Experiments

 
  • Deutscher Titel: Experiments
  • Original-Titel: The Asphyx
  • Alternative Titel: Spirit of the Dead | The Horror of Death |
  • Regie: Peter Newbrook
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1973
  • Darsteller:

    Sir Hugo Cunningham (Robert Stephens)
    Giles Cunningham (Robert Powell)
    Christina Cunningham (Jane Laportaire)
    Sir Edward Barrett (Alex Scott)
    Clive Cunningham (Ralph Arliss)
    Anne Wheatley (Fiona Walker)
    Pauper (Terry Scully)
    Mason (John Lawrence)
    Vicar (David Grey)
    Warden (Tony Caunter)


Vorwort

Abt. Second-Hand-Findings

Was macht der Doc, bekennender Couch-Olympionike, wenn sich im Programm der Olympsichen Winterspiele nach zwei Goldmedaillen für unser schönes Land eine unerwartete Pause eröffnet, bis die nächste interessante Disziplin zelebriert wird? Und das, wenn er nach munteren sechs Stunden vor der Glotze mal wieder Kopfschmerzen entwickelt?

Ehrensache – er wirft sich zwei Acetaminophen-Tabletten, directly imported from the United States, ein, kramt in seiner Filmkiste und erinnert sich daran, dass er vor ein paar Wochen ja im nahen An- und Verkaufsladen ein Rudel VHS-Tapes zu je ein Euro erwoben hat. Da könnte man theoretisch ja schnell einen ankucken, sich ein paar Notizen machen und nach der nächsten Olympia-Sitzung zumindest mal mit einem Review anfangen. Man hat schließlich eine gewisse Verantwortung.

Letztendlich entschied ich mich für Experiments, wie The Asphyx in seiner deutschen Inkarnation einfallsreich betitelt wurde (vom etablierten Schundpublisher „Mike Hunter“, wobei mir die Kauf-Auflage des von zahlreichen Supermarktgrabbeltischen bekannten „Wonderworld“-Sublabels vorliegt).

The Asphyx entstand 1973 in Großbritannien, ergo zu einer Zeit, als der altehrwürdige britische Hammer-Horror, von manch einem despektierlich als „Plüschhorror“ abgetan, in seine große und letztendlich fatale Existenzkrise stürzte. Der Hammer-Style legte bekanntlich mehr Wert auf gepflegte Ausstattung und gefällige Fotografie denn oberflächliche Härten und stand so gegen den aufkommenden „modernen“ US-Horror auf verlorenem Posten – die verzweifelten Bemühungen der Hammer´schen Dracula-Serie, durch Zeitsprung ins 20. Jahrhundert und nackte Tatsachen verlorenes Terrain aufzuholen, werden selbst von Hammer-Enthusiasten bestenfalls milde belächelt (und vom noch verzweifelteren Versuch, Hammer-Horror mit Shaw-Brothers-Kung-fu zu paaren, The Seven Golden Vampires, wollen wir mal gar nicht reden). Nichtsdestotrotz schien es der neugegründeten Produktionsschmiede Glendale erfolgsversprechend genug, just in dieser Übergangsphase vom „altmodischen“ zum „modernen“ Horror mit The Asphyx einen Genrebeitrag vorzulegen, der stilistisch deutlich in die Hammer-Ecke schielt. Euer Doc hatte den Film vor Urzeiten mal gesehen (ich kann mich nicht mal mehr dran erinnern, ob das ´ne Fernsehausstrahlung war oder am Ende tatsächlich schon ein Video) und, weil Alzheimer ´ne feine Sache ist, schließlich lernt man so jeden Tag neue Leute kennen (ich darf das sagen, in meiner Familie gibt´s einen Fall), natürlich keinerlei gesteigerte Erinnerung mehr daran, außer die vage Grundidee des Streifens. Für den bewußten Euro helfe ich meinem müden Brägen gerne auf die Sprünge, ausbaden muss das im Zweifelsfall der geplagte Leser, also Du. Siehste wohl, das haste nu davon.

Mittlerweile sind aus den zwei Kopfschmerztabletten sechs geworden… obwohl es sich fast so anfühlt, als täten die jetzt doch schon wirken wollen, kann ich nicht versprechen, dass ich dieses Review im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten (das sind ja eh nicht so viele… – der Setzer) angehe. Aber auch das soll nicht mein Problem sein. Vorhang auf, Film ab.


Inhalt

Hm, ich bin verwirrt. Ich hatte The Asphyx eigentlich als viktorianisches Period Piece in Erinnerung, dennoch begrüsst mich der Film mit einem motorisierten Polizeifahrzeug, das mit eingeschalteter Festbeleuchtung und lautem Tatütata durch Londons Straßen anno 1973 braust. Ziel des Polizeieinsatzes ist ein übler Verkehrsunfall – Frontalzusammenprall zweier Autos, die Fahrer der jeweiligen Mobile hängen dekorativ und vermutlich eher ziemlich tot aus den Windschutzscheiben ihrer Kaleschen. Dem Bobby an der Unfallstelle springt allerdings rasch der Draht aus dem Helm – Unfallbeteiligter Nummer 3, der Fußgänger, der offensichtlich als Magnet auf die beiden Fahrzeugführer gewirkt hat und genau am Schnittpunkt der Kurse ihrer Gefährte aufenthaltig war (ergo: zwischen den Kühlerhauben) hat entgegen jeglicher Wahrscheinlich- und Glaubwürdigkeit überlebt (trotzdem möcht´ ich das nicht ausprobieren)…

Das muss natürlich erklärt werden und darum ist unser heutiger Film ein… alle zusammen… flashback movie!

Beamen wir uns also knapp 100 Jahre zurück in die Vergangenheit – also doch viktorianisches Period Piece, ich kann mich zumindest auf Teile meines Gedächtnisses doch noch verlassen. Ist doch erfreulich. Eine Kutsche steuert einen englischen Landsitz an und wird dort vom Butler des Hauses, einem gewissen Mason, erwartet. Es entsteigen: Sir Hugo Cunningham, ein vielleicht fünfzigjähriger Gentleman und Besitzer des Anwesens, also ersichtlich kein Hungerleider, nebst einem ungefähr zwanzig jahre jüngeren weiblichen Wesen namens Anne Wheatley. Soso, der Sir ist also kein Kostverächter und sein Frauengeschmack ist nicht ganz übel. Der Rest der Familie ist schon eingetroffen – Sir Hugos Sohn Clive, seine Tochter Christina und der Adoptivsohn Giles. Die Abwesenheit einer Lady Cunningham wird Euch sicher aufgefallen sein, aber das hat auch seine Gründe, die ist nämlich, scheinbar schon seit längerem, perdü (ebenfalls durch Nichterscheinen glänzt Clives Augenstern Elizabeth, die tut aber für die Handlung nichts zur Sache und kann daher getrost igoniert werden). Das Familientreffen beginnt in herzlicher Atmosphäre, und auch Anne wird von der (allesamt so im Mittzwanzigerstadium befindlichen) Kinderschar freundlich aufgenommen. Sir Hugo nimmt sich auch die Zeit für ein freundliches Wort an den Butler, hat er doch gehört, das dessen Schwester schwerkrank vor sich hin siecht, weswegen er seine Hilfe, auch monetärer Natur, wenn verlangt, anbietet (in Anbetracht des Filmthemas hatte ich eigentlich erwartet, das wir darauf noch zurückkommen, aber selbst Mason verabschiedet sich grußlos nach dem ersten Filmdrittel und wird, ohne dass es hierfür auch nur den Hauch einer Erklärung gäbe, durch einen Kollegen namens Jenkins ersetzt).

Die große Familienfete hat natürlich einen ganz speziellen Grund, und den kann man sich an seinen elf Fingern abzählen. Sir Hugo ist der Ansicht, lang genug um seinen verstorbenen Besen getrauert zu haben und trägt sich mit dem Gedanken, baldmöglichst erneut in den Hafen der Ehe einzulaufen, und die Ausersehene ist Anne. Obwohl Daddys Neue keinen Tag älter ist als seine Kinder (tatsächlich stammen die Darsteller von Clive, Anne und Christina aus dem selben Jahrgang, die waren damals alle grad 29), findet das Arrangement der Junioren Wohlgefallen.

