Dungeon Girl

 
  • Deutscher Titel: Dungeon Girl
  • Original-Titel: Dungeon Girl
  • Alternative Titel: Blood Dungeon |
  • Regie: Ulli Lommel
  • Land: USA
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Schatze Melnik: Wendi Jean Linn
    Der Fremde: Günther Ziegler
    Onkel Henry: Ulli Lommel
    Marcia James
    Hank Gordon
    Stacey Worth
    Darrin McDuff
    Francoise Kaane
    TV-Priester: Christian Behm
    Bärtiger Mann: Bud Watson


Vorwort

Abt. Ich und meine große Klappe

Ulli Lommel. ULLI Lommel. Ulli LOMMEL. Wie sich die Älteren noch erinnern mögen, beendete ich mein Review des großartigen Lichtspielwerks Daniel der Zauberer mit dem dringlichen Ratschlag, ach was, dem dienstlichen Befehl an Herrn Lommel, den geistigen Schöpfer des denkwürdigen Küblböck-Epos, die Filmkamera für immer aus der Hand zu legen und sich bevorzugt mit der Umschulung zum tibetanischen Eremiten oder einer ähnlichen Tätigkeit, in deren Rahmen er arglosen Filmfreunden nicht mehr auf den Keks geht, zu befassen. Aber auf mich hört ja keiner…

Anstatt also die Welt nicht weiter mit seinen völlig halt- und hirnlosen Anschlägen auf die kollektive Volksgesundheit zu behelligen, fiel es dem Fassbinder-Schüler bei, sich ob der allgemeinen Häme, die sowohl seriöse Filmkritik als auch Publikum über den „Daniel“ (den Meister Lommel selbstverständlich für ein großes und aussagekräftiges Kunstwerk hält) ausschütteten, frustriert nach Hollywood zurückzuziehen, dort eine eigene Produktionsfirma mit dem hochtrabenden Namen „Hollywood House of Horror“ zu gründen und innerhalb von drei Jahren satte 17 Horror-Heuler (mit rapportierten Budgets so um die 5000 Dollar rum) zu Lasten der Videotheken dieser unserer Erde herunterzuholzen. Das könnte und sollte man nun als geneigter Konsument gepflegt ignorieren – warum sollte man schließlich jemanden unterstützen, der seine künstlerische, ähm, Integrität mutwillig, mit Anlauf und in kaum zu überbietender Weise zur Müllkippe gefahren hat?

Doch unter all diesen „Zombie Nations“, „Zodiac Killers“ und wie Lommels Machwerke sich nennen, stach ein Titel dann doch soweit heraus, dass dieser Euer schreibender Doc gelobte, wider besseres Wissens und zum vermuteten Schaden seiner Gehirnzellen echte Kohle in eine DVD zu investieren und sich ein Review aus den Rippen zu leiern – eben „Dungeon Girl“.

Wir erinnern uns – ganz Europa stand im Sommer 2006 im Bann der Natascha-Kampusch-Geschichte. Die junge Österreicherin wurde 1998 im Alter von zehn Jahren von dem Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil entführt und acht Jahre lang gefangen gehalten. Im August 2006 gelang ihr die Flucht, Priklopil beging nach am Tag dieser Flucht, von der Polizei in ganz Wien gefahndet, Selbstmord. Der Fall schlug hohe Wellen in den Medien, Ermittlungsversäumnisse der Polizei wurden vermutet etc. etc. Kampusch‘ offensiver Umgang mit ihrer Entführung wurde teilweise kontrovers aufgenommen, obwohl sie selbst angab, deswegen von selbst die Öffentlichkeit zu suchen, um den Boulevardmedien die Deutungshoheit über ihre Geschichte zu entziehen. Mittlerweile moderiert Kampusch – mit mäßigem Erfolg – eine eigene Talkshow bei einem österreichischen Privatsender.

Ein spektakulärer Kriminalfall – und zweifellos für eine Verfilmung ausgesprochen interessant, aber… ausgerechnet Ulli Lommel wollte sich mit einer freien Interpretation an die Umsetzung wagen? Mit seinen „bewährten“ Ultra-Billig-Stilmitteln, dem schauerlichen Videolook und Amateur-Knallchargen aus der Warteschlange des Arbeitsamts? Das, liebe Freunde, kann dann eben NUR (und da bin ich mir bereits vorab völlig sicher) in einer Gesamtkatastrophe biblischen Ausmasses enden, und für „Gesamtkatastrophen biblischen Ausmasses“ fühle ich mich eben by default zuständig. Irgendeiner MUSS es ja machen. Also berappte ich (schweren Herzens, denn den Zaster gibt mir ebenso wie die mit Filmbetrachtung und Reviewkritzelei vergeudete Lebenszeit höchstwahrscheinlich niemand zurück) stolze zwölfeuroneunundneunzich bei Drogenmüller und durfte dafür das vermutlich einzige in Nürnberg verkaufte Exemplar von „Dungeon Girl“ (wenigstens im schicken Pappschuber) mit nach Hause nehmen. Das hab‘ ich nu‘ davon. Na dann, Ulli, zeig mal, was du nicht kannst…


