Errors of the Human Body

 
  • Deutscher Titel: Errors of the Human Body
  • Original-Titel: Errors of the Human Body
  •  
  • Regie: Eron Sheean
  • Land: Deutschland/USA/Australien
  • Jahr: 2012
  • Darsteller:

    Michael Eklund (Geoffrey Burton), Karoline Herfurth (Rebekka Fiedler), Tomas Lemarquis (Jarek Novak), Rik Mayall (Samuel Mead), Caroline Gerdolle (Sarah), Yusuke Yamazaki (Chiba), Ulrich Meinecke (Waldemar)


Vorwort

Dresden ist für den amerikanischen Mikrobiologen Geoffrey Burton eine Art Notausgang – der Wissenschaftler widmete sich nach dem Tod seines Sohnes aufgrund einer extrem seltenen Gen-Mutation (so selten, dass sie nach Burton benannt wurde) dem Gebiet pränataler Gendiagnostik und wurde ob der Kontroversen um dieses Thema und dem starken Einfluss christlich-konservativer Kräfte in den USA elegant – durch Kürzung seiner Mittel – vom Hof gemobbt.
Nun soll er das Renomée des ostdeutschen Instituts, dem Samuel Mead vorsteht, aufpeppen. Es reißen sich auch gleich zwei Kollegen um seine Expertise – der undurchsichtige Jarek Novak, der davon träumt, z.B. Moskitos so genetisch zu modifizieren, dass sie anstatt Malaria einen Malaria-Impfstoff verbreiten (die Idee ist so gut, dass ich mich mit Jarek wundere, warum Geoffrey sie offenkundig für unethisch bis wahnsinnig hält), und Geoffs ehemalige Praktikantin und Geliebte Rebekka Fiedler – die hat nicht nur für Geoffreys Verpflichtung getrommelt, sondern würde ganz gerne austesten, ob die einst abgebrochene Beziehung nun, nachdem Burtons Ehe kaputt ist, wieder aufgenommen werden kann.
Der Doc nach jedem Arbeitstag
Nach Steve Jobs‘ Abgang wurden die Apple-Keynotes zunehmend langweiliger.

Zunächst aber wird geforscht – Rebekka experimentiert mit Axolotls (man unterrichte Helene Hegemann), amphibischen Molchen, die über erstaunliche Regenerationskräfte verfügen. Sie können beschädigte Organe bis hin zu Herz und Hirn funktionsfähig wiederherstellen. Rebekka hat eine Genmutation entdeckt, die diese Regenerationsfähigkeiten um ein Vielfaches beschleunigt – ließen sich diese Ergebnisse auf Säugetiere (vulgo Menschen) übertragen, gehörten Krankheiten wie Krebs (und z.B. die Mutation, an der Geoffreys Sohn starb) der Vergangenheit an. Leider steckt Rebekkas Arbeit seit Monaten in einer Sackgasse (worauf Jarek nicht ganz unhämisch hinweist).
Eines Nachts bemerkt Geoffrey, dass ein Mitarbeiter Jareks Gewebeproben aus Rebekkas Labor entwendet und in ein „Geheimlabor“ schafft, in dem Jarek an weißen Mäusen herumexperimentiert. Geoff klaut die Probe zurück und eignet sich auch noch eine der Versuchsmäuse an, die ihn prompt beißt.

Als Geoff Jarek zur Rede stellt, kommt es zu einem Handgemenge, bei dem der fiese Jarek klar den Längeren zieht. Der ramponierte Geoff landet wenigstens in Rebekkas Bett – doch als er feststellt, dass seine Kampf-Verletzungen unnatürlich schnell verheilen, entwickelt er rasch eine zünftige Paranoia. Haben Jarek und Rebekka ihn tatsächlich mit voller Absicht als Versuchskaninchen missbraucht?


Inhalt

Genre-Kost (zumindest teilweise) aus Deutschland? Ihr wisst, sowas will ich seit Jahren gut finden, und hab‘ dabei meistens nur wenig Freude dran. Unternehmen wir mal einen neuen Versuch, auch wenn die deutsche Beteiligung sich letztlich auf den Drehort, die Filmförderung und einige Darsteller beschränkt (und der Coverblurb „erinnert an Cronenberg!!“ zur Vorsicht mahnt).

