Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt

 
  • Deutscher Titel: Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt
  • Original-Titel: Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt
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  • Regie: Harry Piel
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 1933
  • Darsteller:

    Harry Piel (Harry), Fritz Odemar (Fritz), Lissy Arna (Lissy Verhagen), Annemarie Sörensen (Annie Bergmann), Olga Limburg (Frau Bergmann), Gerhard Dammann (Maxe), Eugen Rex (Emil), Ernst Behmer (Gustav), Hans Ritter (Karl), Gina Falckenberg (2. Gast Lissys), Hubert von Meyerinck (3. Gast Lissys), Theo Lingen (1. Gast Lissys), Walter Steinbeck (Kriminalkommissar), Philipp Manning (Theaterdirektor), Erich Dunskus (Herr auf der Pferderennbahn), Herbert Gernot (Dr. Hibbler)


Vorwort

Harry ist der schnellste und cleverste Taxichauffeur Berlins, trotzdem ist’s eher brotlose Kunst, selbst an einem erfolgreichen Tag bleibt nicht mal ein Zehner im Portemonnaie. So kann er auch seiner Flamme, Blumenverkäuferin Annie, der mit ihrer Mutter die Zwangsräumung droht, finanziell nicht unter die Arme greifen. Aber vielleicht wendet sich das Schicksal ja – nach einer etwas merkwürdigen Fuhre, die ihn direkt in ein Feuergefecht mit der Polizei führt, findet Harry im Fonds seiner Taxe einen Koffer. Einen kleinen Aufbruch später hält Harry schon ein seltsames Gerät in Händen – einen Helm, der an ein ganz offensichtlich schwer elektronisches Dingsi angeschlossen werden kann. Einen gelesenen Zeitungsartikel über einen Einbrecher, der sein Unwesen treibt und ob seiner spurlosen Vorgehensweise als „der Unsichtbare“ bezeichnet wird, und einen Selbstversuch später ist Harry im Bilde – das Gerät macht seinen Träger tatsächlich unsichtbar! Nachdem er seinem Mitbewohner Fritz ein paar Streiche gespielt hat, wird an potentiell lukrative Einsatzmöglichkeiten gedacht. Fritz wäre unbürokratisch dafür, mit Hilfe des Helms eine größere Abhebung bei einer Bank vorzunehmen, aber kriminelle Aktivitäten kommen für Ehrenmann Harry nicht in Frage. Er versucht sein Glück lieber auf der Pferderennbahn, setzt seine gesamten Moneten (er hat extra sein Taxi verkauft) auf den größten Außenseiter und bringt unsichtbar die Konkurrenz so durcheinander, dass der lahme Zossen mit der Quote von 192:1 gewinnt (interessante Moralvorstellung – Bank berauben ist böse, aber ein Pferderennen manipulieren geht klar). Mit dem neuen Reichtum kauft sich Harry erst mal einen Luxusschlitten und mietet sich in einem Schloß ein. Bloß Annie, die Foulspiel wittert, will sich unter gar keinen Umständen helfen lassen. Da bleibt dem armen Harry ja gar nichts übrig, als sich anderweitig zu orientieren. Eine Kandidatin ist zum Glück schnell gefunden – die erfolglose Schauspielerin Lissy, Stammfahrgast in Harrys Taxi, die er durch offene Bestechung des chronisch blanken Theaterdirektors zum neuen Star protegiert. Lissy zieht auch gleich in Harrys Schloß, ist aber pikiert darüber, dass Harry für seine Taxikollegen Saufgelage organisiert (und Lissys Freunde aus der besseren Gesellschaft halten Harry auch ohne Umschweife für einen Hochstapler). Harry begreift natürlich nicht, dass Lissy nur hinter seiner Kohle her ist, aber das Thema hat sich eh schnell erledigt, denn Fritz klaut den Unsichtbarkeitsapparat und Harrys Auto – er will seinen ursprünglichen Plan, eine Bank zu erleichtern, in die Tat umsetzen. Harry versucht das Schlimmste zu verhindern, aber Fritz hat die Nationalbank schneller ausgeräumt als Harry die Polizei alarmieren kann. Es liegt an Harry, den Unsichtbaren (der aufgrund einer technischen Fehlfunktion den Apparat nicht mehr abnehmen und sich nicht mehr sichtbar machen kann) aufzuhalten…


