Expedition in die Zukunft

 
  • Deutscher Titel: Expedition in die Zukunft
  • Original-Titel: The Idaho Transfer
  •  
  • Regie: Peter Fonda
  • Land: USA
  • Jahr: 1973
  • Darsteller:

    Kelly Bohanan (Karen Braden), Kevin Hearst (Ronald), Caroline Hildebrand (Isa Braden), Keith Carradine (Arthur), Dale Hopkins (Leslie), Fred Seagraves (Dr. Lewis), Ted D’Arms (George Braden), Joe Newman (Cleve)


Vorwort

An einer abgelegenen Uni-Forschungseinrichtung haben die Wissenschaftler Lewis und Braden in größter Heimlichkeit eine Zeitmaschine konstruiert. Die Rechnung bezahlt hat das Militär, dem man allerdings offiziell gesagt hat, man arbeite an einer Technik zur Materieprojektion und schon gar nicht, dass die Arbeiten ein voller Erfolg waren. Lewis und Braden sind sich nämlich – unterstützt durch Einblicke in die Zukunft – sicher, dass die Menschheit auf eine globale Umweltkatastrophe zusteuert. Seit einiger Zeit schon schicken sie Studenten 56 Jahre in die Zukunft, um dort die Lage zu peilen (Ergebnis: everything’s pretty fucked) und perspektivisch dauerhaft in der Zukunft zu bleiben, um die Zivilisation wieder aufzubauen und die entvölkerte Erde neu zu besiedeln.

Bradens Tochter Isa gehört zu den enthusiastischen Teilnehmern an den Expeditionen und nun soll auch ihre Schwester Karen, Kategorie „troubled teen“ und offenkundig gerade aus einer „Institution“ entlassen, in den Kreis der Zeitreisenden aufgenommen werden. Schon beim ersten gemeinsamen Ausflug in die zerstörte Kraterlandschaft kommt es zu einem Unfall – Isa zieht sich bei einem Sturz eine harmlose, aber vor Ort nicht behandelbare Kopfverletzung zu. Der Rücktransport bekommt Isa nicht – so erstickt, Drogenmetapher voraus, an ihrer eigenen Kotze. Der Todesfall scheint niemanden sonderlich zu stören, die Zeitreisen werden fortgesetzt und auch Karen nimmt weiter daran teil, allerdings zieht sie sich vom Rest der Gruppe zurück. Das könnte nun in aller Gemütlichkeit bis ans nahe Ende aller Tage so weitergehen, doch eines weniger schönen Morgens zieht das Militär der ganzen Operation den Stecker. Einigen der jungen Zeitreisenden gelingt es in letzter Sekunde, sich mit etwas Ausrüstung und Vorräten in die Zukunft zu retten, doch der Rückweg ist, solange die Maschine ausgeschaltet ist, abgeschnitten und bei aller Freundschaft und optimistischem Hippie-Zeitgeist – weder das Equipment- noch die Verpflegungslage sieht auch nur mittelfristig fröhlich aus. Arthur, der informelle Anführer der Gestrandeten, regt an, dass man in kleinen Gruppen versuchen soll, andere Gruppen, die schon vor Einstellung der Experimente auf Erkundungstour gegangen sind, zu finden und ansonsten zu versuche, Großstädte zu erreichen. Karen, deren Prioritäten sich mittlerweile dahingehend verschoben haben, schnellstmöglich geschwängert zu werden, bricht mit Ronald in Richtung Portland auf.

Das Treffen mit einer aus dem Osten kommenden Truppe scheitert, aufgefundene Überlebende der Katastrophe erweisen sich als degenerierte, sprachunfähige Halbwilde und, schlimm für Karen, es stellt sich auch heraus, dass der Wiederbesiedelungsplan zum Scheitern verdammt ist – die Zeitreisenden sind durch den Transfer steril geworden. Für Karens fragiles Innenleben ist die letzte Nachricht endgültig eine schlechte zuviel…


