Eyes of Crystal

 
  • Deutscher Titel: Eyes of Crystal
  • Original-Titel: Occhi di cristallo
  •  
  • Regie: Eros Puglielli
  • Land: Italien/Spanien/Bulgarien
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Luigi Lo Cascio, Lucía Jiménez, Simón Andreu, Eusebio Poncela, Carmelo Gómez


Vorwort

Giacomo, ein frustierter Bulle, der einem Vergewaltiger schon mal nach der Festnahme ins Bein schießt, um dem Gesocks wenigstens eine bleibende Erinnerung an die Missetat zu verschaffen, und sein älterer Partner Nicola, sollen einen brutalen Dreifachmord aufklären – ein offenbar geistig derangierter Mitmensch hat ein junges Liebespaar und einen alten Spanner mit Großwildjägermunition in die nächste Welt befördert, sich danach aber noch die Zeit genommen, die klaffende Brustwunde des weiblichen Opfers fachmännisch zu flicken. Das Verbrechen gibt den Cops Rätsel auf, was Giacomo nicht daran hindert, aus persönlichem Interesse noch der von einem Stalker belästigten Studentin Giudetta beizustehen. Noch dazu müssen Giacomo und Nicola sich um ihren Kollegen Augusto kümmern, der mit einem Gehirntumor im Krankenhaus liegt. Dieweil geht das fröhliche Morden weiter – einer Antiquitätenhändlerin werden mit geschickter Hand die Arme abgetrennt. Besteht zwischen dem Stalker und der Mordserie ein Zusammenhang? Was hat es damit auf sich, dass im Krankenhaus, in dem Augosto liegt, chirurgische Instrumente gestohlen wurden? Und haben Augustos geheimnisvolle Visionen etwas mit den Morden zu tun oder sind sie nur vom Tumor ausgelöste Halluzinationen? Und zu allem Überfluss muss Giacomo in der sich anbahnenden Beziehung mit Giudetta seine eigene traumatische Vergangenheit konfrontieren…


Inhalt

Der Giallo, das urtypisch italienischte aller Filmgenres, ist nicht totzukriegen. Zwar siechte der Giallo nach seiner Hochzeit in den 70er Jahren, in denen sich fast jeder italienische Regisseur sich an dem Thema versuche, lange Jahre vor sich hin und wurde nur gelegentlich vom Großmeister des Genres, dem Bilderfürsten Dario Argento, am Leben erhalten. Mit „Eyes of Crystal“ stellt sich ein nun ein beim Fantasy Film Fest 2005 vorgestellter neumodischer Vertreter des Genres vor und, tja, was soll man sagen, wer einen bewusst einen Giallo ansieht, der weiß auch heute noch, was ihn erwartet.

Der Giallo ist, grundsätzlich gesehen, das Bindeglied zwischen herkömmlichen Krimis und dem „modernen“ Slasherhorror und hat, so kurios es aus heutiger Sicht klingen mag, wenn man Filme wie „Tenebrae“ etc. ansieht, seine Roots in den deutschen Edgar-Wallace-Filmen (die Reihe wechselte ja Ende der 60er in italienische Hände). Eins der Hauptmerkmale dieses Sujets, was ihm von Kritikern immer wieder gern vorgeworfen wird, ist, dass die eigentliche Auflösung des Krimiplots einen Giallo erheblich weniger interessiert als die Ausführung der Morde. In der Tat bedienen sich Giallos häufig aus dem Hut gezauberter deus-ex-machina-Lösungen und/oder krampfhaft-überraschender Wendungen. Da macht „Eyes of Crystal“ keine Ausnahme.

Wie üblich in dieser Genre-Spielart ist der Plot, basierend auf einem Roman des italienischen Autors Luca Di Fulvio, hochkomplex gemeint, aber in der Ausführung einfach nur verwirrend. Den verschiedenen Ebenen, die Regisseur/Autor Eros Puglielli mit seinen Co-Autoren Gabriella Blasi und Franco Ferrini (Stammautor von Argento, in dieser Funktion Schreiberling von „Trauma“, „Terror in der Oper“, „Stendhal Syndrom“, „Sleepless“ und „Card Player“, aber auch der Lamberto-Bava-„Dämonen“-Filme und der Celentano-Komödie „Bingo Bongo“) vor dem Zuschauer ausschütten, machen es wieder einmal sehr schwer, der Geschichte zu folgen, was aber eh wieder relativ sinnlos ist, da der Täter sich aus dem Kreis von immerhin zwei (in Worten: ZWEI) Verdächtigen rekrutiert (aber bei einem Giallo ist man ja auch froh, wenn man dem Mörder im Filmverlauf vor der Enttarnung überhaupt schon mal gesehen hat). Das Storytelling ist konfus, die zusätzliche Ebene um die Beziehung Giacomos und Giudettas sowie Giacomos altem Trauma trägt wenig zum Film bei und wird auch nicht sonderlich elegant in die „Hauptgeschichte“ integriert; zudem lenkt sie von der eigentlichen Thrillerhandlung ab und sorgt dafür, dass das Tempo einige Male verschleppt wird. Die Charaktere bleiben blass und laden nicht wirklich zur unbedingten Identifikation und zum Mitfiebern ein – aber das alles sind Beschwerden, die man deckungsgleich auf fast alle Gialli legen kann.