Inhalt

Wo fängt man eine Geschichte wie die der Natascha Kampusch, die hier (festhalten) „Schatze (ausgesprochen „Schatzi“) Melnik“ heißt, am besten an? Logisch, am Ende. Der Entführer (der, wie mir Future Doc glaubhaft versichert, keinerlei Charakternamen erhalten wird, der über „der Fremde“ hinausgeht. Wunderbar) stiert durch eine kleine Klappe (über der dekorativ ein Holz-Kruzifix hängt) in Schatzis Verlies (das ist relativ akkurat von der Größe her ein in zwei „Zimmer“ unterteiltes Kabuff von vielleicht fünf Quadratmeter Größe, und einigermaßen nett eingerichtet). Schatzi stiert zurück, und unser großer Künstler Ulli alterniert stetig aufdringlichere close-ups auf die Augenpartien der beiden Protagonisten. Nach einer Minute oder so dieses Treibens hat Schatzi die Faxen dicke und macht die Klappe zu, um sich mit einer Puppe (eines lieben kleinen Negerkinds) zu beschäftigen. Der Kidnapper pflanzt sich auf die Couch (obwohl er ein größeres Haus bewohnt, scheint sein komplettes Leben in einem an Schatzis Gefängnis direkt anliegendem Raum – der nicht mal im Keller liegt, pöh – abzuspielen) und ratzt. Schatzi öffnet die Klappe wieder, erspäht den schlafenden Entführer und, haha, die von ihm achtlos auf dem Tisch liegengelassenen Hausschlüssel. Einen Schnitt weiter (und das Publikum schon fragend im Regen stehen lassend, wie zur blauen Hölle sie aus ihrem eigentlichen Gefängnis entkommen und sich die Schlüssel greifen konnte, aber das, meint Future Doc, wird noch halbwegs geklärt bzw. zumindest zusammenreimbar werden) und Schatzi ist schon durch die Haustür und türmt ins Gewölle, das sich ausgesprochen malerisch (und offensichtlich fernab jeglichen Schusses) vor ihr ausbreitet.

Der „Fremde“ erwacht aus seinem Schönheitsschlaf und hat eine klassische late reaction ob des Anblicks der nicht mehr vorhandenen Schlüssel. Mit verschlafenen „Schatzi?“-Rufen (die um so lustiger sind, alldieweil wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass Schatzi so *heißt*) tapst er durch die Bude, wo aber von der (zumindest schnucklig anzuschauenden) Jungmaid weit und breit nichts zu sehen ist. This makes the guy a sad panda. Probehalber stapft er vor die Tür und geht auf die Suche…

„VOR 8 JAHREN“ schreit uns eine Texteinblendung entgegen und in einem Versuch, hier intellektuell und künstlerisch hochgradig bedeutsam zu sein, lässt uns Herr von und zu Lommel die Wörterbuchdefinitionen von „victim“ („Opfer eines Verbrechens“) und „vixen“ (weiblicher Fuchs) nachlesen. Öh. Ja. Sure. Ham wa heute wieda was jelernt.

Begrüßen wir nunmehr ein Stilmittel, das uns die nächsten, na, 75 Minuten herzhaft auf den Sack gehen wird und andeutet, dass Ulli Lommel auf seine alten Tage die „Coleman Francis School of Modern Filmmaking“ besucht und ganz ersichtlich mit full honors absolviert hat. In Ermangelung von deutlich überschätztem Schwurbel wie, äh, naja, Dialogen halt, wird der komplette Restfilm (auch dies ein Vorgriff aus dem Hause Future Doc, der mir lediglich ersparen will, in der Nachbetrachtung noch lange darauf eingehen zu müssen) von einer Erzählerin (angeblich Schatze himself, wobei auch in der – auf der DVD nicht inkludierten Originalsprachfassung – der Textschwall nicht von der Darstellerin gesprochen wird) zugelabert. Schönen Dank auch. „Wer bin ich und was mache ich hier?“, fragt die Stimme aus dem Off, und ich gehe jede Wette ein, dass ich nach diesem Film etwas ähnliches von mir geben werde, dito die nächste Frage: „Warum muss ich all dies erleiden?“ Es ist schön, wenn der Regisseur und Drehbuchautor offen die Emotionen des mutmaßlichen Publikums bereits mit den ersten zwei gesprochenen Zeilen auf den Punkt bringt. „Bin ich eine Hexe?“, fragt sich Schatzi (man vergebe mir bitte, dass ich zwischen dem offiziellen Charakternamen und dem „Schatzi“ munter durchwechsele) unvermittelt, und zur Unterstreichung dieser gewagten Theorie wird in schauderhafter Bildqualität eine „Hexe-rührt-in-ihrem-Suppentopf-im-Wald“-Szene eingeblendet, die mir sehr sehr sehr sehr sehr bekannt vorkommt (es *könnte* daran liegen, dass ich Totentanz der Hexen gesehen habe. Der alte Schelm Ulli hat in seinem Keller wohl noch eine alte abgerotzte 8-mm-Rolle des Heulers gefunden und gedacht, „mei, das kann man vielleicht noch mal irgendwann brauchen“). Schatze redet sich dieweil off-screen um alle möglichen Köpfe und Krägen, rhabarbert über „Träume“ und „Erinnerungen“, die ihr noch gehören würden (indes Lommel munter close-ups von Schatzi, ihrem Entführer und die bewusste Hexenkessel-Szene über- und übereinanderblendet, dass es jedem Filmhochschullehrer grausen würde), stellt noch mal die Gretchen- bzw. Hexenfrage und räsonniert darüber, ob das alles am Ende nicht etwa ihre eigene Schuld ist/sein wird/gewesen war/whatever. Ich stelle fest, dass ich mangels irgendwelcher sich auf dem Bildschirm entfaltender Aktivitäten, die man hätte notieren können, quasi ersatzweise ihren kompletten Monolog mitgeschrieben habe, aber da man den hanebüchenen Blödsinn nun wirklich niemandem zumuten kan, beschränke ich mich – dankt mir – auf Stichpunkte. Wir konzentrieren uns für einen Moment auf den Entführer, der, eine Videokamera in der Hand, Schatzi auffordert, ihr Höschen auszuziehen (per flash-cuts dazwischengeschnitten sind mehr oder weniger anregende Aufnahmen einer auf ihrem Mini-Bett „lüstern“ herumrollenden Schatzi), ehe wir unvermittelt mitansehen müssen, wie der „Fremde“ Schatzis Negerpuppe poppt (!!) und unsere „Heldin“ sich einmal mehr fragt, ob sie denn eine Hexe sei.

