- Original-Titel: Eden Lake
- Regie: James Watkins
- Land: Großbritannien
- Jahr: 2008
- Darsteller:
Kelly Reilly (Jenny), Michael Fassbender (Steve), Jack O’Connell (Brett), Thomas Gill (Ricky), Finn Atkins (Paige), Bronson Webb (Reece), Thomas Turgoose (Cooper), James Gandhi (Adam)
Vorwort
Eigentlich will Steve nur seiner Verlobten Jenny ein idyllisches Plätzchen am Eden Lake zeigen (und ihr dort den Antrag machen), bevor der einstmals öffentliche Park in eine edle Luxuswohnanlage für Yuppies mit zu viel Geld umgewandelt wird, und dort ein Wochenende am Strand zelten. Dummerweise ist dieser Fleck Strand auch der bevorzugte hang-out-Platz für die örtliche Bande gewalttätiger Teenage-Kids. Schnell geraten die Fraktionen aneinander – der laute Hip-Hop des (zwergenhaften) Ghettoblasters wird von Steve und Jenny für störend befunden, dafür stiert Brett, Leader der Gang, Jenny gern per Feldstecher auf die Möpse. Selbstredend führt eins zum anderen, man geht sich gegenseitig auf den Keks, bis die Kids Steves Wagen klauen. Da hört für Steve der Spaß dann doch auf – er konfrontiert die Gang, es kommt zu einem Handgemenge, Messer werden gezogen, und dann ist Bretts Hund tot, versehentlich im Rahmen der Kampfhandlungen von Steve erdolcht. Jetzt wird die Sache für Brett persönlich – zwar gelingt Steve und Jenny mit dem zurückeroberten Auto die Flucht, doch bei Nacht im Wald ist schnelles Fahren nur bedingt zu empfehlen. Steve schraubt das Auto gegen einen Baumstamm und bleibt verletzt im Wagen zurück, während Jenny Hilfe holen soll. Brett und die seinen schnappen sich Steve und foltern ihn brutal (Brett zwingt seine ihm hörigen Spießgesellen dazu), stilecht happy-slapping-mäßig per Handy mitgefilmt. Da die heimlich beobachtende Jenny sich dooferweise verrät, setzt die Bande ihr nach, was dem schwer verletzten Steve die Möglichkeit gibt, sich aus seinen Stacheldrahtfesseln zu befreien. Die Liebenden feiern Wiedervereinigung, aber speziell Brett will die beiden Städter nun unbedingt tot sehen und bläst zur gnadenlosen Hetzjagd durch die Wälder – in deren Verlauf viele auf der Strecke bleiben werden…
Inhalt
Mit einem richtigen „Downer“ eröffnet das FFF 2008 seine Pforten; ich bin mir nicht ganz sicher, ob es eine glückliche Wahl ist, mit einem erklärten Depri-Film ein einwöchiges Festival zu eröffnen, aber ich muss mir zum Glück über Festivalspielpläne auch keine Gedanken machen. Dem Publikum war es offensichtlich Recht, denn das Kino war sehr gut gefüllt (der 500-Mann-Saal war sicher zu 3/4 besetzt).
Das Regiedebüt von James Watkins (der übrigens auch „The Descent 2“ scripten wird – falls dieses Sequel tatsächlich von irgendjemandem erhofft wurde) versteht sich als „neumodischer“ Terrorfilm und bedient sich eines ähnlichen Grundkonzepts wie der vor zwei Jahren auf dem FFF gelaufene kleine französische Schocker „Them“, wobei mir (auch wenn ich jetzt nachträglich noch „Them“ spoilere, aber das ist mir jetzt mal wurscht) die dortige Idee, keine direkte Konfrontation zwischen Opfern und Tätern aufzubauen, sondern die Täter bis zur Schlussauflösung als gesichtslose Bedrohung zu gestalten, irgendwie besser gefällt.
