Frankensteins Braut

 
  • Deutscher Titel: Frankensteins Braut
  • Original-Titel: Bride of Frankenstein
  •  
  • Regie: James Whale
  • Land: USA
  • Jahr: 1935
  • Darsteller:

    Boris Karloff (Das Monster), Colin Clive (Dr. Henry Frankenstein), Valerie Hobson (Elizabeth Frankenstein), Ernest Thesiger (Dr. Praetorius), Elsa Lanchester (Mary Wollstonecraft Shelley/Braut des Monsters), Gavin Gordon (Lord Byron), Douglas Walton (Percy Shelley), Una O’Connor (Minnie), E.E. Clive (Bürgermeister), O.P. Heggie (Einsiedler), Dwight Frye (Karl)


Vorwort

Wieder einmal sitzen Lord Byron und die Shelleys in einer stürmischen Nacht in ihrer Schweizer Villa. Durch die unheimliche Atmosphäre und den von ihrem Roman begeisterten Lord Byron angeregt, fabuliert Mary Shelley die Geschichte weiter… Während Henry Frankenstein sich langsam von den Verletzungen erholt, die er sich beim Kampf in der Mühle zugezogen hat, befreit sich auch das Monster aus der Ruine, tötet zwei Dorfbewohner und flieht in die Wälder. Frankenstein bekommt unerwarteten Besuch – Dr. Praetorius, einer seiner früheren Universitätslehrer und selbst auf dem Gebiet der Erschaffung künstlichen Lebens tätig. Praetorius, der schon ein Panoptikum an Mini-Menschen erschaffen hat, will Frankenstein zur Zusammenarbeit überreden, doch der, frisch verehelicht mit Elizabeth, hat von der Gottspielerei zunächst mal die Nase voll. Indes wird das Monster, das immer noch auf der Suche nach Zuneigung ist, von den Dorfbewohnern gefangen, doch es gelingt ihm die Flucht aus dem Kerker. Unterschlupf und erstmals in seinem Leben vorurteilsfreie Aufnahme findet es bei einem blinden Einsiedler, der ihm auch das Sprechen beibringt (und nebenbei auch das Alksaufen und Zigarrenrauchen). Das Idyll wird jedoch durch das Auftauchen einiger Jäger (darunter ein unkreditierter John Carradine) gestört – erneut muss das Monster fliehen und findet ein Refugium in einer alten Gruft. Dort allerdings ist noch jemand am Werk – Dr. Praetorius, der sich dort mit Einzelteilen für seine eigene Schöpfung eindeckt und als erster Goth der Welt Privatpartys feiert. Praetorius erkennt die Chance, die sich ihm durch das verzweifelte und einsame Monster bietet – er will dem Monster eine „Gefährtin“ bauen, was beim Monster begreiflicherweise gut ankommt. Praetorius setzt die Kreatur als Druckmittel gegen Frankenstein ein, doch erst, als das Monster in Praetorius‘ Auftrag Elizabeth entführt, willigt Frankenstein ein, bei der Erschaffung der Monsterbraut mitzuwirken. In Frankensteins altem Laboratorium werden die Geräte wieder angeworfen…


Inhalt

Nach dem sensationellen Erfolg von „Frankenstein“ wollte Universal sofort eine Fortsetzung, nur James Whale, der vermutlich fürchtete, auf Horror festgelegt zu werden, hatte keine Lust. Die Produzenten versuchten, ohne Whale weiterzuarbeiten, verschlissen etliche Drehbuchentwürfe und mussten schließlich reumütig vor Whale zu Kreuze kriechen. Für quasi völlige künstlerische Kontrolle und freie Hand bei der Besetzung liess Whale sich breitschlagen. Er holte John L. Balderston, den Autor der Theatervorlage für den ersten „Frankenstein“-Film an Bord, der dem letztlich ausgesuchten Script von William Hurlbut den letzten Schliff gab. Whales Herrschaft über „Bride of Frankenstein“ war absolut – stieß irgendeine seiner Ideen auf Ablehnung, drohte er, den Film nicht zu machen – so drückte er z.B. den (m.E. überflüssigen) Prolog mit Mary Shelley und Lord Byron ebenso durch wie die Besetzung von Elsa Lanchester (das Studio hatte auch Brigitte Helm aus „Metropolis“ in die engere Wahl genommen; allerdings hätte das schon etwas von einem unverfrorenen Plagiat gehabt). Der Erfolg, sowohl künstlerisch als auch kommerziell, gab Whale Recht – „Bride of Frankenstein“ gilt nicht nur als eines der extrem wenigen Sequels, das seinen Vorgänger qualitativ übertrifft, sondern auch (speziell im Bereich der seriösen Filmkritik) als bester Horrorfilm aller Zeiten.

