Er kam nur nachts

Farbenfrohes Cover von Er kam nur nachts mit einer Hand, in deren geballter Faust ein Auge schaut, einem Paar, einem kauernden Dämon mit Hörnern und einer unruhig schlafenden Frau  
  • Deutscher Titel: Er kam nur nachts
  • Original-Titel: The Night Walker
  • Alternative Titel: The Dream Killer |
  • Regie: William Castle
  • Land: USA
  • Jahr: 1964
  • Darsteller:

    Barbara Stanwyck (Irene Trent), Robert Taylor (Barry Moreland), Hayden Rorke (Howard Trent), Lloyd Bochner (Mann in Irenes Träumen), Judith Meredith (Joyce Holliday)


Vorwort

Der blinde Wissenschaftler Howard Trent ist genauso vermögend wie misstrauisch, vor allem seiner schönen Frau Irene gegenüber. Dies teilt er in einer persönlichen Unterredung auch seinem Rechtsanwalt Barry Moreland mit, um sogleich auch ihm selbst auf den Zahn zu fühlen, denn sein erster Verdacht fällt auf seinen engsten Vertrauten (wie das ja immer ist, fragt mal John Travolta in THE PUNISHER). Im Anschluss an dieses unangenehme Gespräch trifft er auf Irene, der die Gesamtsituation sichtlich unangenehm ist, und konfrontiert sie mit dem Verdacht ihres Mannes, worauf sie Moreland genüsslich damit aufzieht. Als die Häme der vermeintlichen Ehebrecherin abebbt, erzählt sie Moreland davon, dass sie zwar keine Affäre habe, aber des Nachts das Gefühl von einem Mann vor dem Fenster beobachtet zu werden, aber sich nicht sicher sei, ob sie dies nur träumt. Als der Anwalt das Haus verlässt, schließt sich der Kreis, und Howard schimpft auf seine Frau ein, von der er glaubt, dass sie sich noch heute Nacht mit ihrem Geliebten treffen wolle, was dann in Handgreiflichkeiten seinerseits ausartet. Als Irene sich tief verletzt zurückzieht, qualmt es plötzlich aus dem Labor des blinden Genies. Howard will nachsehen, was dort vorgeht… ich meine, er will mit den Vorkommnissen auf Tuchfühlung gehen. Doch das soll er nicht überleben.

Am nächsten Tag ist dort, wo das Labor war, nur noch Verwüstung und ein etagenübergreifender Durchbruch im Form eines großen Loches in den Holzdielen. Der ermittelnde Kommissar empfiehlt Irene verständlicherweise, dieses Zimmer am besten nicht mehr zu betreten und versiegelt es mit einem dicken Vorhängeschloss (ich frage mich schon die ganze Zeit, was aus dem Raum darunter, der jetzt ein großes Loch in der Decke aufweist geschehen ist; der Film gibt darüber auf jeden Fall nicht Aufschluss). Doch die Witwe kommt seinem Rat nicht nach und betritt das Zimmer des Unglücks, aus dem wieder Nebel dringt, um dort von ihrem tot geglaubten und nun durch Verbrennungen entstellten Ehegatten überrascht zu werden – zum Glück alles nur ein Alptraum. Für Irene Grund genug, sich hier nicht mehr geborgen und zu Hause zu fühlen (sofern sie dieses Gefühl je dort gehabt hatte), also will sie das alte Haus schnellstmöglich verkaufen. Allerdings kriegt sie von Moreland beigepult, dass dies nicht so schnell möglich sei, da die Erbschaft sich noch in der Abwicklung befinde. Trotzdem zieht sie vorerst in die Wohnung über ihren Schönheitssalon. Und während sie dort von der jungen Angestellten Joyce umsorgt wird, fühlt sie vorsichtig bei Moreland nach, wie es um seine Gefühlslage ihr gegenüber bestellt ist. Aber auch der Mann aus ihren Träumen kehrt zu ihr zurück, dieses Mal als ungleich real wirkende Manifestation, um sie für sich zu beanspruchen. Schon bald kann Irene kaum noch zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden…


