“ ist (nämlich die dumpfen Gewaltprolls) sich den Film nicht ansehen sollten (auch wenn sie vermutlich den Punkt eher nicht kapieren). Auf alle Fälle, auch wenn man mit der Message nicht notwendigerweise übereinstimmen muss, ein denkwürdiger und sehenswerter Film.

4/5
(c) 2005 Dr. Acula


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