Flug in die Hölle

 
  • Deutscher Titel: Flug in die Hölle
  • Original-Titel: Flug in die Hölle
  •  
  • Regie: Gordon Flemyng
  • Land: BR Deutschland/Frankreich/Australien
  • Jahr: 1985
  • Darsteller:

    Helmut Zierl (Hans Bertram), Werner Stocker (Adolf Klausmann), Gerard Kennedy (Steve Lucas), Anne Tenney (Kate Webber), Dennis Grosvenor (Maxwell), Tim McKenzie (Anderson)


Vorwort

Frühjahr 1932 – der deutsche Pilot Hans Bertram und sein Bordmechaniker Klausmann düsen kreuz und quer durch Südostasien – offiziell lediglich, um die Werbetrommel für Junkers-Wasserflugzeuge zu rühren, inoffiziell, um im Auftrag des chinesischen Militär- und Politikführers Tschang Kai-Tschek bei reichen Auslandschinesen Spenden für den Aufbau einer chinesischen Luftwaffe (zu liefern von Junkers) einzusammeln. Nachdem Indien und Malaya erfolgreich abgeklappert wurden, liegt jetzt noch Australien auf der Reiseroute. Aus einer Laune heraus beschließt Bertram einen Nachtflug über die Timorsee. Dumme Idee – ein nächtlicher Sturm bringt die Maschine – die nicht mit einem Funkgerät ausgerüstet ist, da’s in der Gegend der Welt eh kaum Funkstationen gibt – vom Kurs ab. Mit dem letzten Tropfen Sprit landen die Deutschen an einer Küste – richtig genau wissen sie nicht, wo sie sind. Bertram vermutet, dass sie auf dem australischen Festland vorgelagerten Melville-Insel gestrandet sind. Ohne Wasser und Proviant (für den kurzen Nachtflug nicht vorgesehen) machen sich die beiden zu Fuß auf die Suche nach Trinkwasser, verlieren aber lediglich den Großteil ihrer restlichen Ausrüstung an hungrige Krokodile. Es bleibt ihnen nichts übrig, als zur Maschine zurückzuwandern und sich dort mit Kühlwasser aus dem Motor am Leben zu erhalten. Nach einer Woche beschließen sie, nicht länger auf einen Suchtrupp zu warten, bauen einen der Schwimmer des Wasserflugzeugs in ein notdürtiges Boot um und segeln nach Westen. Die Strömung spült sie bald wieder an Land. Nach längerer Wanderum auf der Suche nach einer Ortschaft realisiert Bertram – die Flieger sind nicht auf der Melville-Insel, sondern an der australischen Nordküste gelandet, und da gibt‘ auf hunderte Meilen nicht mal die sanfte Andeutung einer menschlichen Ansiedlung…

Dieweill drängt die australische Journalistin Kate Webber, deren Zeitung der Start der Deutschen von Timor aus gemeldet wurde, auf eine Suchaktion. Da niemand „offiziell“ den Start der Maschine bestätigen kann, geht wertvolle Zeit verloren, so dass Kate sich als Gerichtsreporterin verdingt und von der Farce eines Prozesses gegen einen weißen Missionar, der einen Aborigene ermordet haben soll, berichten kann. Nachdem sich die Behörden endlich dazu durchringen können, eine Suchaktion zu starten – die darunter leidet, dass Sergeant Lucas, der oberste Polizist der Provinz, gerade mal ein Flugzeug und ein morsches Küstenlotsenboot einsetzen kann -, scheint Hoffnung für die Piloten zu bestehen, doch gehen die Sucher von der gleichen verhängnisvollen Fehlberechnung der Landeposition des Flugzeugs aus wie Bertram selbst…


Inhalt

Das Leben schreibt bekanntlich die spannendsten Geschichten. Die Busch-Odyssee und die wundersame Rettung (äh, Spoiler? :-)) von Hans Bertram und Adolf Klausmann war 1932 die Weltsensation schlechthin. 53 Tage im unwirtlichsten Winkel Australiens, praktisch ohne Wasser und Nahrung, das war ungehört, das machte Schlagzeilen auf Seite 1 der New York Times, Bertram und Klausmann zu Volkshelden in Australien und Bertram auch nicht gerade ärmer – sein Tatsachenbericht über den verhängnisvollen Flug wurde zum Bestseller und in 20 Sprachen übersetzt.