Später am Abend wird´s Anne romantisch zumute (stilecht vor dem offenen Kamin) – aber keine Angst, das ist ein anständiger Film, der in einer anständigen Epoche spielt. Sir Hugo siezt seine Zukünftige sogar gestelzt. Daher wendet man sich dem Thema „Kinder“ zu. Dem aufmerksamen Vater ist nicht entgangen, dass Giles durchaus einige Stielaugen in Richtung Christina abfeuert und dies wohl durchaus auf fruchtbaren Boden fällt. Scheint auch nach englischem Gentlemänner-Standard nicht unter inzestuöse Verbindungen zu fallen, dem Sir wär´s recht, wenn sein leibliches und sein angenommenes Balg ebenfalls den Bund für´s Leben schlössen, bevorzugt sogar in einer Doppelhochzeit. Weil auch Clive schon in festen Händen ist, würde das bedeuten, dass alle Kinder flügge sind (und man sich als geplagter Elter also den angenehmen Seiten des Lebens zuwenden könnte), aber nicht mit Anne, die verspricht nämlich einen ganzen Eimer Kids aus eigener Produktion. Hugo ist begeistert (oder tut zumindest so… nein, im Ernst, er ist wirklich erfreut. Hoffentlich hat er noch Tinte auf´m Füller). Die genauere Familienplanung muss aber vertagt werden, denn Hugo hat noch einen wichtigen Termin – eine Sitzung (das geht gut los, so ehe-gemeinschaftlich), alles streng wissenschaftlich, Thema ist „Parapsychologie“ (hat man sich 1875 tatsächlich schon SO ausgedrückt?). Anne würde gerne näheres erfahren, aber Hugo redet nicht gern drüber, seine Ansicht nach ist das nichts für zarte Frauenohren. Anne insistiert und erkundigt sich, ob die Sache etwas mit Hugos Hobby, dem Fotografieren, zu tun haben könnte. So in die Enge getrieben, deutet Hugo zumindest an, dass es sich um etwas „makabres“ handelt: „Wir fotografieren Tote!“ (Ist er der Erfinder von rotten.com? Und ja, es ist Absicht, dass das kein aktiver Link ist).
„Und hier, Gentleman, hatte ich meinen fettigen Daumen auf dem Objektiv!“

Nun ist „Tote fotografieren“ sicherlich ein spaßiger Zeitvertreib, wenn auch nicht unbedingt einer, mit dem man beim sonntäglichen Kaffeeklatsch mit der High Society sonderlich hoch punkten kann, aber für sich allein noch nicht abendfüllend. Darum führt Hugo den staunenden Mitgliedern der parapsychologischen Gesellschaft verblüffende Absonderheiten vor – auf drei Fotos (genauer gesagt: Dias) von sterbenden Menschen, die von drei verschiedenen Fotografen auf drei verschiedenen Kameras justament im Augenblick ihres Todes geknipst wurden (gutes Timing), sind ominöse schwarze Flecken zu sehen. Theoretisch könnten wir das nun auf die rückständige Technologie des späten 19. Jahrhunderts verweisen und ausführen, dass aus dieser Epoche kaum ein Lichtbild überliefert ist, das NICHT irgendwelche obskuren schwarzen Flecken aufweisen würde, aber da die Qualität der Dias verblüffend gut ist und wir abgesehen davon keinen Film über die Kunst, ein Dia richtig zu belichten, vor uns haben, sondern nominell einen Horrorfilm, können wir und auch Hugo und seine Kollegen, zuvorderst ein gewisser Sir Edward, jegliche technische Fehlfunktion oder menschliches Versagen der Fotografen, schließlich waren zwei der Knipser Sir Edward und Sir Hugo selbst, und Aristokraten machen keine Fehler, im Brustton der Überzeugung ausschließen. Denn Sir Hugo hat sowieso eine viel logischere Erklärung am Start: „Das ist die Seele, in dem Moment, in dem sie den Körper verlässt!“ Wider Erwarten wird Hugo für diese Bemerkung nicht an Ort und Stelle gelyncht (das hätte Victor Frankenstein mal passieren müssen…), aber vor einem Haufen Proto-Ghostbusters, äh, Parapsychologen, darf man ungefragt solche Thesen aufstellen. Einzig Clive, den Sir Hugo mitgeschleppt hat, ist skeptisch und glaubt vorsichtshalber mal kein Wort.

Wieder daheim offeriert Hugo, wie oben schon erwähnt, Mason finanzielle Hilfe zur Begleichung der Arztrechnungen seiner maladen Schwester, was Clive verwundert. Hugo erklärt – für einen britischen Aristokraten des 19. Jahrhunderts ist er ein wahrer Sozialist vor dem Herrn, denn er ist der Ansicht, Macht und Einfluss, den eine bedeutende Familie wie der Cunningham-Clan nun einmal ausübt, gehe eine große Verantwortung einher, die man, äh, verantwortungsvoll einsetzen muss. Und überdies sähe er es gern, wenn seine diversen Sprößlinge alsbald für Heerscharen kleiner Cunninghams sorgen würden.

Bevor in drei Cunningham-Betten gepoppt werden darf, verdonnert Sir Hugo seine versammelte Entourage zu einem Ausflug an den herbstlichen Fluß. Nicht nur für ein Picknick im Grünen, nein, der Herr wünscht auch seine Filmkamera (! Man unterrichte Georges Meliés) auszuprobieren. Dafür müssen zunächst Christina und Giles in einen Nachen steigen, um zu posieren und zu paddeln. Selbige Übung sollen nach des Patriarchen Willen auch Anne und Clive absolvieren, und da kommt es zur erwarteten Katastrophe. Blödbatz Clive schafft es, auf dem ungefähr drei Meter breiten Gewässer sein Ruder im Schlick zu verfangen, übersieht durch ruderextrahierende Tätigkeiten leider den stabilen Ast, der ihm auf Augenhöhe entgegenkommt, wird von der überhängenden Natur k.o. geschlagen, fällt ins Wasser und versetzt dabei das Boot so stark ins Schwanken, dass auch Anne die Bekanntschaft mit dem feuchten Element macht, was insofern peinlich ist, weil man einer anständigen britischen Lady um 1870 nur selten das Schwimmen beibringt. Obwohl Giles sofort heldenmütig ins seiner Auskunft nach pechschwarze Wasser jumpt (was verklappen die in ihren Provinzbächen?), kann Clive nur abgesoffen (wie bitte? Wie hat der das angestellt?) und Anne gar nicht ans Ufer gebracht werden. Immerhin könnten sich Giles und Christina freuen, ihr Erbteil hat sich gerade signifikant erhöht…

Aber wenigstens hat der schwer gebeutelte Sir Hugo ja die Filmaufnahmen und kann sich so am Ableben seines Lendensprosses und seiner verhinderten Zukünftigen immer wieder im Heimkino erfreuen. Zwei Wochen nach dem Unfall hat er den Film erfolgreich entwickelt und führt ihn sich selbst (und Giles, der das allerdings für eine eher minderwertige Idee hält) vor. Interessant an den s/w-Aufnahmen des Maestros ist, dass er eine bemerkenswerte Kamera sein Eigen nennen muss – die hat nämlich sämtliche Schwenks, Schnitte und Zooms, mit denen Regisseur Peter Newbrook die Szene inszeniert hat, treu nachvollzogen (ich glaube kaum, dass Sir Hugos Kamera das können sollte). In der Tat gibt es Denkwürdiges zu bestauenen – einen schwarzen Fleck, der sich Sekunden vor dem tödlichen Unfall auf Clive zubewegt! Hugo verliert seine Gentleman-Contenance und steigert sich in fantastische Spekulationen hinein: „Hat es versucht, ihn zu warnen? Wusste Clive, dass er gleich sterben würde?“ Immerhin hat sich Sir Hugo anscheinend von seiner Seelen-Theorie verabschiedet und durch eine noch blödere ersetzt. Dies ist jedenfalls die bescheidene Ansicht seines Adoptivsohns, der sich vermutlich gerade geistig dazu beglückwünscht, mit dem durchgeknallten alten Herrn nicht blutsverwandt zu sein. Zumal Sir Hugo eine seltsame Idee hat – er möchte Clives Leiche fotografieren (ich weiß nicht wirklich, was das in seinem Sinne bringen soll, auch wenn er sich salopp auf den alten Volksglauben bezieht, im Gesicht eines Toten sei der Moment seines Todes „eingebrannt“ [was ich allerdings wiederum eher so kenne, dass man „das letzte, was der Tote zu Lebzeiten gesehen hat“, in seinen Pupillen gespeichert ist). Man kann´s Giles nicht wirklich verübeln, dass er seinen Adoptivdad für tassenschranksmäßig minderausgestattet hält, aber Hugo bittet flehentlich um Giles´ Mithilfe (wozu er ihn BRAUCHT? Giles darf den Blitz halten! Später wird Sir Hugo uns aber noch demonstrieren, dass er das zur Not auch allein könnte).

