Elwood Lombardo II – Die Kerkerdimension des Todes

 
  • Deutscher Titel: Elwood Lombardo II - Die Kerkerdimension des Todes
  • Original-Titel: Elwood Lombardo II - Die Kerkerdimension des Todes
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  • Regie: Matthias Gerth, Justus Kracke
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Justus Kracke (Elwood Lombardo), Laura Oetter (Sally), Katharina Machner (Katie), Anne Evers (Venus Beretta), Jonas Lebid (Franky McAlister-Graham), Timo Rüdel (Motorrad-Samurai), Daniel Flügger (Killer 1), Dennis Klose (Killer 2), Sophia Bigus (Pyromania), Marven Mevius (Blitzkrieg)


Vorwort

Elwood Lombardo, freischaffender Superheld ohne Superkräfte, dafür aber Träger einer Langhaarmatte, einer Studentenbrille und eines von der Geschmackspolizei 1972 verbotenen grün-schwarz-quergestreiften Pullovers, steht seinem gefährlichsten, gnadenlosesten und fiesesten Gegner gegenüber: seiner Ex! Sally hat’s nämlich nicht verwunden, von uns Elwood vor drei Jahren in die Wüste geschickt worden zu sein und sich infolgedessen einen grundsoliden Männerhass angearbeitet. Mit ihrem teuflischen Globalstrahler will sie nun sämtliche Y-Chromosomen auf dem Planeten zum Schmelzen bringen! Da Elwood nicht nur aus allgemein-gutmenschlichen Problemen dagegen Einwände erheben könnte, soll der bevorzugt vorab außer Gefecht gesetzt werden. Die Kopfgeldjägerin Venus Beretta hätte da einen Vorschlag: sie könnte Elwood in ihre Privatschöpfung, die „Kerkerdimension des Todes“, beamen, wo sich der gestreßte Held bis zum unvermeidlichen Game Over mit allerlei mordbrennendem Meuchelgezücht kloppen könnte, dieweil Sally ungestört ihre Pläne vorantreiben kann. Gesagt – getan!

Zum Glück für Elwood, der sich in der Kerkerdimension schon bald mit diversen killwütigen Gestalten auseinandersetzen muss, kann seine aktuelle Freundin Katie den Superhacker Franky McAlister rekrutieren, und dem ist klar, was die Kerkerdimension ist: eine spirituell-digital-biologische Subebene, oder, wie er sich für Laien auszudrücken beliebt: „Wie in dem Film Matrix, nur blöder!“ (Kann ich einem Film nach so einer Line noch ernstlich böse sein? Kann ich? Nee, kann ich nicht!) Frank bringt’s fertig, Elwood hochgradig benötigte Superwummen in die Kerkerdimension zu „spawnen“ und sogar Katie leibhaftig als Unterstützung in die virtuelle Realität zu befördern. Doch selbst wenn es Elwood und Katie gelingen sollte, so einigermaßen intakt wieder in in diese unsere Welt zurückzukehren, stünde da ja immer noch das Problemtriumvirat Venus Beretta/Sally/chromosomenschmelzender Globalstrahler im Raum…


Inhalt

Die Leserschaft hat verschiedentlich gewünscht, der Doc liefert. Mal wieder unabhängige Kost aus deutschen Landen (wie das Schicksal es so will, bekam ich eh grad drei Indie-Schreiben frei Haus geliefert, also war das einer der leichter zu erfüllenden Leserwünsche).

„Elwood Lombardo II“ stammt aus der Werkstatt von Chillmeister Productions, die hier bereits mit Harry Pottwal und der Trichter der Breiten ihre alkoholgetränkte Visitenkarte abgegeben haben und das Experiment, wieviel Zeit man mit einem Witz totschlagen kann, bevor es nervt (hier: Harry Potter nicht auf einer Zauber-, sonder auf einer Saufschule) durchaus erfolgreich abschlossen. Mittlerweile darf’s bei den Chillmeistern auch etwas länger als 40 Minuten werden, eine gute Stunde (damit also noch nicht ganz für die „abendfüllend“-Kategorie qualifiziert) nimmt sich ihre Superagentenheldenactionscifiparodie (hm, es muss kürzere Genrebezeichnungen geben) Zeit.