Inhalt

Setzte William Castle in seinen Genrefilmen davor auf seine berühmten Gimmicks (etwa eine Lebensversicherung, die man vor dem Film abschließen konnte, bei MACABRE (1958) oder einer Warnung im Film vor dem schockierenden Ausgang von MÖRDERISCH (1961)), verzichtete er darauf bei ER KAM NUR NACHTS (was übrigens eine sehr geschmeidige Abwandlung des Original-Titels THE NIGHT WALKER darstellt). Das war wohl schon ein schlechtes Omen und tatsächlich floppte der Film damals, trotz ansprechender Kritiken, an den Kinokassen.

Dennoch trägt ER KAM NUR NACHTS mit einem verschwurbelten Vorspann, in dem eine Frau durch ihren Traum fliegt, wo Dämonen warten und Augen sie beobachten, der Exzentrik Castle Rechnung. Das Ziel des Filmemachers ist es sicherlich gewesen, den Zuschauer zu verwirren, für Desorientierung zu sorgen. Denn der Vorspann verspricht surrealen Horror mit jenseitigen Wesen und etabliert schon vor dem eigentlichen Beginn die Paranoia der Protagonistin. Das ist ein interessanter Schachzug, was dafür sorgt, dass der Film sich nach kurzer Exposition ganz auf den Albtraum, in dem sich Irene scheinbar schon länger befindet, konzentrieren kann. Castle ist da dann auch ganz Routinier und kennt die Kniffe, dräuendes Unheil anzukünden und eine entsprechende, gerade auf Irenes Erlebnisse bezogen, irreleale Stimmung heraufzubeschwören, was über weite Strecken den Zuschauer zu vereinnehmen weiß. Das gipfelt im Mittelteil schließlich in einer großartigen Sequenz einer Albtraum-Hochzeit zwischen Irenen und ihrem unbekannten Verehrer, die zum unheimlichsten gehört, was ich die letzten Jahre gesehen habe. Leider kippt der Film dann schon kurz darauf und offenbart im letzten Drittel einige Wendungen, die weniger überraschend denn ein wenig dröge und einfallslos erscheinen. Das lässt ER KAM NUR NACHTS unschön auf der Zielgerade stolpern, und auch wenn es ihn nicht vollends versenkt, schmälert es das Seherlebnis erheblich, was schon ziemlich ärgerlich ist.

William Castle arbeitete, wie schon im vorangegangenen DIE ZWANGSJACKE, wieder mit Autor Robert Bloch zusammen, der beim Verfassen des Skripts also nicht seinen besten Tag hatte. Bloch schrieb die Romanvorlage für Alfred Hitchcocks PSYCHO (1960), den Castle ja schon in MÖRDERISCH (1961) ausgiebig plünderte, und lieferte später vor allem für Amicus einige weitere Skripts ab (u.a. DER SCHÄDEL DES MARQUIS DE SADE (1965), DER PUPPENMÖRDER (1966) und DER FOLTERGARTEN DES DR. DIABOLO (1967)). Stellenweise und auch von der Grundstimmung her kommt einen schnell Hitchcocks VERTIGO (1958) in den Sinn, und das gewiss nicht per accident. Dass Irene hier in ER KAM NUR NACHTS scheinbar nicht mehr zwischen Schlaf- und Wachzustand unterscheiden kann (und das ohne den Einfluss von Medikamenten oder Drogen) ist schon ein hartes Brot, welches man schlucken muss, um den Film auf sich wirken lassen zu können, aber die Aufdröselung des Mystery zum Ende erweist sich einfach als zu konservativ, zu konventionell, um den geneigten Zuschauer vom Hocker zu hauen, führt sie doch auch noch vieles Vorangegangene ad absurdum. Damit enttäuscht der Film die Zuschauer, die einen typischen Castle-Schocker erwarten, denn bei denen konnte man sich sonst immer auf die Pointe, das Tüpfelchen auf dem I, verlassen.

