Evidence – Überlebst du die Nacht?

 
  • Deutscher Titel: Evidence - Überlebst du die Nacht?
  • Original-Titel: Evidence
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  • Regie: Howie Askins
  • Land: USA
  • Jahr: 2012
  • Darsteller:

    Ryan McCoy (Ryan), Brett Rosenberg (Brett), Ashley Bracken (Ashley), Abigail Richie (Abi), Blaine Gray (Rogue Wolf), Risdon Roberts (Secretary)


Vorwort

Ryan hat die großartige Idee, eine Dokumentation über den ersten Camping-Trip seines besten Kumpels Brett zu drehen. Ich hab zwar keine Ahnung, ob in Sundance oder bei SXSW ein Markt für Amateur-Camping-Documentaries besteht, aber ich bin ja auch kein angehender Filmemacher. Brett ist von dieser Idee wenig begeistert, hat sich aber breitschlagen lassen, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die respektiven Freundinnen der Kumpels, Ashley und Abi, den Trip mitmachen. Ryan geht von Anfang an seinen Freunden mit der Videokamera auf die Nerven, aber immerhin erreicht das Quartett vollzählig den ausgekuckten Camping-Spot in einem für die Öffentlichkeit eigentlich nicht zugänglichen Stück Wildnis. Nach der ersten Übernachtung wird auf Wanderschaft gegangen. In einem kleinen Tal entdecken die Vier etwas… seltsames, irgendeinen Schatten, der sich bewegt. Ryan will das Ding im dokumentarischen Eifer aufspüren, doch seine Freunde, die eher zur schreckhaften Fraktion gehören, halten das für zu gefährlich und Ryan für einen selbstsüchtigen Pinsel, der nur den Erfolg seines Films im Kopf hat. Die Stimmung am zweiten Abend ist dementsprechend gereizt, auch weil ein leicht bekloppter Waldläufer auftaucht. Erst Freund Jack Daniels bringt halbwegs gute Laune zurück ans Lagerfeuer.

Doch in der Nacht schrecken merkwürdige Geräusche die Camper auf. Ryan macht sich – ohne Kamera – auf zur Investigation, doch Brett hat nun die Faxen dicke, packt seine Sachen und beschließt, zum geparkten Wohnmobil zurückzukehren, die Mädels im Schlepptau, und Ryan kann sich seinetwegen gehackt legen. Doch der taucht ein paar Stunden später am Wohnmobil auf, um sich mit Brett zu streiten. Man einigt sich darauf, am nächsten Morgen die Zelte einzupacken und abzuhauen, doch bei Sonnenaufgang ist Brett verschwunden. Was ist passiert? Draußen ist unzweifelhaft eine merkwürdige Kreatur unterwegs, die es auf die Camper abgesehen hat. Brett ist nicht zu finden, und Ryan macht sich auf, Hilfe zu holen. Doch die kommt nicht… Ashley und Abi werden im Campmobil von dem Monster belagert – das bereits den Motor des RVs zerstört hat -, und ergreifen, als sich die Kreatur Einlass verschafft, die Flucht in die Wälder.

Auf der halsbrecherischen Flucht durch die mittlerweile angebrochene Dunkelheit – was zumindest eine Ausrede für’s fortdauernde Filmen ist, denn die Kamera ist die einzige Lichtquelle, die den Mädels zur Verfügung steht – stolpern die Mädchen in ein offenbar militärisches Sperrgebiet. Und auf einmal ist es nicht nur die Kreatur, die hinter ihnen her ist, sondern auch bewaffnete Soldaten und blutrünstige Irre. Nur ein Soldat – oder ähnliches – scheint daran interessiert zu sein, dass Ashley und Abi das Gelände wieder lebendig verlassen, doch das wird schwer genug…


Inhalt

Found Footage. Das ist normalerweise Grund genug, mich ohne weiteres in die Flucht zu schlagen, aber wenn man mal wieder beim 1-Euro-Dealer den Warenkorb mit Güteklassenramsch füllt, kann man ja nicht immer wissen, was einen erwartet. „Evidence“ versucht also dem Genre, das mit „Blair Witch Project“ seinen Ursprung (jaja, nicht wirklich, aber für die Zwecke der Etablierung einer vogue allemal) und Höhepunkt gleichzeitig gefunden und sein Haltbarkeitsdatum mindestens seit 2003 überzogen hat, neues Leben einzuhauchen.

