Endstation Mond

 
  • Deutscher Titel: Endstation Mond
  • Original-Titel: Destination Moon
  • Alternative Titel: Rakete zum Mond | Ziel Mond |
  • Regie: Irving Pichel
  • Land: USA
  • Jahr: 1950
  • Darsteller:

    John Archer (Jim Barnes), Warner Anderson (Dr. Charles Cargraves), Tom Powers (General Thayer), Dick Wesson (Sweeney)


Vorwort

Schlechte Zeiten für die amerikanischen Raketenforscher um Dr. Cargraves und General Thayer. Nachdem ihre neueste narrensichere Rakete nur einen bildschönen Krater produziert hat, ziehen US-Regierung und -Militär ihre finanzielle Unterstützung zurück.

Im sicheren Wissen, dass andere Nationen ebenfalls an der Eroberung des Weltraums arbeiten und die USA Gefahr laufen, zur internationalen Lachnummer zu werden, wenn sie kein eigenes Raketenprogramm mehr haben, wenden sich Cargraves und Thayer in ihrer Verzweiflung an Jim Barnes, den jungdynamischen Vorsteher einer erfolgreichen Flugzeugfabrik. Es bedarf einigen guten Zuredens, bis Barnes überzeugt ist, dass ein privates, von amerikanischen Großkapitalisten finanziertes Raketenprojekt eine Erfolgschance hat, aber dann ist er Feuer und Flamme.

Mit seinen neuen Kompagnons und einem Woody-Woodpecker-Cartoon als Überzeugungshilfe im Köcher gelingt es ihm, ein Konsortioum reicher Industrieller von der Machbarkeit einer bemannten Mondlandung zu überzeugen. Eine atombetriebene Rakete soll die Expedition in zwei Tagen zum Erdtrabanten bringen. Die Arbeit geht gut voran, doch die öffentliche Meinung wendet sich ob der Gefahren der Nukleartechnologie gegen das Projekt – die internationale Raumfahrtbehörde empfiehlt wegen der unkalkulierbaren Risiken die Einstellung der Arbeit, und als Cargraves, Thayer und Barnes keine Anstalten machen, auf den Expertenrat zu hören, spricht die Regierung ein Machtwort und verbietet kurzerhand die Weiterarbeit.

Für die Weltraumpioniere bedeutet das nur eins – man MUSS das aktuell noch passable Startfenster ausnutzen, bevor die Regierung mehr schickt als einen Bürokraten mti einem bösen Brief im Gepäck. Kurzfristig muss noch Bordtechniker Brownie aufgrund akutem Blinddarms durch den hiervon eher so mittelmäßig begeisterten Sweeney ersetzt werden.

Der Start verläuft glatt, aber kaum im Weltraum stellen die tapferen Astronauten fest, dass aufgrund eines dummen kleinen Fehlers von Sweeney die Funkantenne beschädigt wurde. Sie muss repariert werden – das macht einen riskanten Weltraumspaziergang nötig. Cargraves wird beinahe zu einem neuen Satelliten, doch Barnes gelingt es mit einem gewagten Manöver, den Kollegen zu retten. Ohne größere Schwierigkeiten wird der Mond erreicht. Die Landung ist etwas ruppig, aber erfolgreich.

Und nun ist die Welt natürlich über die großartige Pionierleistung der Männer begeistert und fordert Live-Interviews vom Mond, die auch großzügig gewährt werden. Doch die Bodenstation hat schlechte Nachrichten – man hat sich bei den Brennstoffberechnung leicht vertan und so ist die Rakete für einen erfolgreichen Rückflug zu schwer. Hastig bauen die Astronauten alles aus, was nicht überlebenswichtig ist, doch als das Raumschiff buchstäblich bis auf die Gräten ausgeschlachtet ist, fehlen immer noch hundertzehn Pfund zum Glück…