Ist „Bride“ nun ein besserer Film als „Frankenstein“? Jein. Er hat viele Zutaten, die nötig sind, um „Frankenstein“ zu verbessern, aber auch ein-zwei gravierende Minuspunkte. Zunächst mal zu den positiven Bemerkungen: Whale stand im Vergleich zu „Frankenstein“ ein deutlich erhöhtes Budget zur Verfügung (knapp 400.000 Dollar anstatt gut 250.000), was dem Streifen einen insgesamt besseren Look verleiht

Inhaltlich greift „Bride“ Elemente aus Shelleys Roman, die im Vorgängerfilm und der zugrundeliegenden Bühnenfassung übergangen worden waren, auf (z.B. die Grundidee der „Gefährtin“ für die Kreatur und, wenngleich stark reduziert und wesentlich schlüssiger in den Plot integriert, die Sprachbegabung des Monsters. In Shelleys Roman lernt die Kreatur zu sprechen, indem es den Sprachlektionen, die ein junger Mann einer geflohenen orientalischen Prinzessin anhand zeitgenössischer Lyrik und Poesie, verabreicht; da ist die Episode mit dem Einsiedler schon deutlich besser. Karloff selbst war übrigens dagegen, dem Monster Sprache beizubringen, er meinte, es würde dem Charakter des Monsters schaden. Ich bin, auch wenn Legionen von Filmexperten das anders sehen, geneigt, Karloff zuzustimmen) und kombiniert sie mit völlig neuen Ideen wie dem Einsiedler (dass das Monster bei einem blinden Einsiedler Zuflucht und Zuneigung findet, wird in vielen nachfolgenden Frankenstein-Adaptionen aufgegriffen, findet aber hier seinen Ursprung) oder Dr. Praetorius, der als eine Art mephistophelesische Figur „Faust“ Frankenstein verführt, seine eigentlich aufgegebenen Forschungen wieder aufzunehmen (wenngleich durch ordinäre Erpressung).