Inhalt

Heute ist mal wieder ein filmhistorischer Abriß fällig. Harry Piel ist ein Name, der außer absoluten Enthusiasten des deutschen Kintopps der 10er bis 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht viel sagen wird, obwohl er zu seiner Zeit ein so großer Star war, dass er in Schlagern in einem Atemzug mit Adele Sandrock und Hans Albers genannt wurde (ein Beispiel liefert die DVD im neu angefertigten Abspann). Piel begann 1912 mit der Filmerei und machte sich schnell einen Namen als Produzent und Regisseur von „Sensationsfilmen“ (wie man damals Abenteuer- und „Action“-Filme nannte), seine Trademarks waren wagemutige Stunts und Tierdressuren. Nach einigen Jahren hinter der Kamera beschloss Piel, sein eigener Star zu werden – und das mit großem Erfolg. In der Stummfilmzeit drehte er mit Stars wie Marlene Dietrich, schaffte problemlos den Übergang zum Tonfilm und blieb auch während der Nazi-Herrschaft filmtechnisch am Ball (er war NSDAP- und SS-Mitglied und gehörte auf die Liste der „Gottbegnadeten“, die Goebbels persönlich aufstellte und die diejenigen Filmschaffenden beinhaltete, die für Propagandazwecke unentbehrlich waren), ohne dass seine Filme sonderlich politisch waren (man sagt, seine Filme wurden in der NS-Zeit lediglich „seichter“) – sein Abenteuerfilm „Panik“ wurde 1943 dann sogar aus dem Verkehr gezogen, weil die dort gezeigten Tieffliegerangriffe zu realistisch waren. Nach dem Krieg wurde Piel entnazifiziert, saß sechs Monate Knast ab und musste fünf Jahre Berufsverbot aussitzen. Seine Comeback blieb erfolglos und sein Vorkriegswerk geriet in Vergessenheit, auch weil ein Großteil seines Materials (sein Privatarchiv) kurz vor Kriegsende bei einem Bombenangriff auf Berlin vernichtet wurde, Piel selbst starb 1963 in relativer Obskurität. Nur geschätzte 30 % seiner weit über 100 Filme blieben erhalten und viele davon auch nur in lädierten Fassungen.

Piel ist deswegen aus filmhistorischer Sicht interessant, da er so überhaupt nicht in das Bild passt, das man sich vom „klassischen“ deutschen Film macht – eine Ära, in der sich Regisseure entweder als Künstler verstanden (die Expressionisten) oder sich mit harmlosen Komödien und/oder Musikfilmen verschlissen. Piel machte das, was man heutzutage despektierlich „B-Filme“ nennen würde – kommerzorientierte „Reißer“, die sich an den einfachen „Mann von der Straße“ richteten, der im Kino nur kurzweilige Zerstreuung suchte, die nicht über künstlerische Raffinesse oder raffinierte Drehbücher, sondern schlicht über Schauwerte punkten sollten, und denen auch ihr Macher keine Halbwertzeit, die über „von jetzt nach bald“ hinausging, einräumte. Nicht von Ungefähr war der Star und Regisseur die „Marke“ – wer einen Harry-Piel-Film sehen wollte, sollte wissen, was ihn erwartet (in der Tat war die Marke „Harry Piel“ so populär, dass es in den 20er Jahren sogar eine Romanheftreihe dieses Namens gab). „Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt“ ist vielleicht heutzutage der bekannteste Piel-Film (und sei es darum, dass er als im weitesten Sinne Genre-zugehöriger Streifen einen Eintrag in Hahn/Jensens „Lexikon des Science-Fiction-Films“ fand), aber bis vor zwei Wochen war er trotzdem für ein breites Publikum nicht erhältlich. Koch Media hat den Streifen nunmehr in seiner „Schatzkiste des deutschen Tonfilms“-Reihe aufgelegt (zwei weitere Piel-Titel, „Jonny stiehlt Europa“ – in dem Europa juxigerweise ein Rennpferd ist – und „Sein bester Freund“ – gemeint ist ein deutscher Schäferhund -, sind bereits erschienen).