Noch nicht mal sieben Minuten sind rum und ich stelle mir bereits jetzt folgende Fragen: Ist Lommel jetzt VÖLLIG IRRE? Hat der Mann noch irgendeinen Plan von dem, was er da macht? Und warum zur Hölle drücke ich jetzt nicht einfach auf STOP?

Keine dieser Fragen wird mir je beantwortet werden, schätze ich.

Nachdem wir diesen ersten wüsten Mordversuch an unseren Gehirnzellen absolviert haben, stellt Schatzi sich (per voiceover) vor und verkündet, am 21.1.2001 entführt worden zu sein (was ihre Gefangenschaft auf sechs Jahre beschränkt, während die echte Kampusch acht Jahre in der Gewalt ihres Entführers war) und androht, uns nun ihre Geschichte zu erzählen. Das ist ein günstiger Gelegenheit, den Vorspann einzubauen, d.h. für die nächsten zwei Minuten latscht der Kameramann durch des fremden Mannes Wohnung und filmt, als ginge es darum, die Hütte per Video-Vorstellung auf einem Online-Immobilienmarkt loszuwerden, und zwischendurch werden die diversen Namen eingeblendet. Das sind vermutlich die zwei besten Minuten des Films. Schwer symbolisch schwelgt die Kamera auf einem „nacktes-Kind-steigt-in-die-Badewanne“-Gemälde, das uns vermutlich die Schramme des Entführers nahebringen soll. It’s that simple, I guess.

Schatzi voiceovert, dass sie sich manchmal im Spiegel nicht wiedererkenne (was insofern sehr lustig ist, weil, wie sich noch herausstellen wird, Schatzi im Alter von 12 exakt so aussieht wie Schatzi im Alter von 18, weil Herr Lommel natürlich nicht zwei Mädchen anheuern wollte) und will uns nun ihre tragische Lebensgeschichte vermitteln. Deshalb schalten wir in einen der allgemeinen künstlerischen Wirkung wegen in schwarz-weiß gehaltenen Flashback, der in einem gewissen Kaff namens „Stocktenburg“ (es ist irgendwie drollig, wie sehr die deutsche Bearbeitung des Films, besorgt von Lommel übrigens gar selbst, den Eindruck erwecken will, der Kram spiele tatsächlich in Österreich bzw. im deutschen Sprachraum, obwohl sonnenklar ist, dass der ganze Tinnef in Amerika gedreht wurde – mit entsprechender Architektur, Autos etc.), am 15.03.1998 spielt (nicht, dass die Daten wirklich eine echte Bedeutung hätten. Dazu bräuchte der Film ja erst einmal einen Plot, von dem er wüsste). Stocktenburg ist nach dem Willen des Regiegottes eine weitläufige Ranch irgendwo im US-Mittelwesten (mit den üblichen Maisfeldern, wo Killerkinder Ihm, der hinter den Reihen wandelt, huldigen), und ihr Daddy mit seinem Automobil einen Feldweg entlangfährt und dabei entweder eine mittlere Seelenkrise schiebt oder unter akuten Magenkrämpfen leidet. You decide. Schatzi vermittelt uns ihres Herrn Erzeugers freigeistiges Lebensmotto: Jeder darf das tun, was immer ihm gefällt, zu jedem Zeitpunkt (ihr Vater war Aleister Crowley?). „Ich hatte meinen Vater lieb“, schnulzt sie, „und er mich auch.“ Dies offenbar so von Herzen, dass er akut kontempliert, sich mit der mitgebrachten Kanone die Birne wegzuknallen. Gut, wenn ich mit einer Schachtel verheiratet wäre, die ungefähr so aussieht wie Fran Dreschers Mum in „Die Nanny“, würde mich das auch einer Verzweiflungstat antreiben. Schatzi ist zu diesem Zeitpunkt noch süße neun oder so und wird demzufolge nun doch von einer Kinderdarstellerin gespielt. „Ich weiß nicht, warum er es tat“, heult die heutige Schatzi von der Tonspur, „vielleicht war es meine Schuld oder die meiner Mutter“. Während die Tonspur eine Spieluhr-Version von „Guten Abend, gut‘ Nacht“ zwecks größerer Tragik abspult, schreitet Papa Melnik erfolgreich (und off-screen) zur Selbstötung. Wenigstens einer hat’s hinter sich. „Nach seinem Tod war es, als würde die Zeit stillstehen“, meint Off-Schatzi und ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass dieser Film bereits jetzt absolut unerträglich ist und vermutlich nicht besser werden wird.

