Eine Jungfrau in den Krallen von Vampiren

 
  • Deutscher Titel: Eine Jungfrau in den Krallen von Vampiren
  • Original-Titel: La fille de Dracula
  • Alternative Titel: Dracula's Daughter | Daughter of Dracula | |
  • Regie: Jess Franco
  • Land: Frankreich/Portugal
  • Jahr: 1972
  • Darsteller:

    Carmen Yazalde (Luisa Karlstein, als Britt Nichols), Anne Libert (Karina), Alberto Dalbes (Inspektor), Howard Vernon (Karlstein/Dracula), Daniel White (Graf Max Karlstein), Jess Franco (Cyril Jefferson), Fernando Bilbao (Charlie), Carmen Carbonell (Edith Karlstein), Conchita Nunez (Margot), Eduarda Pimenta (Dorian), Yelena Samarina (Ann Kramer)


Vorwort

An einer unspezifizierten, wilden Küste (entweder in Frankreich, dem gepflegten Idiom nach, oder in Portugal, dem tatsächlichen Drehort nach)… als sich ein entzückendes Mädchen auszieht, um ein erfrischendes Wannenbad zu genießen, wird sie beobachtet (ich würde, glaub ich, auch ein Mädchen beobachten, dass ungefähr fünf Zentimeter Wasser in die Wanne einlässt, um sich dann darin zu räkeln). Der Voyeur belässt es nicht beim Kucken, sondern fällt über das arme Ding her…

Nicht weit entfernt, am Familiensitz derer von und zu Karlstein. Die alte Gräfin ist schwer damit beschäftigt, einen schmeißbaren Löffel aufzutun, will aber den ultimativen Abgang offensichtlich so lange hinauszögern, bis ihr Töchtling Luisa in Form einer heißen Blondine auf einen tränenreichen Abschied vorbeikommt. Nicht mal der Graf persönlich noch Luisas nicht minder heiße, aber dunkelhaarige Cousine Karina dürfen den berühmten letzten Worten beiwohnen. Verröchelnd teilt Mama mit, dass die Karlsteins ein finsteres Familiengeheimnis bewahren, das u.a. mit Luisas Erzeuger und dem allerersten Graf Karlstein zu tun hat. Die geballten Schrecklichkeiten werden sich Luisa offenbaren, wenn sie in den „Nordturm“ pilgert, wo alles seit Daddys Tod unverändert geblieben ist und auch der erste Graf seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Wiederum nicht weit entfernt führt Ann Kramer ein kleines Hotel. Ihr Ehemann, Cyril Jefferson, ein eher schräger Geselle mit Hang dazu, praktisch alles für übernatürlich begründbar zu halten, trägt zum Haushaltseinkommen dadurch bei, dem Grafen Karlstein als Sekretär zu dienen (was auch immer der Graf zu sekretieren hat). Die Beschaulichkeit des kleinen Ortes wird empfindlich dadurch gestört, dass am weitläufigen Strand die Leiche des ehedems badenden Girls gefunden wird. Wie üblich hat der zuständige Inspektor keinen Anhaltspunkt und kann so auch dem aufdringlichen Reporter Charlie, immer auf der Suche nach einer heißen Exklusivstory, keinen Aufhänger für eine griffige Schlagzeile liefern, es sei denn, man folgt Cyril, der natürlich davon überzeugt ist, dass hier finstere Mächte fernab jeglicher menschlichen Vorstellungskraft am Werke sind.

Luisa sucht nach einem Weilchen tatsächlich den Nordturm auf (der nach dem Willen Jess Francos ein freistehendes Mausoleum ein Stückchen vom Familienschloss entfernt im Schlosspark ist). Dort findet sie prinzipiell zwei Särge, und der eine davon öffnet sich sofort und offenbart den sich erhebenden Grafen Karlstein (den ersten, nehme ich an), und insbesondere dessen Vampirreißzähne. Wer hätt’s gedacht? Luisa reagiert auf die Entdeckung zunächst mit einem famosen Kreischer und dann augenscheinlich nicht weiter.