Wenn man sich „Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt“ (auch als „Mein ist die Welt“ gelaufen) ansieht, kommt man nicht ganz umhin zu verstehen, warum Goebbels von Piel recht angetan war – die „Moral“, die hier vertreten wird, ist zwar an und für sich unpolitisch, lässt sich aber leicht vor den Karren eines totalitären Systems spannen (nicht wegen faschistischer Tendenzen, sondern eher gleichschalterischer Ambitionen, wie sie auch in ein kommunistisches Regime passen würden) – eine Huldigung des „einfachen Mannes“, der mit ehrlicher Arbeit sein Geld verdient, eine gesunde Skepsis gegen das „Kapital“ und die „bessere Gesellschaft“ (die den neureichen Emporkömmling ob seiner niederen Herkunft ablehnt und nebenbei, in Form des nie gezeigten Vermieters, des Helden arme romantic interest drangsaliert), Ablehnung des Besitzstrebens und die Schlussfolgerung, dass man mit dem, was man hat, zufrieden sein soll, dann wird einen schon der gerechte Lohn ereilen (in größerem Rahmen zelebrierte es ähnlich der Hans-Albers-Großfilm „Gold“, in dem Albers zu gutem Schluss zum Besten geben durfte, dass auf der Goldmacherei „kein Segen“ liege). Wie gesagt, das macht Piel – der mit Hans Rameau auch das Drehbuch verfasste – auf eine völlig unpolitische Weise, lediglich der geschichtliche Kontext sorgt hier für leichte Magenschmerzen.

Die Story für sich ist wie bei Piel üblich leichtgewichtig – das utopische Gimmick spielt keine besonders große Rolle (man möchte meinen, jemandem, der „unsichtbar“ und trotzdem halbwegs unkriminell zu Geld kommen möchte, würde was besseres oder zumindest lustigeres einfallen, als auf einer Rennbahn Pferde zu erschrecken), über den gesamten Mittelakt hin ist das Gerät überhaupt nicht im Einsatz, weil wir uns in dieser Phase mit Harrys Aufstieg in die besseren Kreise beschäftigen (inklusive recht langer und streng genommen weithin überflüssiger Szenen, in denen er Lissy die Hauptrolle in ihrem Theaterstück beschafft – was natürlich nur zeigen soll, dass demjenigen, der Geld hat, zwar gekatzbuckelt wird, aber trotzdem kein Anerkenntnis entgegengebracht wird -, oder seinen Taxikollegen ein ausgiebiges Sauf- und Freßgelage spendiert; das sind Szenen, die man knapper hätte abhandeln können, speziell, wenn man anhand der Filmmachart bis dahin erkannt hat, dass Piel ein gutes Händchen dafür hat, seinen Stoff extrem flott voranzutreiben). Eine wirklich „durchgängige“ Story gibt’s eigentlich gar nicht – der Film teilt seine drei Akte säuberlich in drei untereinander nur rudimentär verknüpfte Kapitel (ohne das so zu annoncieren): Harrys Entdeckung des Unsichtbarkeitsgeräts und sein Coup auf der Rennbahn, sein vermeintlicher gesellschaftlicher Aufstieg und die Beziehung mit Lissy, das Finale um den Diebstahl des Geräts durch Fritz, den Bankraub und die obligatorische Verfolgungsjagd; und hat dann noch die Chuzpe (SPOILER VORAN), die ganze Chose mit einem abstürzenden Harry und – tadaa – dem wirklich auch schon 1933 unsäglichen Stilmittel der „Traumgeschichte“ zu beenden (das Gerät erweist sich, nachdem Harry aus seinem Alptraum aufwacht, als vergleichsweise harmloser neuartiger Funk-Fliegerhelm, für dessen Rückgabe er eine Belohnung kassiert und damit Annie aus der Patsche helfen kann, so dass einem Happy End nichts im Wege steht) (SPOILERENDE).

