Escape the Past

 
  • Deutscher Titel: Escape the Past
  • Original-Titel: The Veteran
  •  
  • Regie: Sidney J. Furie
  • Land: USA/Kanada
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Bobby Hosea (Raymond Watson), Ally Sheedy (Sara Reid), Michael Ironside (Mark „Doc“ Jordan), Colin Glazer (Dennis McBride), Sean Beak (Huang), Jim Codrington (Cooper), Donald Burda (MacDonald), Casper van Dien (Capt. Ramsey), Martin Kove (Father Brazinski)


Vorwort

Ein anonymer Brief bringt eine Organisation zur Aufspürung „vergessener“ Kriegsgefangener in Vietnam auf den Plan. Sara Reid und Raymond Watson reisen nach Ho-Chi-Minh-Stadt, um der Sache auf die Spur zu gehen. Für Raymond soll die Reise auch persönlich „closure“ bringen – er ist mittlerweile Priester geworden und gilt als aussichtsreicher Kandidat für einen Sitz im Kongress, aber er hat seinerzeit eine Frau und ein Kind in Saigon zurückgelassen. Der Besuch bei der Ex ist unerfreulich – sie will, was man irgendwo verstehen kann, nichts mehr von ihm wissen.
In seinem Hotelzimmer, wo er nun eigentlich gepflegt Trübsal blasen will, wartet jedoch Besuch – es ist der anonyme Briefeschreiber, der so einiges aus Rays Nam-Vergangenheit kennt, doch es braucht einiges gemeinsames Schürfen in Erinnerungen, bis bei Ray der Groschen fällt: Sein mit Pistole bewaffneter und zu gewissen Zornesausbrüchen neigender Gast ist niemand anderes als sein alter Kriegskumpel Doc, damals während einer Schlacht „missing in action“ gegangen. Sara, die mit einigen Ermittlern, die sie für CIA-Agenten hält, die angespannte Unterhaltung mithört, glaubt Docs Geschichte, er habe sich, nachdem sein Gefangenenlager einfach aufgelöst wurde, in Vietnam irgendwie durchgeschlagen, aber keine Hilfe erhalten, zwar, aber noch weiß niemand, was er eigentlich will. Ray muss erkennen, dass Doc sich persönlich von ihm im Stich gelassen fühlt. Will er sich für das erlittene Leid rächen? Oder möchte er doch nur mit Rays Hilfe Greueltaten der Army an die Öffentlichkeit bringen? Wie so oft kommt alles anders, als man denkt…


Inhalt

Ach ja, Vietnam. Das amerikanischte aller Traumata lässt die Filmemacher einfach nicht ruhen, und schon gar nicht Action-Altmeister Sidney J. Furie („Der stählerne Adler“). Dem fiel es 2006 bei, für’s amerikanische Fernsehen ein weiteres Mal aufzuarbeiten, was in Südostasien denn damals so passiert ist. It just never gets old.

Ungewöhnlich, speziell für Furie, ist allerdings die Herangehensweise. „The Veteran“ (hierzulande gar nicht mal so völlig unclever „Escape the Past“ betitelt) kommt uns nicht als reaktionäre „Wir-gewinnen-den-Krieg-noch-nachträglich“-Orgie oder Politthriller, sondern als kammerspielartiges companion piece zu Furies früherem (und selbstverständlich hier besprochenen) Going Back, zu dem – abgesehen von einem noch zu würdigenden gewaltigen „aber“ – jedoch keine inhaltlichen Zusammenhänge bestehen, „The Veteran“ erzählt eine eigenständige Geschichte. Zwei Männer suchen den Abschluss ihrer persönlichen Vietnam-Tragödie (freilich aus völlig unterschiedlichen Perspektiven), es geht, wie nicht anders zu erwarten, um Schuld, Verantwortung, erhoffte Absolution.