Was mich bei den Jungs freut – die wissen, dass das, was sie tun, nicht Gottes Geschenk an den Genrefilm ist (wie’s so manch anderer Indie-Genosse, ich denke da an die bewussten Fürchterlichen Fünf, in maßloser Verkennung des eigenen Talents und Impacts gerne tut), sondern – nicht despektierlich gemeint – Trash. Und wenn man sich darüber klar ist, *was* man macht, *kann* das eine wirklich spaßige Sache werden (nicht zwangsläufig *muss*, aber das wissen wir ja alle). Will sagen – wie schon bei „Harry Pottwal“ scheint das primäre Anliegen der Macher zu sein, sich selbst ’ne ordentliche Tube Spaß zu gönnen, und diesen Fun durch schieren Enthusiasmus auf den Zuschauer zu übertragen, ohne dabei zu behaupten, das, was sie tun, wäre in irgendeiner Form wichtig, bedeutsam oder in formaler-technischer und/oder inhaltlicher Hinsicht ein Quantensprung für den deutschen Independent-Film. Im Gegensatz zur Speerspitze der deutschen Szene (also den üblichen Verdächtigen Rose/Bethmann/Walz und Konsorten) nehmen sich die Chillmeister nicht zu ernst – auch „Elwood Lombardo II“ (es handelt sich hierbei übrigens in der Tat um ein Sequel) ist, wie unschwer an der Inhaltsangabe zu erkennen, eine parodistische Angelegenheit, die im Gegensatz zum Pottwal nicht ein bestimmtes Ziel vor Augen hat, sondern eher breit das Genre der unbesiegbaren Action-Heroen auf die Schippe nimmt.
Dass hier nicht mit feinster Klinge gearbeitet wird, ist klar – die Story ist ein knallbuntes Sammelsurium an überdrehten Genreklischees (wobei ich den Aufhänger der Geschichte, die Rache der verstoßenen Ex des promiskuitiven Helden, schon ziemlich knorke finde). Die „virtuelle Realität“ als Computerspiel mit sich im Schwierigkeitsgrad (theoretisch) steigernden Levels zu gestalten ist sicherlich keine neue Idee (zwei Punkte mochte ich allerdings: den Namen „Kerkerdimension“ – Terry Pratchett, anyone? – und den Gedanken, dass es „technisch“ keine Möglichkeit für den „Spieler“ gibt, das Spiel zu „gewinnen“, sondern es halt so lange weiter läuft, bis der Kandidat ins Gras beißt). Dass man in einer No-Budget-Produktion nicht wirklich aufregende CGI-animierte virtuelle Welten zeigen kann und demzufolge die verschiedenen Level der Kerkerdimension immer wieder im grünen Gewölle spielen, ist halt so und wird vom Film sogar selbst karikiert (als Elwood im dritten Level oder so wieder einmal zu sich kommt und frustriert bemerkt: „Schon wieder so ein verdammter Scheißwald“ o.ä.).

Neben herzigem Technobabble für die hysterisch-hanebüchene Pseudowissenschaft (sowohl der Kerkerdimension als auch des Globalstrahlers) verblüfft der Streifen mit überraschend witzigen Dialogen, Sprüchen und one-linern – normalerweise nicht unbedingt das Pfund, mit dem hiesige Indie- und Amateurfilme, selbst und speziell gerade dann, wenn sie witzig gemeint sind, wuchern, hier klappt das aber überwiegend ziemlich gut, was als Gag gemeint ist, funktioniert meistens auch als Gag; vom milden Schmunzler bis zum Schenkelklopfer ist alles dabei, wenn man also mit der richtigen Einstellung (ergo: eine gut gelaunte Trash-Parodie sehen zu wollen) an die Sache rangeht, wird man permanent gut unterhalten. Gerth und Kracke bekommen auch eine vernünftige Drei-Akt-Struktur hin (setup-Phase, Abenteuer in der Kerkerdimension, Showdown) und, wie schon beim Pottwal, „Elwood Lombardo“ überstrapaziert seinen Gag nicht und macht nach ’ner guten Stunde Feierabend, bevor die Nummer sich totlaufen kann (was auch für einige überflüssige Charaktere gilt, die in der Kerkerdimension eingeführt werden, aus keinem anderen Grund, als sie schnellstmöglich wieder killen zu können, um zu zeigen, dass die virtuelle Realität in der Tat tödlich sein kann… darunter ein vom Charakter her an Paris Hilton angelehntes – und sogar Paris genanntes – Society-Girl zu packen, ist eine der suboptimaleren Ideen des Scripts).

