Feuerdrache

 
  • Deutscher Titel: Feuerdrache
  • Original-Titel: Fathom
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  • Regie: Leslie H. Martinson
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    Raquel Welch (Fathom Harvill), Tony Franciosa (Peter Merriwether), Ronald Fraser (Col. Douglas Campbell), Richard Briers (Lt. Timothy Webb), Greta Chi (Jo-May Soon), Clive Revill (Sergij Serapkin), Tom Adams (Mike), Elizabeth Ercy (Ulla), Tutte Lemkow (Mehmed), Reg Lye (Mr. Trivers), Ann Lancaster (Mrs. Trivers)


Vorwort

Fathom Harvill ist Zahnarzthelferin und Fallschirmspringerin. In letzterer Funktion trainiert sie in Spanien mit der amerikanischen Nationalmannschaft für einen Wettkampf gegen die Franzosen. Doch da hat jemand eine ungewöhnliche Bitte an die Sportsfrau – Douglas Campbell, Chef der geheimen Geheimorganisation HADES, bittet um freundliche Mithilfe. Ya see, dass die Yankees im Mittelmeer ein paar Wasserstoffbomben verloren haben, ist allgemein bekannt, aber man hat die Knallfrösche zwischenzeitlich wieder gefunden, nur blöderweise nicht die Zündvorrichtung mit dem Codenamen „Fire Dragon“. HADES wähnt sie in Händen des rotchinesischen Agentenduos Peter Merriwether (amerikanischer Überläufer) und Jo-May Soon (mongolische KGB-Agentin), die rein zufällig in Malaga aufgetaucht sind und eine Villa gemietet haben. Und da käme nun Fathom ins Spiel – eine Wanze, die HADES in der VIlla angebracht hat, funktioniert nicht – wenn nun Fathom unauffällig per Fallschirm auf der Terrasse landen würde und ein im Helm verstecktes Elektronikgizmo, das die Wanze in Betrieb setzt, aktivieren würde, wäre das doch im Sinne des Weltfriedens nicht zu viel verlangt, oder? Wider besseres Wissen lässt Fathom sich auf die Angelegenheit ein und findet a) eine leere Villa und b) eine tote Leiche in a). Und gerade, als sie sich über den Kadaver beugt, wird sie von Merriwether und Soon überrascht. Merriwether vermutet stark, dass Fathom für Campbell arbeitet, glaubt ihr aber auch, dass der Tote nicht auf ihr Konto geht. Die Leiche wird entsorgt und Fathom in der nächsten Ortschaft abgesetzt. Wo Campbells rechte-Hand-Mann Timmy schon auf sie wartet. Die neuesten Nachrichten: der Feuerdrache scheint sich im Besitz des exzentrischen Millionärs undd was-auch-immer-kriminell-handelbar-Händlers Serapkin zu befinden, jedenfalls hat der einen Experten zur Authentifizierung des Drachens einbestellt. Ob Fathom, wo Serapkin doch ein anerkannter Playboy ist, nicht auf dessen Yacht schleichen und selbige in Brand setzen könnte, damit Serapkin den Feuerdrachen aus seinem Versteck holen muss? Erneut lässt Fathom sich breitschlagen – der Plan funktioniert auch einigermaßen. Die Yacht brennt, Serapkin packt Fathom und eine Aktentasche in sein Rettungsboot und dank Timmys Künsten am Steuer eines Speedboats erbeuten er und Fathom die bewusste Tasche, nur um sie umgehend an Merriwether zu verlieren. Der findet’s nun aber gar nicht lustig, dass Inhalt der selben nur ein Krautskopf ist und ventiliert seinen Zorn in Richtung der gekidnappten Fathom. Als die – bedrängt von einem Stier (das passiert in Spanien. Olé!) – von Wasserstoffbomben und Zündern plappert, ist Merriwether verdutzt. Der Feuerdrache ist doch ein Teil des chinesischen Nationalschatzes und damit ein Kunstgegenstand und der wurde von Campbell gestohlen! Aber – wenn der ihn nicht hat, Serapkin auch nicht und Merriwether schon dreimal nicht, wer zum Kuckuck dann? Sieht so aus, als müsste Fathom das herausfinden… und auch, ob hier wirklich jeder ist, wer er zu sein vorgibt…