Die Story von „Eden Lake“ ist straightforward genug – die Städter gegen die Dorfjugend, ein Konflikt, der sich aus Kleinigkeiten hochschaukelt, bis blutiger Ernst daraus wird. Freilich funktioniert dieses Konstrukt nur, weil sich alle Beteiligten aufführen wie die letzten Vollidioten (das trifft besonders auf Steve zu, der offensichtlich seinen Alpha-Männchen-Status durch ein Halbbrot wie Brett bedroht sieht und keine Doofheit auslässt, die Kids wirklich ernstlich gegen sich aufzubringen – nicht, dass ich das Verhalten der Kids tolerieren würde, aber als vernünftiger Erwachsener hat man doch andere Möglichkeiten…; später hat aber auch Jenny noch den ein oder anderen Kopfpatsch-Moment auf Lager, der an ihrer Gehirnkapazität zweifeln lässt: z.B. als Brett herausfindet, dass Jenny in der Nähe sein muss [weil sie gerade über Bluetooth auf Steves Handy, in Bretts Besitz, zugreift], schießt sie bei Nennung ihres Namens natürlich wie ein Springteufel aus ihrer Deckung, damit die Gang sie auch WIRKLICH sehen kann. Da stöhnte das schundgestählte FFF-Publikum dann doch kollektiv); ebenso ist problematisch, dass Brett nicht das Charisma hat, um glaubhaft machen zu können, dass sich seine komplette Gang vor ihm in die Buxen macht (zumal er noch’n Kopf kürzer ist als mindestens zwei seiner Kumpane).
Watkins macht es sich für meinen Geschmack auch mit Erklärungen zu leicht – mehr, als dass Brett aus einem Haushalt stammt, in dem Gewalt und Suff zum normalen Tagesablauf kommt, fällt ihm nicht ein. Das mag man für ein aktuell-relevantes gesellschaftspolitisches Statement halten (und im Filmkontext macht es für das Downer-Ende Sinn… ja, verdammich, der Film geht nicht gut aus, aber das hat auch der Festival-Heinz vor dem Film verraten. Dann kann ich das wohl auch), aber es greift – wie gesagt, für mich – zu kurz.
Rein technisch gesehen spult sich „Eden Lake“ ab wie ein typischer Backwoods-Metzler, mit dem Unterschied, dass anstelle irgendwelcher degenerierter Hinterwäldler halt eine Bande Teenager hinter unseren Helden her ist; es ist der altbekannte Rhythmus des Flüchtens, Versteckens, wieder-entdeckt-Werdens usw. usf. Innovationen gibt’s da keine – außer eben, dass die explizite sadistische Gewalt von einem Rudel Kids ausgeübt wird. Die einzige Szene, die in Punkto „nie gesehen“ herausragt, ist gleichfalls auch die, die ich dem Film verhältnismäßig übel nehme. Manche Sachen sollte man nicht zeigen wollen (SPOILER: Jenny wird von einem kleinen Jungen – gezwungenermaßen – in eine Falle geführt. Als Jenny trotzdem erneut die Flucht gelingt, droht Brett an, den Kleinen auf die in Südafrika beliebte Methode „Reifen um den Hals und anzünden“ umzubringen – und tut das dann auch, und Watkins kann sich eine Einstellung nicht verkneifen, die den Jungen mit brennendem Kopf zeigt. Ich bin wahrhaft keiner von denen, die Gewalt gegen Kinder im Film per se ablehnen, aber man sollte einen guten Grund dafür haben, und den hat Watkins m.E. hier nicht).
Ein schlechtes Zeichen ist sicher auch, wenn ein 90-Minuten-Terrorfilm dem geneigten Zuschauer (will sagen: mir) erheblich länger vorkommt, als er ist. Es mag daran liegen, dass „Eden Lake“ im Grunde furchtbar unoriginell ist, oder dass ich einfach zu viele Metzelfilme gesehen habe, die im Wald spielen, daran, dass die Verteilung der Handlung auf mehrere Tage dem Spannungsbogen abträglich ist (und den Film unglaubwürdiger macht), oder einfach daran, dass Watkins nicht viel einfällt, wenn die Story mal in die Puschen (also in den Horror-Part) kommt, die diversen Splatterszenen miteinander zu verbinden (außer durch hysterisches durch-den-Wald-Rennen).