Furie und seine Drehbuchautoren John Flock („Fortress 2“) und J. Stephen Maunder („TC 2000“, „Expect No Mercy“) – Experten für Feinsinniges allenthalben – behandeln den Stoff daher größtenteils tatsächlich als Zwei-Personen-Kammerspiel: der überwiegende Teil der Handlung spielt sich in Rays Hotelzimmer ab, wo die beiden Veteranen ihren Erinnerungen nachgehen und, zumindest Ray, herauszufinden versuchen, was der andere nun eigentlich genau will. Das ist, auch dank noch zu würdigender achtbarer schauspielerischer Leistungen und einem Thema, das, wenn man es tiefschürfend aufarbeitet, einiges hergibt, durchaus auch in der Form denkbar, allerdings haben die Autoren dann doch zu wenig an echtem abzuhandelnden Plot, weswegen sie sich zweier Kunstgriffe bedienen. Zum einen bauen sie massenweise Flashbacks in die gemeinsame Vietnam-Zeit der Protagonisten ein – vermeintlich „zufällige“ Episoden, von Kampfhandlungen über das Kennenlernen von Ray und seiner einheimischen Freundin, der „Entjungferung“ des jungen Doc Jordan bis hin zu Kriegsverbrechen der Amerikaner und der Entscheidungsschlacht, in der Doc „verloren“ ging, da baut sich trotz der zunächst willkürlich erscheinenden Auswahl der Rückblenden eine gewisse Dramaturgie auf, die sich speziell auf das Vertrauensverhältnis Doc/Ray kapriziert (bzw. kaprizieren soll).
Zum anderen entwickelt sich die Parallelhandlung um Sarah und ihre Mitarbeiter – Sarah vermisst selbst ihren Vater in Vietnam, was ihr von Seiten der von ihr als CIA-Agenten ausgemachten Ermittler natürlich als emotionaler Schwachpunkt ausgelegt wird, dieweil Sarah – vorgeblich – befürchtet, die CIA würde die Spur nicht ernsthaft verfolgen wollen (bis es folgerichtig zur dramatischen Schlusswendung kommen kann. EXTREMSPOILER: Gelackmeiert sind die CIA-Agenten, denn Sarah gehört ihrerseits der NSA an, und die protegiert im Auftrag der Regierung den potentiellen zukünftigen Präsidenten Raymond, der demzufolge in keiner Weise mit etwaigen Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht werden darf. EXTREMSPOILER ENDE).

Mit diesem Dreifachstorykonstrukt kommt Furie recht gut über die Runden. Der Kniff der Rückblendentechnik erlaubt es ihm stets, in einen Flashback zu schalten, droht das Prozedere zu dialoglastig zu werden, andererseits muss er sich dank der recht „freien“ Anordnung der Flashbacks keine großen Sorgen um den Zusammenhalt der beiden Erzählebenen machen. Da sich die Haupthandlung quasi in „Echtzeit“ abspielt, kann auch in Sachen Logik nicht viel anbrennen – zwei Gründe zum Meckern fielen mir ein: Warum bringt Doc zur Aussprache eine Knarre mit? Ray ist doch eh seines Briefes wegen hier und wird sich mit dem alten Kriegskumpel doch auch ohne vorgehaltene Pistole unterhalten wollen. Und wieso kapiert Ray nicht, wen er vor sich hat, bis Doc es ihm quasi ausbuchstabiert, dreißig Jahre hin oder her? Einer der CIA-Agenten, der als Zimmerkellner getarnt zu den beiden vordringt, identifiziert Doc anhand eines über dreißig Jahre alten Fotos ohne Ansatz eines Zweifels, aber Ray, der mit ihm gedient hat, braucht quasi die Vorlage von Personalausweis und Geburtsurkunde? Gut, er ist mittlerweile Priester (Evangele zwar…) und Politiker, in beiden Jobs gehört selektives Vergessen zum Handwerk.