Inhalt

Es ist schon manchmal komisch. Nachdem nach knapp fünfzehn Jahren mein Maltin Movie & Video Guide (Jahrgang 1997) begann, sich in seine Bestandteile aufzulösen und ich doch, weil ein funktionierendes Nachschlagewerk in Schriftform zu haben, nicht die allerdümmste Idee für den Filmgeek von Welt ist, mal eine neue Ausgabe orderte, was machte ich dann? Den neuen Band erst mal ins Regal stellen und durch die zerfledderten Teile zu schmökern (kann auch daran liegen, dass so ein 1600-Seiten-Taschenbuch erst, wenn man’s in zwei oder mehr handliche Teile zerlegt hat, überhaupt praktikabel zu lesen ist)… Jedenfalls stolperte ich über den wohlwollenden Eintrag zu „Fathom“, stellte fest, dass mir der Film 1. überhaupt nichts sagte, dabei aber 2. irgendwie ansprach und 3. bei amazon nur als – dafür aber recht günstige – französische DVD (mit allen möglichen Tonspuren außer Deutsch. Tscha) zu haben ist. Weil ich bekanntlich nur ungefähr 500 der Sichtung harrende DVDs/BluRays mein Eigen nenne und das nur für etwa drei-vier Jahre reicht, bestellte ich das Teil mehr oder weniger blind. Aber was soll passieren? Schlimmstenfalls „muss“ ich eineinhalb Stunden Raquel Welch in der Blüte ihrer Jahre zukucken. Das Risiko nehm ich auf mich…

Beamen wir uns also ins Jahr 1967 – seit ein paar Jahren machte Geheimagent James Bond die Leinwände dieser Welt unsicher, und ebenso erfolgreich liefen – formal ja nicht gänzlich unverwandte – „caper“-Filme wie „Topkapi“ u.ä. An diesem Geschäft wollte natürlich auch 20th Century Fox partizipieren, setzte dabei auf das Prinzip „Frauen an die Macht“ und schickte in diesem Jahr gleich VIER im weitesten Sinne „Spioninnen“-Filme ins Rennen – neben „Fathom“ „Caprice“ mit Doris Day, „Modesty Blaise“ mit Monica Vitti und den B-Film „Come Spy with Me“ mit Andrea Dromm. Während „Caprice“ (immerhin nach Charakteren von Batman-Erfinder Bob Kane“) und „Modesty Blaise“ minor-cult-classic-Status genießen (und „Come Spy with Me“ nicht mal zeitgenössisch den berühmten Wauwau hinter der Ofenbank hervorlockte), blieb „Fathom“ zwar populär genug, um zumindest in manchen Teilen der Welt einen DVD-Release zu bekommen, aber ich schätze mal, selbst, wenn man jemanden fragt, der sich „Filmexperte“ schimpft, wird man zu „Fathom“ vermutlich zunächst mal ein Stirnrunzeln zu sehen und dann wohl ein „Du meinst wohl ‚The Beast from 20,000 Fathoms'“ zu hören bekommen. Dabei hat der Film sogar ebenfalls eine Batman-Connection!

Zuständig für die Verfilmung eines Romans des Pulp-Schriftstellers Larry Forrester (der auch für Film und Fernsehen schrieb und u.a für die klassischen „Ivanhoe“-Serie, „Vega$“ oder „Fantasy Island“ Drehbücher verfasste [und für die Nerds: er schrieb die „Star Trek TNG“-Episode „The Battle“, die zweite überhaupt mit Ferengis) – kurioserweise handelt es sich bei der Vorlage um den zum Drehzeitpunkt noch nicht veröffentlichten *zweiten* Fathom-Roman – sind nämlich die geistigen Väter von Batman hält die Welt in Atem – Regisseur Leslie H. Martinson und Drehbuchautor Lorenzo Sample jr. Wer jetzt reflexartig die Füße über’m Kopf zusammenschlägt und vor dem gestigen Auge ZA-POW-KLUDD-WHAM-Einblendungen halluziniert, darf getrost zum Baldrian greifen – die Herrschaften können auch anders. „Fathom“ ist zweifelsohne bunt, poppig und schnell, aber nicht dezidiert kein „camp“, vielmehr wirkt der Streifen – als britische Produktion – sehr „europäisch“, und das nicht nur der spanischen Locations wegen.