Kann er auch gar nicht, denn wir kommen zum unvermeidlichen Auftritt des Großmeisters of German Arthouse Kino, Uuuuuulli Lommel, himself. Der steckt im Gegensatz zum „Zauberer“ nicht im Frack, schleppt kein Blasinstrument (außer dem angewachsenen, ähm) mit sich rum und hat auch stets die vom Herrgott so vorgesehene Anzahl oberer Extremitäten, dafür aber wenigstens einen Panama-Hut auf’m Dez, der ihn bereits auf Sicht als Drömel kennzeichnet. Onkel Henry (ergo Ulli) nahm die vakante Familienvaterstelle ein und das, so wie’s aussieht, nicht zu Schatzis Verdruss, höchstens zu Mamas Gleichgültigkeit (aber die kriegt ihren Fettarsch eh im kompletten Verlauf der Flashback-Sequenzen nicht aus ihrem Sessel hoch). „Ich dachte, er würde für immer bleiben und Vaters Platz einnehmen“, behauptet Schatzi und das wäre ihr wohl auch ganz recht so gewesen, denn auch Onkel Henry hat sie ganz doll lieb. Aber der liebe Onkel hatte sein Geheimnis (der kurze Zwischenschnitt legt nahe, dass er gerne was Attraktiveres im Bettchen hat als Mama Melnik und das kann ich ihm nicht verdenken) und verabschiedete sich rasch gen Kalifornien, „einem Land ganz weit weg, wo immer die Sonne scheint.“ California, here I come, open up your golden arms… (ja, das Sophie J. Hawkins-Album „Tongues & Tails“ anzuhören, wäre erfreulicher gewesen als diesen Film anzuschauen). „Er kam nie zurück“, greint Schatzis Erzählerin, „und die Dinge veränderten sich. Ich veränderte mich“. Dies bleibt reine Behauptung. Mama Melnik holt sich schnell einen neuen Kerl ins Haus, einen bärtigen Typen, der mittelmäßig „böse“ kuckt und, wie uns der voiceover glaubhaft versichert, „mich nicht so liebte wie Vater oder Onkel Henry, sondern auf eine Weise, die ich nicht beschreiben kann“. Sofern Lommel hier eine Mißbrauchsgeschichte konstruieren will… sollte er es lieber lassen. Einfach so. Aus grundsätzlichen Erwägungen.

„Danach wollte ich weg“, subsumiert Schatze, und der einzige sichere Ort „waren meine Gedanken.“ Okay, Schatzi spielt den seklusiven Einsiedlerkrebs unter den Pre-Teens. Und das, zumindest legt das die nächste Einblendung näher, drei Jahre lang (d.h. lange genug, damit Schatzi so aussieht wie Wendi Jean Linn). Und da passiert es – Schatzi sieht einen Mann! Naja, nicht irgendeinen, sondern DEN Mann, ihren zukünftigen Entführer. Niemand verrät uns, warum er um ihr Haus herumschleicht, was jedem durchschnittlichen Amerikaner zweifellos ausreichen würde, um ihn prophylaktisch zu erschießen und danach die Bullen zu rufen, aber aus irgendeinem kühnen Grunde (sprich: Herr Lommel will es so) ist Schatze von dem Fremden fasziniert: „Hat er mich gesehen? Was will er?“ Es tut mir übrigens sehr leid, dass ich mehr oder weniger nur den voiceover nacherzähle, aber was will man machen? Sonst gibt’s ja nichts. „Ich beobachtete ihn“, erfahren wir, während wir sehen, wie Schatzi den Mann beobachtet (ja, auf diesem Niveau spielt sich der dramatische Narrative von „Dungeon Girl“ ab), „ich war regelrecht besessen von ihm“. Dieser Film ist langsam, aber sicher, nicht nur langweilig, unerträglich und technisch inkompetent, er wird jetzt auch aktiv unangenehm, wenn wir uns vor Augen halten, dass Lommel hier einen *realen* Fall verarbeitet (auch wenn der Nachspann, sagt mir Future Doc, die übliche „all characters and incidents are fictious“-Karte spielt). „Wer bist du, und was willst du von mir? Kannst du mich sehen? Weißt du, wer ich bin? Hast du eine Botschaft für mich? Kannst du mich retten?“ (Das sind Original-Zitate. Lommel ist krank. Anders kann ich das nicht ausdrücken). Also geht sie nach draußen und wird vom Fremden prompt entführt. „Bist du eine Hexe?“, fragt der Fremde aus dem Off.

„Weldenstein, 28.4.2001“ wird eingeblendet, und „Weldenstein“ ist, wenn wir Lommel glauben (und wie könnten wir das nicht?) eine einsame Hütte irgendwo in der Prärie, nahe eines malerisch gelegenen Sees. „Ich weiß nur, dass ich mich nicht gewehrt habe“, sülzt Schatzi die Landschaftsbilder, die ich mit meiner 49-Euro-Digicam von Aldi auch nicht schöner hinbekommen hätte, zu und stellt ernüchtert fest, dass sie „da gelandet“ ist, „wo ich angefangen habe“, in einem Gefängnis, nur dass es dieses Mal kein selbstgewähltes „intellektuelles“, sondern ein reales ist – der Fremde sperrt sie in eine finstere Besenkammer. „Ich mochte ihn“, entblödet sich ihr voiceover trotzdem nicht, und fragt: „Was hat er vor? Hat er einen Plan?“ (Lommel beim Filmen hatte jedenfalls keinen). Der Fremde zieht sich nackend aus und fickt (von hinten betrachtet, damit wir wenigstens nur von einem nackten Männerhintern belästigt werden) die Tür zu der Kammer. Excuse me while I kill myself.

