Fast Company – 10.000 PS – Vollgasrausch im Grenzbereich

 
  • Deutscher Titel: Fast Company - 10.000 PS - Vollgasrausch im Grenzbereich
  • Original-Titel: Fast Company
  • Alternative Titel: 10.000 PS - Vollgasrausch im Grenzbereich |
  • Regie: David Cronenberg
  • Land: Kanada
  • Jahr: 1979
  • Darsteller:

    William Smith (Lonnie „Lucky Man“ Johnson), John Saxon (Phil Anderson), Claudia Jennings (Sammy), Nicholas Campbell (Billy „The Kid“ Brooker), Don Francks (Elder), Cedric Smith (Gary „The Blacksmith“ Black), Judy Foster (Candy), Robert Haley (P.J.), George Buzak (Meatball), David Graham (Stoner), David Petersen (Slezak)


Vorwort

Lonnie „Lucky Man“ Johnson ist einer der Stars der nordamerikanischen Dragster-Racing-Szene. Mit seinem 2000-PS-Superdragster tingeln er und sein Team über Provinzrennstrecken und bespaßen das Publikum. Nebenher spielt Lonnie noch den Mentor für den talentierten Nachwuchsfahrer Billy „The Kid“ Brooker, der in der rangniedrigeren Funny-Car-Klasse antritt und dort regelmäßig auf den Rivalen Gary „The Blacksmith“ Black trifft. Das Team steht unter der Fuchtel des schmierigen Managers Adamson, eines prototypischen snake-oil-salesman, der die Interessen des Sponsors „Fastco“, Hersteller eines nutzlosen Motor-Additivs, vertritt, und dem alles weitgehend egal ist, solange Lonnie die Firmenlinie vertritt, genügend Fastco-Dosen verkauft und ansonsten nach seiner Pfeife tanzt. Bei einem Rennen in Edmonton baut Lonnie einen spektakulären Crash, den er – seinem Spitznamen entsprechend – wie durch ein Wunder unbeschadet übersteht. Der neue Kompressor, der der Maschine noch dreihundert zusätzliche Hottehükrafte verleihen soll, ist ihm um die Ohren geflogen. Adamson ist sauer, denn der Dragster ist hin und ein neuer kostet Geld – Geld, dass Fastco nicht gewillt ist zu investieren, obwohl Lonnie und sein Chefmechaniker Elder darauf bestehen, dass sie das neue Teil brauchen, um gewinnen zu können. Gewinnen ist Adamson und Fastco allerdings herzlich egal, falls es Geld kostet – ansonsten reicht es den Geldgebern nämlich völlig, wenn Lonnie weit genug vorn mitmischt, um im Gespräch zu bleiben und den Sponsorennamen in jedem Interview fünfmal fallen lassen zu können, eine Einstellung, mit der Lonnie als echter Racer so seine Probleme hat.

Beim nächsten Rennen insistiert Adamson, dass Lonnie das Funny Car des Teams fährt, weil der Superdragster noch in Reparatur ist und das Publikum seinen Obolus nicht für einen hergelaufenen Nachwuchsfahrer, sondern für die Stars bezahlt. Lonnie weiß, dass Billy darauf verärgert reagieren wird, kommt dem Managerwunsch allerdings nach. Billy springt der Draht auch programmgemäß aus der Baseballcap, doch er fügt sich, soll seine Relegation auf einen Mechanikerposten ja nur temporär sein. Wer sich freut, ist Gary Black, der nur zugern Lonnie versägen würde. Das erste Duell auf der Strecke entscheidet allerdings Lonnie für sich.

Das Verhältnis zwischen Lonnie und Adamson ist aber zunehmend gespannt, erst recht, als Lonnie und Billy herausfinden, dass Adamson und Fastco nicht im Traum daran denken, einen neuen Superdragster zu finanzieren, sondern nach ihrem Willen Lonnie nun permanent bei den Funnys antreten soll. Adamson ahnt, dass Lonnies Renitenz zu einem größeren Problem werden wird und nimmt Sondierungsgespräche mit Black auf – der wäre an einem Fastco-Sponsorenvertrag nicht uninteressiert und sein Mechaniker Meatball lässt sich für eine kleine Sonderprämie auch gern auf eine Sabotageaktion ein. Beim nächsten Duell zwischen Lonnie und Black geht Lonnies Wagen in Flammen auf. Wieder entkommt Lonnie dem Inferno unversehrt, aber Adamson hat nun eine Ausrede, seinen Fahrer samt kompletten Team fristlos zu feuern und auch das Auto einzukassieren.