Bemerkenswerter als Piels erzählerische Mittel (da hatte er ja auch keinen selbst gesetzten Anspruch, außer sein Publikum eingängig zu unterhalten) sind seine filmischen Meriten – Harry Piel ist ein verflucht moderner Regisseur, der gerade den Amerikanern, die um diese Zeit bestenfalls Meister der abgefilmten Theaterstücke waren, zeigt, was ’ne ordentliche deutsche Harke ist. Nicht nur, dass er – für die Zeit absolut unüblicherweise – wann immer möglich on location dreht, dadurch viel zeitgenössischen Berliner Lokalkolorit einfängt, er ist ungeheuer dynamisch und innovativ: satte fünfzig Jahre, bevor „Miami Vice“ die „Radkasten-Kamera“ so richtig populär machte, bekommen wir hier schon rasante Autojagden aus dieser Perspektive serviert. Der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm mit der damit einhergehenden Gewöhnung an neues Equipment bereitet Piel keine Probleme – anstatt wie viele seiner Kollegen ihren Stil an die neue Technik anzupassen (Browning z.B. war so ein Kantnonist), was dafür sorgte, dass viele Tonfilme aus den 30ern erheblich statischer sind als späte Stummfilme (was daran liegt, dass Tonfilmkameras ziemliche Apparillos waren, die man kaum bewegen konnte und man deswegen statische Einstellungen bevorzugte), regelt Piel die Dynamik seiner Aufnahmen in den Dialogszenen über behenden Schnitt, kurze Einstellungen (wenn auch gelegentlich anfällig für Achsensprünge), flotte Wechsel von close-ups zu Halbtotalen usw., und, wenn alles andere scheitert und das Filmen mit einer modernen Tonkamera einfach unpraktikabel ist (wenn im Finale z.B. in der engen Führerkanzel eines Zeppelins gekämpft wird), dreht Piel diese Szenen einfach stumm und legt eine Geräuschkulisse und Nachsynchronisation drüber. Kein Wunder also, dass er ungleich rasantere Kampf-, Verfolgungs- und allgemeine Actionszenen auf die Leinwand zaubern kann als seine amerikanischen Kollegen. Die riskanten Stunts übernimmt der „Sensationsdarsteller“ größtenteils selbst, wenn’s *zu* gefährlich wird, arbeitet er mit patenten Rückprojektionen, die dreißig-vierzig Jahre später auch nicht schlechter gewesen wären, lediglich auf das Hochspeeden einiger Autojagden hätte ich verzichten können (aber das ist bekanntlich eines meiner besonderen Steckenpferde). Für den Humor wird vor Slapstickeinlagen nicht zurückgeschreckt; was an Piels Charakterarbeit fehlt (da ist alles sehr vorhersehbar, ohne große Entwicklung), steckt er lieber, wohl wissend, was sein Publikum von ihm erwartet und verlangt, in die Schauwerte. Man müsste wirklich überlegen, wo man 1933 wirklich fetzige Verfolgungsjagden (zu Lande, zu Wasser und in der Luft) in dieser filmischen Qualität gesehen hätte (Piel setzt Autos, Motorräder und, wie gesagt, einen Zeppelin ein).

Störend bemerkbar macht sich lediglich ein unnötiger Ausflug in „mean-spiritedness“ (Fritz erschießt im Schlussakt einen von ihm entführten Taxifahrer) und die aufdringlich fröhliche Schlagermusik von Fritz Wenneis.