Später kuckt der Mann TV und speziell die Berichterstattung über den Entführungsfall Schatze Melnik: „Ihre Entführung hält ganz Amerika in Atem“, meint der Nachrichtensprecher und konterkariert so Lommels Bemühung, die Plotte in Europa spielen zu lassen. Er ist nicht nur krank, sondern auch noch doof. Dann ist’s Zeit für die Fütterung der Raubtiere. Schatzi ist auf allen Vieren in ihrer Kammer und der Entführer reicht ihr Schokolade (o.ä.) als Leckerli direkt in den Mund. Jetzt wird’s also auch noch demütigend, kudos, nicht jeder schafft’s, sein eh schon unterhalb der Grasnarbe angesiedeltes Niveau mit jeder weiteren Sekunde noch zu unterbieten. „Er war ein Voyeur und filmte mich, überall, jederzeit“, erklärt uns Schatzi aus dem Off, und per flash-cuts, die uns Schatzi auf der Toilette und in der Dusche (no nudity) zeigen, wird uns dies auch bildlich dargeboten. „Aber hat mich nie angefasst“, verteidigt Schatzi ihren persönlichen Perversen. Dann liegt der Mann auf der Couch und spielt Gitarre (ich gebe nur wieder). Anscheinend ist man sich nunmehr etwas näher gekommen („er hat mich näher an sich herangelassen“, meint Schatzi gleich hilfreich-bestätigenderweise), denn sie darf nun in ihr eigentliches „Verlies“ umziehen. „Er begann sich um mich zu kümmern.“ Ja, der fürsorgliche Entführer kocht ein leckeres Süppchen für seine Gefangene (sieht mehr aus wie Borschtsch als ’ne Suppe, aber wer wird wählerisch sein?). Außerdem bügelt er. Okay. Der perfekte Hausmann, I get it, sowas will jede Frau. Ist doch egal, ob er einen in eine Dreiquadratmeterzelle sperrt, hauptsache, er macht den Haushalt. Die Mahlzeit wird gemeinsam am Tisch (außerhalb der „Zelle“, denn da passt ja keiner rein) eingenommen. Und, HEY, DIALOG! „Deine Lieblingssuppe“, sagt er. „Danke“, sagt sie. „Genieße es“, sagt er. Hohe Kunst der Poesie (und dass Lommel sein eigenes Script nicht richtig übersetzen kann, denn für „enjoy it (your meal)“ sagt man im Deutschen normalerweise nicht „genieße es“, sondern „guten Appetit“, wundert mich eigentlich schon gar nicht mehr). „Es schien, als wollte er mich etwas besonderes fragen“, labert der voiceover, „aber er tat es nie, sondern starrte mich nur an.“ Während ich noch überlege, ob Schatzis on-screen-Gesichtszuckungen etwa andeuten sollen, dass sie versucht, ihren Entführer zu verführen, flash-cutten wir in die bereits bewährte Hexenkessel-Szene aus „Totentanz der Hexen“ (no use letting perfectly good footage go to waste) und zu seiner bereits gestellten Frage: „Bist du eine Hexe?“ (Das scheint meine Verführungs-These beinahe zu untermauern, aber ich gehe nicht davon aus, dass das Script und das, was Lommel tatsächlich dazu filmte, irgendwelche ernstlichen Zusammenhänge aufweist.) „In manchen Nächten fühlte ich, wie er mich beim Schlafen beobachtete“, quasselt Schatzi, und überlegt, dass er sich näher zu ihr hingezogen fühlte, ihn aber ein dunkles Geheimnis umgäbe (ich bin ja SO gespannt).

Ziemlich out-of-leftfield vermittelt uns Schatzis voiceover nunmehr, dass sie des Nächtens von gefolterten Frauen träume, aber dies schließlich und endlich ja auch nur deswegen, weil Ulli noch ein paar weitere Szenen aus „Totentanz der Hexen“ übrig hat, und die kann man ja immer mal einbauen, ne? Also kommen nun ausgesuchte Highlights der Scheiterhaufen-Sequenz und der Szene, in der eine der Devonsviller Hexen von Hunden zerrissen wird. Hier kommt jeder auf seine Kosten. Apropos „Kosten“, solche sparen kann man natürlich auch, in dem man jede einmal abgedrehte Szene mindestens fünfmal verwendet. Das macht uns Ulli hier vorzüglich und vorbildlich.

Nun, weiter in dem, was wir in unserem jugendlichen Leichtsinn „Handlung“ nennen würde, hätte unser „Film“ eine solche. Im Zuge der vertrauensbildenden Maßnahmen beginnt der Entführer Schatzi aus der Bibel vorzulesen (was jetzt sicherlich auch wieder schwer bedeutungsvoll, symbolisch und metapherhaft für dieses, jenes oder sonstwas ist, was mir gerade sehr geschwind am Hintern vorbei geht). Das findet unser Schatzi allerliebst, denn die Bibelgeschichten, die ihr „unter die Haut“ gehen (jesses), fühlen sich „gut an“ und veranlassen sie, sich „geschützt“ zu fühlen. „Ich mochte es, ihm zuzuhören“. Ich würde es mögen, hätte Herr Lommel irgendeinen PUNKT, den er machen möchte. Für diejenigen, die so etwas gerne mitstoppen – wir haben die 30-Minuten-Marke erreicht und ich möchte momentan Ulli Lommel dringlicher vierteilen als zu vergleichbarer Stelle bei „Daniel der Zauberer“. Das will ja auch was heißen. Aber jetzt wird’s richtig spannend… denn…