Sicher auch auf Whales persönlichen Einfluss zurückzuführen ist, dass die Figur des Victor Moritz, der, wie wir uns erinnern, im ersten Film ein angedeutetes romantic interest für die von Frankenstein ob der Wissenschaft zurückgewiesene Elizabeth darstellte, in „Bride“ ersatzlos gestrichen ist. Damit, und ebenfalls verdeutlicht durch den Wechsel auf der Elizabeth-Position (die aus gesundheitlichen Gründen verhinderte blonde Mae Clarke wurde durch das siebzehnjährige britische und dunkelhaarige Starlet Valerie Hobson ersetzt), ändert sich zwangsläufig auch der Charakter der Elizabeth selbst. Wurde sie in „Frankenstein“ eher so dargestellt, als liebte sie eigentlich Victor, habe sich aber mit der arrangierten Hochzeit mit Frankenstein arrangiert, so ist sie in „Bride“ die bedingungslose, treusorgende und wirklich in Liebe entbrannte Gefährtin Henrys, was auch notwendig war, um das von Whale gewünschte düstere Ende funktionieren zu lassen (Universal war Whales ursprünlicher 95-Minuten-Schnitt zu gewalttätig und das Ende zu gewagt, weswegen „Bride“ deutlich entschärft wurde. Der Body Count wurde von 21 auf 10 reduziert und in einem schnellen Nachdreh wurde das Ende so gestaltet, das Henry und Elizabeth überleben. Es ergibt auch so noch Sinn, da die Kreatur, von seiner „Braut“ zurückgewiesen, in seiner Zerstörungswut das Labor vernichtet, aber Henry und Elizabeth entkommen lässt, weil sie erkennt, dass Elizabeth Henry bedingungs- und vorbehaltlos liebt, auch wenn es dem Film sein einziges kleines Plothole beschert [wie zum Geier befreit sich Elizabeth?]. In Whales ursprünglicher Version wird Elizabeth getötet, ihr Herz der Braut eingepflanzt, was konsequenterweise zur Ablehnung des Monsters durch die Braut und zu dessen finaler Destruktionsorgie führt). Elizabeths möglicherweise modernerer Charakter aus dem ersten Film hätte diese Plotentwicklung unmöglich gemacht. Der Kunstgriff simplifiziert sicherlich ihre Rollengestalt, aber der Verzicht auf Victor erspart dem Film einen bedeutungslosen Subplot wie in Teil 1. Wo wir gerade bei Besetzungswechseln sind – es sind noch einige weitere zu verzeichnen. Frederick Kerr, der im ersten Teil Frankensteins Vater spielte, war mittlerweile verstorben und wurde nicht ersetzt (wobei „Bride“ die angetackerte letzte „Happy End“-Szene aus „Frankenstein“ ignoriert und direkt am Mühlenbrand einsetzt), E.E. Clive, ein „Favorit“ von Whale, ersetzte Lionel Belmore als Bürgermeister, und, was einen wüsten Continuity-Goof bedingt, der Vater von Maria, dem kleinen Mädchen, das die Kreatur im ersten Film versehentlich tötet, wird nicht nur neu besetzt (was auffällig genug ist, da der ursprüngliche Darsteller in einem ausgiebigen Flashback auf die Geschehnisse des ersten Teils prominent ins Bild gerückt wird), sondern auch mit einem anderen Namen versehen. Das hätte man schon korrigieren können… Als „Ausgleich“ für die Austauschaktionen darf Dwight Frye, im ersten Film „Fritz“, der Bucklige, und vom Monster getötet, als Praetorius‘ Gehilfe Karl wieder mitmischen.

Frankenstein selbst wird über weite Strecken des Films zu einer Randfigur degradiert (aufgrund eines Reitunfalls konnte Schauspieler Colin Clive sowieso nicht besonders aktiv werden und ist daher meistens sitzend oder liegend im Bild) – der eigentliche Konflikt findet zwischen Praetorius, der heimlichen Hauptfigur des Films, und der Kreatur statt. Das ist recht geschickt gelöst, denn wäre wieder Frankenstein alleiniger Mittelpunkt der Story gewesen, hätte das zu sehr nach einem Abklatsch des ersten Films gewirkt. Die Einfürung des neuen Charakters Praetorius gibt der Story einen neuen Impuls, der es auch möglich macht, Frankenstein in einem positiveren Licht darzustellen – er ist nicht mehr der fanatisierte „ich-muss-alles-wissen“-mad-scientist aus „Frankenstein“, sondern arbeitet nur gezwungenermaßen mit Praetorius zusammen. Praetorius selbst ist eine klar „böse“ Gestalt – sein Hintergrund ist diffus, seine eigenen Forschungen bleiben betont vage (und das Script deutet gelegentlich leise an, dass bei ihm nicht nur Wissenschaft, sondern auch „schwarze Magie“ im Spiel sein könnte). Praetorius‘ Motivation ist auch weniger eine wissenschaftliche – er hält sich durchaus die Möglichkeit offen bzw. spekuliert auf diese, mit Hilfe des Monsters und einer passenden Monstergefährtin eine neue Rasse heranzuzüchten.