Ich schätze, den meisten meiner Leser geht’s so wie mir – ich hab mit dem Genre eigentlich abgeschlossen, denn zumeist ist das eigentlich durchaus valide Stilmittel zu einer lauen Ausrede geworden, um keine Drehbücher schreiben zu müssen, auf Dramaturgie zu pfeifen, und anstelle gelernter Schauspieler ein paar talentfreie Nasenbären vor die Videokamera zu zerren, auf dass sie ein wenig hysterisch kreischen, wenn irgendwo eine Tür knarzt (see: „Activitiy, Paranormal“). Halbwegs sehenswert fand ich in den letzten paar Jahren eigentlich nur den ersten „Grave Encounters“, der sich aber nach vielversprechenden ersten zwei Dritteln durch couragiertes nicht-aufhören-wollen effektiv selbst tötete (und das, wo wir doch sowieso alle wissen, dass Found-Footage-Filme im Allgemeinen kein vernünftiges Ende hinkriegen). Barry Levinsons „The Bay“ hat von Leuten, deren Meinung mir nicht gänzlich wurscht ist, nicht so schlechte Kritiken bekommen, aber den hab ich noch nicht gesehen. Also müssen wir doch mal kucken, was „Evidence“ so kann oder auch nicht.

Nachdem wir uns erst mal über den wohl dämlichsten Aufhänger der Filmgeschichte (eine Dokumentation über den ersten Camping-Trip eines zwanzigjährigen Trottels? Ich hab in der Tat schon Dokus gesehen, die deutlich unaufregender waren als „Best of Farbeimertrocknen“, aber dass selbst der gutwilligste Filmprofessor an der Hochschule für unterbelichtete Schwachmaten sich freiwillig einen solchen Film ansehen sollte, halte ich für ein besonders unglaubwürdiges Gerücht) wahlweise beömmelt oder Harakiri begangen haben, scheint sich erst mal alles by-the-numbers zu entwickeln. Vier Idioten stapfen durch die Wälder und bräuchten höchstwahrscheinlich keinen maskierten Killer oder eine blutrünstige Kreatur, um spätestens nach zwei Tagen irgendwo tot über’m Ast zu hängen. Die erste Andeutung horribler Ereignisse scheint auf eine Art Bigfoot-Film hinauszulaufen (die erste Monster-Begegnung erinnert zumindest mich ein ganz klein wenig an den Patterson-Gimlin-Film), ehe es doch deutlicher in Richtung „normaler“ Monsterfilm geht. Die Attacke auf das Wohnmobil kann man, wenn man will, sogar als direkten Rückgriff auf den Found-Footage-Großonkel „Night of the Demon“ (womit wir auch wieder beim Bigfoot wären) verstehen (im Allgemeinen sind die Macher solcher Filme ja Horror-Nerds, es würde mich daher wundern, hätten sie den damals auch als Semi-Amateurfilm entstandenen 131er-„Klassiker“ nicht gekannt). Trotzdem natürlich – so weit, so nicht besonders originell. Bevor sich allerdings der Film in simples hysterisches Durch-die-Botanik-Krauchen verabschiedet, nimmt er nach ca. 45 Minuten die unerwartete Wende.