Auch Eros Puglielli, im zarten Alter von 33 Jahren noch dem Nachwuchs zuzurechnen und international bislang nicht auffällig geworden, kümmert sich demzufolge weniger darum, ob seine Gesichte logisch ist (das ist sie nicht, die Auflösung ist einmal mehr eher lächerlich) oder wenigstens in sich halbwegs schlüssig serviert wird, sondern vielmehr um die optische Ausgestaltung. Da kann „Eyes of Crystal“ dann auch ordentlich punkten – zwar macht der Streifen der Bildgewalt des klar erkennbaren Vorbilds Argento noch keine direkte Konkurrenz, erweist sich optisch aber dennoch als versiert und einfallsreich; Kameramann Luca Coassin, auch ein vergleichsweise unbeschriebenes Blatt, zaubert eine Vielzahl memorabler Einstellungen auf Leinwand bzw. Mattscheibe, und auch einige Sequenzen im „Private Ryan“-bewährten HD-Look bringen visuelle Abwechslung, sind vor allem im Giallo-/Horrorgenre originell. Es bleibt aber, wie so oft, beim „style over content“ – das Drehbuch und Pugliellis Inszenierung können mit der künstlerischen Gestaltung des Films nicht mithalten. Souveräner Spannungsaufbau sieht anders aus – nach vielversprechendem Beginn fällt der Streifen dramaturgisch nach der Halbzeitmarke zunehmend auseinander; ich muss da noch mal auf’s Drehbuch eingehen – da liegt nämlich der Hase im Pfeffer. Es mag sich deswegen keine rechte Spannung einstellen, da die „Ermittlungen“ der Protagonisten kaum etwas bis gar nichts zur Auflösung beitragen (außer in einem Aspekt, aber der ist dafür dann wieder sooo doof – SPOILER: der Killer lässt sich eine wesentliche Zutat für sein schändliches Treiben tatsächlich an seine Adresse schicken!! SPOILERENDE). Da Puglielli von der Regieseite nicht viel einfällt, um die Mankos des Script außer durch Optik zu übertünchen, ist der dritte Akt demzufolge nicht besonders „involving“ – man kuckt halt einfach zu, anstelle gefesselt oder angespannt zu sein.

Einen Pluspunkt verdient sich der Score, der dosiert, atmosphärisch und gelegentlich kontrastierend (zur Erwartungshaltung) eingesetzt wird. Erwähnt werden sollte auch, dass der Streifen in Bulgarien gedreht wurde, was nicht negativ auffällt 😉

Für einen Giallo bleibt „Eyes of Crystal“ effekt- und härtetechnisch relativ zahm, wobei die KJ-Freigabe sicherlich über den Daumen gepeilt in Ordnung geht; wir dürfen einige abgetrennte Gliedmaßen, zu Beginn ein paar recht ruppige Einschüsse und Tiergore bewundern. Der Bodycount liegt mit „6“ auch auf der eher konservativen Seite. Technisch sind die FX kompetent ausgeführt; einige CGI/Greenscreen-Aufnahmen im Finale sind nicht völlig überzeugend. Für die Freunde nackter Haut gibt’s nackte Tatsachen von Lucía Jiménez und dem ersten weiblichen Opfer.

Die Schauspieler erledigen ihre Sache in Anbetracht der Umstände recht gut. Luigi Lo Cascio bemüht sich, seinem Giacomo Facetten abzugewinnen, die der Charakter offenbar haben soll, aber vom Script nicht wirklich ausgearbeitet werden. Lucía Jiménez hat nicht wirklich viel zu tun, macht das, was sie zu spielen hat, aber zuverlässig. Eurosploitation-Fans freuen sich über den altverdienten Genrerecken Simón Andreu („The Blood Spattered Bride“), der eine engagierte Vorstellung als tumorerkrankter Augusto hinlegt. Eusebio Poncela („Cannibal Man“) könnte etwas für mich akzentuierter agieren – er ist mir etwas zu belanglos.

Bildqualität: Mir liegt zur Rezension die Presse-DVD aus dem Hause Concorde vor. Der anamorphe 1.85:1-Widescreen-Transfer macht einen sehr soliden Eindruck und absolviert alle ihm gestellten Aufgaben (und das sind einige – HD-Sequenzen, dunkle, kontrastabhängige Einstellungen etc.) klaglos. Schärfe und Kontrast bieten keinen Grund zur Klage, die Kompression kann nicht beurteilt werden, da auf der endgültigen DVD sicher mehr drauf sein wird als auf der Pressescheibe.

Tonqualität: Die Presse-DVD liefert nur deutschen Dolby 5.1-Ton. Der ist sehr gut ausgefallen, ist ordentlich druckvoll und kristallklar.

Extras: Was Concorde ggf. an Bonusmaterial auf die Scheibe bringt, ist mir nicht bekannt.

Fazit: Egal ob 1977 oder 2004 – wer einen Giallo ansieht, weiß, was ihn erwartet. Auch „Eyes of Crystal“ besticht nicht durch einen durchdachten Plot, eine schlüssig konstruierte Geschichte und soliden Spannungsaufbau, sondern durch seine optischen Schauwerte. Der Streifen ist schick fotografiert, setzt seine Ruppigkeiten vergleichsweise dosiert ein (etwas mehr abgefeimte Brutalismen wären dem Genrefreund vermutlich nicht ganz unrecht) und ist im Rahmen seiner Möglichkeiten akzeptabel gespielt. Neue Giallo-Fans wird Eros Puglielli eher nicht gewinnen können, aber ausgehungerte Genre-Freunde, die die Klassiker durch haben, dürften zufrieden sein.

3/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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