Eiskalte Rache

 
  • Deutscher Titel: Eiskalte Rache
  • Original-Titel: Sudden Fear
  •  
  • Regie: David Miller
  • Land: USA
  • Jahr: 1952
  • Darsteller:

    Joan Crawford (Myra Hudson), Jack Palance (Lester Blaine), Gloria Grahame (Irene Neves), Bruce Bennett (Steve Kearney), Virginia Huston (Ann Taylor), Mike Connors (Junior Kearney)


Vorwort

Myra Hudson, eine mittvierzigjährige, leicht verhärmte Millionenerbin, mehrt ihren Reichtum durch erfolgreiche Bühnen-Schmonzetten für den Broadway. Weil ihr Schauspieler Lester Blaine, der für die Hauptrolle ihres neuesten Stücks vorspricht, nicht attraktiv genug als „romantic lead“ ist, feuert sie ihn, schlechten Gewissens zwar, aber nichtsdestoweniger. Nach der erfolgreichen Premiere des Stücks reist Myra per Zug zurück nach San Francisco – doch wer ist auch an Bord? Lester. Auf der langen Reise kommt man sich bei Pokerpartien und gemeinsamen Dinners näher und an der Westküste herrscht schon allgemeine Liebe. Nach einigen kleineren Komplikationen wird geheiratet und alles scheint peace, fun, pancakes zu sein – Lester trägt Myra sprichwörtlich auf Händen und der bislang Ungeliebten, die große Romantik bislang nur in ihren Theaterstücken erlebt hat, gefällt’s ausnehmend gut. Doch zwei Ereignisse bringen eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang – Lesters alte Flamme Irene taucht unvermutet auf und scheint monetäre Interessen zu verfolgen und Myras Anwalt setzt ein neues Testament für seine Klientin auf – in dem Lester für den Fall von Myras Abnippeln nur eine lächerliche Rente zugebilligt wird. Myra ist entsetzt und will über’s Wochenende (während dem die Anwälte verreist sind) ein neues, Lester alles zusprechendes Testament diktieren. Dummerweise bekommt Lester über Irene (die sich an den Junior-Anwalt rangemacht hat) Wind von dem für ihn unvorteilhaften letzten Willen. Schnell ist er sich mit Irene einig, dass Myra sterben muss, bevor sie das neue Testament unterzeichnen und den Anwälten übergeben kann. Dieser Mordplan allerdings dringt via eines Aufnahmesystems, das sie für ihre Diktate nutzt, an Myras Ohr – versehentlich zerstört sie den einzigen Beweis, die Aufnahme. Aber immerhin weiß sie nun, was Lester und Irene vorhaben und kann einen Plan entwerfen, den Erbschleichern zuvorzukommen…


Inhalt

Bekanntlich kann Schreiber dieser Zeilen an keinem DVD-Grabbeltisch vorbeigehen, schon gar nicht, wenn er von der attraktiven Preisauszeichnung „DVD verschiedene Titel 1,00 €“ geziert wird. *Irgendwas* findet sich da sicher und in der allergrößten Not kann man sich ja an ein paar „Klassiker“ halten, z.B. die, die von dem Budget-Label AmCo in der „Classic Movie Collection“ rausgehauen werden – dabei handelt es sich zwar größtenteils um britische Werke wie den hier besprochenen Never Let Go, „Ist ja irre“-Filme oder Dirk Bogardes harmlose „Herr Doktor“-Späße, aber ab und an versteckt sich auch eine echte Hollywood-Produktion unter den zugegeben hübsch aufgemachten Ramsch-Scheiben, wie z.B. unser heutiges Opus „Sudden Fear“, das 1952 immerhin für nicht weniger als vier Oscars nominiert wurde (neben Joan Crawford und Jack Palance noch für die beste Kameraführung und die besten Kostüme). Zwar konnte der Streifen keine der begehrten Statuetten tatsächlich ergattern, aber Nominierungen sind ja auch nicht schlecht.