Es wird also in die Familiengruft gestiegen, wo auf Clives Kadaver malerisch eine hässliche Spinne herumkrabbelt, das Foto geschossen, entwickelt, und festgestellt, dass es darauf absolut nichts sonderliches zu sehen gibt (wären wir böse, könnten wir sagen – this scene was pointless). Giles gibt zu bedenken, dass die Totenruhestörung und das allgemeine Herumknobeln an obskuren metaphysischen Problemen im Zusammenhang mit dem Unfall Christina nicht gefallen könnte. Sir Hugo wird laut und ordnet an, dass Giles gefälligst dem Mädel gegenüber seine Klappe halten soll. Giles bringt an, dass er Sir Hugos „Experimente“ (die im Moment noch nicht wirklich „Experimente“ sind, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf) für „sinnlos“ hält. Sir Hugo hat aber schon wieder eine neue These ausgetüftelt und bemüht die griechische Mythologie (man vergebe mir an dieser Stelle, dass ich in diesem Spezialgebiet nicht mehr so fit bin wie vor 25 Jahren, und daher mich daher nicht dafür verbürge, dass die Ausführungen dieses Films auch nur ein Fitzelchen Sinn enthalten) – die alten Griechen kannten einen „Todesgeist“, den sie „Asphyx“ nannten (angesichts des Wortsinnes von „Asphyx“ mag ich das dezent bezweifeln, ich schätze, es ist einfach ein schickes exotisches Wort im Sinne der Autoren). Asphyx zu sein, ist äquivalent zum Ziehen einer ziemlichen Arschkarte, denn die Existenz des Todesgeists sei erfüllt von Schmerz und Qual und Erlösung fände ein solcher ektoplasmatischer Vertreter nur durch die „Übernahme“ eines Körpers im Moment dessen Todes. Giles ist für einen Skeptiker ein ziemlicher Schnelldenker und kombiniert, dass zumindest Sir Hugo nunmehr davon ausgeht, einen solchen Asphyx bei der Arbeit abgelichtet zu haben. „Sie sind vermutlich nur sehr kurze Zeit sichtbar“, bestätigt Hugo (und auch das nicht wirklich, mit bloßem Auge sieht man die Biester ja nicht). Das hält Giles zwar nicht prinzipiell für gequirlten Kuhdung in Dosen, aber dennoch schon allein aus moralischen Gründen für nicht verfolgungswert. Sir Hugo allerdings sieht´s anders – „der Asphyx hat mir meinen Sohn genommen“ (ähm, selbst nach seiner eigenen Auslegung bringen die Asphyxe niemanden um, sondern nutzen nur die günstige Gelegenheit aus) und staucht Giles ordnungsgemäß zusammen, nur um ihm umgehend wieder die Hand zur Versöhnung zu reichen, schließlich braucht er den Adoptivling als Assistenten.

Aber zunächst erhält Sir Hugo eine andere Aufgabe. Sir Edward bittet, wenig geschmackvollerweise, würde ich sagen, wo der liebe Hugo grad Beinahe-Frau und Kind verloren hat, um photographische Dokumentation einer anstehenden öffentlichen Hinrichtung. Die parapsychologische Vereinigung, der die beiden Sirs angehören, widmet sich nebenberuflich nämlich dem Gutmenschentum und betrachtet ein öffentliches Aufknöpfen als mittelalterlichen Akt der Barbarei (es ist schon interessant, dass der Film eine Verbindung zwischen Interesse an Übersinnlichem und Willen zu Sozialreformen postuliert – es ist sogar bedingt sinnvoll, alldieweil beide Themenkomplexe einen „von göttlichem Willen“ kommenden status quo in Frage stellen). Sir Hugo hat nicht wirklich Bock auf den Auftrag, aber Sir Edward belabert ihn mit liberalem Reformsalbader, und vermutlich sagt Hugo zu, damit Eddie endlich seine Klappe hält.

Also, auf zur Hinrichtung. Wer da exekutiert wird und warum, erfahren wir nicht, dafür aber hat sich eine Menschenmenge versammelt, die sich in etwa pari-pari in eine „hang ´em high“- und eine „lasst ihn leben“-Fraktion teilt. Der Delinquent hat sich ausbedungen, dass der bestellte Pfaffe keinerlei Gebete absondert, was selbiger aber nicht wirklich respektiert, sondern den Zuschauern einen schönen Sermon hält. Dieweil stellt Sir Hugo seine Filmkamera und einen speziellen Lichtverstärker auf (warum? Weil sonst der Plot nicht funktionieren würde, ´nen anderen Grund hat das nicht). Der Verurteilte geht ab durch die Falltür, Hugo filmt, schaltet seinen bläulich schimmernden Scheinwerfer ein und – im Lichtkegel zeichnet sich eine grausige und über die Bestrahlung ersichtlich unglückliche Kreatur ab! Aufruhr! Chaos! Panik! Sollte jetzt normalerweise ausbrechen, aber bis auf ein paar spitze Schreie des Weibsvolks bleibt das für jedermann deutlich sichtbare Ungeheuer verhältnismäßig unbeachtet (okay, was ist spektakulärer? Ein Typ, der gerade gehängt wird oder ein hässliches, transparentes Monster?).

Wenig später bittet Sir Edward um Herausgabe der vereinbarten Fotodokumente (aber immer noch nur wegen der Hinrichtung, die Kreatur interessiert den Parapsychologen [!] nicht die Bohne. Deucht mir hier ein wenig schreiberischer Dünnpfiff?). Hugo gibt dem Kollegen die Dias, nicht aber das Filmmaterial (unbescheiden schreibt er sich an dieser Stelle die Erfindung der Kamera zu). Sir Edward überlegt, ob Hugo eventuell die „Erscheinung“ gefilmt haben könnte, aber Hugo will nicht darüber sprechen und wird dabei ziemlich un-gentlemenlike deutlich.
„Ja, Baby, zeig´s mir, gib mir alles, ja!“

In der Nacht schleicht Sir Hugo heimlich zur Hinrichtungsstätte, wo der Kadaver des Delinquenten noch rumhängt und fotografiert (wie schon angedeutet, kann er den Blitz jetzt durchaus auch solo betätigen). Resultat dieser nächtlichen Expedition ist ein reichhaltiges Nichts, da auf dem Bild mal wieder keinerlei aspyxische Aktivität zu entdecken ist (wen überrascht das nach dem Clive-Foto? Gut, der war schon zwei Wochen kalt, aber das Prinzip ist ja etabliert, dass der Asphyx nur im Moment des Todes auftaucht).

Also muss sich Sir Hugo sein Hinrichtungs-Filmchen ankucken und redet sich erfolgreich ein, der Asphyx habe ihn gesehen und in seiner Totenübernahme innegehalten. Giles wendet verhältnismässig logisch ein, dass der Asphyx deswegen gezögert habe, weil der Delinquent vermutlich nicht wirklich gerne sterben wollte und daher „Widerstand“ geleistet habe, aber Sir Hugo wischt diesen Einwand mit seiner Autorität als Spiritist und Fotograf beiseite – Widerstand ja, aber keinesfalls durch den Todeskandidaten, sondern seinen tollen Lichtverstärker (und er ist der Protagonist dieses Films, also hat er Recht und Giles nicht. So einfach ist das). Der Apparat ist nämlich eine spezielle Spezialkonstruktion, die mit wassergekühlten Phosphatkristallen arbeitet (whatever. Ich zweifele ernsthaft an der wissenschaftlichen Plausibilität…) und dadurch ein spezielles Speziallicht erzeugt, das so ein Asphyx offenbar nicht besonders knorke findet und seinen Bewegungsspielraum einengt. Giles behauptet, Sir Hugos Ausführungen geistig folgen zu können und muss erneut versprechen, seine Gosche gegenüber Christina auf Grabesruhe zu schalten. Ersatzweise darf er Sir Hugo eine Meersau besorgen.