Kreativ zuständig für das Werk mit dem sperrigen Titel „Errors of the Human Body“ ist Eron Sheean, unsereins aufgefallen bislang durch die Beteiligung am Drehbuch des Weltuntergangsthrillers „The Divide“, der vor zwei Jahren auf dem FFF lief und mir trotz einiger Schwächen ganz gut gefallen hatte. Sein hiesiger Co-Autor Shane Danielsen adaptierte zuletzt den Roman „The World Made Straight“ von Ron Rash für die große Leinwand.
Mit dem hiesigen Script verarbeitete Sheean Eindrücke und Ideen, die er als „Artist in Residence“ an einem realen Dresdner Forschungsinstitut gewann (in der Tat sind nämlich die in freier Wildbahn bedrohten, da nur an einem Ort in Mexiko vorkommenden Axolotls nicht nur beliebte Aquariums-Haustiere, sondern ihrer real verblüffenden Regenerationsfähigkeiten ebenso beliebte Forschungsobjekte). Diese Forschungen, kombiniert mit dem gesellschaftlich heißen Eisen der pränatalen Diagnostik (von Hardlinern aus Eugenik, also Aussortierung „wertlosen“ Lebens verstanden), könnte schon einen packenden „Biotech-Thriller“ (nach Ansicht von Distributor Pandastorm heutzutage ein eigenes Genre. Huch!) abgeben.

Funktioniert die Sache dann auch? Naja, teilweise. Die Story selbst, die aus dem Techno-Thriller zum Schlussakt hin die Wendung zum Paranoia-Verschwörungs-Plot nimmt, ist durchaus clever (und der Twist, der obligatorischerweise kommen muss, ist mal wirklich fies), leidet aber unter zwei Hauptproblemen – Charakteren und Pacing. Es dauert schon mal gut 35, fast 40 Minuten, bis „Errors of the Human Body“ die Geschichte, die er erzählen will, gefunden hat. Ich hab nichts gegen Filme, die sich auch mal Zeit lassen – allerdings ist die Auftaktphase ein wenig ermüdend, weil die Figuren nicht sonderlich zugänglich sind (dazu gleich noch ein paar Worte), zum anderen entwickelt der Film danach zwar eine gewisse Zwangsläufigkeit, nimmt aber immer wieder ein paar ziellos herummäandernde Abzweigungen, die weniger dramaturgischer Notwendigkeit als scheinbar dem Willen, jetzt auch noch ein künstlerisches Statement mit großem K setzen zu müssen, geschuldet sind (so z.B. schleppt Rebekka Geoff auf eine Kostümparty, wo er die Schlägerei mit Jarek haben wird. Rebekka geht als Axolotl, Geoff wird von ihr als Tod geschminkt; später gibt es ein Segment, in dem Geoff Unterschlupf in einer alten Fabrikhalle sucht und dort vom Hund eines schlafenden Penners beobachtet wird – sicher auch symbolisch für dieses oder jenes, aber dramaturgisch nicht sonderlich zielführend).

Gut gelöst ist dagegen, wie der Film mit Geoffs „finsterem Geheimnis“ (logo, dass er eins hat) umgeht – aus Telefonaten, die er mit seiner Ex (oder ihrem Anrufbeantworter) führt und Flashbacks ergibt sich langsam ein Bild, das erst mit der buchstäblich letzten Zeile Dialog im Film vervollständigt wird (und den erwähnten bösen Twist ergibt). Das ist geschickter, sinnvoller Einsatz von Rückblenden.
Weniger gut ist dagegen, dass die Charaktere, wie erwähnt, schwer zugänglich sind – das mag z.T. durchaus vom Script gedeckt sein (Geoff selbst z.B. hat zu viel mtigemacht, um noch Wert darauf zu legen, irgendjemandem sympathisch zu sein) und z.T. an der Schauspielerei liegen (ich werde unten noch darlegen, wen ich damit speziell meine), aber Filme haben immer ein Problem, wenn ihre offenste, zugänglichste und sympathischte Figur die ist, die wir für den „Schurken“ halten sollen (Jarek mag nervig und aufdringlich sein, ist aber auch voller enthusiastischer Begeisterung für das, was er tut bzw. erreichen will).