Nun gut – dann will „Eden Lake“ eben ein schlichter Splatterfilm sein… kucken wir uns also die Effekte mal genauer an. Die sind technisch ordentlich, ausreichend sudelig und – für manch einen ist das ja durchaus ein Kriterium – treffen hauptsächlich den armen Steve, der ganz schön durch die Mangel gedreht wird. Alles andere als eine KJ-Freigabe würde mich wirklich heftig überraschen (zumal der Kontext der Gewalt nun mal auch ein extrem sadistischer ist).
Der Lichtblick des Streifens ist – pour moi zumindest – Kelly Reilly in der Rolle der Jenny. Reilly, die in Maybe Baby und Dead Bodies offensichtlich keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hatte und zwischenzeitlich auch in der Keira-Knightley-Version von „Stolz und Vorurteil“ agierte, fällt schlicht und ergreifend in mein Beuteschema 🙂 Wer sich unter einer Schnittmenge aus den besten Eigenschaften von Mylene Farmer, Amanda Plummer, Juliette Lewis und der jungen Jamie Lee Curtis etwas vorstellen kann, sollte sich angesprochen fühlen… Reilly macht selbst im zunehmend blut- und matschbesudelten Zustand eine attraktive Figur und leistet auch schauspielerisch, soweit das Script ihr das erlaubt, gute Arbeit. Rollen wie diese sind nicht großes Schauspielerkino, aber Reilly reduziert ihren Charakter nicht auf eine reine Scream Queen. Michael Fassbender, ein gebürtiger Deutscher, der sich schauspielerisch bislang fast ausschließlich in England verdingt (und u.a. in „300“ zu sehen war), erledigt im Rahmen der Möglichkeiten, die das Script ihm bietet, ebenfalls einen guten, wenn auch keinen herausragenden Job. Die Darsteller der Jugend-Gang sind okay – obwohl auch ihnen das Drehbuch kaum Möglichkeit bietet, sich großartig auszuzeichnen, sind ihre Reaktionen auf die von ihnen ausgeübte Gewalt (wenn auch vielleicht nicht die ausgeübte Gewalt selbst) durchaus glaubwürdig. „Brett“ Jack O’Connell und „Cooper“ Thomas Turgoose spielten bereits in dem kritikerseits abgefeierten Skinhead-Jugenddrama „This is England“ zusammen, „Reece“ Bronson Webb kann immerhin Bitparts in Großproduktionen wie „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“, „Königreich der Himmel“ und „The Dark Knight“ verweisen.
Es sei übrigens darauf verwiesen, dass sich die englischsprachige Originalfassung nur diejenigen zutrauen sollten, die wirklich auch mit derbsten englischen Hinterland-Akzenten keine Probleme haben. Wenn Brett und die seinen sich unterhalten, hab ich wirklich bestenfalls jeden dritten Satz halbwegs verstanden und ich halte mich nun für einen flüssigen Englischsprecher und -versteher (es ist und bleibt so – das fürchterlichste Englisch sprechen die Engländer. Und ich renn jedes Jahr wieder in irgendwelche Tommyfilme auf’m 3F).
Fazit: Wenn James Watkins ein großes gesellschaftspolitisches Statement zu Jugendgewalt, der Bildung von gewaltbereiten und -lebenden Parallelgesellschaften vorschwebte, dann ist er grandios gescheitert. Mehr als „Deliverance“ mit Jugendtätern, krassen Splattereffekten und ins englische Hinterland verlegt ist „Eden Lake“ nicht geworden. Das mag der anspruchsloseren Splattercrowd genug sein (es gab am Ende in Nürnberg verhaltenen Applaus), aber für mich zieht’s die Wurst nicht vom Teller (auch, weil Downer-Enden mittlerweile so en vogue sind, dass sie nicht mehr wirklich schocken). Erschlagt mich, aber „Them“ fand ich wirkungsvoller. Und die eine Szene nehme ich dem Film wirklich übel.
2/5
(c) 2008 Dr. Acula