Bertram selbst arrangierte sich nach seiner Rückkehr mit den Nazis – die verboten ihm die weiteren Kontakte zu den Nationalchinesen (man war schließlich mit Japan verbündet), stand aber seinem Wechsel ins Filmfach aufgeschlossen gegenüber. Bertram, der die Schauspielerin Gisela Uhlen heiratete, drehte einige Propagandafilme mit Fliegerbezug, fiel aber 1942 in Ungnade, als er für seinen anspruchsvollen Musikfilm „Symphonie des Lebens“ den französischen Schauspieler Harry Baur verpflichtete, bei dem sich die SS um’s Verrecken nicht einig wurde, ob der nun arisch (und damit in einem Film als Hauptdarsteller vorzeigbar) war oder vielleicht doch irgendwo jüdische Ahnen im Stammbaum hatte (was für Propagandaminister Goebbels selbstverständlich eine Peinlichkeit ersten Ranges gewesen wäre). Letztlich stellte sich Baur zwar als „arisch“ heraus, war aber durch Verhöre und Misshandlungen soweit gesundheitlich angeschlagen, dass er noch vor der Premiere des Films verstarb; Bertram wurde aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Nach dem Krieg rasch wieder mit einer Erlaubnis zum Filmen ausgestattet, drehte er noch ein paar belanglose Filme und wechselte dann zurück zur Filmerei, gründete eine Regionalfluglinie in Bayern und einen heute noch tätigen Luftbildverlag.

Eigentlich verwunderlich, dass die UFA nicht schon ein fertiges Drehbuch parat und Kulissen gebaut hatte, als Bertram Ostern 1933 (nach einem Rekordflug) wieder in Berlin eintraf, sondern es vielmehr bis 1985 dauerte, bis sich jemand der Geschichte filmisch annahm (Bertrams Wikipedia-Seite behauptet zwar eine Filmfassung von 1977, aber ich schätze, hier liegt eine Verwechslung mit einer überarbeiteten Neuauflage des Buchs vor). Primär mit australischer Expertise, einem – angemessenerweise – deutschen Hauptdarstellerduo und ein bissl französischer und deutscher (WDR-) Kohle im Hintergrund entstand „Flug in die Hölle“, eine Miniserie, die wahlweise als Vierteiler (à 75 Minuten) bzw. Sechsteiler (hier in Deutschland, mit ungefähr 50 Minuten pro Folge) ausgestrahlt wurde.

Die Adaption des Bertram-Schmökers oblag Peter Yeldham, einem routinierten Fernsehschreiberling, der aber auch die 1965er-Christie-Verfilmung Da waren’s nur noch neun verfasste und auch mal für „Die 2“ schreiberisch tätig war. Yeldham ist bis heute, ins hohe Alter von 85 Jahren (Stand 2012) als Drehbuchautor tätig – zur Zeit verfilmt Bruces Beresford sein Script „Drylands“ mit den ozeanischen Top-Akteuren Sam Neill und Greta Scacchi. Die Regie besorgte Gordon Flemyng, den wir witzigerweise ja gerade erst als Mastermind hinter den Cushing-Dr. Who-Kinofilmen (namentlich Dr. Who and the Daleks kennengelernt haben.