Dieweil Regiedebütant Sheean sein Handwerkszeug beherrscht – Kameraführung und Schnitt mögen sich dem bedächtigen Tempo des Scripts anpassen, befinden sich aber stets auf gutklassigem Niveau -, sind ein paar seiner künstlerischen Entscheidungen überdenkenswürdig. Im Klartext: „Errors of the Human Body“ ist ein extrem kalter, abweisender Film. Neonfarben und klinisches Weiß dominieren (selbst in vergleichsweise „emotional“ gemeinten Szenen wie in Rebekkas Wohnung), der einzige Kontrast zu der Sterilität und Anonymität (vom Campus-Appartment im Knastlook, das Burton bewohnt, über die endlosen Korridore des Instituts selbst etc. – da passt selbst die Kostümparty gut ins „Thema“) ist Verfall und Schmutz leerstehender Ruinen und abgeranzter siffiger Unterführungen (Kenner könnten jetzt schulterzuckend „nja, is halt Dresden“ sagen…).
Natürlich steckt da viel Symbolik für den „Abstieg“ Burtons aus seinen geordneten, sauberen Lebensverhältnissen in das paranoide Chaos drin (und ebenso natürlich wird einem Filmemacher dieser Kontrast in Ostdeutschland ja frei Haus serviert), doch es wird insofern zu einem Problem, als dass dem Film jegliche Wärme abgeht, es gibt keinen emotionalen Anker, an dem sich der Zuschauer festhalten kann, keine Figur, keine Location, keine Farbe, die irgendetwas erfreuliches, positives zu versinnbildlichen scheint (um den Coververgleich aufzugreifen, das ist dann weniger Cronenberg, der nur selten Probleme damit hatte, zugängliche Charaktere in den Mittelpunkt seiner Filme zu stellen, sondern erinnert stärker an Dystopisches wie „THX 1138“, in dem die Ent-Emotionalisierung quasi Programm ist). Der Film versucht diese Bindung über Burtons Background (kaputte Ehe, totes Kind) herzustellen, übersieht aber dabei, dass gerade dadurch ja Geoffrey zu einem gefühlskalten, sperrigen Charakter geworden ist, der es nicht leicht macht, mit ihm zu sympathisieren (und ich nehme zumindest an, dass wir „auf seiner Seite“ sein sollen).

Ein paar Mutations-Make-up-Effekte (von Kristyan Mallett, der bei „Harry Potter“, „Kampf der Titanen“ und „Fluch der Karibik – Fremde Gezeiten“ Prosthetics bastelte) und ein bisschen Versuchstiere-Quälen rechtfertigen die FSK-16-Freigabe.
Gefällig ist der minimalistisch-elektronische Score von Anthony Pateras („Wolf Creek“, „Rogue – Im falschen Revier“).

Nun zu den Akteuren. Der Kanadier Michael Eklund hat sich langsam vom Bit-Part- und Uwe-Boll-Nebendarsteller („Seed“, „Postal“, BloodRayne II: Deliverance) hochgearbeitet. Er war schon bei „The Divide“ dabei und scheint momentan einer der Go-To-Guys für Filme des WWE Studios zu sein („The Marine 3“, „The Call“, „See No Evil 2“). Eklund ist ein eher kantiger Darsteller, den ich persönlich eher in Rollen eines Second-Tier-Bösewichts (wie im allerdings insgesamt eher tranigen „Marine 3“) denn der eines „leading man“ sehe. Er hat ein gewisses Charisma, eine undefinierbare Screenpräsenz, aber die passt im hiesigen Fall stärker auf den verwirrten Paranoiker des Schlussaktes denn auf den sachlich-kühlen Wissenschaftler der ersten beiden Akte (das ist in kleinerem Rahmen so ähnlich wie das Jack-Nicholson-in-„Shining“-Problem).
Richtig gut als sowohl leutselig-aufdringlicher wie auch bedrohlich-undurchsichtiger Jarek ist Tomas Lemarquis, für den „Errors of the Human Body“ wohl den bislang größten Auftritt darstellt – einem TV-Publikum könnte er dank einer größeren Rolle in dem Ulrike-Folkerts-Tatort „Der Wald steht still und schweiget“ aufgefallen sein.
Recht positiv überrascht hat mich der britische Anarchokomiker Rik Mayall (Whoops Apocalypse, Shock Treatment) in einer völlig ernsthaften Rolle (jeglicher selbst auch nur auflockernde Humor geht dem Film völlig ab), aber für eine Person muss ich mir einen Extra-Absatz vorbehalten.