Die Unsichtbarkeitseffekte sind untergeordnet – sie sind patent gemacht, drücken sich aber vor wirklich schwierigen Aufgaben (da es eben nur zwei Zustände gibt – sichtbar oder nicht sichtbar, und komplette Unsichtbarkeit gehört nun mal zu den leichtesten Aufgaben für Tricktechniker). Gegenstände bewegen sich „wie von selbst“, was ins Unsichtbarkeits-„Feld“ gerät, wird per Überblendung auch unsichtbar, die Verwandlung selbst erfolgt im Lichtschalter-Ein-/Aus-Prinzip (aber immerhin auch mit anderen Darstellern im Bild, was souverän gelöst wird). Und wenn Piel im Finale gegen nichts als blanke Luft „kämpft“, ist das recht überzeugend gelöst.

Zu den Schauspielern – Harry Piels „screen-persona“ erinnert ein wenig an den jungen Heinz Rühmann, auch er ist ein „Lausbub“, der frech genug ist, um auch seinen Taxikollegen auf der Jagd nach der nächsten Fuhre eins auszuwischen, anfällig für die Verführungen der „High Society“, hat aber sein Herz am rechten Fleck, weiß im Zweifelsfall, was er als ehrbarer Bürger zu tun hat; ein kleiner Schwindel hier und da ist drin, aber nichts, was wirklich ruchbar oder unverzeihlich wäre (will sagen: Piel hätte auch den Pfeiffer mit drei Eff in der „Feuerzangenbowle“ oder „Quax, den Bruchpiloten“ spielen können, ohne dass sich an den Rolleninterpretationen wesentliches geändert hätte). Er ist nicht unsympathisch, aber als sein eigener Star auch recht anfällig für Eitelkeit – Piel überlässt seinen Co-Stars kaum eine bemerkenswerte Szene, alles läuft mit, über und um ihn selbst, aber seine Einsatz- und Risikofreudigkeit muss erwähnt werden.

Fritz Odemar, seines Zeichens Vater von „Kommissar“ Erik Ode, und selbst durch Filme wie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, „Charleys Tante (1934), „Der Hund von Baskerville (1937)“, oder „Kleider machen Leute“ gut beschäftigter Schauspieler, ist einer von denen, die unter dieser Pielfixierung leiden – zwar ist er der nominelle Schurke, aber ab seinem character turn zum Bösewicht nicht mehr im Bild (abgesehen vom Epilog), sondern nur noch zu hören; und vorher… hat er nicht viel zu spielen. Lissy Arna, bereits zu Stummfilmzeiten aktiv und in Filmen wie „Giftgas“, „Dämon des Meeres“ oder „Berge in Flammen“ zu sehen, spielt die essentielle geldgeile Schlampe schon etwas zu übertrieben, was sich aber durch Annemarie Sörensens („Die verkaufte Braut“, „Wer wagt – gewinnt“, „So ein Flegel“) ebenso übertrieben selbstlose arme-Kirchenmaus-Vorstellung wieder ausgleicht. Stummfilmstar Olga Limburg („Kain“, „Die Hose“, „5 Millionen suchen einen Erben“) erledigt den kleinen Part als Sörensens Mutter routiniert. In Mini-Rollen als Lissys Partygäste geben sich die zukünftigen Komödienstars Hubert von Meyerinck („Spessart“-Trilogie, „Die Abenteuer des Grafen Bobby“, „Neues vom Hexer“, „Ein Dreifachhoch dem Sanitätsgefreiten Neumann“, „Donnerwetter! Donnerwetter! Bonifatius Kiesewetter“) und Theo Lingen („Der Theodor im Fußballtor“, „Zum Teufel mit der Penne“, „Tante Trude aus Buxtehude“) die Ehre.