Inhalt

Wenn der Easy Rider himself einen Science-fiction-FIlm dreht, dann darf man schon mal hinkucken. Peter Fondas Regiekarriere ist ja recht übersichtlich – 1971 drehte er den wohlgelittenen „realistischen“ Western „Der weite Ritt“ und 1979 die Komödie „Wanda Nevada“ mit der jungen Brooke Shields, dazwischen liegt nur der hiesige Film, der zumindeset im deutschen Sprachraum lange Zeit rar wie die Seuche war – nach einer Fernsehausstrahlung ungefähr 1980 im ZDF verschwand der Streifen hierzulande völlig vom Radar und meinereiner, der in Hahn/Jensens „Lexikon des Science Fiction Films“ davon gelesen hatte, war beinahe schon davon überzeugt, dass „Idaho Transfer“ einer dieser Heiliger-Gral-Titel bleibt, denen man ein Leben lang vergeblich nachjagt oder die man, wenn überhaupt, dann rein zufällig unter einem Alternativtitel als schäbiger TV-Rip auf einer dieser großartigen 50er-Mill-Creek-Public-Domain-Boxen findet. Da hab ich die Rechnung mal wieder ohne Pidax gemacht.

Pidax verdient sich seine Lobhudeleien zwar hauptsächlich mit dem Ausgraben von vergessenen TV-Schätzen aus deutscher Produktion, haut aber immer wieder mal auch einen internationalen Titel raus – so dann auch zu meiner großen Freude „Expedition in die Zukunft“. Nach fast 30 Jahren Suche durfte ich den Streifen endlich, endlich persönlich in Augenschein nehmen. Und, wie’s dann halt so zu sein pflegt, die mittlerweile turmhoch aufgebauten Erwartungen kann Fondas kleines Counter-Culture-Filmchen dann nicht erfüllen. Aber „Citizen Kane“ kombiniert mit „The Force Awakens“ hätte damit vermutlich wohl seine Probleme gehabt…

Thomas Matthiesen, der die Story erdachte und zum Drehbuch entwickelte, ist für mich (und die IMDb) ein unbeschriebenes Blatt, aber er hat einige nette Ideen. Der Gedanke, die Apokalypse durch eine Umweltkatastrophe herbeizuführen, ist für 1973 noch ziemlich frisch. Zwar kam Anfang der 70er langsam so etwas wie ein ökologisches Bewusstsein auf, nicht zuletzt gespeist auch aus der Hippe- und Counter-Culture-Bewegung, aber im Film dominierten noch die nuklearen Holocausts. Mit technischem und wissenschaftlichem Brimborium hält Matthiesen sich nicht auf – wie seine Zeitmaschine funktioniert, muss man für das Verständnis der Geschichte nicht zwingend wissen, also belässt er es bei ein paar Allgemeinplätzen, und das funktioniert – wir sehen hier keine wissenschaftlich-technische SF, sondern eine soziokulturelle Utopie (bzw. Dystopie). Mehr, als dass es aus Gründen gewisse technische Beschränkungen für den Transfer gibt (weswegen z.B. nicht einfach ein paar Generatoren in die Zukunft gekarrt werden können) und die Justierung der Maschine sehr filigran ist (weshalb sie quasi „fest“ auf den 56-Jahre-Zeitraum eingestellt ist – wer eine Woche in der Zukunft verbringt und zurückkehrt, hat auch in der „Gegenwart“ eine Woche vertrödelt) braucht’s an Information über die Zeitmaschine nicht (sie ist denn auch vom Design her eine schlichte Angelegenheit – eine Sitzfläche, ein Kasten für Kleinteile und Kleidung, ein paar Leuchtanzeigen und ein big-ass-Schalter).

Wie es sich für einen ordentlichen Independent-Film einer Counter-Culture-Ikone gehört, ist „Idaho Transfer “ natürlich durchzogen von einem gesunden Misstrauen gegenüber Autorität und besonders Militär. Letzteres bezahlt (unwissentlich) die Experimente und zieht (aus eigener Sicht hochgradig verständlicherweise) dem Projekt dann auch den Stecker, weil die Projektleiter einfach *wissen*, dass ihre Auftraggeber ihre Arbeit weder verstehen noch zu einem humanitären Zweck einsetzen werden – und dass die Enthüllung, dass die Menschheit innerhalb weniger Jahre zum Untergang verurteilt ist, diese Katastrophe nicht abwenden können wird, liegt für sie ebenfalls auf der Hand. Die einzige Option ist daher der Neuaufbau der Gesellschaft durch Idealisten. Es ist dieser Punkt, an dem Matthiesen und Fonda die Erwartungshaltung ihres Publikums zu brechen versuchen – klar, die „neue Gesellschaft“ leidet darunter, dass sie von jeglicher Art Nachschub abgeschnitten ist, aber es wird auch rasch deutlich, dass die Bande junger Studiosusse und Studiotussen auf sich allein gestellt nicht wirklich viel zu Wege bringt; man muss nicht viel Fantasie aufwenden, um zu realisieren, dass es mit dem ganzen Wiederaufbau- und Neubesiedelungsgedöns auch ohne die Unfruchtbarkeit der Zeitreisenden nicht weit her ist, weil es ihnen simpel an den grundlegenden organisatorischen und auch technischen Fähigkeiten fehlt – sieht einer von denen so aus, als wüsste er, wie man ein Feld bestellt? Ein Haus baut? Wenn Joints drehen eine elementare Überlebensfähigkeit wäre, tja, dann hätten die Herrschaften vielleicht Chancen…

