Frontline – Zwischen den Fronten

 
  • Deutscher Titel: Frontline - Zwischen den Fronten
  • Original-Titel: Titanic Town
  •  
  • Regie: Roger Michell
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1998
  • Darsteller:

    Julie Walters (Bernie McPhelimy), Cirian Hinds (Aidan McPhelimy), Nuala O’Neill (Annie McPhelimy), James Loughran (Thomas McPhelimy), Barry Loughran (Brandon McPhelimy), Elizabeth Donaghy (Sinead McPhelimy), Ciaran McMenamin (Dino/Owen), Jaz Pollock (Patsy French), Caolon Bryne (Niall French), Aingeal Grehan (Deirdre), Oliver Ford Davies (Whittington)


Vorwort

Belfast, 1972 – der ganz normale tägliche Wahnsinn des Bürgerkriegs tobt – in das Chaos von Armee-Razzien und IRA-Anschlägen zieht die normale katholische Familie McPhelimy und versucht eigentlich nur, ein normales friedvolles Leben zu führen. Ist nur nicht so einfach, wenn die britische Armee mal eben einer Nachbarin das Gesicht wegschießt und IRA-Aktivisten – wenn auch wohl eher versehentlich – auf offener Straße statt der ins Ziel genommenen verhaßten Besatzer mal eine Zivilistin umbringen. Mutter Bernie McPhelimy hat eines Tages genug – sie will nicht mehr akzeptieren, dass ihre Kinder auf den Straßen nicht mehr sicher sind und spricht sich auf einer Versammlung für die Einhaltung bestimmter Zeiten für den Guerilla-Krieg aus. Dies wird ihr von der IRA-sympathisierenden Mehrheit im Viertel als Verrat an der nationalen Sache ausgelegt, aber Bernie läßt sich nicht unterkriegen und gründet eine Friedensinitiative. Gegen anfängliche Schwierigkeiten gelingt es ihr tatsächlich, Kontakte zu den IRA-Oberen und Vertretern der britischen Besatzungsmacht aufzubauen und merkt in ihrer friedensstiftenden Naivität nicht, dass beide Parteien sie lediglich als Marionette in ihren jeweiligen politischen Ränkespielen benutzen. Die ungeahnte politische Aktivität der Mutter bringt aber auch das Leben ihrer Familie heftig durcheinander – Vater Aidan platzt ein Magengeschwür nach dem anderen und die Kinder leiden unter den Anfeindungen von früheren Freunden und Nachbarn, was auch die erste zarte Liebe der sechzehnjährigen Tochter Annie empfindlich sabotiert…


Inhalt

Einer der mir auf ewig am unverständlichsten bleibende Konflikte auf dieser schönen Erde ist und bleibt der Bürgerkrieg in Nordirland – ich meine, wenn sich irgendwo im Nahen Osten Menschen gegenseitig aus Glaubensgründen die Köpfe einschlagen, ist das irgendwo eine Sache (und vor allem: es ist weit weg), aber dass sich mitten in Europa (okay, „mitten“ ist übertrieben, aber Ihr wißt, worauf ich hinauswill) Protestanten und Katholiken seit Jahrzehnten gegenseitig umbringen, tut mir leid, da tille ich etwas. „Frontline“ macht einen nicht wirklich schlauer, wo denn die eigentlichen Ursachen für diesen (wie alle Kriege und Bürgerkriege) hauptsächlich auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragenen Konflikt liegen, aber das ist auch nicht die Absicht des Streifens (denk ich zumindest mal). Vielmehr beleuchtet dieser auf einer wahren Begebenheit beruhende Film den Mikrokosmos einer Familie, die gegen ihren Willen tiefer in den allgegenwärtigen Kampf hineingezogen wird, als allen Beteiligten lieb ist – die Ursachen des Bürgerkriegs sind dem Film relativ egal, er müht sich, keine Stellung zu beziehen (wobei die Sache der irischen Nationalisten über den Daumen gepeilt, und sei es aufgrund der Erzählperspektive, etwas „besser“ wegkommt), sondern versucht, ein leidenschaftliches emotionales Plädoyer für den Frieden zu sein. Und das gelingt dem Film über weite Strecken.

Zugegeben, die ersten zwanzig Minuten des Films, die den ganz normalen Wahnsinn des Versuchs eines normalen Lebens im Bürgerkrieg zeigen, sind die wirkungsvollsten (die sinnlosen Razzien, Schießereien auf offener Straße, Anschläge auf Linienbusse) – hier zeigt sich das in einer gewissen Weise schon fast wieder komische Grauen in seiner beeindruckendsten Weise. Wenn dann die eigentliche Story einkickt und sich das Geschehen auf die McPhelimy-Familie und ihre persönlichen Erfahrungen während Mamas Friedensinitiativenzeit konzentriert, verliert der Film zwar seine Anliegen nicht aus den Augen, entwickelt sich aber folgerichtig mehr zu einem politisch beeinflußten Familiendrama, was zwar beileibe auch nicht schlecht ist (und mit Sicherheit eher die Intention als eine großangelegte Analyse des Nordirland-Konflikts), verliert aber auch eindeutig an Tempo. Was nicht an der Regie von „Notting Hill“-Regisseur Roger Michell liegt – der Tempowechsel liegt einfach in der Natur des Stoffes begründet und Michell nutzt auch einige Kunstgriffe wie die Parallelhandlung um Annies erste Liebe, um das ganze nicht zu sehr in einen trockenen Polit-Agitationsfilm ausufern zu lassen, sondern menschliches Drama in allen Facetten zu portraitieren – das macht „Frontline“ zu einem Film der leisen Töne und – wiederum folgerichtig – zu großem Schauspielerkino.