Bei „Sudden Fear“ handelt es sich um ein Thrillodram des film-noir’ischen „women-in-distress“-Subgenres, basierend auf einem Roman der mir persönlich unbekannten Autorin Edna Sherry. Das vom routinierten Drehbuchautoren Lenore J. Coffee adaptierte Script besticht vor allem durch seinen präzisen Mechanismus, sobald die Story vom romantischen Liebesfilm die Kurve zum düsteren Thriller nimmt. Die clevere Methode, durch das „Zeitlimit“ zur Unterzeichnung eines neuen Testaments sowohl für die Killer-Partei als auch für das Opfer (das weiß, dass seine potentiellen Mörder innerhalb dieser Zeitspanne zuschlagen müssen), sorgt auf recht elegante Weise für den nötigen Spannungsdruck, auch wenn man bekritteln mag, dass das Script sich ein wenig zu sehr auf Myra und ihren „Gegenplan“ konzentriert, während Lester und Irene eigentlich nicht wirklich wissen, was sie tun sollten; das hat allerdings den – willkommenen? – Begleiteffekt, dass Myra fast schon diabolischer wirkt als ihre Möchtegern-Mörder.

Etwas ermüdend nach heutigen Sehgewohnheiten ist allerdings die erste Filmhälfte (geheiratet wird nach ca. 45 Minuten, und dann auch noch off-screen), wobei hier vor allem etwas unklar bleibt, was Lesters Motivation ist. Ist seine Verführung der etwas verblühten Myra, wie es der Klappentext der DVD impliziert, zunächst nur subtile Rache für den Rausschmiß am Broadway, verliebt er sich wirklich in Myra, ist er nur auf dolce vita auf Ihre Kosten aus oder plant er von Anfang an Schlimmeres? Das Script legt Lester später ein „ich habe sie nie geliebt“ in den Mund, das allerdings sagt er zu Irene und als die erstmals in seinem neuen Leben auftaucht, sieht es nicht so aus, als wäre er erfreut (im Gegenteil, er wird ihr gegenüber sogar handgreiflich). Auch das „Kohle“-Argument zieht nicht wirklich, da es eine Szene gibt, in der Lester Myras Anwalt bittet, für ihn ein paar Strippen hinsichtlich eines Engagements als Darsteller zu ziehen, weil er nicht auf Myras Kosten leben will. Das macht dann auch das konsequente (aber von keiner Figur SO beabsichtigte) Ende gleich noch eine Schippe fieser. (SPOILER: Myra plant, Lester zu erschießen und es so aussehen zu lassen, als wär’s Irene gewesen. Sie bekommt allerdings kalte Füße und nimmt Reißaus, Lester verfolgt sie panisch, verwechselt die gerade von einer von Myra arrangierten Fake-Verabredung zurückkommende Irene mit Myra – da beide identische Klamotten tragen – und fährt sie über den Haufen, nicht ohne sich dabei selbst zu tilten. SPOILERENDE).

Neben der etwas langwierigen Setup-Phase stört die schwerhändige Einführung von plot devices – wenn Myra Lester stolz ihr (für 1952 enorm fortschrittliches) Diktiersystem vorführt, können wir natürlich davon ausgehen, dass dieses noch eine entscheidende Rolle spielen wird; allerdings nutzt der Film diese Schwerhändigkeit auch zum Einbauen eines „false alarms“ – sicher zwei Minuten reiten wir darauf herum, dass der steile (und geländerlose) Weg von Myras Villa zum Meer saugefährlich ist (und spekulieren natürlich, dass Lester sich daran erinnern wird, wenn er Myra endlich umbringen will), aber wir kommen nie wieder darauf zurück. Kann man wahlweise eben eine nette falsche Spur oder lazy scriptwriting nennen. Sind wir mal positiv und entscheiden uns für Fall 1.