Es bleibt aber auch zu konstatieren, dass das „worldbuilding“ in diesem Fall besser ist als die Story des Films selbst – die klebt nämlich an Karen und damit an einem der „most unikeable characters in a motion picture sold to the viewer as protagonist“, wenn ich mich mal umständlich ausdrücken darf. Karen ist eine unsympathische Kackbratze und ihre ständiges Schwangerschafts- und Kindergeschwafel kann selbst dem gutmütigesten Möchtegernweltwiederbesiedler die Testikel körpereinwärts rutschen lassen. Da sie zudem die einzige Figur ist, die überhaupt so etwas wie einen identifizierbaren „Charakter“ verpasst bekommen hat, macht das „Idaho Transfer“ schon relativ sperrig. Alle anderen Figuren sind nur Schablonen bzw. Projektionsflächen für Karens Psyche – Isa ist so etwas wie die Repräsentantin einer glücklichen Kindheit, die Karen – offenbar – nie hatte, Arthur ihr präferierter Kindsvater und Ronald der nächstbeste Ersatz, nachdem Arthur, weil anderweitig liiert, unerreichbar bleibt. Mutmaßlich ist allein schon diese Fixierung auf eine idealisierte Mutterschaft ein Seitenhieb auf das „freie Liebe“-Mantra der augenscheinlich in Matthiesens und Fondas Augen gescheiterten Flower-Power-Ära (es wäre daher schon mal interessant, Interviews mit Matthiesen und Fonda zu diesem Thema in die Finger zu bekommen – die DVD ist leider, was Bonusmaterial angeht, sehr nackt) – da aber auch diese konservative „Ideologie“ im Filmkontext nirgendwohin führt, bleibt als „Aussage“ des Films nur die hoffnungslose Resignation, wonach sowieso alles sinnlos ist. Ziemlich nihilistisch also, das Ganze, wogegen ich nichts einzuwenden habe (entspricht nicht meiner Philosophie, muss es aber ja auch nicht, um als Film bzw. Geschichte zu funktionieren), nur halt dummerweise durch die Konzentration auf Karen und die völlige Vernachlässigung der anderen Figuren, irgendwelchen anderen Konflikts und Dramas, auch recht langweilig, I’m sorry to report.

Zwischen den ersten zwanzig und letzten fünfzehn Minuten tut sich nicht sonderlich viel außer „whining“ und „walking“ – dazu kommt, dass „Idaho Transfer“ ein Film ist, der visuell nicht gerade ansprechend ist. Er spielt beinahe komplett in einer Vulkankraterlandschaft, die dem Auge keine besonders schönen Bilder bietet. Es sind Steine, und nicht mal, um „Django Nudo“ zu zitieren, „Steine und Gräser“. Gräser wären schon mal ’ne nette Abwechslung. Fonda ist dann auch nicht der Regisseur, der einem eintönigen Backdrop durch inszenatorische Finesse auf die Sprünge helfen könnte, sein Regiestil ist weitgehend konservatives point-and-shoot, eine Technik, die an ihre Grenzen stossen muss, wenn es nichts sonderlich Interessantes gibt, auf das man pointen und shooten könnte (Kameramann Bruce Logan, der neben seiner Kamera-Karriere als Special-Effects-Animator u.a. an „2001“ und „Krieg der Sterne“ arbeitete, inszenierte 1986 den hier besprochenen Frauenknaster Frauengefängnis USA)…. Zum Finale hin experimentiert Fonda mit extrem schnellen Flashback-Zwischenschnitten, aber der Rest des Films ist größtenteils sehr langsam und, naja, dull – der minimalistische Score von Bruce Langhorne „passt“ zwar insofern zum Prozedere, aber manchmal wünschte man sich einen Powerchord von der Tonspur, der den Protagonisten in den Hintern tritt.