Handwerklich ist der Spaß wieder eher bedenklich ausgefallen, was aber zum naiven Trash-Charme des Ganzen irgendwie passt – die Jungs haben gerne mal die prinzipiell richtige Idee für einen eindrucksvollen Shot, aber nicht unbedingt die technischen Mittel, diese auch adäquat umzusetzen, den guten Willen erkenne ich allemal an. Der Schnitt ist recht rumpelig, und mit dem Filmen bei strahlendem Sonnenschein steht man dann doch ab und zu auf Kriegsfuß, was für die ein oder andere überbelichtet wirkende Sequenz sorgt. Die technischen Schwächen sind nicht wegzudiskutieren, aber erträglich, weil einfach erkennbar ist, mit welcher Begeisterung und welchem Improvisationswillen gearbeitet wird. Da wird eine Figur schon mal erfrischend politisch unkorrekt als Blackface geschminkt, da werden Alltagsgegenstände in futuristischen Wummen u.ä. umgewidmet, dass es eine Freude ist (so halte ich Elwoods Laserwaffe mal spontan für den Ständer einer Snare-Drum o.ä., ein Super-Nintendo-Controller fungiert als Telefon und ein Playstation-Controller als Lenkung für Elwoods fliegenden Golf [don’t ask]). Slow-Mo-Kampfszenen werden einfach langsam gespielt (was Jess Franco recht war, kann den Chillmeistern nur billig sein), und auch ansonsten sind die Martial-Arts-„Fights“ bestens den Fähigkeiten der jeweiligen Akteure angepasst, wohingegen die shoot-outs (und geballert wird reichlich) ziemlich professionell wirken. Überhaupt legt „Elwood Lombardo II“ ein solides Tempo vor, begünstigt dadurch, dass der Streifen sich auf Sprücheklopfen und Actionszenen beschränkt und sich kaum mit richtigem Charakter-Quark aufhält.Manchmal stört die auffällige, da nicht lippensynchrone Nachsynchronisation, aber ich bin ja froh, wenn Amateurfilmemacher sich überhaupt die Mühe machen, nicht nur den Live-Ton zu verwenden. Ziemlich fetzig ist der aus Alternative-Rock-/Metal- und Punksongs zusammengestellte Soundtrack (besonders die Punknummern von Brüllmucke gefallen), auch wenn die Texte nicht unbedingt zum Film passen 🙂

Special FX werden vielfältig eingesetzt, wobei die Bandbreite vom primitiven aufkopierten Farbklecks für „Bluteffekte“ über solide aufkopierte „Pyrotechnik“ (das sieht nicht unbedingt schlechter aus als in professionellen Low-Budget-Filmen wie Alien Species) bis hin zu achtbar gewerkelten Laserstrahlen-CGI reicht. Gelegentlich wird auch mal per Computertrick eine Superwaffe der Bösewichter ins Bild kopiert und die finale Luft-Verfolgungsjagd zwischen Sallys Fluchtkapsel und Elwoods Multifunktionsgolf ist ’ne echte Schau…

Von den Darstellern wird sicher in nächster Zeit niemand für einen Oscar oder zumindest eine größere Rolle in GZSZ vorgeschlagen werden, aber zumindest Justus Kracke geht in der Elwood-Rolle voll auf; über Katharina Machner als Katie kann man sich auch nicht beschweren, Laura Oetter als Sally könnte etwas mehr aus sich herausgehen, aber für die Handelsklasse Film, in der wir uns hier bewegen, ist das durchaus akzeptabel.

Zur DVD: Die zum Kampfpreis von 3 Euronen verkloppte DVD bietet Value For Money im Extrem – für den schmalen Obolus (zuzüglich Versandkosten) erhält der Kunde nämlich schlappe drei Scheiben! DVD 1 enthält den Hauptfilm in zugegeben etwas abenteuerlicher (aber immerhin anamorpher Widescreen-) Bildqualität, auf DVD 2 finden sich Outtakes, deleted scenes, Interviews sowie der ursprüngliche „Elwood Lombardo“-Kurzfilm (ca. 20 Minuten) und ein s/w-Kurzfilm „Ohne Titel“, der zeigt, dass die Chillmeister, wenn’s gefragt ist, auch ernst und künstlerischer können. Die dritte Scheibe beinhaltet den Soundtrack und da bin ich schon allermindestens für „Bier & Dunkelheit“ von Brüllmucke zum Dank verpflichtet. Angesichts des geradezu lächerlichen Preises kann ich hier nur rufen: support your independent filmmaker!

Fazit: Jau, das hat Spaß gemacht. „Elwood Lombardo II“ erreicht technisch-handwerklich sicherlich nicht das Level, das ambitioniertere Indie-Projekte wie die von Ully Fleischer oder Daniel Flügger (der hier aber immerhin mitspielt, es sei denn, er hat einen ebenfalls im Genre-Indiefilm amtierenden Namensvetter) vorlegen, sondern will nichts anderes sein als witziger, unterhaltsamer Trash. Oft genug geht beabsichtigter Trash in die Hose, aber die Chillmeister finden auch hier wieder den richtigen Dreh, um die ganze gute Laune, die Energie und die dummen Ideen der Vorbereitung und des Drehs auf den Film zu übertragen. Wer ein Herz für lustigen einheimischen Actiontrash hat und sich nicht daran stört, dass das auch von den filmischen Mitteln her ausgesprochen simpel ist, sollte dringlich zuschlagen. ’ne Stunde kann man sich deutlich weniger lustig um die Ohren schlagen…

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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