Sicher, der Ton ist „light-heartedly“ (was schon beim Akronym HADES, was soviel bedeutet wie „Headquarter Allied Defenses, Espionage & Security“, beginnt), ohne gleich direkt einen Agentenspoof abzugeben und speziell die Dialogarbeit erinnert immer wieder mal mit ihren Wortgefechten an die Glanzzeiten der screwball comedy, aber „Fathom“ überdreht nicht – seine Handvoll exaltierter Charaktere (in denen die vordergründig naive Amerikanerin unter britischen und russischen Spionen oder Gangstern noch die „normalste“ Figur ist) und der hinreißend konstruierte Plot reichen völlig aus, um den Zuschauer bei bester Laune zu halten. Aus dem simplen „Jagd-auf-den-McGuffin“-Prinzip wird unter Samples fähiger Schreibe (und Martinsons ebenso fähiger Regie) mehr als nur eine Aneinanderreihung von Verfolgungsjagden (und davon hat „Fathom“ einige – zu Lande, zu Wasser und in der Luft) – das Script packt so viele Twists und Turns auf seine vermeintlich einfache Plotte, dass man bis zum Abspann vermutlich dreimal seine Meinung, wer die Guten und wer die Bösen sind, geändert hat – und wahrscheinlich trotzdem falsch liegt (nicht zuletzt auch, weil „Fathom“ mit einem simplen Gut/Böse-Schema auch nichts am Hut hat. Diejenigen, die im Nachhinein die sind, die „Guten“ am nächsten kommen, bedienen sich durchaus fieser Methoden, aber man sei versichert, auch Fathom hat einige metaphorische Pfeile im Köcher).

Was aber *wirklich* beeindruckt (und in der Tat ein wenig an den guten alten „Batman“ erinnert), ist das geradezu atemlose Tempo, das „Fathom“ vorlegt; sicherlich ist das auch notwendig, weil mit mehr Ruhepausen die episodische Struktur des Scripts stärker in den Vordergrund drängen würde, aber herrgott, ist „Fathom“ für einen Film aus den 60ern rasant – da bleibt nicht mal Zeit für die eigentlich obligatorische Romanze. Zwar werfen durchaus alle männlichen Charaktere ein bis drei Augen auf uns Raquel, aber für die Entwicklung einer ernstlichen Love Story fehlt dem Film – sympatischerweise – einfach die Zeit, weil er, bevor sich am Ende noch ein Pärchen küssen könnte, dringend mit einem Helikopter ein Auto verfolgen oder seine Titelheldin unfreiwillig in einen Stierkampf hetzen muss. Mag daran liegen, dass Regisseur Martinson hauptsächlich für’s Fernsehen arbeitete und dort gelernt hat, dass man keine Zeit verlieren darf, aber es ist einfach erfrischend, mit welcher Energie er seinen Film vorantreibt und die fünfundneunzig Minuten buchstäblich wie im Flug vorbeirauschen lässt. Sicher, die optischen Tricks halten keinen Vergleich mit aktueller Filmware aus, das ist klar – wer einen der frühen Connery-Bonds gesehen hat, weiß, wie „überzeugend“ die Rückprojektionen für z.B. die Fallschirmsprünge aussehen und ahnt, dass Miss Welchs Stuntdouble allenfalls oberflächliche Ähnlichkeit mit dem Star aufweist – dafür aber sind die Stunts eben noch handgemacht…

Die Kameraarbeit von Meisterkameramann Douglas Slocombe („Jesus Christ Superstar“, „Indiana Jones“, „Rollerball“, „Sag niemals nie“) ist ausgezeichnet (wenngleich mich ein gewisser permanenter Fischauge-Effekt ein wenig irritiert – das sieht so aus, als würde man einen Film, der auf eine Kuppelleinwand projiziert werden soll, „flach“ vorführen und hätte demzufolge eine Art Krümmung im Bild. Ich weiß nicht, ob ich das nachvollziehbar beschreibe und ob das ein „Problem“ des Films, der DVD oder meiner Sehnerven ist, aber ich wollte es erwähnt wissen), der Score von John Dankworth („Mit Schirm, Charme & Melone“, „Modesty Blaise“) – mit Ausnahme eines recht abscheulichen Titelsongs – angemessen. Wie es sich für einen leicht komödiantisch angehauchten Spy-/Caper-Film gehört, gibt’s zwar ein paar Tote, ohne dabei in irgendeiner Form drastisch oder explizit zu werden – clean fun (was [leider, hüstel] auch für Raquel Welch geht, die man zwar in eine Fülle augenfreundilcher Kostüme unterschiedilchster Art gehüllt hat, von der man jedoch immer wieder gern mehr sehen würde, yummy).

