- Deutscher Titel: Fünf unter Verdacht
- Original-Titel: Fünf unter Verdacht
- Alternative Titel: Stadt im Nebel | Fünf unter Verdacht - Stadt im Nebel | Mord in Belgesund | City in the Fog |
- Regie: Kurt Hoffmann
- Land: BR Deutschland
- Jahr: 1950
- Darsteller:
Hans Nielsen (Kriminalrat Thomsen), Friedrich Schönfelder (Dr. Sven Berling), Ina Halley (Ingrid Sörensen), Dorothea Wieck (Frau Berling), Blandine Ebinger (Margerite Lassens), Josef Sieber (Otto/Erik Palsberg), Franz Nicklisch (Karl Jensen), Hans Leibelt (Schuldirektor Lassens), Henry Lorenzen (Aalsen), Lutz Moik (Klaus Eriksen), Friedhelm von Petterson (Jacob Eriksen), Gunnar Möller (Ole Klimm), Horst Gentzen (Arne Hansen), Thomas Lundberg (Knud Petersen), Karl Klüsner (Oberlehrer Falster), Werner Schott (Kriminalkommissar Ribe), Kurt Waitzmann (Studienrat Dr. Claudius)
Vorwort
Die dänische Kleinstadt liegt seit Tagen unter schwerem Nebel – Tag und Nacht sind praktisch nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Ideales Wetter für ein mysteriöses Verbrechen…
An der Privatschule von Professor Lassens ist die Zeit der Examen angebrochen. Während die Zöglinge des Instituts in Englisch oder Französisch geradezu auffällig hervorragend abgeschnitten haben, sind die Ergebnisse der Mathe-Arbeit geradezu katastrophal. Dies nicht zum Gram des Lehrerkollegiums, sondern auch der Schülerschaft, denn wozu hat man für teuer Geld die Examensaufgaben bei Schuldiener Otto Palsberg, auch zuständig für die Versorgung der Jungspunde mit Schnaps und Zigaretten, erstanden, wenn dann völlig andere Aufgaben drankommen?
Klaus Eriksen, so etwas wie der inoffizielle Sprecher der Prima, stellt den Hausmeister deswegen auch lautstark zur Rede, der aber hält den Austausch der Prüfungsaufgaben möglicherweise für ein Problem, aber ganz bestimmt nicht seins, und sieht auch keinen Grund, von seiner monetären Entlohnung abzurücken. Man trennt sich im Unfrieden.
Später am Tag debattiert Jakob Eriksen, Klausens Bruder, mit Plasberg über ausstehende Bezahlung einiger Schnapspullen. Jakob steht auf dem Standpunkt, nicht alle Flaschen persönlich geordert zu haben und damit nicht in gesamtschuldnerischer Haftung zu stehen, aber als er plötzlich Studienrat Dr. Sven Berling in Plasbergs Kemenate gehen sieht, schützt er schnell Zahlungswilligkeit vor, um den Lauscher an der Tür spielen zu können. Berling und Plasberg sind ebenfalls in eine Auseinandersetzung verwickelt und der Hausmeister verlangt von Berling ultimativ, seinen Ausflug in die nächste Stadt um zwei Stunden zu verschieben, weil’s etwas wichtiges zu besprechen gäbe.
Das ist für Jakob interessant, weil er weiß, dass Berling ein Verhältnis mit der Schülerin Ingrid pflegt, auf die auch Jakob ein bis zwei Glubschaugen geworfen hat. Dies ist nicht nur potentiell skandalös, weil Ingrid noch minderjährig ist, sondern auch und erst recht, weil Berling noch (wie er ausführt, aber eben auch trotzdem) verheiratet ist. Und Ingrid bzw. ein beabsichtigtes Techtelmechtel ohne Zeugen ist auch der Grund für Berlings kleinen Ausflug nach Sundborg. Jakob versucht Ingrid die Beziehung auszureden, beißt aber auf dänisches Knäckebrot der stabilen Sorte. Dementsprechend grummelig sucht er das Hinterzimmer in der Gaststätte „Harmonie“ auf, die den Eriksens und ihrer Clique als außerschulisches Hauptquartier zum Saufen, Rauchen und Kartenspielen dient. Die Stimmung ist eher mies, weil man sich von Plasberg betrogen glaubt. Andererseits hängt an dem alten Knacker auch die Versorgung mit Bölkstoff, und an dem mangelt’s grade. Da Jakob aus Depressionsgründen – und weil er gerade erst dort war – nicht bei Plasberg einkaufen will, opfert sich Klaus. Um kreidebleich zurückzukommen. Plasberg, so rapportiert er, ist tot, abgestochen, vom Täter fehle jede Spur. Dafür hat Klaus Plasbergs Notizbuch, in dem er fein säuberlich alle Transaktionen mit den Jugendlichen verzeichnet hat, mitgehen Lassens.