Die Dialoge sind scharfzüngig und teilen, wie noch in anderweitigem Zusammenhang zu erwähnen sein wird, ein paar Hiebe in Richtung organisierter Religion aus (Whale war dahingehend ein Skeptiker) – besonders Praetorius ist hier zu erwähnen, aber auch Henry Frankenstein darf noch mal philosophieren, ob seine Erkenntnisse über die Schaffung neuen Lebens nicht vielleicht gottgewollt sind.

Nicht verschweigen möchte ich allerdings etwas, was mir den Film beinahe hätte verleiden können – ein speziell für die von Whale geschätzte Schauspielerin Una O’Connor geschriebener Charakter namens Minnie, Dienstmädchen der Frankensteins. Diese schrille Schreckschraube, die wohl auch für etwas comic relief sorgen soll, ist eine extreme Nervensäge, die leider eine relativ große Rolle mit viel Screentime spielt, mir aber in jeder Sekunde, in der sie die Leinwand „ziert“, die Fußnägel aufrollen lässt. Ebenfalls recht schwer verdaulich und völlig überflüssig für den Film ist die Sequenz, in der Praetorius seine Homunculi vorstellt. Wie gesagt, das keilt ein wenig in Richtung Religion bzw. Katholizismus aus, aber es ist eine schlicht und ergreifend doofe Sequenz.

Von der filmisch-handwerklichen Seite liegt „Bride“ größtenteils auf der Linie des Vorgängers. Whale pflegt seine Vorliebe für ungewöhnliche bis spektakuläre Charakter-Auftritte, hält die Kamera wieder in Bewegung und zitiert da und dort aus der expressionistischen Trickkiste, wo es ihm in den Kram passt. Bemerkenswert sind der modern anmutende schnelle Schnitt und in der großen Höhepunktszene, der Schöpfung der Braut, die vorwitzig gekippten Kamerawinkel. Der Film ist wieder, bis auf die Dorfszenen, komplett im Studio entstanden – war das in „Frankenstein“ aber der Atmosphäre, vor allem im Schlussakt, eher abträglich, so funktioniert’s in „Bride“ wesentlich besser. Die künstlichen Wald-Sets (speziell der „nackte“ Wald, in den das Monster durch den neuerlichen Mob der Dorfbewohner gejagt wird) geben dem Film ein surreales Flair, das sich mit der beabsichtigten Symbolik hervorragend zusammenfügt. Whale legt nicht nur den Charakteren einiges an nicht unbedingt zensurfreundlichen Statements in den Mund, sondern lässt auch die Bilder sprechen (einiges musste auch entschärft werden, so muss sich das Monster anstatt an einer Christus-Figur an der Statue eines Bischofs abragieren, ehe es in die Gruft flüchtet); man KANN den Leidensweg des Monsters durchaus in eine Verbindung mit der Passion Christi (der im Wortsinne, nicht dem Mel-Gibson-Schwachsinn) bringen, obwohl das vermutlich eine Überinterpretation ist, weil’s Whale wohl weniger um die Stilisierung des Monsters zu einer messianischen Figur ging als vielmehr um die Gefahr fanatisierter Menschengruppen für Non-Konformisten (will man sich sehr weit aus dem Fenster lehnen, könnte man sogar Bezüge zum Nationalsozialismus und dem Kampf gegen das „Andersartige“, das Fremde, herstellen). Whale plädiert für eine Solidarisierung der Schwachen (zum Ausdruck gebracht durch die sehr bewegende Sequenz beim Einsiedler – zwei gesellschaftlich Ausgeschlossene, die einander helfen, da muss man dem Denkkasten nicht großartig auf die Sprünge helfen).

Wie schon der Vorgänger siedelt „Bride“ die Geschehnisse in einem „alternativen Universum“ dar, indem fröhlich und beabsichtigt mit Anachronismen um sich geworfen wird (Praetorius hat sogar ein Telefon entwickelt), und in dem alles möglich ist, was zwischen der relativen Gegenwart des Jahres 1935 und der Mitte des 19. Jahrhunderts liegt (Whale „datiert“ den Film sogar – er lässt Karl und Praetorius als Grabräuber ein Sterbedatum vorlesen, das, berücksichtigt die Tatsache, dass im entsprechenden Sarg ein Skelett liegt, die Geschichte etwa in der relativen Gegenwart ansiedelt. Mag ein Service für den Otto Normalfilmkucker sein, stört mich aber ein wenig).