Regisseur David Miller treibt das böse Ränkespiel, wenn’s denn erst mal in Gang kommt, flott und durchaus spannungsreich voran. Miller, dessen größte Ruhmestat fraglos „Mitternachtsspitzen“ (der beste Hitchcock-Thriller, den Hitchcock nicht drehte) darstellen dürfte, erweist sich als Freund der Montage (speziell die Montage, in der Myra ihren Plan durchspielt, ist sehenswert), verlässt sich aber ansonsten größtenteils auf die Künste seiner Darsteller (und vor allem seiner Hauptdarstellerin). Kameraführung und Ausstattung sind bemerkenswert, wenngleich es mir etwas übertrieben scheint, dem Kameramann und der Kostümdesignerin gleich Oscars an den Kopf werfen zu wollen, dafür hat’s mir der Score von Elmar Bernstein angetan (man muss sich vorstellen – hier beschallt Bernstein einen Oscar-Nomineten und ein Jahr später komponiert er die Töne für Robot Monster und „Cat-Women on the Moon“), der speziell, wenn er sich, ungewöhnlich für die Epoche, auf minimalistische Piano-Klänge konzentriert und die eher wenig unterscheidungskräftigen symphonischen Elemente weglässt, treibend und modern wirkt, schon fast eine direkte Linie zu John Carpenters „Halloween“-Theme ziehen lässt.

Härten sind, wen wundert’s, nicht zu verzeichnen – man hat sich halt publisherseits eine FSK-Neuprüfung gespart. Selbst im Finale wird vor direkter on-screen-Gewalt scheu zurückgeschreckt.

„Sudden Fear“ funktioniert natürlich aber hauptsächlich seiner Hauptdarsteller wegen, die denn auch beide (wie gesagt) für den Oscar nominiert wurden (Palance wurde komischerweise für die beste männliche Nebenrolle nominiert, wo er gegen Anthony Quinn in „Viva Zapata“ verlor. In der Hauptrollen-Kategorie wäre er gegen Marlon Brando und den Sieger Gary Cooper für „High Noon“ aber auch chancenlos gewesen. Interessantes Tidbit an dieser Stelle ist allerdings, dass Marlon Brando seinerseits erste Wahl für die Rolle des Lester Blaine war).

Joan Crawford, einer der Hollywood-Stars, deren posthumer Ruf irgendwie scheinender ist als es ihre Screen-Vita hergibt (obwohl sie in den 30er Jahren ein großer Star war, erfolgreich den Wechsel vom Stumm- ins Tonfilmfach schaffte und 1945 für „Mildred Pierce“ den Oscar gewann, gibt es eigentlich, wenn man richtig hinschaut, nicht so arg viele *bedeutende* Filme mit der Crawford), die nach schlechten Erfahrungen mit MGM als Vertragsschauspielerin sich mittlerweile längst selbst ihre Projekte aussuchte (und wohl „Sudden Fear“ auch mit ein paar eigenen Dollars auf Spur brachte), nutzt den Film für eine spektakuläre one-woman-show, in der sie die komplette Bandbreite von gefühlskalter „alter Jungfer“ über hoffnungslos verliebt-glücklich, ängstlich-hysterisch bis eisig-berechnend abspult. Modernen Sehgewohnheiten mag Crawford vielleicht zu dick auftragen (weit aufgerissene Augen galore!), aber das war in den 40ern/50ern absolut par for the course und in diesem Sinne perfekt vorgetragen. Für die damals 47jährige Crawford eine interessante und ergiebige Rolle, die nicht ausschließlich auf „looks“ abzielt und ihre darstellerischen Fähigkeiten fordert. Interessant ist „Sudden Fear“ in seinem „women-in-distress“-Motiv durchaus auch als „Vorläufer“ ihres 60er-Mini-Comebacks in Thrillern wie dem legendären „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“, „Della“, „Straitjacket“ oder „I Know What You Did“ (letztere unter der Regie von Gimmick-König William Castle; von ihrem letzten Filmprojekt „Trog“, einem unsäglichen Caveman-Heuler von Freddie Francis, reden wir an dieser Stelle mal nicht).