Nach Ansicht seiner Kameraden sieht das ziemlich schlecht für Klaus aus, denn seine Geschichte stößt nicht mal im Kreise seiner besten Freunde auf uneingeschränkte Gegenliebe, wie wird das dann erst mit der Polizei aussehen? Es wird beschlossen, die Sache unter Verschluss zu halten. Und so wird der Tote erst am Montag früh gefunden, als Schüler und Lehrkörper vergeblich darauf warten, dass der Hausmeister die Schulglocke bimmeln lässt…
Der Mord ruft Kriminalrat Thomsen aus Sundborg, der im Ruf steht, noch jedes Verbrechen binnen drei Tagen aufgeklärt zu haben, und seinen Gehülfentschackl, den schweigsamen und verschnupften Kriminalassistenten Aalsen auf den Plan. Die Schüler ahnen, dass ob des wohlbekannten Streits Klaus‘ mit Plasberg der Kriminalrat eher früher oder später auf Klaus stoßen wird – man versucht daher, Klaus temporär auf See zu verstecken, aber Thomsen ist auf Zack und unterbindet die Flucht. Klaus ist natürlich der Top-Verdächtige, zumal er wie so manch anderer allerdings auch, etwas aus dem Leim geht, als Thomsen Plasbergs Zwillingsbruder präsentiert – und dummerweise hat Klaus auch einen bildschönen Schuhabdruck in verschüttetem Zucker in Plasbergs Bude hinterLassens. Obschon viel gegen Klaus spricht, vernachlässigt Thomsen auch nicht die anderen Verdächtigen. Berling hat offensichtlich auch mit dem Hausmeister ein Huhn zu rupfen gehabt, und irgendwer muss ja auch dem nunmehr Ermörderten die Prüfungsaufgaben durchgestochen haben. Zudem profitiert auch Plasbergs Bruder durch Erbschaft enorm durch den plötzlichen Tod, und da gibt’s dann auch noch den besten Kumpel Plasbergs, Olaf Jensen, prinzipiell ein zur Kriminalratenfreude sehr redseliger Typ, der allerdings nie die ganze Story erzählt und bei jedem Verhör eine neue Wendung auf Lager hat, die irgendjemand anderen als höchst verdächtig in die Pfanne haut…
Inhalt
Ich will mich nicht filmhistorisch weiter aus dem Fenster lehnen als zwingend nötig, aber das „Fünf unter Verdacht“, auch bekannt unter den Alternativtiteln „Stadt im Nebel“ (wie sich der hiesige Print meldet) oder „Mord in Belgesund“, mit seinem Baujahr 1950 zu den ersten deutschen Nachkriegs-Krimis gehört, dürfte einigermaßen unumstritten sein. Zuständig hierfür sind zwei legendäre Namen des deutschen Kintopps – die jüngst verstorbene Produzentenlegende Atze Brauner und Regisseur Kurt Hoffmann, eigentlich Komödienspezialist, aber nach eigener Aussage relativ leidenschaftslos, was das Genre angeht, solange die Geschichte interessant war – dennoch ist Hoffmann fraglos für seine Lach- und Sachfilme wie „Quax, der Bruchpilot“ und natürlich vor allem die „Spessart“-Trilogie berühmt und gefeiert (nicht zuletzt von mir). Aber irgendwo hat Hoffmann natürlich Recht – wer’n Guter seines Fachs ist, der kann in jedem Genre formidable Arbeit abliefern…
Für Atze Brauner, damals natürlich noch am Anfang seiner schier unendlichen Produzentenkarriere, war es nach einigen Dramen und Komödien der erste Versuch im Fach des Spannungskinos. Als Vorlage wurde der Roman „Thomsen verhört die Prima“ der Schriftsteller Herbert Moll und Rudolf Becker ausgesucht – die Autoren waren offenbar auch zeitgenössisch SO bedeutend und erfolgreich, dass die einzigen Spuren, die man im Netz überhaupt von ihnen findet, sich ausschließlich auf diesen Film beziehen; ich kann also auch nicht bestätigen, ob Thomsen, wie der Romantitel es zumindest anzudeuten scheint, eine „Serienfigur“ war oder nur ein one-off-Charakter.
