Europa Report

 
  • Deutscher Titel: Europa Report
  • Original-Titel: Europa Report
  •  
  • Regie: Sebastian Cordero
  • Land: USA
  • Jahr: 2012
  • Darsteller:

    Christian Camargo (Dr. Daniel Luxembourg), Embeth Davidtz (Dr. Samantha Unger), Anamaria Marinca (Rosa Dasque), Michael Nyqvist (Andrei Blok), Daniel Wu (William Xu), Karolina Wydra (Dr. Katya Petrovna), Sharlto Copley (James Corrigan), Dan Fogler (Dr. Sokolov), Isiah Whitlock jr. (Dr. Tarik Pamuk)


Vorwort

In naher Zukunft – eine privat finanzierte bemannte Expedition zum Jupiter-Mond Europa bricht auf, um dort nach Beweisen für mögliches extraterrestrisches Leben zu finden (in völliger Missachtung des Gebots aus „2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“, von Europa tunlichst die Finger zu lassen. Filmbanausen!). Die internationale Crew besteht aus euphorischen Wissenschaftlern wie der gelernten Meeresbeiologin Katya Petrovna (Leben auf Europa wird allen Erfahrungen nach in unter-„irdischen“ Ozenanen zu finden sein) und erfahrenen Astronauten wie dem Andrei Blok, der fast ein Jahr auf der ISS verbracht hat. Trotz kleinerer technischer Macken und den psychologischen Problemen, die eine derartige Langzeitmission für die Crew so mit sich bringt, funktioniert neunzehn Monate lang alles nach Plan. Dann bricht plötzlich die Verbindung zur „Europa 1“ ab…

Auf dem Raumschiff realisiert man, dass die Kommunikationseinrichtungen nur durch einen riskanten Außeneinsatz repariert werden können. Dabei kommt es zu einem folgenschweren Unfall – und Techniker James ums Leben. Die Restcrew entscheidet sich, die Expedition – ohne Kommunikation – fortzusetzen und landet drei Monate später auf Europa, etwas abseits des eigentlichen Zielgebiets, was das Expeditionsziel, Wasser- und Eisproben zu nehmen, stark erschwert. Zudem sieht Cheftechniker Andrei sich bewegende Lichter außerhalb des Schiffs. Ein Zeichen außerirdischen Lebens? Die Crew ist skeptisch, weil Andrei seinerzeit James‘ Partner bei dem fatalen Außeneinsatz war und seitdem als latent psychisch beeinträchtigt gilt. Doch als die Sonde, die unter der Eisschicht im Ozean nach Hinweisen spüren soll, plötzlich zerstört wird, verdichten sich die Hinweise, dass die „Europa“-Crew tatsächlich nicht allein ist…


Inhalt

„Star Wars“ ist an allem Schuld! Okayokay, George Lucas ist vielleicht nicht direkt der Antichrist (er ist einfach nur ein mieser Regisseur, der aus purem Zufall einen Glückstreffer landete), aber sein Opus Magnum zerstörte mehr oder weniger ein Genre – den wissenschaftlich-technischen SF-Film. Es war nie ein sonderlich üppiges Genre und eines ohne ganz großen Blockbuster-Appeal, aber bis der „Krieg der Sterne“ ausbrach und SciFi auf der großen Leinwand – for better or worse – zu Fantasy und/oder Kriegsfilm im Weltraum wurde, war immer mal wieder Platz für einen „seriösen“ Film, der sich bemühte, utopische Geschichten mit Augenmerk auf wissenschaftliche Plausbilität und technischen Realismus zu erzählen – „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“, „Lautlos im Weltraum“, „Countdown“, „Verschollen im Weltraum“ oder – abzüglich des metaphysischen Gedöns und den surrealen Drogenrauschbildern des Finales auch und insbesondere „2001 – Odyssee im Weltraum“. Nach „Star Wars“ blieb wenig Platz im Kino für wackere Astronauten und ihren Kampf gegen Technik und die realen Gefahren des Alls, weil Laserschwerter und Weltraumschlachten oder blutrünstige Alienmonster die Aufmerksamkeit des Publikums beanspruchten. Wenn man von Peter Hyams‘ unterschätztem „2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“ absieht, fällt mir nicht viel ein, was sich „ernstlich“ seriöse wissenschaftlich-technische SciFi nennen könnte und im Kino tatsächlich ein wenig Eindruck hinterlassen hätte – und das ist nun auch schon wieder beinahe 30 Jahre her…

Jaja, ich weiß – gerade stürmt „Gravity“ die Kinocharts und wenn wir Glück haben, läutet der unerwartete Riesenerfolg dieses Zwei-Personen-Astronautendramas eine Renaissance des Genres ein, aber noch bn ich nicht bereit, Alfonso Cuarons Hit als mehr als die Ausnahme, die die Regel bestätigt zu sehen. „Europa Report“ z.B. musste sich in den USA mit einem mikrobenhaften limitierten Kinoeinsatz zufrieden geben, hierzulande reichte es nur für eine Programmierung beim FantasyFilmFest, ehe der Direct-to-DVD-Release erfolgte. Ohne Star-Power geht heute halt nichts mehr…