Inhalt

Wir verdanken George Pal so ziemlich die gesamte moderne Science-fiction-Film-Geschichte. Der fortschrittsgläubige und weitsichtige Produzent stellte nicht nur Klassiker wie „Kampf der Welten“ und „Die Zeitmaschine“ auf die Beine, sondern kann sich auch ans Revers heften, mit „Destination Moon“ den ersten wissenschaftlich-technisch orientierten SF-Film der Nachkriegsgeschichte auf Spur gebracht zu haben. Dass der Streifen letztlich auf dem Weg in die Kinos von der Quickie-Produktion „Rakete Mond startet“ von Kurt Neumann mit einem schneidigen Lloyd Bridges in der Hauptrolle geschlagen wurde, lag daran, dass Pals Produktion sowohl zeitlich als auch finanziell enorm aufwendig war und so von findigen B-Filmemachern rechts überholt werden konnte. Das rapportierte Budget von 5 Millionen Dollar entspräche heute einem Etat von 50 Millionen Dollar, was uns zeigt, dass „Destination Moon“ eine ganz große Prestigeproduktion war, und das mit einem durchaus riskanten Thema, denn ob die breite Kinoöffentlichkeit 1950 an einem wenig spekulativen, auf aktuellem technischen und wissenschaftlichem Stand befindlichen Forscherdrama interessiert sein würde, konnte Pal bestenfalls hoffen, aber nicht wissen.

Immerhin – die Romanvorlage von Robert A. Heinlein, dem kommunistenfressenden Autor von „Starship Troopers“, war schon ein Bestseller gewesen, und Heinlein selbst beteiligte sich auch am Drehbuch (und bevor jemand weint – abgesehen von ein paar patriotischen Floskeln ist „Destination Moon“ in seiner Filmfassung recht ideologiefrei, abgesehen natürlich davon, dass Heinlein das Hohelied des Kapitalismus und der Privatwirtschaft predigt). Ich bin nicht ganz gewillt, dem Film das Heldenbanner „erster moderner SF-Film *ÜBERHAUPT*“ umzuhängen (wer das behauptet, vergisst Fritze Langs „Die Frau im Mond“, die 22 Jahre mehr auf dem Buckel hat), aber seine wegweisende Wirkung für das Genre (und natürlich auch für Produzenten und Studios, die erkannten, dass man mit utopischen Stoffen Kasse machen konnte) kann niemand verleugnen.

Dabei ist’s wie so oft bei Pionieren – der Erste ist nicht immer der „Beste“, und so ist „Destination Moon“, schaut man ihn heute mit fast siebzig Jahren SF-Geschichte im Rückspiegel, „unbelastet“ an, stellt man fest, dass der Streifen, von „Most Dangerous Game“-Regisseur Irving Pichel zweifellos auf der Höhe des damaligen Filmhandwerks inszeniert, technisch enorm beeindruckt, dramaturgisch und schauspielerisch die Wurst aber gewiss nicht vom Teller zieht.

Das ist natürlich auch dem unbedingten Willen aller Beteiligten geschuldet, die Kinozuschauer von der Raumfahrt zu begeistern und sie von der Notwendigkeit entsprechenden technischen Fortschritts zu überzeugen – dass man bei einem derartigen Ansatz ein positivistisches Bild zeichnen will (und die „Gefahren“, denen die Astronauten ausgesetzt werden, letztlich durch eigene Fehler verursacht wurden und nicht „der Raumfahrt“ an sich als Risiko angelastet werden können), ist verständlich. „Rakete Mond startet“ hatte keine solche ideologischen Probleme und konnte daher wesentlich stärker „aus sich herausgehen“ und konsequent auch unhappy enden. Wobei… „Destination Moon“ postuliert in seiner Auftaktphase den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre als größte Gefahr für die Raumfahrer, spart diese Phase aber im weiteren Filmverlauf aus – der Film endet mit der Rakete im Anflug auf die Erde, for all we know können unsere tapferen Forscher auch verglüht sein…

Großes Spannungskino ist „Destination Moon“ also nicht – wir können davon ausgehen, dass unsere Helden einfallsreich genug sind, um jede Krise zu bewältigen. Also kucken wir mal auf die technische Seite. Natürlich lagen die wissenschaftlichen Berater der Produktion nicht in allen Punkten richtig – vom Atomantrieb für Raumschiffe „träumen“ wir heute noch, so dass der Wunsch, mit dem „ganzen Schiff“ zum Mond zu fliegen anstatt mit einer mehrstufigen Rakete und dort nur eine Landefähre zu benutzen, anstatt das komplette Raumschiff zu landen, noch immer ein solcher bleibt. Aber abgesehen davon kann man den Filmemachern bescheinigen, einen guten und nach Kräften realistischen Job abgeliefert zu haben. Einfälle wie Magnetstiefel, um in der Schwerelosigkeit einigermaßen kontrolliert im Raumschiff umhergehen zu können, griffen noch neumodische Filme wie „Star Trek VI“ auf, und die filmische Umsetzung der Schwerelosigkeit beeindruckt durch ihre Simplizität und Effektivität – man kippe einfach die Kamera um 90 Grad und schon „geht“ oder „sitzt“ ein Astronaut auf einer Wand…

Die Weltraumeffekte (und Animationen für „ausgestiegene“ Raumfahrer in Totalen) halten dem Zahn der Zeit immer noch Stand, ebenso wie die Mondlandschaften und der Umgang mit der geringen Schwerkraft auf dem Trabanten. Da haben sich wesentlich neuere Filme schon wesentlich peinlicher verhoben, also – Respekt an das „Destination Moon“-Team.