Der Kunstgriff, sich für die letzte halbe Stunde (mit 75 Minuten weiß „Evidence“ zumindest auch, wann’s gut ist) aus dem reinen Creature-Horror zu verabschieden und ein paar neue, unerwartete Elemente einzubringen, hilft schon um einiges weiter – ganz besonders, weil der Schwenk auf „geheime Militärbasis“ und „ganz ersichtlich aus dem Ruder gelaufenes abnormales Experiment“ Dinge erlaubt, die der „normale“ Found-Footage-Horror eher selten anpackt – der (ausgewalzte) Showdown bringt Action und Gore (ja, wir dürfen tatsächlich mal etwas in Sachen Blut und Eingeweiden sehen). Es gibt freilich – mein altbekanntes Credo hinsichtlich Found Footage – keinen rationalen Grund, die Geschichte nicht in konventioneller narrativer Form zu erzählen, außer, dass es so deutlich billiger herzustellen ist. Immerhin – wie oben gesagt, gibt’s für das ständige Eingeschaltetsein der Kamera eine halbwegs vernünftige Ausrede – die Kameralampe ist das einzige Licht, dass den Überlebenden zur Verfügung steht. Aus „technischer“ Sicht ist das Gimmick immerhin dadurch nützlich – die 12.000-Dollar-Produktion kann so ganz gut tarnen, dass der dritte Akt in einer sprichwörtlich leeren Lagerhalle spielt, denn wann man immer nur ein-zwei Meter rund um die Lichtquelle sieht, kann die Location schon mal leer sein und wirkt trotzdem „groß“.

Selbstverständlich soll das keine Heiligsprechung werden – Found Footage bleibt Found Footage, d.h. die dem Konzept zwangsweise zugrunde liegenden Schwächen kann auch „Evidence“ nicht kaschieren. Die Dialoge sind grauenvoll, nur selten hören sie sich so an wie Worte, die echte Menschen einander an den Kopf werfen würden, auch mit dem Genre-Schwenk hat „Evidence“ ein gerüttelt Maß an hektisch-zappeliger Handkamera, Kreischen und Schreien und Herumrennen durch finstere Wälder und/oder Korridore – Abi und Ashley haben, wenn ich richtig aufgepaßt habe, nach Minute 45 wohl keine einzige Dialogzeile mehr, die über „aaargh“, „kreeisch“ oder „waaaah“ hinaus geht. Das kann schon nerven.

Die Gore-Einlagen sind okay, sind sicherlich günstig realisiert, machen aber einen passablen Eindruck, die Make-ups für die blutrünstigen sorta-Zombies ist eher sparsam, der „monster suit“ für die fiesen Kreaturen ist für die Budgetklasse absolut i.O. Es lohnt sich übrigens einigermaßen, im Nachspann dranzubleiben, denn zwischen den Credit-Einblendungen wird die Geschichte noch etwas weiter geführt und zumindest ein bisschen was von der Hintergrundgeschichte, zu der sich „Evidence“ in treuer Genre-Tradition ansonsten eher bedeckt hält, anreißt.

Die darstellerischen Leistungen sind wie üblich nicht der Rede wert. Ryan McCoy und Brett Rosenberg sind eher nervig (Brett vor allem, denn auch wenn Ryans Filmtick einem schon auf den Senkel gehen kann, ist Bretts Negativität noch ’ne Klasse schärfer), Ashley Bracken und vor allem Abigail Richie immerhin recht sympathisch.

Die Qualität der Eurovideo-DVD ist so gut wie zu erwarten ist – das Zeuch soll ja nicht unbedingt nach HD-IMAX-Dolby-Atmos aussehen bzw. sich anhören. Es ist immerhin auf dem großen Flatscreen ankuckbar.

Also, berühmte letzte Worte? Wer keine Found-Footage-Filme mag, braucht sich auch „Evidence“ nicht ankucken – zwar macht der Streifen ein paar Sachen besser oder zumindest „interessanter“ als die meisten Genrekonkurrenten, aber auch nicht in dem Maße, dass es sich lohnen würde, eine generelle Aversion gegen das Stilmittel zu überwinden. Ist man ein bisschen toleranter, kann „Evidence“ einigermaßen unterhalten. Es ist sicher kein Weitwurf, aber es zeigt, dass man, wenn man will, doch ein bisschen mehr machen kann als „Tür knarzt – Der Film“.

(c) 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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