Geschrieben von Phil Gelatt, der bislang nur den offendundig hier noch nicht erschienenen Horrorfilm „The Bleeding House“ auf dem Kerbholz hat und inszeniert vom ecuadorianischen Regisseur Sebastian Cordero, der sich mit dem Serienkiller-Thriller „Cronicas“ (mit John Leguizamo) einen kleinen Namen machte, spricht bei „Europa Report“ auf den ersten Blick viel dafür, dass es sich um einen eher horribel angehauchten SF-Film handelt, aber obwohl die IMDb den Streifen auch unter „Horror“ listet und er streng genommen ein paar Horror-Elemente aufweist, ist es doch ein Film, der in erster Linie versucht, die Tradition des realistischen Astronautenabenteuers wieder aufleben zu lassen, dies aber mit einem vermeintlich zeitgemäßen Twist, auf den wir natürlich noch zu sprechen kommen werden.

Zunächst mal ist „Europa Report“ nämlich die weitgehend glaubwürdige Schilderung, wie eine Langzeit-Weltraummission aussehen könnte – von der privaten Finanzierung (die allerdings nur am Rande angesprochen wird) über die internationale Organisation und Crewzusammenstellung bis hin zur Technik und der Gestaltung der Oberfläche Europas, die nach neuesten Bildern der NASA und des Jet Propulsion Laboratory erfolgte. Das Raumschiff ist auf machbare Weise konzipiert – es wurde im Filmsinne wie die ISS im Orbit zusammengefügt, nur das „Cockpit“, quasi die Landefähre, startet von der Erde, dockt im Orbit an das eigentliche Schiff an und landet später auf Europa – ziemlich genau so würde es im echten Leben auch gemacht werden. Auch die künstliche Schwerkraft in den um die Längsachse des Schiffes rotierenden Wohnbereichen ist keine rein fantastische Idee, auch wenn sie bislang noch nicht umgesetzt wurde. Und der Grundgedanke, dass Europa einer der Orte im Sonnensystem ist, an dem die Wahrscheinlichkeit, zumindest einzellige Organismen zu finden, am größten ist, ist mehr oder weniger akzeptierte wissenschaftliche Tatsache, auch wenn allerjüngste Forschungen die diesbezüglichen Hoffnungen etwas heruntergeschraubt haben.

Nun sind wissenschaftliche Akkuratesse und die dazu passenden, ebenfalls durchaus realistischen Charaktere eine Sache, ein unterhaltsamer Film damit aber noch nicht automatisch verbunden – „Europa Report“ wäre, konventionell gefilmt, ein vergleichsweise langsamer, zerebraler Film, da nicht viel im eigentlichen Sinne *passiert* (es gibt quasi nur ein „Ereignis“ auf dem langen Hinflug und dann die Landung und deren Folgen auf Europa). Cordero und Gelatt verfielen daher auf den Gedanken, den Streifen im „found footage“-Stil zu inszenieren. Wir als Zuschauer bekommen quasi eine Rekonstruktion der Ereignisse anhand der Aufzeichnungen der zahlreichen Boardkameras (es gibt eine kurze Bemerkung, dass – wie jüngst auch von einigen wagemutigen Geschäftemachern für eine Mars-Expedition angekündigt – die Europa-Mission als Reality-TV ausgestrahlt wird), den Helmkameras der Astronauten bei den Außeneinsätzen und den Handkameras, die die Crewmitglieder für ihre persönlichen Aufzeichnungen verwenden (und eh einer fragt, ja, der Film erklärt, wie diese Aufzeichnungen letztlich zur Erde zurückgekommen sind. Und eh noch einer fragt, ja, der Film hat auch eine echte Auflösung des Mysteriums zu bieten.), unterbrochen von Kommentaren der wissenschaftlichen Leiter der Mission auf der Erde, die sich, mockumentarisch, sowohl zu den Vorgängen an Bord des Schiffes als auch dem wissenschaftlichen Hintergrund äußern (es wäre daher wohl angemessen, „Europa Report“ stärker als Mockumentary denn als Found-Footage-Film zu kategorisieren, da wir es eben nicht mit unkommentiertem „Rohmaterial“ wie bei „Blair Witch Project“ oder „Cloverfield“ zu tun haben). „Phantastisch“ im Wortsinne wird’s dann erst auf Europa, wenn dann wirklich eine fremde Bedrohung aufgebaut wird (die sich aber auch als zumindest biologisch plausibel versteht).