Die Effekte sind ausgezeichnet – wenngleich ich Praetorius‘ kleines Panoptikum der Mini-Menschen wie gesagt für einen eher lässlichen Einfall halte (das wirkt mir zu sehr des Gags wegen eingefügt), sind die photographischen Tricks von John P. Fulton, der schon dem „Unsichtbaren“ den legendären Schliff verlieh, großartig. Jack Pierces Monster-Make-up ist erneut über jeden Zweifel erhaben und mit der „Braut“ gelang ihm ein weiterer Geniestreich, der zur Ikone wurde (und unendlich oft kopiert und/oder referiert wurde, am memorabelsten u.a. sicherlich in Figur von „Magenta“ aus der „Rocky Horror Picture Show“). „Bride“ ist insgesamt deutlich „horribler“ als der Vorgänger, nicht unbedingt in Punkto on-screen-Brutalität (wir reden immer noch von 1935 und da ging eher noch weniger als 1931, der Hollywood-Zensur sei dank), sondern dank seiner noch düstereren Grundstimmung – zwar darf das Monster erheblich öfter „austeilen“ als in „Frankenstein“ und seine rohen Kräfte sinnlos walten lassen, dafür muss es auch wieder heftig einstecken.

Hervorragend eingesetzt wird die Filmmusik von Franz Waxman (die später im ersten „Flash Gordon“-Serial wiederverwendet wurde). Fiel in „Frankenstein“ das Fehlen eines Scores eigentlich kaum auf (die Sitte, untermalende Filmmusik zu verwenden, kam erst kurz nach der Fertigstellung von „Frankenstein“ auf), aber Waxmans ausgezeichnet abgestimmter, „wagneresker“ Score unterstützt die Stimmung des Films kaum verbesserungsfähig.

Die Darsteller agieren überzeugend – auch wenn ich Karloff beipflichte, dass die Fähigkeit des Sprechens etwas vom Mysterium und Martyrium des Monsters wegnimmt, liefert er erneut eine großartige Performance ab. Seine wenigen, abgehackten Dialogzeilen liefert er mit der Überzeugungskraft einer zutiefst gequälten Seele. Colin Clive hat, wie schon angedeutet, weniger zu tun als im Vorgängerfilm, er ist nicht ganz so mitreißend wie in seinen besten Momenten in „Frankenstein“. Valerie Hobson legt die Elizabeth, wie auch bereits geschildert, aufgrund des veränderten Charakters deutlich unterschiedlich zu Mae Clarke an – ihre Rolle ist eindimensionaler als die von Mae Clarke, wird von ihr aber gut gelöst (auch wenn sie nur eine wirklich GROSSE Szene hat). Hübsch ist sie allemal. 1935 spielte sie auch im „Werewolf of London“. Show-Stealer des Films ist zweifellos Ernest Thesiger als Dr. Praetorius. Der von Whale dem ursprünglich vorgesehenen Claude Rains vorgezogene Thesiger („Der Ghul“, „The Old Dark House“, „Caesar and Cleopatra“) legt in seinen Praetorius die ganze Flamboyance eines auch im realen Leben großen Exzentrikers. Allein wegen seiner Betonung gewisser Textzeilen sollte man „Bride“ unbedingt im englischsprachigen Originalton genießen. Wer will, mag in seiner Vorstellung sogar gewisse homoerotische Tendenzen erkennen (manch einer versteigt sich zur Interpretation, dass Praetorius‘ Interesse an Henry Frankenstein nicht nur wissenschaftlichen Gründen geschuldet ist), und in der Tat ist Thesigers Auftritt in seiner Extravaganz ein wenig „gay“ wirkend (wenn man dem Audiokommentar glauben darf, stand in einer früheren Scriptfassung sogar eine Zeile für Praetorius, wonach er künstliches Leben erschaffen müsse, weil es für „ihn keine andere Möglichkeit gibt, sich zu vermehren“). Faszinierend.