Nachdem der erste Schock verdaut ist, raufen sich Lonnie, Billy und Getreue zusammen – dann wird man halt beim nächsten Rennen als unabhängiges Team an den Start gehen und das Problem des fehlenden Autos lässt sich auch lösen. Adamson hat es in einer Ausstellung untergebracht und aus der kann man es ja auch zur Not unerlaubterweise wieder subtrahieren. Gesagt, getan – beim nächsten Rennen staunt Adamson Bauklötze, als Lonnie und sein Team das Auto aus dem Hänger holen. Das schreit nach härteren Maßnahmen, und Meatball hat da auch eine ganz fiese Idee für’s letzte Rennen – das Rennen, in dem Lonnie Billy das Cockpit überlassen will…


Inhalt

Bei David Cronenberg denkt der geneigte Filmfreund an Schleim, Ekel und den Kult ums „neue Fleisch“. Selbst kommerziellere Projekte wie „Scanners“, die King-Verfilmung „The Dead Zone“ oder obskurere Liebhaberwerke wie „M. Butterfly“ lassen sich recht leicht in das Cronenberg’sche Ouevre, in dem es prinzipiell um Verwandlung und Verformung, Repression, Identität und Sexualität geht, einpassen. „Fast Company“ ist da der „odd man out“, denn dieser Film hat wirklich nichts mit den Themen zu tun, die Cronenberg über Dekaden hin fasziniert haben – es sei denn, man kommt über „Crash“ hin zum Autofetisch Nordamerikas. Aber bei „Fast Company“ wird die Kaltverformung stabilen Metalls nicht sexualisiert…

„Fast Company“ ist vielmehr ein ganz gewöhnlicher Drive-in-Rennsport-Fetzer, wie ihn Arkoffs AIP oder Cormans New World in den 70ern ständig veröffentlichten und er auch von Ron Howard hätte stammen können, als der sich für Corman seine Regisseurs-Hörner abstieß. Für Cronenberg war der Film schlicht nichts anderes als eine Auftragsarbeit – der junge Regisseur hatte sich mit „Shivers“ und „Rabid“ längst eine gemütlich vor Körperflüssigkeiten triefende Nische geschaffen und sich in Horrorkreisen den Ruf des new hopefuls, auf den man achten würde müssen, erarbeitet – vielleicht war David einfach nur langweilig, oder er brauchte zur Vorbereitung von „The Brood“ noch eine kleine Finanzspritze durch das Honorar für die Regietätigkeit. Kann man ja durchaus respektieren – zumal man Cronenberg nicht vorwerfen kann, er hätte „Fast Company“ nur halbärschig abgeliefert.

