Finding Interest

 
  • Deutscher Titel: Finding Interest
  • Original-Titel: Finding Interest
  • Alternative Titel: Suicide Ride | Barney Barnaby | Mörderische Fantasien |
  • Regie: Samer Daboul, Trevor Sands
  • Land: USA
  • Jahr: 1994
  • Darsteller:

    Timothy Patrick Quill (Barney Barnaby), Matthias Hues (Der Killer), Frank Adonis (Der Pate), Linda Kerns (Miss Marty), Catherine Negan (Deanna), Christian Wienker (Jake), Joe Cook (Stern), Donna Magnani (Nachbarin)


Vorwort

Barney Barnaby ist’s langweilig – sein Job (offensichtlich rattert er irgendwelche Werbetexte für ein Anzeigenblatt o.ä.) befriedigt ihn nicht, sein Freundeskreis ist überschaubar und die einzige Abwechslung seines öden Lebens ist das Kino. Beeinflusst von den zahllosen Filmen, die er sich ansieht, flüchtet er sich in Tagträume, in denen er Abenteuer erlebt, die sein reales Leben niemals bietet. Im verzweifelten Bemühen, seiner traurigen Existenz einen Kick zu geben, greift er zu einem extremen Mittel – er heuert einen Profikiller an, der ihn umbringen soll. Als der dann aber tatsächlich vor seiner Tür steht, findet Barney die Idee plötzlich gar nicht mehr so super und winselt um sein armseliges Leben. Der Killer unterbreitet ihm ein Angebot – er selbst ist nämlich aussteigewillig, und wenn Barney verspricht, seine Nachfolge anzutreten, wird er mal fünfe grade sein lassen. Nach reiflicher Überlegung akzeptiert Barney und bekommt prompt den ersten Auftrag. Während der Ausführung plagen ihn Gewissensbisse, aber letztlich erschießt er sein Opfer (sportlich-fair in den Rücken). Echte Satisfaktion will sich nicht einstellen, statt dessen fällt Barney in weiteres Depressionsloch – bis, beim Abholen der Instruktionen für den nächsten Job, er überraschend von der Polizei angequatscht wird. Die Mafiaorganisation, für die Barney arbeitet (die aber von dem Personalwechsel bislang nichts weiß), vermutet, Barney hätte gesungen und versucht, ihn umzulegen. Barney, der wiederum vermutet, der richtige Killer hätte die Gesetzeshüter eingeschaltet, killt einige Mafiosi und macht sich auf, um den Killer aufzutreiben und ihm mal eindeutig klar zu machen, was er von der Sache hält. Das bringt aber nicht nur Barney, sondern auch seine (wenigen) Freunde in akute Lebensgefahr…


Inhalt

Stichwort „Zufallsfunde im 1-€-Grabbeltisch“. Was weiter oben in der Inhaltsangabe steht, klingt doch gar nicht mal soo schlecht, oder? Könnte also ein ganz charmanter, spaßiger ironischer Thriller oder, auf ernst getrimmt, ein durchaus packendes dunkles Thrillerdrama sein. Wenn ich aber schon so anfange, hab‘ ich aber wohl so einiges an dem Streifen auszusetzen. Und dem ist auch so.

Denn Samer Daboul (der hier seinen einzigen überlieferten Screen-Credit abliefert) und Trevor Sands (der schockierenderweise derzeit damit befasst ist, Dan Simmons‘ kultisch verehrte – und von mir bislang sträflich ignorierte – „Hyperion“-Romane für die Leinwand zu adaptieren) lag natürlich nichts ferner, als einen schlichten Unterhaltungsfilm zu drehen, nein, hier geht’s um KUNST mit einem großen K. Und wie wir alle auf der Filmhochschule gelernt haben, ist es ja, um ein critic’s darling und Fetischobjekt für Baskenmützenträger zu werden, absolut unabdingbar, Filme zu machen, die ohne eine einzige sympathische Figur auskommen. Gäbe es einen Charakter, der zur positiven Identifikation einlädt, wäre das ja nicht mehr „meaningful“, relevant und schwer künstlerisch. In der Hinsicht haben Daboul und Sands gut aufgepaßt – es gibt niemanden, der in diesem Film auftaucht, dem ich nicht spätestens nach 20 Sekunden schwer eins auf die Schnauze geben wollte. Manche Leute behaupten, Horrorfilme machen agressiv? Ich bitte um eine Untersuchung der Korrelation von Amokläufen und dem Konsum von bedeutungsvollen Arthouse-Dramen. Expect some surprinsin‘ results, folks.