Das Meerschweinchen hat denn auch prompt kein angenehmes Leben, denn Sir Hugo verordnet dem possierlichen Tierchen eine strenge Nulldiät. Der Grund ist profan: das Vieh soll so ausgehungert sein, dass es gierig die vergiftete Mohrrübe o.ä. futtert, die Hugo ihm nach einigen Tagen vor die Nagezähne hält (sorry, aber dämlicher geht´s nicht. Kann man dem Vieh nicht einfach irgendein Gift spritzen? Aber es wird sich noch erweisen, dass Sir Hugo, wenn´s darum geht, irgendwas oder -wen umzubringen, ein Umstandskrämer vor dem Herrn ist). Giles darf den Speziallichtverstärker bedienen, um den sich hoffentlich einfindenen Meersauen-Asphyx zu bannen. Zunächst mal passiert nichts, weil Oberzoologe Hugo nicht bedacht hat, dass das Gift vielleicht auch drei bis fünf Sekunden braucht, bis es wirkt. Dann aber windet sich das arme Tier in Todeskrämpfen und im Lichte des Spezialscheinwerfers (ich finde es schon sehr praktisch, dass der Asphyx sich immer brav mitten im Lichtkegel materialisiert und nicht mal spaßeshalber auf der anderen Seite) ist er da, der Asphyx. In einer spannungsgeladenen Sequenz (gähn) von ca. 2 Minuten Dauer bugsiert Giles auf Hugos erregt-kehlige Kommandos den Asphyx in einen bereitgestellten Behälter. Man könnte mit Recht einwenden, dass ein körperloses Wesen wie der Asphyx von einer Blechbüchse nicht wesentlich beeinträchtigt sein dürfte, aber daran hat Sir Hugo immerhin gedacht – das Behälterinnere wird von einer weiteren Ausgabe seines Phosphatstrahlers beleuchtet. Der Todesgeist, der da drin ist, bleibt drin, zumindest solange die Phosphatkristalle fortlaufend mit Wasser begossen werden. Operation gelungen, Patient lebt, soweit es sich um die Meersau handelt, denn wie Sir Hugo feststellt, als hätte er es schon immer gewusst, KANN das Tier nun nicht mehr sterben – solange sein Asphyx (aha, also hat jedes Lebewesen seinen eigenen persönlichen… interessant) gefangen ist, ist das Vieh nicht umzubringen (ich möchte spekulieren, Kopf abbeißen a la Ozzy sollte zumindest ein erfolgversprechender Versuch sein; ansonsten sehe ich für Hugos Entdeckung echte Chancen in der Heimtierbranche. Was glaubt Ihr, wieviel heulende Kinderaugen sich so vermeiden liessen?). Der Nachteil ist allerdings, dass die akute Todesqual des Subjekts ebenfalls ins Unendliche verlängert wird (das sagt Hugo nicht so, aber es wird deutlich, weil…), weswegen der Geisterjäger dem sich immer schmerzgepeinigt in seinem Käfig hin- und herwälzenden Nager eine Dosis des Gegengifts injiziert (DAS muss das Viech jetzt nicht fressen, wa?). Giles is hooked – „Können wir auch einen menschlichen Asphyx fangen?“ Hugo tut so, als hätte er an diese Möglichkeit noch gar nicht gedacht und meint, das man es zumindest versuchen könne.

Die passende Testperson wird schnell gefunden. Ein Schelm und Mitdenker ist es, der wie Schreiber dieser Zeilen nun erwartet hätte, dass man sich an Masons ZWEIMAL als todkrank gebrandmarkte Schwester handelt, Mister Drehbuchautor hat diesen prophylaktisch eingebauten Plotpoint aber längst vergessen und muss daher einen alternativen Kandidaten auftun. Der findet sich in einer Verwahranstalt für Waisen, Obdachlose und anderes untermenschliches Gesockse, dessen unsympathischer Vorsteher, so ´ne Art Dickens-Figur, gerade einen der ihm Schutzbefohlenen teuflisch quält. Der arme Mann darf nicht nur den Boden schrubben, sondern wurde auch auf Essensentzug gesetzt (also käme Sir Hugo mit seiner Giftfraßmethode da an den grad richtigen), und das, weil er nach Ansicht des Heimleiters allein begründet durch die für einen Angehörigen seines Standes ungehörige Fähigkeit des Lesens und Schreibens die anderen Heiminsassen agitiert habe. Sir Hugo, der mirnix-dirnix in dem Laden auftaucht (wie Giles uns bzw. Christina später erklären wird, hat Hugo seinen Adoptivsohn in ebenjenem Heim aufgetan), ist entsetzt, alldieweil der Agitator schwerkrank zu sein scheint und nimmt ihn unter seine Fittiche bzw. mit nach Hause.

In dem in der letzten Klammerbemerkung angedeuteten character moment erneuern Christina und Giles ihre Liebesschwüre, wobei Giles die übliche Bemerkung abgibt, dass er aufgrund seiner niederen Herkunft fürchtet, nicht gut genug für Christina zu sein. Sie mag ihn aber trotzdem gern. Der Homeless Guy, der zu keiner Sekunde einen Namen erhält, erfreut sich dieweil an einem leckeren Mahl, ahnt aber, dass Sir Hugo ihn nicht nur aus rein philanthropischen Erwägungen an seinem Busen nährt. Der Sir offenbart seinem Logiergast denn auch, dass die ärztliche Untersuchung Rückenmarks-TBC diagnostiziert hat, die bereits auf die Lungen übergreift. Ein, maximal zwei TAGE (ich traue der ärztlichen Kunst dieser Ära derartige Prognosen eigentlich nicht zu) bleiben dem Kranken noch, dann heißt´s mit´m Fahrstuhl ins Himmelreich. Homeless Guy, dem das Leben ersichtlich nie was erfreuliches zu Weihnachten geschenkt hat, nimmt´s gefaßt auf und wünscht sich nur, dass man seine Leiche bestattet und nicht auf einem Seziertisch auseinandernimmt, dann verabschiedet er sich und legt sich im Labor, wo Hugo auffälligerweise das Lager für ihn hat richten lassen, hin zum Sterben.

Wie erwartet und von Hugo mindestens auch erhofft, hat Homeless Guy in der Nacht seinen letzten großen Hustenanfall. Hugo und Giles stürmen ins Labor und schmeißen die diversen Geräte an (den Lichtverstärker und das Asphyx-Gefängnis). Tatsächlich gelingt es den beiden, den prompt erscheinenden Todesgeist mit dem Lichtstrahl zu bannen und in den Container zu befördern. Sehr zum Nachteil von Homeless Guy, der, wir erinnern uns, nicht sterben kann, solange der Asphyx gefangen ist, aber durchaus Pein und Schmerz seiner TBC-Attacke durchleiden muss und gerne sterben MÖCHTE. Zwar hatten Hugo und Giles sowieso vor, ihr Prinzip nur zu testen und den Asphyx nicht längerfristig festzuhalten, aber Homeless Guy dauert die Sache erheblich zu lange, weswegen er ein herumstehendes Säureglas greift und seinen Inhalt Hugo ins Gesicht schüttet. Dem Sir brennt´s einen beträchtlichen Teil der Gesichtshaut weg, weswegen er den Auslöser (der gedrückt gehalten werden muss) des Strahlers loslässt. Der Asphyx kann sich Homeless Guy greifen, der in Frieden sterben, und Sir Hugo hat ein Aua. Sehr zum Schrecken der durch den Radau auf den Plan gerufenen Christina.

Obwohl schrecklich entstellt (naja, Freddy Krueger würde sich keine Sorgen machen), verweigert der verletzte Sir Hugo gegenüber Christina imme noch jede Aussage über Sinn und Zweck seiner Experimente. Giles allerdings hat den Durchblick – er vermutet zutreffend, dass Sir Hugos eigentliches Ziel die Erringung der Unsterblichkeit, und das jetzt nicht im wissenschaftlichen Ruhmes-, sondern im Wortsinne ist. Hugo bejaht dies; so man den Asphyx auf Ewig einsperren könne, sei dies technisch machbar. Und sich selbst hat er als Kandidaten für das ewige Leben ausersehen, selbstverständlich, wie so viele Unheilsstifter, aus hehren und selbstlosen Motiven. Wie bereits etabliert, sieht sich Hugo als Modernist, Liberaler und Sozialreformer, und für einen solchen gibt´s um 1870 rum jede Menge Arbeit – mehr, als in einem Menschenleben zu bewältigen wäre. Um wirkungsvolle Reformen einzuführen und ihre Ausführung zu überwachen, wäre eine Clique aus Unsterblichen, die durch die zwangsläufig resultierende Machtposition ungeheueren positiven Einfluss ausüben könnte, apart, nur so sei gewährleistet, dass die gewünschten gesellschaftlichen Veränderungen greifen (man stelle sich vor – Schröder & Co. hätten sich unsterblich gemacht, um die Agenda 2010 durchzusetzen…). Deswegen soll Giles Hugos Asphyx fangen. Allerdings muss Hugo noch Überzeugungsarbeit leisten, denn der Adoptivzögling zieht noch nicht so richtig, er frag sich nämlich, ob Hugo es verkraften könne, seine Kinder zu überleben. Aber dafür hat Hugo auch schon einen Plan in petto – wenn Giles ihm hilft, macht er ihn und Christina auch unsterblich. Und Gottes Segen glaubt Sir Hugo auch zu haben: „Wenn ich beim Experiment sterbe, war es Gottes Wille – wenn wir Erfolg haben, war es auch Gottes Wille!“ Hoffentlich weiß Gott, was er will.