Karoline Herfurth. Ja, es ist womöglich unfair, wenn ich an einer am Rande deutschen Produktion nun ausgerechnet an der wesentlichen teutonischen Beteiligung herummäkele, aber… Karoline Herfurth nervt. Gewaltig.
Ich weiß nicht, woran das liegt, dass mich die meisten aufstrebenden deutschen Jungschauspielerinnen aufregen, vielleicht züchten die Klonlabore der Schauspielschule einfach einen Typus, der mir die Fußnägel aufkräuselt. Was eben z.B. die Herfurth hier vom Stapel lässt, hat für meine Begriffe als Drittliga-Aushilfsrezensent mit „Schauspielerei“ (d.h. ich versetze mich in einen Charakter und handele und agiere so, wie es dieser Charakter im „echten Leben“ tun würde) nichts zu tun. Ob’s daran liegt, dass sie auf Englisch spielen muss oder weil sich Jungschauspielerinnen von Regisseuren nichts erzählen lassen und aus Prinzip jede „Rolle“ als „sie selbst“ spielen, egal ob’s ein Tamponwerbespot, ein Shakespeare-Drama oder ein Biotech-Thriller ist – ich kaufe ihr keine Sekunde lang die minirocktragende Superwissenschaftlerin ab und bin persönlich von ihrem Dialog-Delivery angepisst. Ichversuche malinschriftlicher Formzusimulierenwie dieHerfurthindie semFilmredet – so „hören“ sich beide Sprachfassungen an; die Herfoth „spricht“ für mich nicht, sie plappert. Und mit Ausnahme der Gefühlslage „tränenreiches Geständis“ in jeder Situation von „freundliche Begrüßung“, „leidenschaftliche Ekstase“ über „wissenschaftliche Sachlichkeit“ bis „aufgeladener Rauswurf“. Damit gewinnt man womöglich Filmpreise (aber die „seriöse“ deutsche Filmkritik hat ja nur selten mit „für ein breites Publikum erträglich“ zu tun), aber nicht das Wohlwollen Schreibers dieser Zeilen. Und ich hab tatsächlich noch „Wir sind die Nacht“ ungesehen hier rumliegen…

Bildqualität: Da gibt’s bei einem aktuellen Pandastorm-Release nichts zu kritteln. Ausgezeichnetes 1.85:1-Widescreen-Bild (anamorph) ohne Defekte oder Verschmutzungen, mit sauberem Kontrast und ausgezeichneter Schärfe. Die kühl-sterilen Neonfarben kommen gut rüber.

Tonqualität: Deutscher Ton in DTS 5.1 und Dolby 5.1, englischer O-Ton in Dolby 5.1. Die deutsche Synchronfassung ist sowohl von den Sprechern als auch vom Mix gefällig. Untertitel gibt’s auf Deutsch und Englisch.

Extras: Trailer, Trailershow und ein Interveiw mit dem Regisseur, das seltsamerweise visuell so gestaltet wurde, dass ein animatronisches Monster eine animatronische Maus befragt… mussmanichverstehn…

Fazit: Thematisch brisanter und interessanter Thriller, dessen Schwenk vom Techno- zum Paranoia-Thrill man vielleicht nicht in letzter Konsequenz mitgehen kann und der ein bisschen sehr unter seinen sterilen Kälte leidet; das Thema gibt natürlich eine gewisse Eiseskälte vor, doch der ein oder andere auflockernde Moment oder auch nur ein wirklich „greifbarer“ Charakter hätten nicht geschadet. Für Freunde des medizinisch-wissenschaftlichen Thrillers trotz des bedächtigen Erzähltempos allemal einen Blick wert, trotz Karoline Herfurth (die man allerdings in ihrem Axolotl-Kostüm mal gesehen haben sollte).

3/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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