Karina wird bald darauf von einer ominösen schwarzen Gestalt bedrängt. Sie flüchtet hysterisch in des Grafen Arme, der alles für Einbildung ob der traumatisierenden Ereignisse der letzten Zeit hält. Vielleicht sollte sich Karina auch weniger Sorgen um mysteriöse men in black als vielmehr ihr liebes Kusinchen machen. Während Luisa eifrig in die Tasten eines der zahlreichen in der Karlstein-Villa herumlungernden Flügels haut, gesteht Karina ihr ihre ewige Liebe, was auf fruchtbaren Acker fällt. D.h. lesbische Sexszene! Yay! Luisa wird beim allgemeinen Sexgeplänkel zunehmend aggressiv – ihre deutlich sichtbaren Vampirzähne (für die sich kein Goth mit angefeilten Hackern den Nacken freimachen würde) stören Karina nicht im Geringsten. Shrug. Jedenfalls scheint Luisa Karina in den Hals zu beißen.

Indes tappt Herr Inspektor ebenso in finsterer Nacht, was die Mordermittlung angeht, wie auch Charlie. Schwung kommt in die Sache, als im „Majestic“, einem Nachtclub in der Nähe, eine Tänzerin namens Dorian auftritt („Tanz“ ist zwar eine äußerst freie Umschreibung für das rollige, äh, Herumrollen der Dame auf dem Fußboden, aber es beeindruckt das zahlende Publikum). Zu allgemeiner Überraschung hat sich auch Graf Karlstein unter die Schaulustigen gemengt. Noch am gleichen Abend wird Dorian in ihrem Zimmer ermordet und der Täter zieht auf der Flucht einem zu Hilfe eilenden Schnösel noch seinen Gehstock über die Rübe.

Charlie kombiniert ob der Zutaten Karlstein vor Ort und Karlstein hat Hinkebein und benutzt Stock, dass der alte Graf sich prima als Hauptverdächtiger eignen würde. Der Inspektor wünscht aber lästigerweise Beweise und so bricht Charlie ins Schloss ein und entwendet einen Gehstock, der dem, den der Augenzeuge beschrieben hat, erstaunlich ähnelt. Karlstein streitet energisch ab, Besitzer des Stocks zu sein, aber der Inspektor hat nun die Faxen dicke und verhaftet den Grafen unter chronischem Verdacht.

Der Graf muss aber nicht lang gesiebte Luft atmen, denn Ann Kramer outet sich als des Grafen Geliebte und verschafft ihm ein wasserdichtes Alibi. Damit ist der Inspektor so schlau wie vorher. Ann wird vom Mann in Schwarz angegriffen, aber von Charlie gerettet. Was nicht heißt, dass der Vampir heute Nacht nicht noch ein Opfer finden wird, und sei’s Anns dralle Bedienkraft Margot…


Inhalt

„Jess! Jess!“-Rufe hallen durch die badmovies.de-Redaktion, es gibt mal wieder einen Franco-Film zu besprechen. Der gute Herr Manera ist bekanntlich einer der großen Säulenheiligen dieser unserer Website, die vermutlich nur unwesentlich weniger umfangreich wäre, wäre Jess Franco der einzige Regisseur auf der Welt gewesen, der komische Filme drehte… Okay, das ist nun übertrieben, aber mit 206 offiziell kreditierten Werken (alles davon „Filme“ zu nennen, verbietet sich allerdings) kann einen der gute Mann schon auf Jahre hinaus beschäftigen. Ich hab die Hoffnung, jeden von Franco belichteten Fitzel Zelluloid oder Videoband persönlich in Augenschein nehmen zu können, längst aufgegeben, aber „so viel wie möglich“ ist ein erfreulich vages Ziel, an dem man sich aufhängen kann.

Unser heutiges Exemplar, das sich mir in Form der bildschönen britischen Blu-Ray von Black House vorstellt, kennt der deutsche Kinogänger unter dem Titel „Eine Jungfrau in den Krallen von Vampiren“ und stammt aus einer von Jesses produktivsten und vielleicht auch kreativ besten Epochen, so 1969 bis 1973 rum, als er zweien seiner Lieblingsthemen, Vampirismus und DeSade immer und immer wieder annahm (ein paar Jahre später sank er dann auf das Level von Frauenknast- und Kannibalenfilmen herab. Mit etwas Glück noch unterhaltsam oder sexy, aber weitgehend frei von künstlerischem Wert)

„Draculas Tochter“, wie der Streifen sich korrekt übersetzt nennen würde, ist dabei ein ziemlich seltsamer Geselle, denn er spielt sich quasi wie ein Hybride aus Francos traumwandlerischen, handlungsfreien Bilderreigen „Vampyros Lesbos“ oder „Female Vampire“ und seinen zumindest formal den Anforderungen an narratives Erzählkino gebundenen End-60er-Schinken wie „Sadisterotica“, insofern „Draculas Tochter“ durchaus versucht, eine Geschichte zu erzählen. Sie macht von vorn bis hinten, von links nach rechts und von oben nach unten keinen Sinn und scheint im Schlussakt eher vom Wunsch beseelt zu sein, nach 90 Minuten aufzuhören, als die Story vernünftig zu beenden und die offenen plotholes auch nur ansatzweise zu schließen. Aber, hey, ist es nicht genau das, wofür wir den ollen Jesse so tief in unsere schwarzen Herzen geschlossen haben?