Zu erwähnen wäre noch, dass die Vorspannsequenz von niemand geringerem als Maurice Binder, der diesen Job ja auch für die Bond-Serie besorgte, gestaltet wurde – anstatt tanzender Silhouetten belässt es Binder aber bei einer durchaus die optischen Vorzüge des Stars ins rechte Licht setzenden Sequenz, in der Raquel Welch ihren Fallschirm faltet…

Der Cast – naja, vielleicht ist das ein Problem, warum „Fathom“ vergleichsweise unterging. Raquel Welch ist fraglos ein Hinkucker vor dem Herrn (das walte allein schon Hammers ein Jahr zuvor erschienener Caveman-Klassiker „Eine Million Jahre vor unserer Zeit“), aber sicherlich nicht *der* Star, der einen Film – aus kommerzieller Sicht – allein auf die zarten Schultern nehmen kann. Sie ist sicherlich (trotz „nur“ zweiten Billings) das Herzstück des Films, schlichtweg „stunning“ und dabei auch schauspielerisch in der Rolle der vielfältig Reingelegten, die schließlich ihr eigenes Spiel zu spielen beginnt, überzeugend, aber es fehlt ihr an einem Co-Lead, der ihr ein wenig die „Verantwortung“ abnimmt. Tony Francioso (der Top-Billing genießt), ein Italo-Amerikaner, der seine größten Erfolge im Fernsehen feierte und mehrere Serien hatte („Valentine’s Day“, „The Name of the Game“, die kurzlebige „Matt Helm“-TV-Serie) ist, trotz allem Bemühens, sich entgegen seiner Heritage als britischer Gentleman-Gauner zu geben, nicht „name actor“, den’s an der Stelle wohl gebrauch hätte. Er macht seine Sache alles andere als schlecht und in den gemeinsamen Szenen mit Welch macht sich durchaus chemistry bemerkbar, rein aus kommerzieller Sicht ist der spätere „Tenebrae“-Star zu leichtgewichtig. Der vielbeschäftigte britische character actor Ronald Fraser („Der Flug des Phönix“, „Die Wildgänse kommen“, „Der rosarote Panther wird gejagt“) gibt einen witzigen Geheimdienstchef ab, Richard Briers (der sich im Nachhinein scherzhaft beklagte, der Plot des Filmes wäre „hard to fathom“, Wortspieler, elender), zu sehen u.a. in Branaghs „Frankenstein“, dem 2003er „Peter Pan“ und zu hören als Fiver in der Originalfassung von „Watership Down“, macht seine Sache als Timmy ebenfalls gut. Greta Chi („Ein Sarg aus Hongkong“) sorgt für ein wenig Exotik, aber die Schau stiehlt Clive Revill („Modesty Blaise“, „In den Schuhen des Fischers“, „Das Privatleben des Sherlock Holmes“, „Tanz der Totenköpfe“, „C.H.U.D. II – Bud the Chud“ und Stimme des Imperators in „Das Imperium schlägt zurück“) als exaltierter russischer Millionär mit der zehn Grad zu niedrigen Körpertemperatur – hart an der Grenze zum campy-comic-book-Schurken, aber eben noch knapp davor.

Bildqualität: Mangels einer deutschen DVD behalf ich mir mit der französischen Scheibe von Fox France, die einen farbenprächtigen, verschmutzungsfreien und überdurchschnittlich scharfen anamorphen 2.35:1-Transfer mitbringt (ich verweise noch mal auf die oben geschilderte fisheye-Problematik und habe nach wie vor keinen Schimmer, ob das ein gewollter Effekt ist oder nicht). Update: Okay, okay, okay – es GIBT tatsächlich eine deutsche DVD. Fragt mich um Himmels Willen nicht, warum amazon.de die mir nicht vor die Nase gehalten hat, als ich danach gesucht habe… Ist von Fox und dürfte daher technisch identisch sein mit dem Franzmanns-Release…

Tonqualität: Englischer, französischer und italienischer Ton jeweils in Dolby 2.0 plus optionaler Untertitel in ebenjenen Sprachen. Ist jetzt nix, womit man seine Anlage bis zum letzten Watt ausreizt, aber absolut praktikabel und rauschfrei.

Extras: Leider nüsch.

Fazit: „Fathom“ ist ein ebenso charmanter wie rasanter Nostalgiefix – eine gelungene Mixtur aus Spionage- und Krimikomödie, actiongeladen, humorvoll, ohne dabei hysterisch zu werden, mit einem cleveren, bis zur letzten Sekunde überraschenden Script und getragen von einer blendend aussehenden und aufgelegten Raquel Welch. Mit einem etwas charismatischeren leading man wäre das nahe am perfekten Retro-Entertainment. Wer mit launigem Eurospy- oder Caper-Gangster-Stoff etwas anfangen kann, sollte „Fathom“ dringend auf seine Einkaufsliste setzen…

4/5
(c) 2012 Dr. Acula


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