Yeldham stand vor dem Problem, dass Bertrams und Klausmanns Abenteuer ein eher introspektives ist – was die beiden durchmachen, bringt sich zweifellos bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit und darüber hinaus, hat aber vergleichsweise wenig „kinematisches“ an sich. Die meiste Zeit verbringen die beiden Bruchpiloten damit, recht ziellos durch den Busch zu laufen oder geschwächt und deprimiert herumzusitzen oder -zuliegen. Episoden wie das versuchte Durchschwimmen einer krokodilverseuchten Bucht, der Bau ihres Schwimmer-Bootes, das rare Erfolgserlebnis, als es Klausmann gelingt, einen Fisch zu fangen und die große Enttäuschung, als sie auf See von einem vorbeiknatternden Fischtrawler glatt übersehen werden, sind eher die Ausnahme. Yeldham hat „Glück“, alldieweil er wenigstens zwei Charaktere hat, mit denen er arbeiten kann, also auch „richtige“ Dialoge schreiben und mit den unterschiedlichen Persönlichkeitstypen arbeiten kann (Bertram ist lange der ewige Optimist, der aber dann beinahe unter einem Schuldkomplex zusammenbricht, als er seine Fehlberechnung erkennt; Klausmann dagegen ist schon fast manisch-depressiv und ist derjenige, der sich eine für sich und andere gefährliche Klatsche einfängt). Dennoch ist das natürlich nicht genügend dramaturgische Substanz für eine Fünf-Stunden-Serie, weswegen Yeldham von Anfang an die zweite Erzählebene der Reaktionen in Australien parallel erzählt. Inwiefern diese von ähnlich hohem Wahrheitsgehalt ist wie die eigentliche Bertram-Storyline, kann ich nicht beurteilen. Yeldham personifiziert das stark auf die Reporterin Kate Webber und das Vertrauensverhältnis, das sich – nicht zuletzt aufgrund ihrer Hartnäckigkeit – zwischen ihr und dem letienden Polizeibeamten Lucas entwickelt. Weidlich nutzt der Autor die Möglichkeit, an den Zuständen in Australien allgemein und speziell an der unzugänglichen Nordküste speziell Kritik zu üben. Der beschämende Umgang mit den Aborigenes und der damit einhergehende stetige Rassismus wird ebenso thematisiert wie die unzureichenden Verwaltungsstrukturen und die Egomanie einiger Beteiligter (hier speziell fokussiert in der Person des Vorstehers einer anglikanischen Missionsstation, der einer Rettungsaktion wertvolle Ressourcen wegnimmt, weil er aufgrund vager Gerüchte, die Eingeborenen hätten die Deutschen getötet, lieber auf eine Art „Strafexpedition“ zieht) , Sensationsgier der Presse und die diplomatischen Ränkespiele hinter den Kulissen. Das tut gerne mal für die eigentliche Handlung nicht viel zur Sache (der Konflikt um den Aborigine-Priester „Hobbler Jim“ z.B. ist streng genommen reine Staffage, aber er verdeutlicht auch exemplarisch die rassistische Atmosphäre in Nordaustralien)), aber es hält die Serie, wenn sich bei Bertram und Klausmann gerade nichts tut bzw. nichts tun kann, am Laufen und ergänzt die reine Abenteuer-Survival-Geschichte um ein gesellschaftliches Stimmungsbild.

Die Regie liegt bei Flemyng in routinierten, keinesfalls aber innovativen Händen. Sicherlich ist auch eine international ko-produzierte Abenteuerfernsehserie nicht der Platz für Experimente. Flemyng ist halt eher ein „Abfilmer“ – die grandiosen Original-Naturschauplätze könnte selbst ein minderbegabter Regisseur nicht ruinieren – ich hätte mir manchmal etwas *mehr* Scope gewünscht, etwas mehr Relation zwischen den enormen Dimensionen der australischen Wildnis und der Hoffungslosigkeit der Situation herzustellen – immer nur zu in Worten behaupten, das zu durchsuchende Gebiet wäre z.B. halb so groß wie Belgien ist wenig greifbar, da sagen Bilder einfach mehr und das gelingt Flemyng und seinem Kameramann, dem australischen TV-D.O.P. Peter Hardy nur manchmal. Die Ausstattung ist patent, sowohl was die australischen Kulissen angeht als auch die originalgetreu nachgebaute (aber nicht flugfähige) Junkers-Maschine. Im typischen Stile einer Miniserie wird kein Mördertempo vorgelegt – besonders der Mittelakt (Episoden 3 und 4) hat dann doch ein paar, naja, lahmere Momente, zumal sich da halt auch in beiden Handlungsebenen nicht wahnsinnig viel tut. Vielleicht hätten vier Stunden Laufzeit auch gereicht, aber ein solider Spannungsbogen stellt sich auch so ein.