Das Stichwort Protagonisten führt uns zu den Darstellern. „Karen“ Kelly Bohanon ließ es mit der Schauspieler-Karriere dann auch bleiben – es ist sicher unfair, sie anhand einer wirklich undankbaren Rolle zu bewerten und ich gebe zu, dass Bohanon sich wirklich in die Rolle reinkniet, aber sie hat keine Screenpräsenz, kein Charisma. Kevin „Ronald“ Hearst blieb in Hollywood – aber nicht als Darsteller, sondern als Sound Editor und betreute in dieser Funktion A-Filme wie „Glory“, „L.A. Story“, „Kevin allein zu Haus“, „Beverly Hills Cop III“ oder „Stargate“. Hearst scheint sich – obwohl nicht gänzlich unsympathisch – vor der Kamera auch nicht sonderlich wohl zu fühlen. Keith Carradine hat als Arthur nicht sonderlich viel zu tun, erledigt das einigermaßen souverän und macht ansonsten den kuriosen Eindruck, als Peter-Fonda-Double gestyled worden zu sein (da hätte Peter dann auch gleich selbst mitspielen können). Die meisten anderen Aktiven wurden weder vorher noch nachher wieder vor einer Kamera gesichtet – eine Ausnahme ist Ted D’Arms („George“), der zumindest kleinere Rollen in „Drugstory Cowboy“ oder „Zurück nach Hause – Die unglaubliche Reise“ ergatterte und in den 90ern eine neue Karriere als voice actor für Videospiele fand.

Bldqualität: Pidax musste hier offenkundig mit minderwertigem Master-Material zurecht kommen (wofür auf dem Backcover auch um Verständnis gebeten wird). Der 1.66:1-Print (anamorph) entspricht doch eher dem, was man in einer der oben erwähnten Mill-Creek-Massenboxen findet als einem aktuellen High-End-Release. Ich bin geneigt, so etwas zu verzeihen, wenn’s um sprichwörtlich unauffindbaren Kram geht, der irgendwo in einem verstaubten Archiv aus einer vergammelten Kiste gezogen und notdürftig veröffentlichungstauglich wiederhergestellt wird, aber auf YouTube existiert eine vollständige Version, die zumindest auf den ersten Blick doch ’ne Nummer besser aussieht als Pidax‘ DVD-Print, der doch sehr unscharf, kontrastarm und beschädigt ist.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton in Dolby 2.0, wobei der deutsche Ton, nachdem auch das ZDF keine Bänder der seinerzeitigen Ausstrahlung mehr hat, von einer VHS-Aufnahme der TV-Ausstrahlung stammt. Damit kann man seine Heimkinoanlage bestenfalls erschrecken. Man versteht die Dialoge, aber das ist dann auch so ziemlich alles. Der englische O-Ton ist alledings auch nicht wesentlich besser.

Extras: Leider nur eine Trailershow. Hier hätte mich ein wenig Hintergrundinfo, sei’s zeitgenössisch oder neu produziert, durchaus interessiert, aber dafür bräuchte es dann wohl einen ganz besonderen Nischenanbieter. Ich bin ja schon dankbar, dass sich überhaupt jemand dieses obskuren Titels erbarmt hat.

Fazit: „Idaho Transfer“ ist wieder mal ein Vertreter der Sorte Film, die eher „interessant“ denn „gut“ sind. Als *Film* ist das stolze Werk nicht sonderlich gelungen – dramaturgisch tut sich über weite Strecken nicht viel und auf der audiovisuellen Ebene macht die Chose auch nicht viel her. Die postulierte Welt und die damit verbundene nihilistische Weltsicht, die letztlich vor der unabdingbaren Zerstörung resigniert kapituliert dagegen ist gerade vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund (und natürlich auch Peter Fondas künstlerischem Background) schon bemerkenswert. Bonuspunkte würde sich das hübsch zynische Ende verdienen, würde es nicht durch eine mit der Dampfwalze ins Hirn des Zuschauers planierten Abschlussbotschaft etwas entwertet. Fans des Obskuren und Interessenten an den radikaleren Counter-Culture-Auswüchsen sei der Film aber doch ans Herz gelegt, es ist schon ein ziemliches Unikat (und Unikum). Daher eine neutrale Bewertung.

3/5
(c) 2015 Dr. Acula


mm
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