Der Kompromiss, das Kammerspiel durch die Kriegs- und Actioneinlagen aufzubrechen, bringt dann auch ordentlich Tempo in die Bude. Sicherlich ist die Sache nicht so spannend, wie Furie sich das vielleicht vorstellt (weil trotz aller zeitweiligen Intensität der Dialogsequenzen zwischen Ray und Doc lange Zeit nicht wirklich deutlich wird, wohin die Geschichte auf dieser Ebene will, und auf der anderen Seite ahnen wir, dass das Geheimdienstspiel noch für Ungemach sorgen wird), aber es wird nicht langweilig. Furie mag nicht unbeding ein Spezialist für Großes Drama (TM) sein und mit den Mitteln eines preiswert produzierten Fernsehfilms lässt sich eben auch optisch nur *so* viel anfangen. Die Flashbackszenen hingegen sind ein Stück größer produziert, sicher nicht auf der Stufe mit den großen Epen wie „Platoon“, aber auf passablem B-Film-Niveau, aber… aber wieso kommen mir diese Sequenzen so verteufelt bekannt vor? Und Casper van Dien, den hab ich doch schon mal in einem Vietnamfilm gesehen…. *grübel*

Des Rätsels Lösung ist so schwer dann nicht – auch wenn man sich zunächst die Option offenhalten darf, unsere Freunde von MIB/Best hätten mal wieder mit Umtitulierung und Repackage einen alten Heuler neu auf den Markt geschmissen, den man schon vor fünf Jahren vom Grabbeltisch mitgenommen und dann wieder vergessen hat, liegt die Sache dann doch anders. Sid Furie, der alte Sparfuchs, behalf sich einfach damit, großflächig seinen schon erwähnten „Going Back“ zu plündern (der ja ebenfalls schon mit der „wir-erzählen-zur-Hälfte-in-der-relativen-Gegenwart-und-zur-Hälfte-in-Rückblenden“ arbeitete), sprich, alles, was in der „Filmvergangenheit“ passiert, kennt der geneigte Allesseher bereits aus „Going Back“ (lustigerweise halte ich „The Veteran“ trotzdem für den etwas besseren Film). Bobby Hosea, einziger Akteur, der in beiden Filmen amtiert, hatte eh nix anderweitiges zu tun (gut, wie schon bei „Going Back“ gibt’s ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem, was das Alter der Figuren angeht. Entweder ist er in der „Gegenwart“ zu jung oder in den Flashbacks zu alt. Im wahren Leben war Hosea zum Drehzeitpunkt 51, aber er sieht halt in den Rückblenden – die er im zarten Alter von 46 spielte – nicht aus wie Mitte/Ende 20, was er maximal sein dürfte. Es ist nicht so frappant wie bei van Dien in „Going Back“, dem man den Altersergrauten nun wirklich nicht abkaufen konnte, aber man merkt’s).
Dramaturgisch macht sich dieser Patchwork-Job vor allem dadurch bemerkbar, dass die entscheidende Szene (die, auf die die Flashbacks und auch das Gespräch der Veteranen hinläuft) mangels Verfügbarkeit einer entsprechend klaubaren Szene nur durch einen close-up auf Ray und ein wenig Krakeelen von off-screen gelöst werden kann. Das ist fast ein bisschen wie ein Porno, der vor dem money shot wegblendet (ein ähnliches Problem gibt’s mit der „Kriegsverbrechen“-Szene… die „Going Back“-Footage bietet dahingehend nicht wirklich aufregendes, so dass Docs emotionaler Stress deswegen übertrieben erscheint)…

Damit der Kram dann auch im TV laufen kann, ist die Flashback-Footage dann auch noch beinahe steril unblutig, aber, wie auch schon im „Going Back“-Review angemerkt, der betriebene Aufwand ist durchaus vertretbar. Der Score ist unauffällig, aber praktikabel.