Kurios ist natürlich die Einbindung eines kompletten, gut fünfminütigen Woody-Woodpecker-Cartoons, mit dem den potentiellen Mäzenen die Machbarkeit des Mondflugs nahegebracht wird (und als allgemein sehr überzeugend angesehen wird – das ist vielleicht die größte „Phantasterei“ des Films).

Schwachpunkt neben der nicht sonderlich ausgeprägten Spannungskurve des Films ist zweifellos das hölzerne Acting. John Archer hatte sich in den 40ern als solide Hand im Gangster- und Noir-Film bewährt (u.a. neben James Cagney im Klassiker „White Heat“, aber auch neben Bela Lugosi in der Monogram-Produktion „Bowery at Midnight“). In den 50ern pendelte er zwischen B-Filmen und frühen TV-Produktionen, konzentrierte sich dann ab 1960 aufs TV und wurde Stammgast in allerlei Serien von „Bonanza“ bis „Perry Mason“ und zurück. Als „leading man“ ist er „serviceable“ – man hat Schlimmeres gesehen, aber von der Screenpräsenz von Lloyd Bridges in „Rakete Mond startet“ kann er nur träumen.

Auch Warner Anderson hatte sich in den 40ern als „character actor“ bewährt, so in „Abbott und Costello in Hollywood“ oder „Das Lied des dünnen Mannes“. 1954 spielte er eine tragende Rolle in „Die Caine war ihr Schicksal“, ansonsten beschränkte sich seine Karriere aber auf weniger bedeutende TV-Einsätze. Kann man angesichts seiner hiesigen Leistung auch nicht als großes Versäumnis der Studios verbuchen.

Recht interessant ist die Geschichte von Tom Powers, der 1911 als Stummfilmdarsteller begann, 1917 die Filmerei aber zugunsten einer Bühnenkarriere an den Nagel hängte und sich erst 1944 von Billy Wilder für „Frau ohne Gewissen“ überreden ließ, wieder vor die Kamera zu treten. Offenbar fand er wieder Geschmack am Kino und drehte bis zu seinem Tod 1955 noch 62 weitere Filme (u.a. „Donovan’s Brain“), meist als Autoritätsfigur, wie auch hier als General. Auch er haut mich in Sachen „Spielfreude“ nicht grade vom Hocker.

Für Dick Wesson, ursprünglich Nightclub-Komiker, war „Destination Moon“ die erste Filmrolle, erwartungsgemäß wird er als (sanfter) comic relief eingesetzt. Er legt sich zumindest so gut ins Zeug, wie’s mit seinem (nicht sehr lustigen) Material möglich ist. Sein Glück fand er als TV-Schreiberling für Comedy-Serien wie „Petticoat Junction“ und „Beverly Hillbillies“.

Die DVD-Fassung von Paragon („Große Science Fiction Collection“) ist bildtechnisch recht hübsch ausgefallen, allerdings stört die Neusynchro, die vor allem Wesson Fäkalvokabular wie „Scheiße“ und „Arsch“ in den Mund legt, von dem ich mir nun wirklich recht sicher bin, dass es in der Originalfassung etwas gediegener formuliert wird… Dafür verbirgt sich hinter dem Film noch ganz unauffällig und unangekündigt der Trailer als kleines Gutzi.

„Destination Moon“ ist zweifellos ein Film, der filmhistorisch „wichtig“ ist, aber nicht unbedingt als hundertprozentig geglückter „Film“ durchgehen mag. Der zeitgleich entstandene und früher ins Kino gekommene „Rakete Mond startet“, den ich jetzt schon inflationär zitiert habe, ist wesentlich spannender und präsentiert viele Tropes, die für die „space opera“ noch wichtig werden sollten, noch deutlicher als „Destination Moon“, aber allein schon die großartigen Tricks sind mindestens eine Sichtung wert – bevorzugt aber in einer Fassung mit Originalton.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 5


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