So wird dann auch aus einer tauglichen Idee für einen wahlweise kurzweiligen oder psychologisch interessanten Streifen nur noch die Ausrede für bedeutungsschwangeren voice-over-Schwurbel, peinliche Dialoge, widerliche Charaktere (selbst die, die wir, davon gehe ich zumindest mal aus, mögen sollten) und, this being ART, pausenlose Querverweise auf andere (bessere) Filme (im Hintergrund hängen Zillionen Filmplakate von „Casablanca“ bis „Nikita“, immer wieder gibt’s Ausschnitte aus Bogart-Film-noir-Klassikern, die Barney im Fernsehen oder Kino glotzt, etc.) und, weil nichts künstlerischer ist, ein über die Laufzeit immer fortschreitenderes Aufbrechen zwischen Film-„Realität“ und „Fiktion“, bis hin zur, wenn ich den Film richtig verstanden habe (was aber fraglich ist, weil ich mich am Ende nicht mehr wirklich bemüht habe), ziemlich wahrscheinlichen Möglichkeit, dass die komplette Geschichte nur eines von Barneys ausgedachten Tagtraum-Abenteuern war. Mit vernünftigen Leuten vor und hinter der Kamera muss das nicht automatisch das Todesurteil für ein Lichtspielwerk bedeuten, aber solche Scherze überlasse ich dann doch lieber denen, die sich damit auskennen (Bryan Singer z.B., um das offensichtliche Beispiel zu bringen, auch wenn „Finding Interest“ früher dran war) und den Zuschauer nach 90 oder 120 Minuten nicht mit dem Gefühl zurücklassen, dass man gerade kostbare Lebenszeit, die man nie wieder zurückbekommen wird, an eine Plotte verschwedet hat, die selbst im Filmkontext nie stattgefunden hat.

Lassen wir damit das Drehbuch einfach in Frieden ruhen, ich habe ehrlich keine Lust, mich lang und breit über Figuren auszulassen, bei denen nicht klar ist, inwieweit sie nur der Fantasie einer unsympathischen Hauptfigur (ein pathetischer Loser vom Feinsten, der eigentlich ein okayes Leben und alle Möglichkeiten, es zu verbessern hat, aber halt nicht den Arsch hochkriegt. Ein Vorbild für uns alle) entsprungen sind. Daboul und Sands, die sich die Regiearbeit zumindest den Credits nach teilen, machen von den technischen Aspekten her einen ganz passablen Job für first-timer. Der Gedanke, Barneys zunehmende Unfähigkeit, zwischen Realität und Einbildung zu unterscheiden, mit einem Spiegel-Motiv zu symbolisieren (d.h. es gibt relativ viele Shots, in denen Barney sich – und der Zuschauer ihn – in Spiegeln sieht), ist ganz nett, wird aber auch nicht durchgezogen; das staging der Action-Szenen ist verbesserungsfähig, aber für eine vermutete no-budget-Produktion noch tragbar, als die Herrschaften aber für die finale Konfrontation von Barney und dem Killer „because they can“ den Film auf schwarz-weiß-negativ schalten, stand ich kurz davor, meinen Aschenbecher in den Fernseher zu schleudern. Ein Lob verdient die recht einfallsreiche Kameraarbeit von Francis Mojaherin (der als second-unit-Kameramann bei Die Todesliste begann. Das muss so eine Art center-of-the-universe-Film sein, den hatte ich doch neulich erst irgendwo als Referenz), der den Streifen durch interessantes Kamera-set-up, den ein oder anderen frechen Winkel und eine Fülle von stellenweise etwas holprigen, aber ambitionierten steadicam-Shots optisch aufwertet. Eine Kampfszene auf einem Hoteldach verdient sich einen Anerkenntnispunkt für den couragierten Einsatz einer abgebrochenen Fernsehantenne als Schlagwerkzeug. That’s a first, I guess.

Die FSK 16 geht aufgrund des Bodycounts (allerdings sind die diversen Erschießungen unspektakulär) und einer knappen und eher zurückhaltend inszenierten Sexszene in Ordnung.

