Einer spielt falsch

 
  • Deutscher Titel: Einer spielt falsch
  • Original-Titel: Trunk to Cairo
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  • Regie: Menahem Golan
  • Land: Israel/BR Deutschland
  • Jahr: 1965
  • Darsteller:

    Audie Murphy (Mike Merrick), Marianne Koch (Renée Ten Harmsen), George Sanders (Prof. Ten Harmsen), Hans von Borsody (Jan Tuin), Gila Almagor (Yasmin), Yossi Yadin (Captain Gabar), Bomba Tzur (Ali)


Vorwort

Ein neuer Auftrag für den amerikanischen Geheimagenten Mike Merrick. Seinen Auftraggebern hat ein Vögelchen zugezwitschert, dass „die Araber“ (spezifisch, aber unausgesprochen die kurzlebige panarabische Republik von General Nasser) an einer Nuklearwaffe arbeiten. Weil die Wüstensöhne selbst dafür aber zu doof sind, haben sie sich der Mitarbeit des renommierten Weißkittels Professor Ten Hermsen versichert. Der Atomclub allerdings ist der festen Überzeugung, genügend Mitglieder zu haben, deswegen soll Merrick die arabischen Arbeiten infiltrieren und etwaige vorzeigbare Resultate kaputtschlagen.
Nun kann Merrick natürlich nicht einfach nach Kairo spazieren und sich als „i bims, der Neue vomg Geheimdienst her“ vorstellen. Zum Glück ist durch einen heimtückischen Bombenanschlag gerade Merricks Vorgänger in die nächste Welt befördert und dadurch eine Vakanz gebildet worden. In der Tarnung des Atomphysikers Bernard, der selbigenfalls ein krummer Hund ist und von den Amis dingfest gemacht worden ist, soll Merrick sich bei Captain Gabbar, dem militärischen Vorsteher der Operation, bei einem Treffen in Stockholm bewerben. Man findet einen gemeinsamen Draht – vorgeblich über das phantastische Einkommen von 3000 Dollar/Monat, steuerfrei, nehme ich an, das Merrick/Bernard verdienen kann – und schon sitzt unser Held im Flieger nach Kairo (das in der seltsamen Geographie des Streifens augenscheinlich direkt am Meer liegt). Und gleich neben ihm sitzt Renée Ten Harmsen, des Professores schnuckeliges Töchterlein, das vom Agenten auch gleich mal amtlich angebaggert wird. Nicht unbedingt zur Freude von Jan Tuin, ihrem Verlobten, der sie vom Flugplatz abholt und, wie sich wenig später herausstellt, auch noch Ten Harmsen Sicherheitschef ist und, wie sich das gehört, Bernard ganz grundsätzlich nicht leiden kann. Und das obwohl Bernard sich um Leib und Leben des Professors verdient macht, indem er eine an diesen adressierte Paketbombe unschädlich macht.
Es gibt also ganz offenkundig neben den Geheimdiensten noch eine andere Partei, die stark daran interessiert ist, dass Ten Harmsen seine Arbeit nicht vollendet. Und was diese Arbeit? Der Professor hat mit seinem Team zwei Trägerraketen für Nuklearsprengköpfe, genannt „Projekt Hyksos“ zusammengeschraubt, und in so ca. 3 Monaten sind die Dinger einsatzfähig und scharf gemacht. Moralische Bedenken hat der Professor nicht – seiner Ansicht nach wird über kurz oder lang jedes Land Atomwaffen besitzen, warum also nicht die Kameltreiber, und erst recht, wenn sie ihm unbeschränkte Mittel für seine Forschungen zur Verfügung stellen. Pragmatisch, praktisch, gut.
Bernard erarbeitet sich also Ten Harmsens Vertrauen ungefähr proportional mit Tuins wachsendem Misstrauen, das nicht zuletzt darauf begründet ist, dass Bernard sich ein bisschen sehr gut mit Renée versteht. Über seinen Geheimdienstkontakt, die Nachtclubsängerin Jasmin, nebenberuflich Colonel Gabbars Gspusi, erhält Bernard den Auftrag, die Konstruktionspläne der Raketen zu fotografieren. Bei der geheimen Mission wird er leider von Tuin überrascht. Im Gerangel wird nicht nur die Steuereinheit der Raketen zerstört, sondern stürzt auch Tuin fatal von der Startrampe der Rakete. Insofern günstig, alldieweil Ten Harmsens Arbeit um mindestens sechs Monate zurückgeworfen wird und auf den ersten Blick alles so aussieht, als wäre Tuin der Saboteur gewesen. Nun aber regt sich bei Gabbar ein gewisser Verdacht. Bernards Geheimdienstbosse wollen ihn dann auch sicherheitshalber abziehen, aber unser Held will nicht ohne Renée stiften gehen, die mittlerweile von ihm über die wahre Natur der Arbeit ihres Papas aufgeklärt wurde und vergeblich versucht hat, ihren Erzeuger zu überreden, die Arbeit einzustellen… Dieweil es Bernard gelingt, Renée auf ein westliches U-Boot zu bringen, fällt er selbst in die Hände der Muslimbruderschaft, Absender der diversen explosiven Pakete. Seine Hoffnung, hier auf potentielle Verbündete zu stoßen, wird aber arg enttäuscht…