Den eingefangenen Asphyx will man in der Kellergruft des Familiensitzes deponieren, dort könnte man nämlich prima die Wasserleitung anzapfen und damit die Kristalle berieseln. Die Gruft soll narrensicher verschlossen werden, wofür Giles ein Zahlenschloss vorschlägt (das ist jetzt aus meiner Sicht nicht der Gipfel der Sicherheit, abgesehen davon, dass man auch nach interner Logik des Films ab und zu die Kristalle austauschen muss), dessen Kombination in einem versiegelten Umschlag in Hugos Schreibtisch hinterlegt werden soll (warum die Umstände?). Jetzt gibt´s nur noch ein Problem – begreiflicherweise mag Sir Hugo nicht warten, bis ihn irgendwann mal der Schlag trifft oder er an Altersschwäche eingeht und hoffentlich zufällig dann Giles mit der Ausrüstung neben ihm steht. Man muss den Sir also in eine todesnahe Situation bringen, damit der Asphyx erscheint. Dieweil wird Christina in ihrem Schlafgemach von der freilaufenden Meersau besucht. Die Tochter des Hauses entdeckt ihre Tierschützer-Gene und schenkt dem unsterblichen Nager die Freiheit (womit Britanniens ökologisches Gleichgewicht schwerstens gefährdet sein dürfte), indem sie´s vor die Tür setzt.
„Was ist, Daddy? Hätte ich den Stecker NICHT einstecken sollen? Daddy? DADDY?“

Für die Todessituation hat Hobbybastler Hugo schnell gesorgt, und wie sogar. Der Knabe hat sich tatsächlich einen funktionstüchtigen elektrischen Stuhl zusammengezimmert, dessen Stromstärke sich bequem von einer Armlehne aus vom „Delinquenten“ regulieren lässt (da ist Fingerspitzengefühl gefragt). Giles geht mächtig die Muffe, schnallt seinen Adoptivvater aber auf Anweisung auf Old Sparky fest. Hugo dreht den Stromregler auf und röstet sich auf Sparflamme. Der Asphyx erscheint, Giles bannt ihn mit dem Spezialverstärker, doch JETZT fällt Giles ein fataler Denkfehler im Set-up der Scheinhinrichtung auf. Er muss ja den Auslöser des Verstärkers gedrückt halten, damit der Lichtkegel nicht zusammenbricht – die Frage ist nur: wer schaltet jetzt das Blaulicht im Asphyx-Container ein? Ja, Ladies and Gentlemänner, Giles und Hugo sind vollkommen verblödete Vollidioten (leider hat Giles auch nicht daran gedacht, Gummihandschuhe zu tragen, also fällt auch die Möglichkeit aus, schnell zum Stuhl zu sprinten und den Strom abzustellen; und Hugo ist schon so stark gevoltet, dass er gar nix mehr mitkriegt). Rettung naht in Person der Meersauretterin Christina, die schreckgeweiteten Auges ins Labor blickt und die Situation natürlich zunächst minimal falsch auffasst. Giles bringt sie schnell durch kontrolliertes Anbrüllen auf Spur, weist sie in die Bedienung des Lichtverstärkers ein und lässt sie den schwereren Part, nämlich das Bugsieren der Kreatur in den nun von Giles eingeschalteten Asphyx-Container übernehmen (wäre es nicht einfacher gewesen, du hättest der Tussi gesagt, sie soll die Box einschalten?). Der Asphyx wird eingefangen, Giles kann endlich den Hugo-Grill abschalten. Der Sir selbst hat sich bewusstseinstechnisch empfohlen und Christina (nachdem er zunächst versucht, das Geheimnis zu bewahren und vom Tonfall her sehr dominant wird) versichern, sie hätte ihrem Papa das Leben gerettet (was in der internen Logik des Films, worauf wir noch zu sprechen kommen werden, ein Knieschuss ist). Gemeinsam schleppen die Turteltauben den Behälter in die Gruft.

Hugo, der sich schnell von den Nachwirkungen seiner Brutzeleinlage erholt, ist säuerlich – weniger, weil Giles notgedrungen das große Geheimnis ausgeplaudert hat, sondern vielmehr, weil Christina den ihr aufgetischen Unsterblichkeitsschmonzes unerhörterweise nicht glaubt. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie uns glaubt“, donnert Hugo.

Wenig später ist Sir Hugo offiziell wegen einer dringenden spiritistischen Sitzung außer Haus. „Also sind wir alleine“, schlussfolgert Hellköpfchen Christina (abgesehen von den diversen herumscharwenzelnden Dienstboten, auf die auch ein Sozialreformer wie Sir Hugo nicht verzichten mag. Sozialismus ist schön und gut, aber den Arsch nachgetragen zu bekommen, ist besser). Das nimmt Christina zum Anlass, um Giles ins Gewissen zu reden – solche Experimente sind nicht gottgefällig, meint sie, und deswegen sollte Papa das lieber bleiben lassen. Giles hat ein entwaffnendes Argument im Ärmel: die versprochene Immortalisierung der Liebenden! Schon hat Christina ihre theologischen Bedenken vergessen und fragt sich nur noch, ob das denn wirklich im Bereich des Möglichen liege.

Am nächsten Morgen führt Giles seine Herzensschöne (die übrigens nicht übermäßig attraktiv ist und gerade zu ihrer Verwunderung bemerkt hat, dass Daddys Bett unberührt ist) in die Gruft und hebelt einen Sarg auf. Wer liegt drin? Sir Hugo! Und ihm geht´s bestens! Giles erläutert, dass Sir Hugo im luftdicht verschlossenen Sarg übernachtet hat und damit wohl bewiesen wäre, dass die Unsterblichkeit funktioniert (erstens mal: das beweist GAR NIX, weil Sir Hugo genauso gut eine Minute vorher in den Sarg gekrabbelt sein könnte, und zweitens: nach der internen Logik des Films müsste Sir Hugo zumindest vom x-stündigen Todeskampf, den er ja mangels Sauerstoff erlebt haben müsste, gezeichnet sein).

Wider Erwarten hat sich Christina trotz der praktischen Vorführung immer noch nicht entschieden, ob sie nun das ewige Leben haben möchte oder nicht (ihr Vater sollte sie eher mit dem Versprechen der „ewigen Jugend“ ködern, darauf sind die Weiber doch scharf…). Hugo greift zu einem perfiden Mittel – er erlaubt Christina und Giles die Hochzeit, aber nur unter der Bedingung, dass sie sich beide unsterblich machen lassen. Christina hat trotzdem Angst und ihrem Vater platzt der Kragen: „Dann ist die Hochzeit abgesetzt!“ Das findet nun wiederum Giles alles andere als töfte und macht in einem Gespräch unter Männern seinem Adoptivvater deutlich, dass er von solch erpresserischen Methoden nichts hält.

Gleichzeitig trifft Sir Edward ein und möchte mit Sir Hugo sprechen. Der ist offiziell unabkömmlich, so dass er sich mit Christina begnügen muss und die ist drauf und dran, die Natur der Experimente ihres Vaters zu enthüllen. In letzter Sekunde stört Giles, Hugo folgt auf dem Fuße und ist mindestens auf 180. Sir Edward hält es für wissenschaftliche Kollegenpflicht, dass Hugo einen etwaigen bedeutsamen Durchbruch mit ihm teilt. Einen Durchbruch habe er erzielt, donnert Hugo, aber einen, der Sir Edward einen feuchten Kehricht angehe. Er tituliert den Kollegen als „Spion“ und wirft ihn achtkantig aus seinem Haus. Dann wendet er sich Christina zu und macht auch sein eigen Fleisch und Blut zur Weinbergschnecke: „Warum zweifelst du an mir? Ich tue es doch für die Familie! Ich will dich nicht verlieren!“ Das scheint Christinas Herzelein zu rühren. Mit einem (wörtlich) resigniert-geseufzten „whatever makes you happy“ lässt sie sich breitschlagen.

Immerhin ist Hugo väterlich genug, um seinen Augenstern nicht auf den elektrischen Stuhl zu schnallen, für sein Töchterchen hat er sich bei der französischen Revolution eine funktionsfähige Guillotine ausgeliehen (also, der Kerl hat Ressourcen und ein verblüffendes Faible für Totmachgeräte). Aug´ in Aug´ mit dem Fallbeil schlottern Christina die Knie und sie plädiert darauf, sich vor der Pseudo-Köpfung chloroformieren zu lassen, woraufhin der Film sich gleich doppelt in seiner internen Logik ins Knie schießt, und das innerhalb weniger Sekunden. Zunächst stellt Sir Hugo klar, dass der Todeskandidat bei Bewusstsein sein muss, damit der Asphyx von seiner Todesangst angelockt wird (Logikfehler Nummer 1: Hugo behauptet ja, ohne Asphyx kann man nicht sterben. Zum Asphyx-Anlocken muss man bei Bewusstsein sein. Von Menschen, die im Schlaf gestorben sind oder ihren Tod nicht haben kommen sehen – z.B. gerade Clive – hat Sir Hugo offenbar noch nie gehört. Nach seiner Logik war er übrigens bei seinem Elektrischer-Stuh-Experiment nicht in akuter Lebensgefahr, da er ja bewusstlos war, das ist quasi ein dritter Logikfehler zum Preis von zweien). Und Giles beruhigt – die Guillotine ist mit einer Bremse präpariert, so dass nichts wirklich dramatisches passieren kann (Logikfehler N ummer 2: dann kann sich Christina ja ganz beruhigt unters Messer legen und braucht keine Todesangst zu haben, folglich ist das ganze keine Nah-Todessituation und ein Asphyx hätte mit der Angelegenheit nichts zu schaffen). Okay, this film now officially sunk itself.