Ebenso wenig weiß ich natürlich, ob auch die Romanvorlage schon in Dänemark angesiedelt war. Zwingend notwendig ist das dänische Setting natürlich nicht, man hätte, wenn man’s denn gewollt hätte, die Handlung genauso gut in ein Schleswiger Küstenkaff verlegen können, oder gleich nach Berlin, wo der Film ohnehin gedreht wurde (allerdings kann ich mich jetzt auch nicht für die Anzahl der Nebeltage in Berlin anno 1950 verbürgen. Zu meiner Berliner Zeit war’s zugegeben eher selten so suppig).
So oder so – die Geschichte ist ein solide konstruiertes kleines Mörderspiel an einem Mikrokosmos (der Privatschule), der 1950 sicherlich noch nicht so abgedroschen war wie 25 Jahre später, als gefühlt jeder zweite Giallo an einem Internat oder anderweitigem Bildungsinstitut spielte. Der Film nimmt sich genügend Zeit, um sein Szenario und seine handelnden Personen zu etablieren; dieweil wir als Zuschauer einen ordentlichen Wissensvorsprung haben, wer warum einen Groll auf Plasberg hegen könnte, bleibt die Identität des Mörders für uns ein Geheimnis wie für die Figuren selbst. Ein Motiv, so stellt auch Thomsen, wenn er denn nach einer guten halben Stunde in Belgesund eintrifft, vielleicht nicht unbedingt jeder, aber er hat mehr Verdächtige, als er zunächst vermutet hat. Die Eriksen-Brüder in ihrer Wut auf die vermasselten Prüfungen, Plasbergs Bruder aus schlicht monetären Erwägungen, Berling als mutmaßliches Opfer einer Erpressung und natürlich Labertasche Jensen, der irgendwie nur zu gerne belastende Aussagen zu Ungunsten der andern Verdächtigen macht, um selbst unverdächtig zu bleiben.
Im Krimi ist es immer wieder nett zu sehen, wenn der ermittelnde Ermittler denn auch tatsächlich ermittelt und nicht nur darauf wartet, dass Zufälligkeiten den Fall für ihn lösen, und Kriminalrat Thomsen ist dahingehend ein wahres Vorbild. Er verhört alles und jeden, notfalls auch fünfmal, und obwohl er nicht diesen Columbo-Stil drauf hat, durch unschuldiges Nachfragen so lange zu nerven, bis sich der Killer verplappert, ist er zumindest ein früher Vorgänger, immer bereit, eine weggeworfene Nebenbemerkung dem Verdächtigen im geeigneten Moment um die Ohren zu hauen, oder durch ungewöhnliche Verhörtaktiken zu irritieren (bei den Schülern versucht er’s z.B. mit Kartentricks, die fast komplett schief gehen). Seine Beharrlichkeit führt bei den Verdächtigen zu hochgradiger Nervosität, auch und gerade bei Berling, dem zu allem Überfluss dann auch noch die (noch) Angetraute in die Quere kommt, die ihrerseits Ingrid durchaus glaubt, dass ihr Ex-Gatte-in-spé großen Blödsinn fabriziert haben könnte.
Das alles füllt die Laufzeit durchaus spannend und mit einem Sinn für trockenen Humor, bis Thomsen in bester Agatha-Christie-Manier seine Verdächtigen zusammenruft, um den Täter vor versammelter Filmbelegschaft zu enthüllen. Daran schließt sich der einzige echte Schwachpunkt des Films an, eine Verfolgungsjagd, da der Täter nicht den Anstand besitzt, sich klaglos festnehmen zu Lassens, und die zwar nicht schlecht inszeniert ist, aber tonal nicht so recht zum Restfilm passt (sie sieht eher so aus, als wäre sie stark von „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ oder „Der dritte Mann“ beeinflusst, und bis dahin war „Fünf unter Verdacht“ zwar ein Krimi, aber doch ein relativ „leichtgewichtiger“).