Den Score erledigt Klaus Doldinger auf elektronische Weise – erinnert manchmal in der Tat ein wenig an die minimalistischeren Segmente des „Das Boot“-Soundtracks, wird allerdings, zumindest wenn man sich die Serie kompakt an drei Abenden zu Gemüte führt, schnell repetetiv.

Die Stars – Helmut Zierl („Schwarz Rot Gold“, „Wie gut, dass es Maria gibt“) ist nicht nur, wenn ich das anhand von zeitgenössischen Fotos beurteilen kann, ein erstaunlich gutes Double für den realen Hans Bertram, sondern bietet auch eine gute Vorstellung – besonders den unerschütterlichen Optimisten der ersten drei, dreieinhalb Folgen kriegt er sehr gut hin. Werner Stocker („Herbstmilch“, „Rama Dama“ und auf dem Weg zu internationalem Ruhm durch eine wiederkehrende Rolle in der ersten Staffel der „Highlander“-TV-Serie, ehe ihn ein Gehirntumor im Alter von gerade mal 38 Jahren dahinraffte) wiederum wird besonders intensiv, sobald sein Charakter die psychische Belastung nicht mehr aushält und „ausflippt“. Die Australierin Anne Tenney spielt mit der Journalistin Kate Webber ihre erste bedeutende internationale Rolle; sie war später in der auch hierzulande populären Krimiserie „Water Rats – Die Hafencops“ und in dem Horrorfilm „Subterano“ zu sehen. Für meine Begriffe könnte sie etwas emotionaler an die Sache herangehen. Seine Aufgabe gut erledigt Gerard Kennedy (Body Melt, „The Mango Tree“, „Die fliegenden Ärzte“, „Thunderstone“) als eigensinniger und -williger Provinzbulle mit dem Herz am rechten Fleck. Der Rest des Ensembles setzt sich aus routinierten australischen TV-Akteuren zusammen; lediglich Tim McKenzie („Electrocutor-1“, „Gallipoli“) könnte dem ein oder anderen Zuschauer auch aus „richtigen“ Spielfilmen bekannt vorkommen.

Bildqualität: Pidax zeigt die Serie in adäquatem 4:3-Vollbild mit schönen Farben, passablen Kontrast- und duchschnittlichen Schärfewerten. Verschmutzungen oder Defekte finden sich kaum.

Tonqualität: Die deutsche Synchronfassung (Dolby 2.0 Mono) ist mit guten Sprechern besetzt und technisch brauchbar. Wieder einer der Fälle, bei denen man keine Wunderdinge erwarten darf (es ist nun mal ’ne über 25 Jahre alte Fernsehserie, da war an Surround-Sound noch lange nicht zu denken)…

Extras: Als Bonus gibt’s eine gut 45-minütige Dokumentation über Hans Bertram von 1986, in der dieser – unterstützt von Ausschnitten aus der Serie – über sein Leben und natürlich vor allem seinen dramatischen Australienflug berichtet. Erfreuliche Dreingabe.

Fazit: Das ist wieder mal eine dieser Serien, die vermutlich heute mangels Event-Charakter und aufsetzbarem romantischen Subplot von den großen deutschen Sendern nicht mal mehr mit der Kneifzange angefasst würde – realistisches, rein tatsachenorientiertes, nicht spektakelorientiertes Abenteuergarn mit ein paar sich zeitgeschichtlich anbietenden geselllschaftlichen Seitenblicken. Damit würde man heute in der „werberelevanten Zielgruppe“ quotentechnisch keinen Blumentopf mehr gewinnen, zu langsam, zu unspektakulär ist „Flug in die Hölle“ erzählt (selbst für Baujahr 1985 wirkt die Serie stellenweise ein wenig altbacken). Nichtsdestotrotz ist die zugrundeliegende Geschichte faszinierend und die TV-Umsetzung auf ihre etwas altmodische Weise gelungen – ein bodenständiger Rückblick in die Zeit, als sowohl die Fliegerei als auch Australien per se noch Abenteuer waren…

3/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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