- Deutscher Titel: Feuerstoss
- Original-Titel: Una Magnum Special per Tony Saitta
- Alternative Titel: Shadows in an Empty Room | Special Magnum | Feuerstoß |
- Regie: Alberto de Martino (als Martin Herbert)
- Land: Kanada/Italien/Panama
- Jahr: 1976
- Darsteller:
Stuart Whitman (Tony Saitta), John Saxon (Sgt. Ned Matthews), Martin Landau (Dr. George Tracer), Tisa Farrow (Julie Foster), Carole Laure (Louise Saitta), Jean LeClerc (Robert Tracer), Gayle Hunnicutt (Margie Cohen), Anthony Forrest (Robert Tracer), Peter MacNeill
Vorwort
Montreal… die Studentin Louise versucht dringend ihren älteren Bruder Tony, seines Zeichens Bulle in Ottawa, zu erreichen, doch der ist gerade damit beschäftigt, ein paar Bankräuber umzulegen. So muss Louise ihre Probleme mit ihrem Dozenten und Arzt Dr. Tracer mit der Hilfe ihres Ex-Freunds Fred bewältigen. Fred schlägt einen seiner beliebten morbiden practical jokes vor…
Und so wird Dr. Tracer zu einer Studentenfete gerufen, bei der Louise dekorativ umgefallen ist. Als Tracer ihr ein Kreislaufmittel verabreicht, springt Louise quicklebendig auf – reingefallen! Mir ist zwar nicht ganz klar, was das jetzt genau gebracht hat, aber ich bin kein kanadischer Student. Jedenfalls nimmt’s auch der Herr Doktor nicht übermäßig krumm, sondern schließt sich der Party unbürokratisch an. Doch die Party findet ein jähes Ende, als Louise erneut umkippt – und diesmal unzweifelhaft echt tot…
Der zum Begräbnis eingeflogene Tony wittert Foulspiel und die von ihm erbetene Obduktion gibt ihm Recht – Louise wurde vergiftet. 1A-Verdächtiger ist natürlich Dr. Tracer, der nicht nur die Möglichkeit hatte, sondern mit dem von Fred bezeugten Streit auch ein Motiv. Tony vermutet, dass Tracer und Louise ein Verhältnis hatten und lässt Tracer vorsichtshalber mal festnehmen, da mysteriöserweise auch das Medikamentenfläschchen, mit dem Tracer Louise behandelte, verschwunden ist.
Etwa zur gleichen Zeit werden die sterblichen Überreste einer Transe aus einem Autoshredder gepuhlt. Das wäre normalerweise jetzt zwar tragisch, aber nicht weiter relevant für unseren Fall, hätte der-die-das Verblichene nicht ein Foto bei sich gehabt, dass eine vormals in Louises Besitz befindliche Perlenkette – und dies auf Louises selbstpersönlichem Astralkörper – zeigt. Die Kette, das ist schnell herausgefinden, hatte Louise ihrer blinden WG-Partnerin Julie als billiges Souvenir geschenkt, und die tote Transe entpuppt sich, was man’s man Tony natürlich aus ein paar anderen Drag Queens herausprügelt, als Kerry, der Bruder von Margie Cohen, Professorenweib und offizieller Unitäts-Wanderpokal („sie schläft mit jedem, außer mit ihrem Mann“). Louise, so kunftet Margie aus, war die einzige, die sich mit Kerry ungeachtet seiner sexuellen Orientierung abgegeben habe.
Tony ermittelt, dass Kerry und Louise versucht haben, die Perlenkette zu Geld zu machen, doch die polizeibekannten Hehler hatten die Ware als zu heiß abgelehnt – stammt sie doch aus einem ungelösten Raubmordfall in Toronto. Tony muss sich wohl oder übel mit dem Gedanken abfinden, dass seine kleine Schwester nicht so süß und unschuldig war wie gedacht…
Inhalt
Die Wege italienischer Filmverbrecher waren manchmal sonderlich – so verschlug es Alberto di Martino, dem wir als Schundologen vermutlich für „Holocaust 2000“ mit Kirk Douglas am tiefsten verbunden sein dürften, 1976 nach Kanada, wo er nach italienischem Script, aber mit durch die Bank nordamerikanischen Darstellern (und panamesischer Kohle) seinen Beitrag zu den in den 70ern angesagten „Dirty Harry“-Epigonen leistete (nicht von ungefähr leistet sich der Film, der eigentlich einen der typisch poetisch-sinnfreien Italo-Filmtitel aufweist, den Alternativtitel „Special Magnum“, und da weiß man dann schon eher, wo Bartel den Most holt).