Inhalt

Dass der Erfolg der James-Bond-Filme die komplette europäische Filmbranche in Aufregung versetzte, ist insbesondere für Stammleser dieser Seiten natürlich keine neue Erkenntnis. Im Gefolge von Sean Connery alias 007 etablierte sich Mitte der 60er ein eigenständiges und irgendwie typisch europäisches Subgenre des Agenten-Actionfilms, bevorzugt gedreht von italienischen, spanischen oder französischen Koryphäen, die die Rezeptur „harter, frauenaufreißender Held + rasante Action + exotische Schauplätze“ in klingende Münze umzusetzen versuchten. Aber neben den üblichen Verdächtigen gab es auch einige „Exoten“, die sich an der Thematik versuchten, so z.B. auch jemand, der in der Folgezeit noch quasi einer der Hauspatrone von badmovies.de werden sollte – Menahem Golan, Israels Ein-Mann-Unterhaltungsfilmindustrie und später mit seinem Buddy Yoran Globus Oberhaupt der legendären Cannon Films, die jedem Teenager in den 80ern vergnügliche Stunden mit Norris, Bronson & Co. verschafften. Vor seiner Cannon-Zeit brachte er das israelische Kommerzkino mit der „Eis am Stiel“-Reihe auf die internationale Landkarte, und noch lange vor *dieser* Zeit, da leierte Mr. Golan (wider Erwarten nicht Entdecker der gleichnamigen Höhen, ahempt. Billige-Kalauer-Quote für dieses Review erfüllt) einem weiteren badmovies.de-Veteranen, Atze Brauner, ein paar DM aus dem Kreuz, um einen eigenen Agententhriller zu drehen.
„Einer spielt falsch“ (ein selten nichtssagender Titel für einen Eurospy-Klopper und zudem einer, der auch nicht wirklich arg viel mit der Handlung zu tun hat- wobei der Originaltitel „Trunk to Cairo“ auch erst in den letzten drei Minuten des Films verständlich wird) bedient die oben angeführte klassische Eurospy-Formel durchaus korrekt, aber auch sehr by-the-numbers. Das erste, was uns auffällt, ist, dass der Streifen nicht wirklich ein richtiges Bedrohungsszenario aufbaut. Die Araber bauen also Atomwaffen. Das muss schon genügen – jupp, ich denke, wir sind uns darüber einig, dass sowieso schon zu viele Länder über Nuklearwaffen verfügen und es immer heikel ist, wenn per se allein durch ihre geographische Lage und wankelmütige politische Affiliation instabile Nationen auf atomaren Pulverfässern sitzen, aber hier geht’s ja auch nicht um realistische Darstellung globaler Sicherheitspolitik, sondern um einen kleinen Agentenfetzer, und da darf’s dann für meinen Geschmack schon etwas mehr sein als „dann haben sie halt die Waffen“. Mit keinem Wort erwähnt Gabbar (oder sonst jemand aus der Organisation der „Bösen“), dass sie mit diesen Nuklearraketen akut etwas vor haben, was über Abschreckung hinaus geht. Freilich gilt es zu bedenken, dass es sich trotz westdeutscher Co-Produktion primär um eine israelische Veranstaltung handelt, und dort sieht man das aus durchaus verständlichen Gründen sicher ein wenig anders. Bleiben wir allerdings rein im Filmischen, sind die „stakes“ eben relativ gering, da nicht direkt der Weltfrieden o.ä. auf dem Spiel steht.