Aber wollen wir mal nicht so sein und trotzdem weiterkucken. Immerhin stellt sich das Problem der Bedienung zweier Gerätschaften nicht, da sowohl Hugo als auch Giles einen Apparat bedienen. Die Wasserversorgung des Asphyx-Containers ist durch einen extra gelegten Zuleitungsschlauch gelöst. Dummerweise hat Hugo aber vergessen, vorher mal ´nen Kammerjäger durch die Bude zu schicken…
Licht aus – Spot an… Ilja Richter hatte ich aber anders in Erinnerung… (oh, der ist „dated“, den versteht die Hälfte wieder nicht…)

Also los – Christina legt sich lang und Giles beschäftigt sich mit dem Auslöser des Fallbeils. Keinem fällt auf, dass (oh, that irony) das Meerschweinchen seinen Nagertrieben nachgeht und sich am Wasserschlauch delektiert. Giles lässt das Beil sausen, es wird programmgemäß durch Festhaken der Führungsschnur aufgehalten, der Asphyx erscheint und wird gebannt, doch da fällt den beiden Heroen auf, was die Meersau treibt. Zwar ist der Asphyx gefangen, aber das nützt nichts – wenn die Wasserversorgung abbricht, kann der sich wieder verzupfen (ich würde das jetzt nicht als ein wirklich extrem wichtiges Problem ansehen, wenn die Tochter unter´m Fallbeil liegt – lasst den Scheißgeist halt entkommen und setzt das Experiment neu an). Giles spurtet zum Wasserkabel, lässt dabei aber das Führungsseil der Guillotine los… Za-hack, ab ist die Rübe. Nun haben wir gelernt, dass es mit dem Ableben nicht so einfach ist, solange der Asphyx gefangen ist. Und in der Tat zuckt Christina noch rum. Ihr Vater hat ein Einsehen – „ohne Kopf kann sie nicht leben“ (tja, immer das Kleingedruckte im Unsterblichkeitsvertrag…), er lässt den Asphyx frei und Christina kann dem schnöden Dasein Lebewohl sagen.

Giles besucht wenig später gramgebeugt die Familiengruft und betrachtet trübsinnig die Leiche seiner Ex-Braut (deren Birne hat man fachmännisch wieder angetackert. Hat Hugo das selbst erledigt oder kennt er einen Bestatter, der keine dummen Fragen stellt?).

Bereiten wir uns seelisch auf das große Schlussdrama vor. Hugo hat von seinen Gottspielereien die Nase voll – er will von Giles die Kombination für das Schloss an der Gruft seines Asphyx haben, um eines natürlichen Todes sterben zu können. Auf eine Ewigkeit mit Schuldgefühlen, praktisch seine komplette Familie unter die Erde gebracht zu haben, will er nicht leben. Giles erinnert überraschend an den geschlossenen Pakt – bevor er irgendwas rausrückt (hätte er die Kombi nicht im Schreibtisch deponieren sollen?), wünscht er gefälligst immortalisiert zu werden. Schließlich will er die Arbeit seines Adoptivdads nach dessen Tod weiterführen können und behauptet zudem, schon eine ganze Ewigkeit zu brauchen, um seinen Teil der Schuld an Christinas Tod abarbeiten zu können. Widerwillig stimmt Hugo zu, im Gegensatz zu uns aufmerksamen Zuschauer macht er sich nicht die Rechnung auf, dass sein Adoptivsohn den ein oder anderen bösartigen Hintergedanken haben könnte…

Und die Hintergedanken hat er – heimlich stiehlt er sich ins Labor und tauscht mit einem hämischen „Ich kann ihn AUCH reinlegen!“ („auch“? Wieso „auch“? Wann hat Hugo jemanden „reingelegt“?) die eminent wichtigen Phosphatkristalle gegen handelsüblichen Zucker (oder eine ähnlich harmlose kristalline Verbindung) aus. Nachtigall, ick hör´ dir trapsen.

Man schreitet zum Experiment. Hugo freut sich, weil er seinen Speziallichtverstärker verbessert hat – man muss den Auslöser jetzt nicht mehr gedrückt halten, wodurch der ganze Prozess nun von einer Person durchgeführt werden kann (dazu, einen Schnappverschluss für 9 Pfennig einzubauen, der den Schalter in einer Position hält, braucht man sicherlich eine nobelpreisverdächtige Geistesleistung). Ich hatte es erwähnt, unsere Freunde haben sich wohl das Ziel gesetzt, jede staatlich autorisierte Hinrichtungsform mindestens einmal auszuprobieren. Für Giles´ Umwandlung hat man sich des erbaulichen Themas „Gaskammer“ angenommen. Obwohl „Käseglocke“ eher treffend formuliert ist – eine solche soll über einen Stuhl, auf dem Giles Platz nimmt gestülpt werden. Giles hat neben dem Giftgas noch eine Sauerstofflasche herbeigeschleppt: „Falls etwas schiefgeht“, erläutert er mit einem gewissen schiefen Unterton. Bevor vergast wird, drückt Giles Hugo noch den bewußten Umschlag mit der Kombination für den Asphyx-Save in die Hand. Dann geht´s los. Zunächst verläuft alles nach Plan, dann aber muss Hugo schreckgeweiteten Auges erkennen, dass die Asphyx-Falle nicht funktioniert. Kann sie ja auch nicht, dank Giles´ Manipulation. Hektisch schließt Hugo die Sauerstofflasche an, damit dem armen Giles nicht die Luft ausgeht (zur Erinnerung: nach Filmlogik kann Giles, da sein Asphyx wieder frei ist, durchaus ins Gras beißen). Böse grinsend lässt Giles die Phosphatkristalle aus seinem Zigarettenetui tröpfeln und fummelt demonstrativ ein Streichholz aus der Zündisschachtel… BOOOOOOM! Boah, Giles, deinem Adoptivdaddy hast du´s aber gezeigt…

Die Explosion verwüstet das Labor und zerfetzt Giles offenbar in Atome – der unsterbliche Hugo muss nur unter den Trümmern herauskrauchen und sich den Staub aus dem Haupthaar schütteln. „Giles, ich hab dich auch getötet“, greint Hugo (also, technisch gesehen war das arglistiger Selbstmord). Nun gibt´s für den Unsterblichen keinen Grund mehr, weiterzuleben – er marschiert in die Gruft, um seinen eigenen Asphyx freizulassen. Nachdenklich kramt er den Umschlag mit der Schlosskombination hervor – doch dann hat er einen klassischen „moment of realization“. Sich darüber im klaren, dass er Schuld auf sich geladen hat, die er in einem normalen Menschenleben nicht mehr abtragen kann, verbrennt er den Umschlag und verdammt sich damit zu einem Leben als moderner Ahasver. Aber einen Begleiter in der Ewigkeit wird er haben – das Meerschweinchen…

Damit blenden wir zurück in die Gegenwart. Wir sehen einen Mann mit einem (ziemlich schlechten) extreme-old-age-make-up, der mit leicht geisteskrankem Gesichtsausdruck ein Meerschweinchen spazierenträgt, eine Straße überquert und intelligenterweise in deren Mitte stehenbleibt. Von links und rechts brettern ungebremst Autos heran (einer davon muss Ausländer sein, sonst würden die sich auf ´ner zweispurigen geraden Straße nicht treffen)…

Und fertig.

Analyse

Diese Nachbetrachtung wird drei erste Absätze haben. Öfter mal was neues, oder?

Erster erster Absatz: Als ich mir die Cassette von The Asphyx kaufte, war ich nicht sicher, ob man diesen Film auf dieser Seite eigentlich würdigen kann und sollte. Ich hatte den Streifen als ernsthaft und gut in Erinnerung. Nach 83 Minuten Film kann ich aber guten Gewissens sagen: „jou, den darf man hier reviewen!“

Zweiter erster Absatz: Reviewerkollege Dr. Freex vom Bad Movie Report war es, glaub ich, der sagte, was ihn an The Asphyx am meisten stört, ist nicht, dass es ein „idiot movie“ wäre (also ein Film, der nur funktioniert, weil seine Charaktere sich wie Idioten verhalten; Beispiel jeder x-beliebige Teenieslasher), sondern ein „accident movie“ – „accident“ von „Zufall“, nicht „Unfall“ – viel zu oft ist dem Kollegen Genosse Zufall im Spiel.