Klar, die Geschichte ist nicht neu – der fiese böse Manager, der den aufrechten Rennfahrersburschen foppt, das hatten wir schon in Jack Hills unterschätztem „Pitstop“ oder, auf lustig getrimmt, in Hal Needhams „Der rasende Gockel“, in dem sich Burt Reynolds so richtig schön zu Affen machen konnte. Auch „Days of Thunder“ und der TV-Abklatsch „Thunder Race“ arbeiteten mit diesem Klischee, das halt deshalb eins wurde, weil’s gemeinhin funktioniert. Normalerweise entscheidet sich diese Art Film, entweder den Aufsteig eines neuen, jungen Fahrers zu betrachten oder den Niedergang eines alten Haudegens, „Fast Company“ schafft’s diesbezüglich, seinen Kuchen zu haben und zu essen, er arbeitet beide Möglichkeiten ein. Lonnie ist der Veteran, der – wie der ganze Sport – schon bessere Zeiten gesehen hat, aber nicht davon los kommt, Billy der aufstrebende temperamentvolle Jungspund, der auf seine große Chance wartet. Immerhin ist das Script, an dem neben Cronenberg noch Phil Savath (später zu Ruhm gelangt als Produzent von „Beverly Hills, 90210“) und Courtney Smith, klug genug, nicht die offensichtliche Ausfahrt zu nehmen und Billy gegen seinen Mentor auszuspielen. Der Junge ist zwar verständlicherweise sauer, als ihm das Auto zu Lonnies Gunsten weggenommen wird, bleibt aber loyal an der Seite des Älteren. Rivale Gary Black ist dann auch kein eindimensionaler Bösewicht, sonder lediglich Opportunist, der die Chance ergreift, die sich ihm mit dem Fastco-Sponsoring bietet und der von den dunklen Machenschaften, die Adamson und sein eigener Mechaniker Meatball so treiben, nichts weiß oder wenigstens nichts wissen *will*. Der Schurke im Stück ist eindeutig Adamson – wie schon oben erwähnt geradzu der laufende und atmende Lexikoneintrag für „snake oil salesman“, skrupellos, nur an seinen Geschäften interessiert und nichts könne ihm egaler sein als auf sportlichem Wege zu gewinnen – eine Prachtrolle für John Saxon, der sich da auch ordentlich reinkniet. Für die menschliche Seite des Rennfahrerdramas gibt’s dann auch noch Lonnies Freundin Sammy, die das Tingeln über heruntergekommene Dragstrips längst für eine bürgerliche Existenz aufgegeben hat, aber Lonnie nicht „losgelassen“ hat – sie ist für die Story aber immerhin so bedeutsam, dass meine Inhaltsangabe komplett ohne ihre Erwähnung auskam und dabei auch nichts relevantes unterschlagen hat. Ich find’s übrigens immer wieder recht lustig, dass Hollywood (bzw. die Filmproduzenten im Allgemeinen), selbst sicher das Zentrum des kapitalistischen Sündenpfuhls, sich so gerne des Sportfilms bediente, um die Kommerzialisierung und Ent-Romantisierung der Sport-Subkulturen anzuprangern…

Wie gesagt – die Geschichte ist nicht neu, aber sie funktioniert, hakt die notwendigen Punkte auf dem Drama- und Charaktermomente-Cheatsheet zuverlässig ab und hat, wie es sich für einen Motorsportfilm gehört, auch einen ordentlichen Zug drauf. Die Kulisse des in europäischen Gefilden doch wenig populären Dragster-Sports sorgt für einen gewissen Exotenbonus, ist das doch im Vergleich zum gewöhnlichen Rundstreckensport, auch in der Oval-Ausprägung, wie ihn die Amerikaner schätzen, eine ganz andere Subkultur, in der noch mehr als noch bei Indycars oder NASCAR die pure Show um die feuerspeienden PS-Giganten im Vordergrund steht (insofern ist der Sport stärker mit Monster-Truck-Rennen verwandt, die in den USA dann auch vom gleichen Verband organisiert werden). Sonderliche Regelkunde ist aber nicht notwendig, um die Rennen zu verstehen, schließlich ist es die wohl primitivste Möglichkeit, sich mit Motorsport zu befassen – wer schneller eine 420 Meter lange Gerade herunterfährt, hat gewonnen. Mehr muss man nicht wissen (schließlich ist es oft genug ein Zugangshindernis bei Sportfilmen, dass man zumindest solides Grundwissen über die Materie mitbringen muss, um der Dramaturgie der Sportereignisse folgen zu können – und Sachen wie Baseball z.B. sind nicht unbedingt „einsteigerfreundlich“).