Mit Jack Palance, für den „Sudden Fear“ die erste „richtige“ Filmrolle darstellte, hat sie einen würdigen Partner. Aus heutiger Rückschau schreit natürlich das Casting von Palance in der Rolle von Haus aus „psychopathischer Mörder“, aber 1952 war Palance ein neues Gesicht und demzufolge noch nicht auf typecasted-evil-madman-Rollen abonniert. Das Script erlaubt sich hier auch einen seltenen Anfall von Ironie, indem es Myra in den Mund legt, Lester (sprich Palance) sähe einfach nicht nach „romantic lead“ aus – ein Umstand, aus dem Palance eine Tugend machte und mit Freuden jede (aber auch wirklich JEDE) Schurkenrolle annahm, die man ihm antrug. In „Sudden Fear“ zeigt er, dass er von der schauspielerischen Fähigkeit her durchaus auch anderes, auch einen in Engelszungen säuselnden Süßholzraspler glaubwürdig hinbekommt – eine ausgezeichnete Vorstellung, weniger over the top als Crawford, und verdient Oscar-nominiert.

Als Irene Neves begrüßen wir Gloria Grahame (Oscar-Gewinnerin für „The Bad and the Beautiful“ 1953), bekannt aus „It’s a Wonderful Life“, „Oklahoma!“ oder „The Greatest Show on Earth“, oder, für Horror-Fans, aus „The Nesting“), die hier ihre Standard-Rolle als femme fatale routiniert ausspielt. In weiteren Rollen sind Virginia Huston („Flight to Mars“, Jane im Lex-Barker-„Tarzan’s Peril“), Bruce Bennett (unter seinem bürgerlichen Namen Herman Brix Weltrekord-Kugelstoßer und Tarzan in den zwei von Edgar Rice Burroughs persönlich produzierten Tarzan-Filmen) und der spätere TV-„Mannix“ Mike Connors zu sehen.

Bildqualität: AmCo legt den Streifen in praktikablem 4:3-Vollbild vor. Der Print ist etwas verwaschen, wird von einigen, aber nicht übermäßig vielen Defekten und Verschmutzungen geziert und muss zwar selten, aber immerhin ab und an mit jump cuts durch fehlende Frames kämpfen. Für einen über 50 Jahre alten Film, der im Ein-Euro-Bereich verscherbelt wird, ist das aber tolerabel.

Tonqualität: Neben der deutschen (Fernseh-)Synchro findet sich erfreulicherweise auch der englische Original-Ton (beides Dolby Digital 2.0). Die Originaltonspur plagt sich mit einem leichten, aber nicht wirklich störenden Grundrauschen, die Dialoge sind leicht knarzig, aber gut verständlich. Die deutsche Fassung ist von der Sprachqualität sehr klar, aber wie so oft sind Musik und Geräusche stark in den Hintergrund gemischt.

Extras: Nichts.

Fazit: „Eiskalte Rache“ aka „Sudden Fear“ ist letztlich kein ganz großer Klassiker des frühen 50er-Thrillerkinos, bei dem man sich grämen müsste, hätte man ihn versäumt, aber auf keinen Fall ohne Reize. Die zweite Hälfte geht geradezu als Lehrbeispiel für einen durchkonstruierten Uhrwerk-Mechanismus durch und entwickelt ordentlich Spannung, und darüber hinaus punktet der Film fraglos als hervorragendes Star-Vehikel für Joan Crawford, garniert mit einer star-making-performance von Jack Palance. Vielleicht sollte man sich den Film aufgrund seiner zähen Auftaktphase nicht unbedingt, wie ich, nachts um halb eins ansehen – summa summarum ist „Sudden Fear“ aber ein grundsolider noir-Thriller mit bestens aufgelegten Darstellern. Kann man für den Grabbeltisch-Obolus auf alle Fälle mitnehmen…

3,5/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments