Frost/Nixon

 
  • Original-Titel: Frost/Nixon
  •  
  • Regie: Ron Howard
  • Land: USA
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Drehbuch: Peter Morgan (nach seinem Theaterstück)
    Darsteller: Frank Langella (Richard Nixon), Michael Sheen (David Frost), Sam Rockwell (James Reston Jr.), Matthew Macfadyen (John Birt), Oliver Platt (Bob Zelnick), Kevin Bacon (Jack Brrennan), Rebecca Hall (Caroline Cushing) u.a.


Vorwort

1974 tritt US-Präsident Nixon in Folge der Watergate-Affäre zurück. Einer gerichtlichen Verfolgung entkommt er, indem ihn sein Nachfolger Gerald Ford begnadigt. Öffentlich Stellung zu den Vorwürfen bezieht der Ex-Präsident nicht.

Drei Jahre später erklärt er sich – für ein hübsches Sümmchen und mit der Idee im Kopf, sich auf die Art in den Augen der Öffentlichkeit rehabilitieren zu können – dazu bereit, sich von dem Fernsehmoderator David Frost interviewen zu lassen. Dieser wiederum verspricht sich von dem Interview ein Geständnis Nixons und die Möglichkeit, zu den Höhen des Ruhmes zurückzukehren, die er genoss, bevor sein Stern am Showmaster-Himmel im Sinken inbegriffen war.
Das Projekt dann auch tatsächlich zu stemmen, stellt ihn allerdings vor grosse, nicht zuletzt finanzielle Probleme, und irgendwie glaubt niemand, dass dieses TV-Leichgewicht in einem ernsthaften Polit-Interview bestehen kann. Und tatsächlich: in den ersten Sitzungen scheint er „Tricky Dick“ nicht im Geringsten gewachsen…


Inhalt

Wieso verfilmt man ein Interview, das man sich theoretisch genau so gut im Original angucken könnte? Nun, nicht jeder hat die Geduld, sich durch 28 Stunden trockenes Material zu kämpfen, was grad der Punkt von „Frost/Nixon“ ist: Wie bereits das zugrunde liegende Theaterstück von Peter Morgan („The Last King of Scotland“, „The Queen“), das dieser hier selbst als Drehbuch für die Leinwand adaptiert, erlaubt der Film eine gebündelte dramaturgische Aufarbeitung des Geschehens (mal abgesehen davon, dass er einem auch das ganze Drumherum näher bringt). Mit Ron Howard („Cocoon“, „Apollo 13“, The Da Vinci Code) als Regisseur entsteht somit ein spannendes Duell zweier faszinierender Persönlichkeiten, das mitunter allerdings etwas gar vorhersehbar und schematisch geraten ist (wenn Frosts Helfer Reston zu Anfang eine bestimmte Akte aus dem Archiv holen will, kann sich auch der hinterletzte Proll im Publikum an seinen drei Füssen ausrechnen, dass diese am Ende der Schlüssel zum Erfolg des Interviews sein will). Und es stellt sich die Frage, ob die hier stattfindende Emotionalisierung und Pathetisierung dem Stoff wirklich gerecht wird; eine etwas nüchternere Herangehensweise wäre mir durchaus recht gewesen (die Grundlage ist nun mal ein einfaches Interview eher intellektueller Ausrichtung und keine epische Schlacht – ich verlange übrigens eine Parodie, in welcher sich Frost und Nixon gegenseitig zu Tode wresteln).

Andererseits gibt sich der Film einen betont dokumentarischen Anstrich, wenn er mit einer Collage von Original-Footage beginnt, welche den Hergang des Watergate-Skandals zusammenfasst, und im Verlauf der Handlung immer wieder Interview-Schnipsel dazwischen schaltet – welche allerdings die Schauspieler, nicht die echten Beteiligten zeigen.
Etwas problematisch wird der Doku-Touch, wenn dann frei erfundene Szenen wie der Anruf Nixons bei Frost vor der letzten Interview-Sitzung eingefügt werden, oder überhaupt der eine oder andere Fakt verbogen wird (zum Beispiel, was die Anzahl der Interviewsitzungen angeht). Es gilt den Grundsatz zu beachten, Filme, die auf wahren Fällen oder historischen Ereignissen basieren, um Himmels Willen nicht für voll zu nehmen. (Wie man übrigens sehr schön in diesem Cracked.com-Artikel sieht; wer hätte das gedacht, die Rede kommt auch auf „Frost/Nixon“.)

Die gestellten Interview-Schnipsel lassen ausserdem zuweilen den Wunsch aufkommen, die Verantwortlichen hätten den Ansatz einer echten Dokumentation gewählt – wenn da zum Beispiel von der Wirkung der Nahaufnahme die Rede ist, fände zumindest ich einen Blick auf das originale Material weitaus interessanter als den auf das nachgespielte. Zudem fehlt es ein bisschen an der Vermittlung der politischen Hintergründe; man muss einiges an Vorwissen mitbringen, um den Film so richtig zu kapieren (klar, er konzentriert sich eher auf Charaktere denn Politik, aber trotzdem…).
Es bräuchte na nicht einmal unbedingt einen Dokumentarfilm: George Clooney beispielsweise hat mit „Good Night, and Good Luck“ gezeigt, wie man ein solches Projekt geschickt aufziehen kann.

Stellt man diese Erwägungen beiseite, bleibt immer noch ein spannender Film (dafür, dass quasi zwei Stunden bloss geredet wird, verfliegt bei „Frost/Nixon“ die Zeit wie im Nu) mit grossartigen Darstellerleistungen.
Frank Langella („Dracula“, Masters of the Universe, „Brainscan“, „Superman Returns“) ist genial in der Rolle dieses mächtigen Mannes, der aufgrund seiner Minderwertigkeitskomplexe (die von seiner eher einfachen Herkunft herrührenden) alles, wirklich alles tut, um an die Spitze zu kommen und es allen zu zeigen, dabei aber in Kauf nimmt, moralische und gesetzliche Grenzen zu übertreten – bis er über die Folgen seiner eigenen Taten stolpert. Nixon ist eine äusserst ergiebige tragische Figur.
Interessant ist auch der Kontrast zwischen seiner leicht vertrottelten Art (bis hin zu seinen komischen Sprüchen) einerseits und seiner Durchtriebenheit andererseits (die sich beispielsweise daran zeigt, dass er Frost kurz vor dem Beginn der Interviewsitzungen jeweils mit einem gezielten verbalen Tiefschlag aus dem Konzept bringt – dass sich dies vor der letzten Sitzung umkehrt, ist aber ein weiterer dramaturgischer Kniff, der nicht besonders überrascht). Mein einziges Problem mit Langella ist, dass er Nixon nur sehr entfernt ähnlich sieht – ein Anthony Hopkins kam da dem Original schon sehr viel näher.
Ebenfalls ein Highlight ist das Schauspiel von Michael Sheen („Underworld“, „Timeline“, „Underworld: Evolution“, „The Queen“). Er gibt den äusserlich gefasst erscheinenden und falsch grinsenden, innerlich brodelnden Frost mit grosser Überzeugungskraft. Und es ist schon schmerzlich mit anzusehen, wie ihm das Projekt mehr und mehr aus den Händen gleitet (besonders die erste Interviewsitzung, in dem Nixon ihm regelrecht den Arsch versohlt und die ganze optimistische Grundstimmung konsequent verfliegt, fährt brutal ein).

Schlussendlich bleibt mir nur ein ambivalentes Fazit: Den Interviews wird „Frost/Nixon“ nicht wirklich gerecht, immer wieder kommt die Frage nach dem Vergleich mit dem Originalmaterial auf. Andererseits haben wir hier ein (trotz mancher Vorhersehbarkeit) spannendes und überzeugendes Duell zweier mitreissender Charaktere. Eine verhaltene Empfehlung.

6/10

© 2009 Gregor Schenker (manhunter)


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