Das Unterfangen ist sicherlich, wie’s im kanadischen Kino seinerzeit gute Sitte war, sehr low budget, aber Cronenberg lässt’s sich nicht anmerken. Fast alles ist on Location an den Rennstrecken und auf und neben den Highways gedreht, und genug Geld, um einige Autos prächtig in die Luft jagen zu können, war dann auch noch vorhanden (und auch für zumindest einen sudeligen Make-up-Effekt hat’s noch gereicht. Na, passt ja doch in Cronenbergs Werk!). Die musikalische Untermalung ist genrebedingt Countryrock-lastig. Mag man wie manc ein Rezensent für nerviges „Möchtegern-Springsteen“-Gefudel halten, ist nun aber mal, ganz besonders in Nordamerika, die Musik des Motorsports und der Motorsportfans.

Ein Plus des Films sind die starken Leads – William Smith („Conan, der Barbar“, „Laredo“, „Uncle Sam“, „The Final Sanction“), einer der besten tough guys des B-Films, beweist sich – gegen den Strich gecasted – als gute Wahl für den jovialen, aber etwas von der Zeit überholten Veteranen-Fahrers, und zu John Saxon („Asphaltkannibalen“, „Prisoners of the Lost Universe“, „Battle Beyond the Stars“) muss man eh nicht viel sagen. Claudia Jennings, Mega-Starlet der 70er und bekannt und beliebt aus „Deathsport“, „Gator Bait“, „Truck Stop Women“, oder dem auch thematisch verwandten „Unholy Rollers“, spielt hier ihre letzte Filmrolle – sie kam kurz nach den Dreharbeiten, gewillt, ihr von Drogen und Ausschweifungen geprägtes Leben rumzureißen (ihre Freizügigkeit in Playboy-Spreads hatte sie z.B. gerade die Rolle als Kate-Jackson-Ersatz in „Charlie’s Angels“ gekostet) bei einem Autounfall ums Leben. Der Rezensent muss daher auch konstatieren, dass Jennings unerwartet (und unerhofft) zugeknöpft bleibt (nackte Tatsachen gibt’s im Film trotzdem, aber halt ohne Beteiligung von Miss Jennings). Nicholas Campbell (Billy) beeindruckte Cronenberg ersichtlich genug, um von ihm gleich zu „The Brood“ mitgeschleift zu werden, auch in „Naked Lunch“ griff Cronenberg auf den Kanadier zurück, der in der langlebigen Serie „Da Vinci’s Inquest“ auch noch um die Jahrtausendwende zu TV-Ruhm kam. TV-Veteran Don Francks („Mission Impossible“, „La Femme Nikita“ und – Boba Fett im „Star Wars Holiday Special“!) spielt routiniert den Mechaniker Elder, Cedric Smith (nicht verwandt oder verschwägert, „Millennium“, „Beyond Reality“) macht sich anständig als Lonnies Rivale Gary Black.

Die Blu-Ray von Endless Classics erfindet das Medium sicher nicht neu und kommt bis auf den Trailer auch ohne Zusatzausstattung daher, wird aber mittlerweile recht günstig vertickt und kann bild- und tonqualitätstechnisch durchaus empfohlen werden.

„Fast Company“ ist letztlich ein Film, den ich den Freunden zünftiger Rennsport-Filme und/oder PS-intensivem Drive-in-Kinos stärker ans Herz legen möchte als dem „typischen“ Cronenberg-Fan – letzterer muss zwangsläufig enttäuscht sein, weil sich von den Trademarks des Regisseurs hier nun wirklich praktisch nichts findet. Losgelöst von der Person des Regisseurs und dem Ballast seiner Filmographie lässt sich aber an „Fast Company“ viel Freude haben, ganz besonders, wenn man ein Freund von William Smith und/oder John Saxon ist. – ein unterhaltsames, spannendes Rennfahrerdrama ist der Film nämlich allemal.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
1 Kommentar
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
mm
Webmaster
Thomas Hortian
5. Februar 2019 16:54

Du hast natürlich mal wieder wesentliche Punkte vergessen. 😉
Cronenberg selbst ist großer Auto- und Motorsport-Fan. Außerdem hat er in diesem Film das erste Mal mit u.a. Kamerafuzzi Mark Irwin und Schnittmeister Ronald Sanders zusammen gearbeitet.
Ansonsten gehen wir in unseren Rezensionen ziemlich konform:
https://evil-ed.de/index.php/kritik/56-kritiken/1070-fast-company-1979