Bildqualität: Zunächst mal Kudos an Koch Media, überhaupt ein vorzeigbare DVD-Fassung dieses Streifens auf die Beine gestellt zu haben. Der 4:3-Vollbildprint wurde offensichtlich aus unterschiedlichsten Quellen zusammengestückelt und ist daher auch qualitativ eine rechte Mischpoke – von „verdammt gut für fast 80 Jahre auf’m Buckel“ bis „absolut katastrophal“ (so versinkt z.B. die alles auslösende Verfolgungsjagd mit der Polizei in einem formatfüllenden grauschwarzen Klecks, durch den nur noch ein paar Defekte und Laufstreifen schimmern). In diesem Fall will ich aber wirklich nicht zu hart sein – es ist sehr schön, dass wir den Film überhaupt in einer vollständigen Fassung sehen dürfen, man muss sich halt darüber im Klaren sein, dass ein Werk, das auch zu seiner Entstehungszeit nicht für die Ewigkeit gedacht war, heute auf DVD nicht aussehen kann wie der neueste Michael-Bay-Blockbuster.

Tonqualität: Der Mono-Ton ist passabel, zwar mit einem Grundrauschen und leichtem Knarzen, aber insgesamt sehr gut verständlich und absolut tragbar für einen Film Baujahr 1933.

Extras: Neben Biographien für die wesentlichen Darsteller und einem Trailer auf „Sein bester Freund“ erfreut uns Koch mit dem Kurzfilm „Programmwechsel in der Berliner Scala 1933“, der einen Blick hinter die Kulissen des Revuetheaters erlaubt und zeigt, wie innerhalb kürzester Zeit von einem Programm auf’s nächste umgebaut, geprobt und allgemein bis zur neuen Premiere vorbereitet wird. In recht dürftiger Qualität dargeboten, trotzdem ein nettes Gimmick, nur leider absolut identisch auch auf der „Johnny stiehlt Europa“-DVD zu finden. Wäre nett gewesen, hätte Koch für die unterschiedlichen VÖs auch unterschiedliche Goodies gefunden – wird ja wohl noch irgendwelche erhaltenen Shorts aus den 30ern geben…

Fazit: „Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt“ ist sicherlich kein Film, den man sich heutzutage ansehen wird, weil man von der phantastischen Idee und der spannenden Umsetzung so fasziniert ist – die Zeit hat sich halt doch weitergedreht, die biedere Story und die von Diktaturen aller Art vereinnahmbare gleichmacherische Moral funktionieren heute nicht mehr (dito das lahme cop-out-Ende, auch wenn’s immer wieder probiert wird). Es ist jedoch einerseits eine wunderbare Möglichkeit, in die Welt des 30er-Jahre-B-Kinos für’s einfache Volk zu blicken, das eben nicht händeringend auf den neuesten „Dr. Mabuse“ von Fritz Lang oder ein weiteres expressionistisches Meisterwerk von Dreyer wartete, sondern kurzweilig unterhalten werden wollte, so wie unsereins weniger dem neuen Film von Greenaway oder Rohmer entgegenfiebert, sondern dem nächsten „Stirb langsam“ oder „Transformers“. Andererseits zeigt der Film exemplarisch, welch talentierter Regisseur Piel trotz seiner sicherlich eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten (er arbeitete nicht im Schoß der UFA, sondern als „independent“ mit seiner eigenen Firma) war, wie modern und heute noch gültig seine Stilmittel waren. Um’s mal so auszudrücken – einen wie Harry Piel hätte der deutsche Film HEUTE dringend nötig, der könnte nämlich den nicht nur von mir sehnlichst erwarteten großen deutschen Action-/Genre-Film auf die Beine stellen (oder er wäre Hermann Joha und würde „Cobra 11“ drehen. Könnte natürlich auch sein). Wer sehen will, wie rasanter Action-Kintopp anno 1933 aussah, muss nicht weiter suchen, sondern braucht nur diese DVD zu kaufen. Unter dieser Maßgabe eine Empfehlung!

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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