… der Entführer spielt Erdkunde-Quiz mit seinem Opfer. Europäische Hauptstädte heißt das Fachgebiet. Frankreich, Italien und England löst Schatzi, aber bei Holland liegt sie mit der Antwort „Amsterdam“ dann doch falsch. Fiesmorchel Entführermann wechselt das Thema und möchte von ihr den Namen des berühmtesten Baseballspielers aller Zeiten wissen. Babe Ruth ist ihr aber dann auch kein Begriff. Das war spannend, das war lehrreich. Und offenbar auch anstrengend, denn der Mann braucht eine Entspannungsdusche (MALE BUTT!) und wird dabei von Schatze wohlmeinend beobachtet. Zwischendurch schneidet Grandmaster Lommel ein, wie der Entführer ihr „Maikäfer flieg“ (zu einer etwas schrägen Melodei, wenn ich das mal anmerken darf) vorspielt. Ergreifend. Dann geht’s zurück unter die Dusche. Also, nicht mal im Drogenrausch schneidet man so einen Schwachsinn zusammen wie diesen hier… Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass dieser „Film“ eine bewusste Verhohnepiepelung des Publikums und der Kritik, ein filmgewordener Stinkefinger, sein muss. Anders ist das nicht zu erklären.

„Halloween 1997“ lautet die nächste Einblendung, also werden wir uns wohl oder übel wieder in einen schwarz-weiß-Flashback stürzen. Während andere Kinder trick-or-treaten, sitzt Schatzi, als Katze verkleidet, dumm rum. Trotzdem sind das, zumindest versichert uns das ihr voiceover, „die glücklichen Zeiten“, denn in diesem zarten Alter bekam sie ihren ersten Kuss. Offensichtlich von dem qualmenden (!) Dreikäsehoch gleichen Alters (der wohl Cooper heißt), und der ganz den erfahrenen Macho spielt, ihr erst eine Zigarette (dankend abgelehnt) und dann – sehr romantisch – den erwähnten Schmatzer anbietet. Und zwar, trommelwirbel, MIT DIALOGEN! Jippie! Schatzis Frage, ob er denn sowas schon mal gemacht habe, beantwortet er mit einem lässigen „hundertmal“ (Casanova jun.!). Und wie war’s? „Es hat mich umgehauen“, meint Cooper, dann fällt ihm aber schnell ein, dass diese Feststellung sein Image untergraben würde und revidiert: „Naja, es war okay!“ Nach etwas „und jetzt“-„hüstel“-„okay“-Hin-und-Her zweier Kids, die sich absolut nicht sicher sind, ob das, was sie vorhaben, ’ne wirklich knorke Idee ist, haucht Cooper ihr ein millisekundenlanges Bützje auf die Wange. Ohne jetzt arg despektierlich sein zu wollen, das war bis jetzt die so ziemlich singulär beste Szene des Films, ganz witzig, okay gespielt, passabel inszeniert – nur leider dauert sie halt nur ungefähr 45 Sekunden…

Halten wir uns also nicht mit vergleichsweise guten Sachen auf, sondern schalten um nach „Weihnachten 2003“. Der Entführer hat seinem Schatzi liebevoll den Weihnachtstisch dekoriert und sie lauscht ergriffen seinem herzig zur Akustikgitarre gesummten „Stille Nacht“-Versuch. An dieser Stelle musste ich beim Ansehen dann doch eine Pause einlegen – länger ist der Kram am Stück nicht zu ertragen… frisch nikotingestärkt schaffe ich es vielleicht bis zum Abspann. Immer noch Weihnachten. Entführer und Opfer kucken fern, übertragen wird ein Gottesdienst aus einer chronisch unterfinanzierten Gemeinde (die schafft’s nämlich nicht mal, hinter den predigenden Pfaffen eine Art backdrop aufzubauen, dem wir entnehmen könnten, dass der tatsächlich in einem Gotteshaus steht). Der Pfarrer betet das Vater Unser herunter und bettelt anschließend um Spenden für die abgebrannte Kirche (naja, das erklärt zumindest, warum er vor einer sprichwörtlich leeren weißen Wand steht). Aus den bekannten unerfindlichen Gründen erinnert das alles Schatzi an ihre Mutter (?). „Ob sie mich vermisst?“, melodramatisiert der voiceover, „vermisst mich überhaupt jemand?“ (I probably wouldn’t). „Etwas hatte sich verändert“, behauptet Schatzi nunmehr zum wiederholten Male. Sie erinnert sich an ihre Mutter und an „ihn“ (den bärtigen Typen), und stellt fest, dass sie „weglaufen wollte, wie mein Onkel“. Weil Lommel an der Stelle einfällt, dass er schon seit mindestens drei Minuten nichts mehr offensiv Schwachsinniges eingebaut hat, befummelt der Entführer Schatzis Negerpuppe und onaniert mit/auf ihr, was nach Meinung des Künstlers auch rechtfertigt, dass wir die Puppenfickszene von ziemlich am Anfang (und damit natürlich auch wieder nackten Männerarsch) per flash-cut noch mal anschauen sollen. Im Angesicht der Holy Bible bittet anschließend allerdings nur der Entführer und nicht Herr Lommel um Vergebung, und der auch nur, weil er „doch nur ein guter Vater sein will“. (Ah, der wollte sich also nur den lästigen Part mit „Frau aufreißen, flachlegen und nach dem Werfen wieder rausschmeißen“ sparen).