Dritter erster Absatz: Ein berühmter SF-Autor (leider weiß ich nicht mehr, welcher, und genauso gut kann´s sein, dass ich das geträumt habe und es einfach irgendwer gesagt hat) postulierte einmal die These, dass ein SF-Schreiberling sein Werk durchaus auf einer durch und durch abstrusen und doofen Idee aufbauen könnte, solange er auf Grundlage dieser Idee logisch weiterbaut. Ich meine, diese Theorie darf auf alle Genres ausgeweitet werden, auch auf das Grusel- und Horrorsujet, und das ist m.E. der Punkt, mit dem sich The Asphyx leider versenkt.

Und jetzt der zweite Absatz… ich werde versuchen, meine Probleme mit The Asphyx schlüssig darzulegen.

Zunächst mal das positive – die Idee von The Asphyx ist ausgezeichnet; sie ist neu, sie ist pfiffig, sie ist interessant, auch wenn sie sich grundsätzlich natürlich vom guten alten Frankenstein und dessen Bestreben in „Gottes Domäne“ herumzufuhrwerken, ableiten lässt. Es ist auch richtig, die Geschichte als „period piece“ im viktorianischen Zeitalter anzusiedeln – für ein Setting in der relativen Gegenwart wäre der technische und wissenschaftliche Stand einfach zu fortschrittlich, als dass die Geschichte funktionieren könnte. Wenn man so will, kann man kritteln, dass auch der Zuschauer sich geistig auf einen Stand 1875 begeben muss, um das Potential der Geschichte voll zu erfassen; den modernen Wissensstand, den auch ein normalsterblich Gebildeter aufweist, muss man quasi ausblenden, weil man die Idee zutreffend als Tinnef enttarnt. Allerdings: gerade im Bereich der Phantastik ist der Fan ja gerne geneigt, auch eine blödsinnige Idee zu schlucken, wenn´s denn wenigstens ´ne originelle ist, und das ist bei The Asphyx so. Gefällig ist auch der Kniff der Story, den titelgebenden „Asphyx“ nicht zu einer „bedrohlichen“ Horrorgestalt zu machen. Der Todesgeist ist keine böse Kreatur, sie mordet nicht, sie hat, wenn man so will, lediglich ihre Nische in der Evolution gefunden (auch wenn sich der Film elegant um die Beantwortung der Frage drückt, ob der Asphyx nun wirklich eine paranormale Kreatur oder vielleicht nur ein etwas bizarreres Lebewesen). Die Asphyxe sind nicht die Bedrohung – die Bedrohung, wenn man überhaupt davon reden will, dass der Film ein Bedrohungsszenario aufstellt, kommt aus der menschlichen Natur. Es ist der ewige Drang des Menschen, sein Leben zu verlängern, Grenzen zu überwinden, der letztendlich für den einzig „bedeutsamen“ Todesfall (den von Christina) verantwortlich ist. Natürlich kann man dies als deutlich wissenschafts- und fortschrittsfeindlich interpretieren, weil auch dieser Film zu denen gehört, die aussagen, dass es gewisse Gebiete gibt, aus denen der Mensch seine Griffel besser raushalten sollte, und speziell in der Zeichnung des Titelcharakters als „Sozialreformers“ mag man die Botschaft insgesamt als sehr reaktionär auffassen, aber ich bin geneigt, das durchgehen zu lassen, zumal man diesen Vorwurf den meisten Horrorfilmen zubilligen kann; der Horrorfilm an sich IST ein reaktionäres Genre.

Was nach grober Durchsicht mir bekannter Reviews zu dem Film kaum bemerkt wurde, ist, dass der Film, möglicherweise unbeabsichtigt, sogar einen Kommentar zu einem immer noch aktuellen Thema beisteuert: Sterbehilfe bzw. Apparatemedizin. Eine der wesentlichen Aussagen des Film ist, dass jemand, dessen „Todesgeist“ gefangen wurde, die Schmerzen seines Todes solange „weiterleben“ muss, bis die „Todesursache“ neutralisiert wurde; das wird exemplarisch beim Tod des Obdachlosen dargestellt, für den der Tod eine Erlösung darstellt, nach der er sich sehnt; er wünscht keine künstliche Lebensverlängerung und greift deswegen Sir Hugo sogar tätlich an. Das kann man durchaus als Statement gegen Lebensverlängerung durch Apparatemedizin und pro Sterbehilfe zur Leidensbeendigung sehen (allerdings verursacht das auch einen der bereits angesprochenen und noch kurz zu rekapitulierenden Logikfehler).

Die Charaktere sind relativ glaubwürdig – zumindest über weite Teile der Laufzeit. Giles´ Charakterturn vor dem Finale ist etwas strange, aber diskutabel: man mag es als seine ultimative Rache für den seiner Ansicht nach von Hugo verursachten Tod Christinas sehen (auch wenn der Genosse stark außer Acht lässt, dass er sich den Schuh mindestens zur Hälfte selbst anziehen muss, aber da spielt dann der Aspekt der Selbstkasteiung mit rein), dass Hugo sich für den Rest seines Daseins mit den Schuldgefühlen abquälen muss, aber dann hätte er doch darauf drängen sollen, dass Hugo die Kombination NICHT erhält – er konnte doch nicht davon ausgehen, dass Hugo sich freiwillig zum ewigen Leben verdammt. Sir Hugos Wandlung selbst vom Wohltäter zum Fanatiker und retour ist einigermaßen stimmig.

Kommen wir zu den Problemen und erst einmal zu der von Dr. Freex aufgestellten Theorie des „accident movies“. Da hat er nicht Unrecht, die Handlung ist sehr oft von Zufällen abhängig. Es ist Zufall, dass Sir Hugo den Asphyx zuerst fotografiert, es ist Zufall, dass seine Filmkamera Clives Asphyx ablichtet, es ist Zufall, dass das von Hugo erfundene System zur Zusatzbeleuchtung bei der Hinrichtung den Asphyx sichtbar macht, es ist Zufall, dass Hugo einen Obdachlosen findet, der kurz vor´m Abnippeln steht und für das Experiment verwendbar ist, es ist Zufall, dass Christina das Meerschweinchen findet und so rechtzeitig an Ort und Stelle ist, um Giles bei der Hugo-Röstung behilflich zu sein, , es ist Zufall, dass eben dieses Meerschweinchen ein Kabel annagt und für Christinas Tod unter dem Fallbeil sorgt. In dieser Massierung ist das schwer zu schlucken – sicher ist Zufall ein probates Mittel, um gelegentlich den Plot voranzutreiben, wenn man sich in eine Sackgasse geschrieben hat, aber das sollte man ein-zweimal machen und nicht überstrapazieren. In der hier vorliegenden Form ist das nur ein Indiz dafür, dass dem Autoren eine schlüssige und logische Fortschreibung der Handlung ziemlich schnuppe war, oder, um´s in Autorensprache zu sagen, ein hervorragendes Beispiel für „lazy scriptwriting“. Insofern: I tip my hat to Dr. Freex, das hat er gut beobachtet.

Aber das ist noch nicht mal meine Hauptschwierigkeit mit The Asphyx – was mir sauer aufstösst, ist das, was ich oben im „dritten ersten Absatz“ angedeutet habe. Man darf, wie gesagt, eine abstruse Idee wie den „Todesgeist“ durchaus als Grundlage für einen Film hernehmen, aber dann sollte man gefälligst auf dieser Prämisse schlüssig aufbauen und sich nicht jedesmal widersprechen, wenn´s notwendig ist, um dramaturgisch halbwegs die Kurve zu kratzen. Die interne Logik von The Asphyx ist hanebüchen und wird vom Autoren immer so hingebogen, wie er´s in der entsprechenden Szene braucht. Das fängt schon dabei an, dass in einer Szene behauptet wird, der Asphyx würde „nur“ ausnutzen, wenn zufällig jemand im Sterben liegt, ein schlichter Profiteur also, ein anderes Mal ist er ursächlich für den eigentlichen Todesvorgang, also der eigentliche Täter, der den Tod auslöst (letztere Interpretation ist diejenige, für die sich der Film entscheidet, weil sonst der Plot nicht funktionieren würde). Aber darüber könnte man noch hinweg sehen, es sind andere Logikfehler, die wirklich böse sind:

–Welchen Sinn hat es, Hugos Todesgeist in einer verschlossenen Gruft zu deponieren, wenn der Film wenig später bestätigt, dass es nicht nur auf die permanente Zuführung von Wasser ankommt, sondern auch die Kristalle regelmäßig überprüft und ggf. ausgetauscht werden?