Nicht in Ordnung gehen die darstellerischen Leistungen – you know you’re in BIG BIG trouble, wenn uns aller Matze Hues der mit Abstand beste Schauspieler des Ensembles ist. Hues darf sogar mal richtig „schauspielern“ (bzw. das, was er davon hält. Es hat entfernte Ähnlichkeit mit der hohen thespischen Kunst) und hat nur eine Kampfszene (in der er hauptsächlich Prügel bezieht). Für Matthias ist das mal eine richtiggehend differenzierte Rolle und er scheint motivierter als in den üblichen Low-Budget-Actionschottermurksstreifen, die er in den 90ern sonst so herunterkurbelte. Eine echte trübe Tasse ist allerdings Bruce-Campbell- und Sam-Raimi-Kumpel Tim Quill (Mini-Parts in „Army of Darkness“, „Spider-Man 1-3“, „My Name is Bruce“) in der Hauptrolle – wenn man schon einen Charakter zu spielen hat, der dem Zuschauer nicht von Haus aus ans Herz wächst und trotzdem der Protagonist ist, sollte man zumindest schauspielerisch ein bisschen was drauf haben, um damit durchzukommen. Quill ist eine charismafreie Trantüte, ein steifer Türpfosten, der nur für vielleicht dreißig Sekunden (während des „Zusammenbruchs“ nach seinem ersten Hit) ein wenig emotionale Beteiligung durchschimmern lässt. Frank Adonis als Mafia-Pate ist ebenfalls eine laue Nummer, was ziemlich bedenklich ist, weil der Kerl eigentlich nie etwas anderes tut als Mafia-Typen zu spielen, auch in größeren Filmen wie „Casino“, „True Romance“, „Goodfellas“ oder „King of New York“ und daher normalerweise eine Rolle wie diese im Schlaf spielen können müsste. Können müsste, aber er tut’s halt nicht. Linda Kerns (später „3rd class passenger“ in „Titanic“ und „additional voice“ in „Mulan“) ist zumindest als nervensägende Schreckschraube überzeugend. Catherine Nagan („Revenge of the Party Nerds 2“, „MTV’s Undressed“) sieht nett aus, ist aber schauspielerisch ungefähr so gut wie eine leere Aldi-Tragetasche.

Bildqualität: „Finding Interest“ ist bei EuroVideo (unter ScreenPower-Lizenz) erschienen und bedient sich eines recht scheusslichen Bildtransfers. Anstelle des intendierten 1.85:1-Widescreen-Ratios findet sich ein knapper 4:3-Letterbox-Transfer (ca. 1.66:1) von ausgesprochener Unschärfe – wenn ich schon auf einem knapp 40-cm-Röhrenfernseher aus zwei Meter Abstand sehe, dass sich jede Kante auffasert, dass es eine wahre Freude ist, kommt eben solche (Freude also) nicht auf. Der Kontrast ist grad so akzeptabel, die Kompression mittelprächtig, ein paar Verschmutzungen und ein-zwei Störblitze gibt’s auch. Naja, für ’nen lumpigen Euro kann man nicht mehr erwarten.

Tonqualität: Das Cover annonciert deutschen und englischen O-Ton in Dolby 2.0, auf der Scheibe findet sich dann aber doch nur die Synchronfassung. Die ist recht lustlos ausgefallen, aber zumindest qualitativ erträglich. Dynamisch ist was anderes, aber man kriegt keinen Ohrenkrebs.

Extras: Eine Filmografie in Texttafelform für Matze Hues, dazu ein Schwung Trailer auf andere hochqualitative EuroVideo-Titel wie Hyper Space oder Full Impact.

Fazit: Ich muss natürlich mit dem Titel des Films spielen – an diesem Film konnte ich ehrlich kein „Interesse finden“. Anstatt die perfekt taugliche Idee herzunehmen und daraus einen schnuffigen kleinen Thriller, entweder komödiantisch oder dramatisch orientiert, zu machen, entscheiden sich Daboul und Sands für Kunst der Kunst wegen, ohne aber dafür das notwendige Talent mitzubringen. Die „künstlerischen“ Elemente wirken verkrampft-aufgesetzt und entwickeln sich nicht natürlich aus dem Flow der Geschichte; ein versierteres Regisseur-/Autorenteam hätte es womöglich geschafft, einen „anspruchsvollen“ Arthouse-Thriller aus dem Stoff zu entwickeln, aber nicht zwei first-timer, die mit diesem Werk ihren Hochschulprof beeindrucken wollten o.ä. Rechnen wir einen geradezu furchtbar agierenden Cast dazu (ich wiederhole mich, wenn Matthias friggin‘ Hues positiv aus dem Ensemble raussticht, hab ich beim Casting *irgendwas* falsch gemacht) und setzen als Sahnehäubchen die sich aufdrängende Interpretation des Schlusses (ergo: Film gab’s nicht, hat sich die Hauptfigur nur alles eingebildet) ohne jeglichen pay-off drauf, kommen wir, d.h. zumindest ich, aber warum soll man sich unterschätzen, zu dem Ergebnis: „Finding Interest“ ist reine Zeitverschwendung, knapp vor der Grenze zum „Ärgernis“ – nur die passable Kameraführung reißt wenigstens in formaler Hinsicht ein wenig raus; aber nicht genug, um selbst einen 1-Euro-Obolus für die Anschaffung zu rechtfertigen.

1/5
(c) 2009 Dr. Acula


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