Mag aber sein, dass Hoffmann noch einmal besonderen Nutzen aus dem tollen Set der winkligen Kleinstadt ziehen wollte, die im ständigen Nebel und der wabrig-schummrigen Beleuchtung, die es in der Tat unklar lässt, zu welcher Tageszeit eine Szene denn spielen könnte, sich zu einem wahren Labyrinth entwickelt. Dank der großartigen Bauten von Franz Bi („Wir Wunderkinder“, „Menschen im Netz“) und dem Stummfilmveteranen Botho Höfer („Lebende Buddhas“, „Der Bettelstudent (1927)“) und der nicht minder exzellenten Kameraarbeit von Bruno Stephan („Königin einer Nacht“, „Tausend rote Rosen blühn“) – unterstützt von ausgezeichneter Beleuchtung, die die s/w-Fotografie erst so richtig zur Geltung bringt, trieft „Fünf unter Verdacht“ vor beklemmender, leicht unheimlicher (und ein wenig die späteren Wallace-Filme vorausnehmenden) Atmosphäre.
Die Musik von Herbert Trantow („Wozzeck“, „Das kalte Herz“, „Lana – Königin der Amazonen“) schwankt mir etwas zu sehr zwischen traditioneller umta-umta-Filmmusik teutonischer Prägung und eher experimentiellen Klängen.
Der Cast ist ausgezeichnet. Hans Nielsen („Gestehen Sie, Dr. Corda!“, „Gustav Adolfs Page“, „Scotland Yard jagt Dr. Mabuse“), einer der produktivsten deutschen Nachkriegsschauspieler, der offenbar nicht glücklich war, wenn er nicht mindestens ein halbes Dutzend Filme pro Jahr runterprügeln konnte, ist praktisch perfekt als der beharrliche, unnachgiebige und doch menschliche Kriminalrat Thomsen. Friedrich Schönfelder („Mein Mann, das Wirtschaftswunder“, „Der schwarze Abt“), der beliebte Film-, Fernseh-, Bühnen- und Synchronschauspieler, spielt als Dr. Berling eine seiner ersten größeren Rollen (noch ohne seinen markanten Schnauzbart) und gefällt auch als zwielichtiger Lehrer gut. Ina Halley („Der Vetter aus Dingsda“, „Die lustigen Weiber von Windsor“) ist mehr optischer Zierrat (so man in einem Film von 1950 davon reden kann) als die versierte Theaterschauspielerin sich auszeichnen könnte. Josef Sieber, ein Veteran (schon in „Wasser für Canitoga“ mit dabei und später in der „Immenhof“-Reihe), überzeugt als Otto Plasberg deutlich mehr als sein Zwillingsbruder Erik, für den er etwas zu dick aufträgt. Fritz Nicklisch („Der schwarze Walfisch“, „Spion für Deutschland“) bringt den enthusiastischen Jensen markant auf den Punkt. Unter den Jungspunden finden sich mit Gunnar Möller („Bomben auf Monte Carlo“, „Liselotte von der Pfalz“ ) und Lutz Moik („Der eiserne Gustav“, „Fabrik der Offiziere“) aufstrebende Jungschauspieler. Der Däne Henry Lorenzen („Viktor und Viktoria“, „Der grüne Bogenschütze“) setzt als Aalsen ein paar gekonnte humoristische Momente.
Die DVD von Pidax bietet einen überwiegend sehr guten 4:3-Transfer (nur in einer Szene, Ingrid und Berling in ihrem Hotelzimmer in Sundborg, flattert irgendein Fremdkörper am rechten Rand. Wie im richtigen Leben…) und brauchbaren Ton (leichtes Grundrauschen). Als Extra gibt’s nur den üblichen Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne.
Für Freunde altmodischer Krimiunterhaltung ist „Fünf unter Verdacht“ jedenfalls ein Fest – ein atmosphärischer, spannender Krimi mit leichten Schönheitsfehlern im Finale, dafür aber überwiegend sehr guten darstellerischen Leistungen und einer Prise Humor. Das gefällt!
© 2019 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 3
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 11.07.2019