Trotz ihrer geringen Screentime liefert Elsa Lanchester einen unsterblich gewordenen Filmauftritt hin. Während der Prolog, in dem sie Mary Shelley spielt, hauptsächlich auf ihr beeindruckendes (und zensiertes) Dekolletée abstellt, ist ihre Leistung als Monsterbraut, die von ihr eigentlich nicht mehr verlangt, als entsetzt vor Karloff zurückzuweichen, schlichtweg unvergesslich. Selten wurde mit weniger Screentime mehr erreicht, wenn die Rolle für sie auch ein kleiner Fluch war, denn sie wurde zu sehr mit dieser Rolle identifiziert, um eine wirklich große Star-Karriere aufbauen zu können. Ihr letzter großer Filmauftritt war die Rolle der Jessica Marbles in der großartigen Krimikomödie „Eine Leiche zum Dessert“.

Bildqualität: Die Monster-Legacy-Version von „Bride of Frankenstein“ in der 72-Minuten-Fassung (das von Whale gedrehte, aber der Zensur zum Opfer gefallene Material ist leider verloren) kommt von der Bildqualität nicht ganz an die von „Frankenstein“ heran. Das Bild wirkt insgesamt etwas verrauschter und weicher, zu Beginn ist auch leichtes Filmmern zu vermelden. Einige Verschmutzungen und Defekte sind angesichts des Alters des Films zu verschmerzen, der Kontrast ist gut, ebenso die Kompression. Mein United-Player scheiterte allerdings am Layerwechsel.

Tonqualität: Auch hier hält die „Bride“ leider nicht ganz mit dem Vorgänger mit. Zwar ist die englischsprachige Tonspur frei von störendem Hintergrundrauschen, die Sprachqualität der Dialoge ist aber insgesamt etwas matschiger und macht den Film schwieriger verständlich als „Frankenstein“, besonders in der ersten Phase des Films. Trotzdem aber selbstverständlich noch im grünen Bereich. Neben dem englischen wird deutscher und französischer Mono-Ton mitgeliefert, dazu ein Rudel Untertitelspuren.

Extras: Die Extras ähneln in ihrer Zusammenstellung denen von „Frankenstein“. Auch hier gibt’s den Kinotrailer sowie eine ausführliche, von Joe Dante gehostete Dokumentation über den Entstehungsprozess des Films, mit einer Fülle interessanter Informationen und netten Interviews, u.a. erneut mit Rick Baker, Sara Karloff und, als Neuzugang in der Gesprächsrunde, Clive Barker. Es gibt wieder eine Fotogalerie mit Aushang- und Plakatmotiven sowie den Audiokommentar eines Filmhistorikers, wieder mit einigen neuen Anekdoten und Wissenswertem, aber auch mit einigem bereits aus der Doku bekannten. Außerdem nimmt sich Spracher Scott MacQueen auch einige Auszeiten. Dennoch ein schönes Paket.

Fazit: „Bride of Frankenstein“ ist beinahe die konsequente Steigerung von „Frankenstein“ und der Höhepunkt des klassischen Universal-Horror-Kintopps. Hier stimmt beinahe alles – der Plot wird schlüssig weiterentwickelt, der Kunstgriff, mit Praetorius einen neuen Charakter als eigentliche „Schurkengestalt“ hinzufügen, gibt dem Film mehr „meat“ und hebt ihn meilenweit über den Status eines bloßen neuen Aufgusses des gleichen Themas. Wäre nicht dieser unselige Minnie-Charakter, der mich auf jede Palme treibt, wüsste ich nicht, was ich an diesem Film ernstlich bemängeln sollte, ohne getrocknete Weintrauben auszuscheiden. Sagen wir’s einfach, wie’s ist: „Bride of Frankenstein“ ist DER Meilenstein des klassischen Schauerkinos, an dem sich alles andere zu messen hat (und scheitert). Essential viewing!

4,5/5
(c) 2006 Dr. Acula


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