In der Hauptrolle brilliert Julie Walter („Harry Potter“, „Girl’s Night“) als engagierte, aber naive Bernie, die über ihren kämpferischen (und von Beginn an zum Scheitern verurteilten) Einsatz für den Frieden fast vergißt, wie sehr ihre Familie unter ihrer neuen „Karriere“ leidet. Ciaran Hinds („Mary Reilly“) überzeugt als ihr Ehemann Aidan ebenso wie – vor allem – Nuala O’Neill als Annie, die quasi auch als Erzählerin des Films fungiert. In Nebenrollen sind Oliver Ford Davies („Star Wars Ep. 1+2“) und Jaz Pollock („Die Asche meiner Mutter“) zu sehen.

Bemerkenswert ist bei all der Hoffnungslosigkeit (schließlich wissen wir alle, dass die Geschichte nicht mit einem Happy End per se enden kann, sonst wäre Nordirland nicht immer noch in den Nachrichten), dass Michell trotzdem einen leisen, lakonischen Humor durchschimmern läßt – das macht den Streifen ein wenig leichter verdaulich, ansonsten wäre er schon von der eher depressiven Sorte (selbst das [offene] Ende, das zunächst so aussieht, als würde es einen leisen Hoffnungsschimmer geben, dreht sich prompt in ein „es-wird-sich-eh-nichts-ändern“-Szenario) – trotzdem ein großartiger Film, der mich, mit null Erwartungen an den Streifen herangegangen, voll überzeugt hat.

Bildqualität: Ob das von VCL angegebene Aspect Ratio von 1.85:1 hinkommt, wage ich leicht zu bezweifeln – sieht mir mehr nach 1.78:1 (um den Dreh) aus. Der Videotransfer selbst ist besser, als man es von VCL gemeinhin gewohnt ist. Die Farben wirken überzeugend, Schärfe und Bildauflösung sind zwar nicht perfekt, aber immerhin ansehnlich, die Kontrastwerte liegen ebenfalls eindeutig im grünen Bereich. Verschmutzungen sind nicht zu verzeichnen, Bildstörungen nur in minimaler Anzahl. Wäre schön, wenn VCL öfter mal auch für Backprogramm-Titel Prints dieser Güte ausgraben würde.

Tonqualität: Leider hat VCL auf die Dreingabe des Originaltons verzichtet – gut, heftigen irischen Akzent würde vielleicht nicht jeder verstehen, aber es täte der Authenzität des Streifens gut, könne man ihn in OmU genießen. So bekommen wir statt dessen zwei deutsche Tonspuren in Dolby Digital 2.0 und 5.1. Die 2.0-Spur klingt recht kräftig und überzeugt in ihrer Abmischung, wohingegen die 5.1-Spur ziemlich saft- und kraftlos und vor allen Dingen arg leise aus den Boxen schallt.

Ausstattung: Wie eigentlich zumeist überschlägt sich VCL hier nicht gerade mit Extras – außer Filmographien für Julie Walters und Roger Michell (die auf zwei bzw. einer Texttafel abgehandelt werden) findet sich nicht mal eine Trailershow auf der Scheibe.

Fazit: „Frontline“ mag nicht der definitive Film über den Bürgerkrieg in Nordirland sein, aber das will er wohl auch gar nicht, vielmehr zeigt er exemplarisch anhand einer Familie, wohin Haß und Fanatismus führen können und wie wohlgemeintes Engagement Familien zerstören und akut Leben bedrohen kann – eben kurz den ganz normalen Wahnsinn eines mit rationalen Mitteln nicht zu erfassenden Konflikts – Roger Michell packt das in ein bewegendes, stellenweise förmlich mitreißendes politisches Familiendrama mit großen darstellerischen Leistungen – ein leiser Film, der es schwer haben wird, ein großes Publikum zu finden, aber auf jeden Fall ein Film, auf den sich aufgeschlossene Filmfreunde (entweder aus Interesse am Thema oder einfach aus Freude an verdammt guten Schauspielern) einlassen sollten. Die VCL-DVD kann zumindest von ihrem Bild und hinsichtlich des 2.0-Tons überzeugen und liefert so keine gravierenden Argumente gegen eine Anschaffung. Fehlt eigentlich nur noch als Soundtrack „Zombie“ von den Cranberries…

4/5
(c) 2004 Dr. Acula


mm
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