„Draculas Tochter“ beginnt mit einer Szene, die auch in „Vampyros Lesbos“ so vorkommen könnte – eine junge Frau zieht sich nackt aus und legt sich in die Badewanne, beobachtet von einer nur durch Großaufnahme eine Auges gezeigten unbekannten Person – die dann unsere Badenixe tötet. Hieran schließt sich die Eröffnungsszene bei den Karlsteins und die Androhung eines finsteren düsteren Geheimnisses an. Von nun an wechseln wir zwischen einer halbwegs konventionellen Krimihandlung, in der der Inspektor und Reporter Charlie versuchen, Hinweise auf den Mörder bzw. unbekannten Angreifer zu finden und ihn zu überführen, und Luisas fortschreitender Verwandlung in einen lesbischen Vampir. Wobei Jess Franco sich nicht ernstlich dafür interessiert, ob nun Luisa wirklich die Mörderin/Angreiferin ist (und, falls ja, ob sie die Opfer tatsächlich selbst tötet oder nur ihrem Ur-Opa in der Krypta frisches Futter bringt) – eigentlich *kann* sie es nicht sein, denn der erste Mord findet ja statt, bevor Luisa überhaupt eintrifft und von ihrer Vampir-Legacy erfährt! Naja, zumindest wenn wir davon ausgehen, dass Zeit und Raum im Franco-Universum so funktionieren wie in unserem, und das darf man nicht voraussetzen).

Aber wenn ein Franco-Plot Sinn ergeben würde, wäre es auch kein Franco-Plot. Also sollte es nicht überraschen, dass der Streifen ganz belanglose Fäden WIE DAS GOTTVERDAMMTE SCHICKSAL VON LUISA lose hängen lässt, oder Dialoge weniger solche im Sinne des Erfinders sind als vielmehr Abfolgen zusammenhangloser Monologe bleiben (mein ganz besonderer Liebling sind die non-sequitur-Monologe von Cyril Jefferson, die sich Maestro Franco einmal mehr selbst auf den Leib geschrieben hat).

Von der handwerklichen Seite ist „Draculas Tochter“ beinahe einer der sorgfältiger gearbeiteten Franco-Filme – wie schon gesagt, wir befinden uns hier in einer seiner „besten“ Schaffensperioden, befassen uns mit Themen und Stimmungen, die dem guten Jess erkennbar mehr am Herzen liegen als Slasher oder Gore-Horror, will sagen – er gibt sich durchaus Mühe. Die Kameraführung ist trotzdem ordentlich rumpelig. José „Pepe“ Climent, einer von Jesses frequenten Kameramännern in dieser Zeit, filmt manchmal sehr seltsame Dinge (aber wir kennen Jess. Das wird schon so gewollt sein…), verliert gerne mal den Fokus (aber wir kennen Jess…), filmt aber nur selten durch Spiegel (allerdings gibt es eine wirklich ganz nette Einstellung, in der Max Karlstein und Luise gleich in zwei Flügeln eines Spiegels gezeigt werden) oder zoomt in Lampen. Dem Film fehlt auch in seinen „vampiristischen“ Szenen die traumwandlerische Qualität eines „Vampyros Lesbos“, bleibt auch hier nüchterner, erdverhafteter, was den Film dem Franco-Neuling sicher deutlich zugänglicher macht als seine experimentielleren, rein auf Bilder und Stimmungen ausgelegten Meisterwerke.

Auch dieser Film zieht durchaus Gewinn aus der portugiesischen Landschaft (schon komisch, es gibt ja jetzt nicht SO viele Filme, die in Portugal gedreht wurden, und ich hab gleich zwei hintereinander) und den dortigen Bauten (auch wenn’s ei n bisschen gedauert hat, bis ich begriffen habe, dass die Festung, die laut Eröffnungs-voice-over nichts anderes als das HQ des originalen Grafen Dracula war – so kann man sich geographisch irren – und das Karlstein-Schloss NICHT ein und das selbe Gebäude sein sollen). Die Interiors sind außerhalb des Karlstein-Schlosses eher beengt und klaustrophobisch (und ich bin beinahe felsenfest überzeugt, dass die Gaststube von Anns Hotel, der Nachtclub Majestic und das, hihi, Polizeirevier, ein und dieselbe Location sind).