In der Hauptrolle als Irene sieht man hier Babara Stanwyck in ihrem letzten Kinofilm, hiernach arbeitete sie bis zu ihrem Tod ausschließlich fürs Fernsehen oder engagierte sich karitativ. Der einstmalige Revue- und Broadway-Star hatte sich in der Traumfabrik als Femme Fatale in Filmen der Schwarzen Serie einen Namen gemacht. Unvergessen bleibt ihr Auftritt als berechnende Stiefmutter in Billy Wilders FRAU OHNE GEWISSEN (1944) oder als herzkrankes Opfer einer perfiden Verschwörung in DU LEBST NOCH 105 MINUTEN (1948) von Anatole Litvak. In ER KAM NUR NACHTS ging Stanwyck allerdings schon stramm auf die 60 zu, was nicht heißen soll, dass sie ihre Sache nicht gut macht, oh nein, doch fällt es einem schon schwer, Begehrlichkeiten ihr gegenüber, also abseits monetärer, nachzuvollziehen. Das dünnt die Motive der Leute um sie herum bedächtig aus. Damit ist vor allem Robert Taylor als Anwalt Moreland gemeint, der sich zuerst in Zurückhaltung übt, aber später doch Gefühle ihr gegenüber preisgibt. Pikanterweiser waren er und Stanwyck von 1939 bis 1952 verheiratet gewesen, und es heißt, dass es zumindest für sie die große Liebe war. Die Chemie zwischen den beiden stimmte immer noch, was ihren Szenen sichtlich zugute kommt. Taylor war ein Western-Star, erinnerte hier aber, wahrscheinlich nicht ganz unabsichtlich, ohne seinen markanten Schnurrbart und unter dickem, dunklen Make-up sehr an James Stewart, Hitchcocks liebsten Star der 50er. Den Mann in Stanwycks Träumen spielt Lloyd Bochner, der wohl mehr durch seine späteren Rollen als Gangster oder Polizist (gerne höher stehend) in Filmen wie POINT BLANK (1967), DER SCHNÜFFLER (1967) und DER DETEKTIV (1968) bekannt war und in dieser Eigenschaft auch die nächsten 25 Jahre durch verschiedene TV-Serien tingelte.

Die Veröffentlichung von Anolis Entertainment als Nr. 4 in Der Fluch der Galerie des Grauens ist mal wieder aller Ehren wert. Das Bild sieht hervorragend aus, zwar nicht immer frei von sämtlichen Verschmutzungen, aber angesichts des Alters von mehr als 50 Jahren und der Tatsache, dass er eben nicht zu den erfolgreichen Filmen aus dem Castle-Sortiment zählt, ist das immer noch sehr, sehr gut. Auch der Ton des Films, der seit seiner Kinoaufführung 1965 auf keinem Medium im deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurde, geht absolut in Ordnung. Zu den Extras zählen je ein Audiokommentar von Robert Zion und von Steve Haberman (englisch) sowie das übliche Beiprogramm mit Trailer, TV- und Radiospots, ein informatives Booklet von Robert Zion darf da natürlich nicht fehlen.

Trotz des fehlenden Gimmicks, einiger Schlampigkeiten im Drehbuch und dem konventionellen letzten Drittel bietet ER KAM NUR NACHTS solide Unterhaltung für B-Thriller-Fans. Für Galerie-Fans und Sammler ist der Film sowieso unverzichtbar, auch wenn er vielleicht das bisherige Lowlight dieser vierten und letzten Reihe darstellt. Allein die großartige, unheimliche Hochzeit in der Mitte des Films lohnt eine Sichtung, aber auch die Ex-Ehepartner Stanwyck und Taylor können in ihren Rollen überzeugen. Er kann qualitativ nicht an Titel wie MACABRE, MÖRDERISCH und DIE ZWANGSJACKE, sollte Castle-Fans dennoch munden.


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


mm
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