Ganz interessant und eher untypisch für das Genre ist der Zwei-Fronten-Krieg, den die arabischen Raketenbastler führen müssen. Während der westliche Geheimdienst (zumindest die Synchronfassung macht einen amerikanischen daraus, während man aus der bildhaften Darstellung, die das Treffen Mikes mit seinem Boss in Tel Aviv ansiedelt, durchaus auch auf den Mossad schließen könnte) primär bemüht ist, herauszufinden, woran Ten Harmsen eigentlich bastelt, gibt es eben noch die dritte Partei, die handgreiflich gegen das Projekt vorgeht und kurz vor Toresschluss als muslimische Widerstandstruppe identifiziert wird, die fürchtet, das Militär würde die atomare Bewaffnung zur weiteren Etablierung einer Junta und Unterdrückung der Religion benutzen (bevor aber der Gedanke an eine unerwartete jüdisch-muslimische „Versöhnung“ kommen kann, stellt unser braver Agent fest, dass mit den Islamisten genauso schlecht Kirschen essen ist wie mit den arabischen Militärs).
Abgesehen von den geopolitischen Implikationen bringt uns der Film nun solide Genre-Hausmannskost. Golan inszeniert die ganze Chose durchaus flott, nicht genreunüblich nimmt man sich Zeit für eine Nachtclub-Gesangsnummer („Dangerous Woman“), entgeht unser Held zahlreichen Attentaten und entschärft so manche Bombe, tauscht auf kuriose Weise mit seinen Vorgesetzten Nachrichten aus (über Schallplatten, die er in einem kleinen Laden in der Altstadt anhört bzw. aufnimmt…. ein Gimmick, dass ich zuletzt in „Gern hab ich die Frau’n gekillt“ gesehen habe), und verführt eine schöne Frau (dazu später noch mehr). Die Actionszenen sind nicht immer ganz glücklich in Szene gesetzt (Golan war ja nach eigener Erklärung eher Arthousefuzzi und einer, der Kommerzproduktionen zur Querfinanzieurng von anspruchsvoller Filmkunst nutzte) und generell fehlen mir so ein-zwei große action set pieces; die aufregendste Nummer ist wohl sicher Mikes Kampf mit Tuin, und der markiert so in etwa das Ende des zweiten Akts. Der Schlussakt kann da nicht wirklich was drauf legen und insbesondere das Finale ist geradezu enervierend unspektakulär (und dreht sich um den originaltitelgebenden Schrankkoffer).
Der Cast ist recht inspiriert zusammengesetzt. Als Mike Merrick gibt sich Audie Murphy die Ehre (und damit, erstaunlich genug, sehe ich tatsächlich meinen ersten Audie-Murphy-Film). Murphy machte im realen Leben im Zweiten Weltkrieg von sich reden – als meistdekorierter US-Soldat des Krieges kam er als amtlicher Superheld in die Heimat zurück und münzte diesen Ruf auf Empfehlung von James Cagney tatsächlich in eine einigermaßen lukrative Filmkarriere um. Murphy (dessen größter Erfolg nichts geringeres als die Adaption seiner eigenen Kriegsheldentaten, „To Hell and Back“ war) wurde nie ein absoluter Superstar, aber ein gefragter B-Held, der sich durch zahllose Kriegsfilme und Western kämpfte. In Europa hielt sich die Faszination an einem echten Kriegshelden in Grenzen, und auch in den USA