Weil kein neumodischer Lommel-Film offensichtlich komplett ist, ohne seinen Macher zur Erlöserfigur zu stilisieren (und Herr Lommel eines sonnigen Tages am Strand von Venice Beach spazierte, dort ein dunkelhäutiges Frauenzimmer zur Mitwirkung in einem tollen Hollywood-Flm überreden konnte und den Strandspaziergang dann auch gleich filmte), gibt’s nun eine in bester Super-8-Qualität gehaltene „Fantasiesequenz“, in der Schatzi sich zu ihrem Onkel ins gelobte Land Kalifornien halluziniert und begeistert videofilmt, wie Henry mit seiner schwarzen Schnalle am Strand… naja, nichts spezielles treibt. Dazu wiederholt der voiceover den Schranz vom „Land weit weit weg, wo immer die Sonne scheint.“ Noch drei Seiten Notizen? Ich sterbe.

Schatzi ist mal wieder in ihrer Zelle und beobachtet durch die Klappe, dass der Entführer, mit der Bibel auf dem Schoß, schläft. Dies ist eine Fluchtgelegenheit, die sie sich nicht entgehen lassen will (der Vorteil ihrer „Gefangenschaft“ ist, so scheint’s, dass sie zwar in einer Zelle hockt, ihr vertrauensseliger Peiniger die aber nicht abschließt). Die unrechtmäßige Entfernung wird vom Entführer allerdings bemerkt, noch vor der Haustür hat er sie erwischt und schleppt sie gewaltsam (inkl. Zwischenschnitt auf eine schreiende Frau aus „Totentanz der Hexen“) upstairs – es geht wieder zurück in die finstere Besenkammer. Strafe muss schließlich sein. Und in einem dunklen Gefängnis kann mn natürlich perfekt flashbacken. Macht sie denn auch und erinnert sich wieder an Cooper, dem sie irgendwann mal (keine Einblendung? I’m disappointed) verklickert, dass Mama wegziehen will. „Scheidung?“, vermutet der clevere Cooper. „Wegen mir“, meint Schatzi (warum-auch-immer. Wäre ja auch zu schön, wenn wir für irgendetwas in diesem Film eine Erklärung, einen Beweis, oder sowas ähnliches bekämen). Womit der Flashback dann auch abgehandelt wäre und voiceover-Schatzi wieder einmal die Frage stellt: „Wo bin ich? Was mache ich hier? Warum muss ich das durchleiden?“ An der Stelle, deucht mir, waren wir heute auch schon mal. Und ja, da ist sie wieder, die 1-Mio-Euro-Frage: „Bin ich eine Hexe?“ Der overimposed head ihres Entführers ist sich sicher: „Du BIST eine Hexe“, weswegen wir jetzt noch mal das Best-of der Hexenverbrennung aus „Totentanz der Hexen“ einspielen können, wozu der Entführer seine generisch-frauenfeindliche Philosophie herunterleiern darf. „Ich wollte nur ein guter Freund sein“, meint er, „du wolltest meine Frau sein, aber das geht doch nicht!“ (UFF!) „Du bist eine Hexe, wie deine Mutter. Du must leiden wie ich. Alle Frauen müssen leiden. Alle Frauen sind Hexen. GESTEHE! Warum hat sich dein Vater umgebracht?“ Ja, warum eigentlich? Ich sollte erwähnen, dass wir jetzt bei Minute 46 sind und ich jeglichen aktiven Versuch, diesen Film, die Beweggründe seiner Charaktere, das Zusammenspiel von Tonspur und Bildern, zu begreifen, zu erfassen und zu interpretieren, offiziell aufgegeben habe. It’s un-fuckin‘-believable, und das nicht im positiven Sinn. „Du wirst für immer in diesem Verlies bleiben“, dröhnt der Entführer, denn nur so ist er vor den Hexen geschützt. Tri-tra-trullala, Kasperle ist wieder da.

Irgendwann später öffnet er die Kammer und findet Schatzi (die sich zwischendurch aber umgezogen hat und jetzt ein schwarzes Top trägt) bewusstlos am Boden liegen. Jetzt regen sich wieder die väterlichen Gefühle, der Entführer ist gram vor Sorge. „Ich hatte mir gewünscht, ich wäre tot“, quasselstrippt Schatzis voiceover, „aber ich wachte nur wie aus einem tiefen Schlaf auf.“ Schon recht. „In meinen Träumen fühlte ich mich sicher, wie in meinen Kindheits-Erinnerungen“, dummschwallt sie weiter. Aber die traurige Realität ist halt, dass Cooper „nur noch in meinen Erinnerungen existiert“, und sogar ihr Lieblings-Tier, ein Falke namens „Hoffnung“ (ich kotz‘ gleich), sei eines Tages einfach weggeflogen, die Sau. „Jeder, der mir etwas bedeutet hat, hat mich verlassen“, schnieft ihr voiceover und nun ist nur noch Leere da. Ich bin emotional so betroffen, ich spende gleich zwei Euro an die Anonymen Jammerlappen. „Aber ich will nicht sterben, ich will leben“, erwacht so etwas wie Kampfgeist, der aber gleich wieder durch die Feststellung k.o. geschlagen wird, dass sie „immer noch Hoffnung hat, dass ER mich retten kann“. Weiß Lommel überhaupt, was für eine gequirlte Kacke er da schreibt?