Hätte es dieser Stil sein müssen? Sicher nicht, er ergibt hier aber zumindest Sinn – es gibt eine Begründung dafür, dass Kameras vorhanden sind, und dadurch, dass es überwiegend automatische „Überwachungssysteme“ sind, fällt auch der „warum zum Geier FILMT der Idiot denn jetzt“-Faktor weg, der bei vielen anderen Genrevertretern die suspension of disbelief strapaziert, keine Einstellung des Films leidet unter dem Makel, dass es für sie *im Filmkontext* keinen vernünftigen Grund gäbe. Mehr als der Mockumentary-Stil (der im Übrigen auch nicht konsequent durchgehalten wird – es gibt einen ständigen Score) stört mich, dass der Film nicht linear erzählt wird. Ich bin durchaus ein Freund non-linearen Storytellings, aber nur dann, wenn’s sinnvoll ist. Linear erzählt wäre „Europa Report“ nicht *schnell*, hätte aber zwei Höhepunkte (den Unfall beim Weltraumspaziergang und dann eben die Europa-Landung) – in der vorliegenden Form schiebt der Film diese beiden Höhepunkte recht dicht zusammen. Die „Haupthandlung“ setzt nach dem Unfall ein und führt dann zur Landung hin, wird aber durch „Flashbacks“ zum Start der Expedition und quasi in einer Art Parallelhandlung zu den Ereignissen, die den Außeneinsatz erforderlich machen, dem Unfall und den unmittelbaren Nachwirkungen unterbrochen. Das ist dramaturgisch meines Erachtens nicht nötig – irgendwie habe ich das Gefühl, der Hauptgrund dafür ist, Sharlto Copley, nach dem Überraschungserfolg von „District 9“ und seiner dortigen star-making-performance, länger im Film zu haben…

Was haben wir sonst? Ein paar launige Referenzen an „2001“ (die beste ist es wohl, dass Mission Control der „Europa 1“ zum Start „An der schönen blauen Donau“ vorspielt), ein paar trotz allen Bestrebens um Richtigkeit durchgerutschte faktische Fehler (kein Astronaut würde einen Weltraumspaziergang ungesichert unternehmen, außerdem bleibt die geringe Schwerkraft Europas unberücksichtigt), gute visuelle Effekte (insbesondere das Design der Europa-Oberfläche, für das sich das Effekt-Team neben dem erwähnten Bild- und Kartenmaterial an Vergletscherungen orientierte, und das speziell durch den absolut ehrenhaften Versuch, korrekte Lichtverhältnisse abzubilden, überzeugt, ist angemessen fremdartig-unheimlich) und … mittelprächtige darstellerische Leistungen.

Neben Copley, der hier allerdings wenig von seiner natürlichen everyman-likeability aus „District 9“ einbringen kann, kann vor allem Michael Nyqvist („Millennium“-Trilogie, „Mission Impossible – Phantom Protokoll“, „Arn – der Kreuzritter“) überzeugen. Solide schwedische Schule, da macht man als Produzent heutzutage nix falsch. Christian Camargo („The Hurt Locker“, „Breaking Dawn“) und Karolina Wydra („True Blood“, und wahrscheinlich noch bekannter als Gregory Houses ukrainische Ehefrau Dominika) bieten durchschnittliche Schauspiel-Hausmannskost. Der gegen den Strich besetzte HK-Star Daniel Wu („New Police Story“, „Stadt der Gewalt“, „Legend of the Black Scorpion“, „The Man with the Iron Fists“) weiß als pragmatischer Kommandant der Expedition auch zu gefallen, doch ausgerechnet die letztlich zentrale Figur, bzw. deren Darstellerin Anamaria Marinca, die für Rollen in „Sex Traffic“, „Boogie“ und „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ mit Kritikerpreisen überhäut wurde, ist ein ziemlicher Totalausfall – schade, aber ihr kaufe ich diesen Charakter überhaupt nicht ab.

Bildqualität: 1.78:1-Widescreen (anamorph) ohne Fehl und Tadel (weil mein derzeitiges Arbeits-Notebook DVD-technisch etwas kippelig ist – das spielt allenfalls die Hälfte von dem, was ich ihm vorwerfe – musste ich auf Promo-Bilder zurückgreifen. Bitte um Verständnis).

Tonqualität: Deutscher (Dolby 5.1., dts 5.1) und englischer (Dolby 5.1) Ton. Die deutsche Tonspur ist absolut sauber, wird aber nicht vor unüberwindliche Probleme bestellt, da der Film schlicht keine Effekt- und/oder Musikgewitter abbrennt.

Extras: Ein Making-of, das sich leider nur auf die VFX bezieht, Fotogalerien mit Filmszenen und behind-the-scenes-Aufnahmen, Biographien für die wesentlichen Beteiligten, Trailer, Posterartworkgalerie sowie in Texttafelform einiges an wissenschaftlichem Background über die Jupitermonde.

Fazit: Natürlich ist „Europa Report“ nicht „2013 – Odyssee im Weltraum III“ – aber ich begrüße prinzipiell erst mal jeden Film, der das Sci in „SciFi“ wieder etwas stärker in den Vordergrund rückt. Ob man sich mit dem dokumentarischen Stil anfreunden kann, ist Geschmackssache – es passt hier sicher besser als zu manch anderem Genrevertreter, wäre jedoch m.E. nicht zwingend notwendig gewesen. Wer Freude an ernsthaftem, realistischen Weltraumabenteuer hat und sich von der Stilwahl nicht abschrecken lässt, sollte mal reinkucken – es ist bei leichten Macken trotzdem ein irgendwie angenehm „old-schooliger“ SF-Film im neumodischen Gewand, der wohl wirklich ein schönes double feature mit „Gravity“ abgeben könnte…

3/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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