sank sein Stern nach dem Niedergang des Studiosystems, zumal Murphy auch als schwierig galt; er litt am posttraumatischen Stresssyndrom, erschien auch schon mal mit geladener Waffe am Gürtel am Set und konnte durch Nichtigkeiten auf die Palme gebracht werden. Mit „Einer spielt falsch“ und dem erfolglosen Paella-Western „Der Mann aus Texas“ versuchte Murphy eine Karrierevitalisierung in Europa, aber ohne echte Durchschlagskraft. Nach einem Bankrott 1968 engagierte sich Murphy für die psychologische Betreuung von Vietnam-Veteranen und kam 1971 beim Absturz seines Privatflugzeugs ums Leben. Als Euro-Agent macht sich Murphy gar nicht mal so schlecht – er strahlt diese gewisse arrogante Blasiertheit aus, die so manchen Eurospion auszeichnet (es ist ja oft genug so im Genre, dass seine Helden nicht unbedingt die aller-„likeablesten“ sind) und ist gleichzeitig „durchschnittlich“ genug, um einen glaubhaften Agenten abzugeben (man will ja gemeinhin in dem Job niemanden, der auf 100 Meter Entfernung als Supersoldat zu erkennen ist, und Murphy ist, seiner Kriegstaten unbenommen, kein physisch einschüchternder Specimen).
Marianne Koch („Für eine Handvoll Dollar“) ist als love interest adäquat, aber, da bin ich mal wieder Chauvi vom Dienst, nicht wirklich attraktiv genug für die Rolle (wenn ich einen Vergleich ziehen darf – Karin Dor spielt da schon in einer anderen Liga). Ich weiß nicht, wie’s mit Mariannes Singstimme aussieht, aber ich hätte ihre Rolle und die von Gigi Almagor („El Dorado“, „München“) als Yasmin getauscht. Veteran George Sanders („Rebecca“, „Das Bildnis des Dorian Gray“) spielt Professor Ten Harmsen mit aller Professionalität, Yossi Yadin („Höhe 24 antwortet nicht“) ist ausgezeichnet als Gabar, wohingegen mir Hans von Borsody („Die Brücke von Arnheim“, „Die Nibelungen“) etwas zu dick aufträgt.

Stichwort „dick auftragen“ – ich nehme relativ überrascht zur Kenntnis, dass die deutsche Synchronfassung den Film für’s heimische Publikum entschärft. Denn wo wir es in Teutonien offensichtlich mit holländischen Schuften (Ten Harmsen, Tuin) zu tun haben, sind die in der Originalfassung eindeutig Deutsch benannt (Professor Schlieben, Hans Klug). Kurios, kurios, ist der Streifen doch mit deutschem Geld gedreht und hatte Atze Brauner als Jude ja auch keinen Grund, die deutschen Kinogänger schonen zu müssen.
Auf DVD wurde der Streifen erfreulicherweise von unseren Freunden von Pidax veröffentlicht. Die Bildqualität (4:3) ist absolut tauglich, der Ton etwas klapprig, aber auch brauchbar. Extras gibt’s außer einer Reproduktion des Filmprogramms nicht.
Fazit: ein durchaus launiger Agentenfilm, der nicht nur als Kuriosum einer israelischen Kommerzproduktion zu gefallen weiß, sondern durchaus die gängigen Genrebeats abklappert, vielleicht da und dort etwas mehr Wumms bräuchte, aber insgesamt allemal in Ordnung geht.

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


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