In Sachen Gore ist der Streifen EXTREM zahm – selbst die Vampirbisse sind nur mit einem Hauch Kunstblut abgeschmeckt, dafür lernt man immerhin, dass Vampire nicht durch Holzpflock durchs Herz, sondern Metallpflock durch die Stirn zu vernichten sind. Andere Länder, andere Sitten. Als Ausgleich dafür bekommen wir natürlich JEDE Menge nackter Tatsachen, von Britt Nichols, Anne Libert, Eduarda Pimenta, Conchita Nunez und dem namenlosen ersten Opfer. Yelena Samarina ist die einzige Frau in ausziehfähigem Alter (45, vom Filmdialog auf 35 verjüngt und vom Kommissar noch mit „die Jahre waren nett zu ihnen“ komplimentiert), die die Bluse anbehält (zu meiner Enttäuschung als staatlich geprüfter MILF-Marder).

Die darstellerischen Leistungen sind wie üblich bei Franco, vor allem, wenn er keine altgedienten Profis zur Verfügung hat, eher ernüchternd. Britt Nichols (eigentlich Carmen Yazalde, DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE, DAS BLUTGERICHT DER GEQUÄLTEN FRAUEN) ist sehr hübsch anzusehen, kann aber nicht für saure Walkotze spielen, und ist damit in guter Gesellschaft mit Anne Libert (EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES, DAS BLUTGERICHT DER GEQUÄLTEN FRAUEN), die mich noch dazu mit einem ziemlich quadratischen Gesicht irritiert… Der altgediente Eurotrash-Kämpe Alberto Dalbes (TODESMARSCH DER BESTIEN, DIE STUNDE DER GRAUSAMEN LEICHEN) hat als Inspektor nicht wirklich viel zu tun, und Fernando Bilbao (DAS BLUTGERICHT DER GEQUÄLTEN FRAUEN, dort das metalliclackierte Frankenstein-Monster, THE EXECUTOR) zieht als Reporter Charlie auch nicht gerade alle Register thespischen Könnens. Daniel White, Komponist der allermeisten Franco-Soundtracks (was schon zu Vermutungen führte, White und Franco wären ein- und dieselbe Person) absolviert als Max Karlstein einen seiner raren Leinwandauftritte und einen der noch rareren von substantieller Gestalt und zeigt dabei deutlich, warum er am Komponistenpult deutlich besser aufgehoben war. Yalena Samerina (DAS HAUS DER TAUENDE FREUDEN, DIE NACHT DER VAMPIRE) fällt, wie gesagt, so rein MILFig durchaus in mein Beuteschema…

Mein Held ist Howard Vernon, dessen Beteiligung sich darauf beschränkt, sich exakt dreimal in seinem Sarg aufzurichten und die Vampirzähne zu blecken plus Conchita Nunez im Sarg befummeln zu dürfen. Und dafür bekam er auch noch Geld… (nicht viel, nehme ich an, aber immerhin).

Die UK-Blu-Ray von Screenbound unter deren Black-House-Imprint zeigt den Film in einer Schönheit, die ein hingedübelter Franco-Schnellschuss auf den ersten Blick gar nicht verdient hat. Jedenfalls dürfte der Film an seinem Premierenabend nicht besser ausgesehen haben. Der Ton liegt ausschließlich auf Französisch vor, englische Untertitel werden mitgeliefert. Als Extras gibt es Interviews und einen Audiokommentar.

Man wird mit „Draculas Tochter“ sicher niemanden zum Franco-Fan konvertieren können, aber für Interessierte, die sich näher mit dem Ouevre des spanischen Vielfilmers zu befassen beabsichtigen, ist der Streifen ein ganz guter Einstiegspunkt, weil er, wie gesagt, durchaus bodenständig gefilmt ist und zumindest versucht, den Konventionen des Erzählkinos zu folgen, aber schon Themen und Motive beackert, die Franco in der Folge noch deutlich avantgardistischer beschäftigen sollten. Oder man sieht den Film einfach als einen ganz leckeren Softsexer…

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 7


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