Die beiden Hauptakteure leisten durchaus beachtliches – Bobby Hosea und Michael Ironside (der nur im neuen Material agiert, so dass diejenigen, die auf ein Wiedersehen von Ironside und van Dien unter Gefechtsbedingungen hoffen, enttäuscht werden) spielen sich die Bälle durchaus gepflegt zu. Hosea („Independence Day“, „Pensacola – Flügel aus Stahl“, und insgesamt Spezialist für Marines und ähnliche harte Burschen) gibt den zurückgenommenen, leise emotionalen Part, während Ironside („Starship Troopers“, „Total Recall“) aus seinem Schauspielerherzen keine Mördergrube macht und den Gefühlsregungen seines Charakters freien Lauf lässt – manchmal hart an der Grenze zum Overacting, aber da seine Figur ja durchaus nicht mehr alle Steine auf der Schleuder hat, passt das durchaus und bietet insgesamt einen hübschen Kontrast zum nüchternen Hosea (dass Ironside mitnichten so aussieht, als könnte er dreißig Jahre jünger mal ausgesehen haben wie Austin Farwell, der die Doc-Rolle in „Going Back“ spielt, lassen wir mal elegant außen vor).
Ally Sheedy („Shelter Island“, „The Breakfast Club“, „Nummer 5 lebt“, „Fear“), name actor Nr. 3 im Cast (und wenn man rein nach den Größen der Rollen in den großen Filmen geht, wohl eigentlich „Topstar“), hat in der Rolle der Sarah nicht arg viel zu tun als ein wenig verbal mit den CIA-Typen zu rangeln – eine unauffällige Performance, für die man nicht unbedingt einen „Star“ dieses Kalibers gebraucht hätte, aber die Sheedy ist nunmal auch nicht mehr so dicke im Geschäft und nimmt daher dann auch mal eine weitgehende Nullitätenrolle in einem kleinen Fernsehfilm an.
Caspar van Dien erscheint, wie gesagt, nur in der stock footage (ist aber wenigstens der einzige aus dem Archivmaterial, der zumindest im Vorspann kreditiert wird. Der Nachspann schweigt sich über die Aktiven aus „Going Back“ völlig aus). In der „Going Back“-Footage gibt sich auch der altgediente B-Recke Martin Kove (als Kompaniepfarrer) die Ehre.

Bildqualität: MiB bringt den Streifen in solidem 1.85:1-Widescreen (anamorph). Das Bild ist frei von Störungen oder Verschmutzungen, der Kontrast ist ebenso okay wie die Kompression und die Farben, das Bild scheint mir einzig auf der etwas weichen, unscharfen Seite zu sein. Nicht schlimm, aber schon zu bemerken.

Tonqualität: Passable (wenn auch nicht wirklich *gute*) deutsche Synchro (die wie üblich in Sachen Score und Soundeffekte arg runtergeretelt wurde) und gut verständlicher, solide abgemischter englischer O-Ton, jeweils in Dolby 5.1.

Extras: Immerhin ’ne Bildergalerie.

Fazit: Theoretisch müsste ich mich ärgern, weil ich den halben Film schon gesehen habe (und dann auch quasi im gleichen Kontext, auch in „Going Back“ folgten die Flashbacks nur ansatzweise einer eigenen, internen Dramaturgie), praktisch aber, ich hab’s oben angedeutet, gefiel mir „The Veteran“ doch ein wenig besser als sein „Organspender“. Für meinen Geschmack fügt sich die Kriegs-Footage hier harmonischer in das Gespräch der beiden älteren Herren, die über gemeinsame Zeiten an der Front schwadronieren, ein als in die weitschweifigere dramatische Story des „Originals“. Als vergleichsweise leise, eher pessimistische Aufarbeitung des Vietnamkriegs einen Blick wert, wer „Going Back“ aber schon hat oder kennt, sollte überlegen, ob er die Hälfte des Streifens (und eben noch dazu die Kriegs- und Actionhälfte) noch mal in seiner Sammlung braucht.

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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