Wobei klipp und klar zu sagen ist – „Shadows in an Empty Room“, zu gut Deutsch „Feuerstoss“, ist ein durch und durch amerikanischer Film, der kaum erahnen lässt, dass Drehbuch, Regie und Musik von kleinen Italienern zu verantworten sind. Man mag, wenn man will (aber wirklich auch nur dann) in der Struktur des Scripts, ein Verbrechen von hinten heraus aufzudröseln und dabei auf Umtriebe zu stoßen, die mit dem eigentlichen Anlass der Ermittlungen nur über Bande gespielt zu tun haben, ein paar Giallo-Remineszenzen erahnen, und in der Figur des persönlich involvierten Ermittlers dann auch an polizioteschi denken, aber das wird der Sache nicht gerecht – für einen italienischen Polizeifilm fehlt „Feuerstoss“ die politische Dimension, für einen Giallo sind die Mordtaten nicht so exaltiert und in den Vordergrund gestellt (allenfalls ein Mord, der vor, hüstel, den blinden Augen der armen Julie ausgeführt wird, hat etwas dezent gialleskes) – „Feuerstoss“ ist ein durchweg von der amerikanischen Schule geprägter Action-Thriller, dem mehr daran gelegen ist, da und dort einen spektakulären Stunt oder eine solide Schlägerei vom Zaun zu brechen als nihilistische Botschaften zu verbreiten oder scheu ins Horror-Genre hinüberzulinsen.
Ist aber nicht das Schlechteste, denn so kann de Martino sich voll und ganz auf eben den Action- und den Thrillerpart konzentrieren und verhebt sich nicht an Nebenkriegsschauplätzen – schließlich sind die wenigsten Gialli Musterbeispiele für logisch aufgebaute Drehbücher, und wenn auch das „Feuerstoss“-Script da und dort mal ’ne Wendung hat, die sicherlich nur deswegen vorhanden ist, weil die Story sonst auf halbem Wege in einer Sackgasse landen würde, löst sich zu guter Letzt doch alles einigermaßen befriedigend (wenn auch nicht für unseren Helden) auf. Immerhin erlaubt sich de Martino (unabsichtlich?) eine gewisse Brechung seines Dirty-Harry-Protagonisten – Tony, zweifellos einer von der Sorte Brutalo-Cops, der noch kein Problem getroffen hat, das er nicht verprügeln oder erschießen konnte, muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass es Dinge gibt, die sich jenseits dieser direkten Einflussnahmemöglichkeiten abspielen und das Leben eben nicht immer schwarz oder weiß ist und man nicht Personen nicht immer in gut-oder-böse-Schemata packen kann.
Strukturell läuft der Film nahezu perfekt uhrwerkartig ab, baut immer dann, wenn es zu dialoglastig zu werden droht, eine Actionszene ein – und bringt als Highlight ungefähr zur 50-Minuten-Marke eine wirklich exzellent inszenierte Autoverfolgung (wenngleich aus vergleichsweise nichtigem Anlass, aber das passt zur Charakterisierung von Tony, der Informationen grundsätzlich einfacher bekommen könnte als er es tut, aber halt unbedingt immer seinen Alpha-Male-Status durch beherztes Faustschwingen oder auch Kaltblechverformungen bestätigt wissen muss). Was Stuart Whitman, dem alten Haudegen, der sich für keine Italo-Rolle zu schade war, hier vielleicht fehlt, ist ein echter, durchgängiger Gegenspieler. So prügelt, ballert und crasht er sich durch ein Assortium an supporting players, von denen keiner die Chance hat, sich memorabel in Szene zu setzen.
Martin Landau, anfänglich so etwas wie der hauptamtliche Gegner, fällt nach seiner Verhaftung (und späteren Freilassung, weil sich Tonys These als unhaltbar erwies) etwas durch den Rost, John Saxon verschwendet sich in einer rechten Nullitätenrolle als lokaler Montrealer Cop, der Whitman bei seinen Ermittlungen unterstützt. Tisa Farrow eifert mal wieder ihrer Schwester nach und spielt die Blinde – ist allerdings ein Part, der ihr doch besser liegt als die in Schmodderfilmen wie „Anthropophagous“ oder „Jäger der Apokalypse“. „Special Guest Star“-Credit ergattert Gayle Hunnicutt („Tanz der Totenköpfe“) als promiskuitive Margie, Anthony Forrest (Tracers undurchsichtiger Sohn Robert) hat für Lebzeiten ausgesorgt, weil er zwei Rollen in „Star Wars – A New Hope“ spielte (so bedeutend, dass sie in der IMDb nicht mal aufgeführt werden – aber das stört Star-Wars-Fanatiker, die auf Conventions teuer Geld für Unterschriften jedes namenlosen Stormtroopers bezahlen, ja nicht weiter). Einen kleinen Part spielt Peter MacNeill („Sturm des Jahrhunderts“, „PSI Factor“), der auch ab und zu bei Cronenberg („Crash“, „A History of Violence“) zu sehen war.
Mit knapp 85 Minuten Spielzeit ist „Feuerstoss“ straff und fettfrei inszeniert, zweifellos eine der besten Arbeiten de Martinos, der hier, offenbar unbelastet davon, „typisch italienische“ Genrearbeit abzuliefern, einen ordentlichen, gut rumpelnden Actionthriller hinstellt, der durchaus Laune macht.
Die deutsche DVD aus dem Great-Movies-Umfeld reißt keine Bäume aus, was die Ausstattung angeht, bietet aber akzeptables Bild, soliden Ton (wenn auch nur deutsche Synchro) und wird für einen Heiermann verkauft. Ist genehmigt.
(c) 2017 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 4
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 22.06.2017