–Wieso ist Hugo nach seinem „Beweisexperiment“ mit der Sargübernachtung nicht vom Sauerstoffentzug gezeichnet? Es ist, wie oben gesagt, eine gravierende Aussage des Films, dass das Einfangen des Todesgeistes zwar den Tod an sich verhindert, nicht aber das durch den Todesvorgang an sich eintretende Leid, den Schmerz, die Qual. Logischerweise sollte das Übernachten in einem luftdichten Sarg auch für einen „Unsterblichen“ außerordentlich unangenehm sein. Ganz abgesehen davon, dass der Beweiswert dieser Aktion gleich null ist, weil Christina die Bedingungen des Experiments nicht prüfen konnte.

–Und natürlich der Doppelknieschuss in der Guillotinen-Szene: Hugos These, dass der Asphyx nur erscheint, wenn der Todgeweihte echte Todesangst hat, ist schwachsinnig, schließlich sterben, wie auch oben schon erwähnt, Menschen durchaus auch ohne es vorher zu wissen (bei Unfällen, im Schlaf, im Koma etc.) – und dann haut Giles sie gleich im nächsten Satz auf den Müllhaufen der Scriptgeschichte, als er Christina versichert, dass „nichts passieren“ kann, um sie zu beruhigen (wenn der Film auch nur halbwegs eine interne Logik hätte, müsste Giles sie vielmehr zusätzlich aufregen). Dass damit nachträglich die Dramatik aus Hugos elektrischem-Stuhl-Selbstversuch herausgenommen wird, weil nach dieser Logik Hugo dort gar nicht sterben KONNTE, ist dabei nur Kollateralschaden…

Nee, sorry, Mr. Brian Comport (dessen Filmographie sich auch übersichtlich gestaltet), eine einheitliche Linie ist das nicht, zumal das Script einem auch noch an der ein oder anderen (oben herausgestellten) Stelle Rätsel aufgibt.

Die Inszenierung von Peter Newbrook, der hier seinen einzigen Shot als Regisseur vorlegt, ist stimmungsvoll, gefällig, aber arg betulich – The Asphyx ist nichts für Tempofreunde, selbst die meisten Hammer-Filme sind Speedgranaten gegen den bedächtigen, leisen Ansatz, den Newbrook bevorzugt – es wird viel gesprochen, man könnte böswillig sagen, der Streifen wäre geschwätzig, ich würde aber eher einfach sagen, er ist „langsam“. Angesichts Newbrooks Background als Kameramann (u.a. second-unit-Kameramann bei Lawrence of Arabia und alleinverantwortlich für die Kamera bei School for Unclaimed Girls und Crucible of Terror ist es nicht verwunderlich, dass der Film optisch sehr sorgfältig aufgebaut. Das ist nicht spektakulär, da kommen keine „awww!“- und „oooh“-Einstellungen, aber es ist auf hohem Niveau und macht vor allem durchaus guten Gebrauch von den Möglichkeiten der Widescreen-Fotografie (das Original-Ratio ist Cinemascope, 2.35:1, die deutsche Videofassung ist leider auf 1.85:1 gestreckt). Die Ausstattung ist trotz eines kolportierten niedrigen Budgets gewohnt gut – die viktorianische Zeit ist etwas, was scheinbar jeder britische Set Designer mit 2 Pfund Sterling und einem Filzstift überzeugend hinstellen kann.

Aus heutiger Sicht mag The Asphyx von der Regie her altbacken und bieder wirken, und in der Tat war das mit Sicherheit ein Faktor, warum der Film zu seiner Entstehungszeit, immerhin ein Jahr, in dem auch The Exorcist und damit vielleicht die Geburtsstunde des effektintensiven in-your-face-Horrors auf die Leinwände der Welt losgelassen wurde, finanziell ein Totaldesaster war (und für Writer und Director effektiv Karrierekiller war).

Nicht überzeugen kann der Soundtrack, der zu oft in Szenen, in denen man sich etwas atmosphärische Unterstützung von der Tonspur wünscht, durch Abwesenheit glänzt.

Ganz ohne Spezialeffekte kommt auch The Asphyx nicht aus – das Design der Asphyxe ist gruselig genug, die Umsetzung als transparente Kreaturen angemessen. Speziell eine Szene, während des „Todes“ des Obdachlosen, gibt´s einmal eine Frontal-POV-Aufnahme aus Sicht des „Opfers“, die wirklich horribel ausgefallen ist. Geht insgesamt in Ordnung. Die diversen Hinrichtungen sind dreimal technisch schlicht gelöst (speziell die Guillotinierung würde man sich natürlich etwas drastischer und, ähm, realistischer wünschen) – recht „hübsch“ ist die elektrischer-Stuhl-Sequenz, in der doch auch ein wenig Stimmung aufkommt, ohne dabei wirklich explizit zu werden.

Wenden wir uns den Darstellern zu, die durchaus überzeugen können. Robert Stephens mimt den Sir Hugo recht nachvollziehbar und bringt die Charakterentwicklung seiner Rollengestalt durchaus auf den Punkt. Stephens´ Karriere umfasst mehrere Dekaden und führte ihn u.a. in Liz Taylors gelebte Gigantomanie Cleopatra, The Fruit Machine und Chaplin. Robert Powell spielt den Giles mit einer leichten Tendenz zum Overacting und er laboriert ein wenig an der Sprunghaftigkeit seines Charakters, aber insgesamt ist das in Ordnung. Powell agierte in der Rockkoper Tommy, der 1977er-Fassung des Klassikers The Four Feathers, einer Frankenstein-Verfilmung von 1984 (er selbst als Frankenstein, David Warner als Monster und niemand anderes als Carrie Fisher als Elizabeth). Außerdem amtierte er in der Miniserie Shaka Zulu. „Christina“ Jean Laportaire, die nicht gerade mein Schönheitsideal trifft, sich aber schauspielerisch plausibel aus der Affäre zieht, dürfte nur Experten des britischen Fernsehens ein Begriff sein. Alex Scott (Sir Edward) könnte dem Genre-Freund aus The Abominable Dr. Phibes bekannt vorkommen und spielte in einer Episode von Mondbasis Alpha 1 den Feind der Woche. Zu erwähnen wäre noch „Anne“ Fiona Walker, die immerhin für sich verbuchen kann, im Abstand von 24 Jahren zweimal in Dr. Who aufgetreten zu sein und in der grandiosen TV-Serie I, Claudius die nicht unwesentliche Rolle der Aggripina gespielt zu haben.

In Deutschland harrt der Streifen noch einer DVD-Auswertung, bis dahin muss man sich mit einer der Video-Auflagen aus dem Hause Mike Hunter behelfen. Der verwendete Print ist ganz okay, kämpft zwar mit einigen Farbschwankungen, ist aber noch auf der vertretbaren Seite, leider halt von 2.35:1 auf 1.85:1 zurechtgestreckt. Außerdem ist die deutsche Fassung eine „Kurzfassung“, allerdings eine, wie sie beinahe auf der ganzen Welt so vertrieben wird. Die ursprüngliche UK-Kinofassung wurde für die Videoauswertung von 99 auf 83 Minuten heruntergekürzt und dieses britische Videomaster lang lange sämtlichen Heimkinofassungen zugrunde. Mittlerweile gibt es in den USA eine dem Vernehmen nach liebevoll restaurierte DVD-Fassung, die erstmalig die ungekürzte britische Kinofassung dem Heim-Konsumenten zugänglich macht (erschienen bei All Day Entertainment; die Briten-DVD von Anchor Bay basiert auf dem gekürzten Videomaster).

Letzte Worte: Ich wollte The Asphyx wirklich gut finden, by God, I tried. Denn jede Idee, die ausgetretene Genrepfade verlässt und versucht, Neuland zu erkunden, hat bei mir einen Stein im Brett, und mit der bedächtigen, irgendwie typisch britisch-distinguierten Inszenierung hätte ich mich anfreunden können, doch siehe oben – der Film begeht die Kardinalsünde, er baut auf seiner Idee nicht logisch und in sich schlüssig auf, sondern verheddert sich im Kuddelmuddel der Logikfallstricke, die er sich selbst auslegt. Wer auf Logik keinerlei Wert legt, der bekommt zumindest einen stilvoll inszenierten und gespielten Grusler in bester Hammer-Tradition, aber wer dazu neigt, auch nur ein klein wenig mitzudenken, dem werden sich oft genug die Fußnägel aufkräuseln – und zumindest für mich ist die Kombination „Langatmigkeit“ plus „Unlogik“ ein Todesurteil.

(c) 2005 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 3


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