Auf jeden Fall hat der Entführer den Fluchtversuch vergeben und vergessen – sie darf wieder in ihre „Zelle“ einziehen und wird von ihm angelächelt. „Ich vertraue dir und du vertraust mir“, meint er, und Schatzi lächelt treudoof zurück. Zur Belohnung nimmt der Entführer sie mit nach draußen, händchenhaltend wird zum See spaziert und in einem günstig herumstehenden Heuhaufen herumgebalgt und -gealbert. Als Höhepunkt des Ganzen schmatzt er ihr, ganz wie seinerzeit Cooper, mit schlechtem Gewissen ganz schnell ein harmloses Küsschen auf die Wange (was natürlich auch bedeutet, dass wir den entsprechenden Cooper-Schmatzer, interessanterweise seitenverkehrt, auch noch mal ansehen dürfen, denn wie gesagt, warum eine Szene nur einmal verwenden, wenn man sie fünfmal hernehmen kann). „Die Hoffnung kehrte zurück“, frohlockt Schatzi (wenn Lommel es jetzt gewagt hätte, noch einen Falken einzublenden, säße ich jetzt im Flieger nach L.A., um ihn zu erwürgen), „ich fühlte mich wie im Sommer ’97 (war das nicht der „summer of ’69“?), als Cooper und ich Pläne für die Zukunft schmiedeten“. Warum die nichts geworden sind, verrät uns übrigens auch niemand. Wollte ich nur mal angemerkt haben. Die ganze Cooper-Kiste führt nämlich nirgendwohin, aber das habt Ihr Euch ja sicher schon gedacht. Diese „Pläne für die Zukunft“ bestehen darin, dass der elf- oder zwölfjährige Rotzbengel ihr altklug „ich glaube, ich werde dich heiraten“ an den Kopf wirft, wovon sie sich gebauchpinselt fühlt. Die Kurzen versichern sich gegenseitig ihrer Liebe und damit wäre der „Handlungsstrang“ abgearbeitet. Und was sollte das jetzt?

Zurück in der „Haupthandlung“ lauschen Entführer und Schatzi mal wieder dem TV-Paster, der gerade die Bergpredigt absalbadert. Schatzi pennt (händchenhaltend) an der starken Schulter ihres Ersatzvaters/-freundes/-knuddelbären ein. Nachfolgend schlagen wir zwei-drei Minuten damit tot, wie Entführer und Schatzi (und Bikini-Oberteil und hot pants, was ihr nicht zum Nachteil gereicht) Federball spielen. Selbstredend quatscht der voiceover die komplette Szene zu – „wir kamen uns immer näher, ich fühlte mich frei, aber ich war niemals allein“ (zur Verdeutlichung reprisen wir noch mal die „Duschszene“), „wir wuchsen zusammen und vertrauten uns“, und das geht sogar soweit, dass sie ihm ihr finsterstes Geheimnis, dass sie noch nie nie nieeeee jemandem erzählt hat, verrät, nämlich, wie sie ihren Vater gefunden hat, bzw., da man seine Väter gemeinhin ja nicht findet, dessen Leiche nach Selbstmord. Also schwarz-weiß-Flashback, die kleine Schatze radelt den Feldweg entlang, stößt auf das leere Auto, wird neugierig, kuckt ins Feld, da liegt der tote Paps, Schatze radelt panisch nach Hause, ruft dort (nicht wirklich enthusiastisch) nach ihrer Mama, die das töchterliche Flehen mit genervtem Gesichtsausdruck ingoriert, Schatze latscht in den Pferdestall und macht dort’n trauriges Gesicht. Alles sehr sehr anrührend und Zeuch. Mir kommen die Tränen (aber sicher nicht aus den von Lommel intendierten Gründen).

„Wir kamen uns immer näher“, palavert Schatze (also, entweder waren die Beiden anfänglich durch mehrere Galaxien getrennt oder die müssen miteinander verschmolzen sein, so oft sie sich „näher kommen“. „Wir kamen uns näher“ und „etwas veränderte sich“ sind Metaphern, für die sich ein Trinkspiel anbietet. Für Leberschäden wird wie üblich nicht gehaftet, wobei – wer sich diesen Film ansieht, braucht sich um seine Leber noch die geringsten Sorgen zu machen), „und ich interessierte mich immer mehr für den Fremden.“ Ähm. Okay, wenn mich ein Typ jetzt schon mindestens drei-vier Jahre lang gefangen hält, würde ich mich auch *langsam* für den Idioten interessieren. Schon allein, um herauszufinden, wie man den Knaben am besten kaltmachen kann. Nun gut, sie meint’s sicher anders. Daher beobachtet sie auch vom Fenster aus, wie er sich vor dem Haus aus seinen Gewändern schält (er besitzt meines Erachtens eh nur eine Hose und ein schwarzes Muskel-Shirt. Oder halt 300 davon…), tutti kompletti, und dann nackt durchs hohe Gras lustwandelt (wahrscheinlich kitzelt das so schön am Gemächt). „Ich fühlte mich schuldig, weil ich ihm nachspionierte“, sprengt der voiceover alle Grenzen der hohen Geistesgestörtheit, „die Geister der Vergangenheit holten mich ein.“ Verdammt, läuft der Film tatsächlich noch 20 Minuten? Ich bin ein Star, holt mich hier raus! Die Geister der Vergangenheit sind Mama, bärtiger Typ, die gepoppte Puppe und Onkel Ulli, äh, Henry. Nein, ich denke mir das nicht aus. Das spielt sich alles vor meinen Augen ab und ich habe gestern NICHT gesoffen (okay, ein Weizen).

„18. Geburtstag, 2006“ – endlich wieder eine Einblendung. Ganz lieb hat der Fremde ein Burzeltagstorte gebacken, Schatze bläst die Kerzen erfolgreich aus, und dann wird der Kuchen auch ausgeteilt. Schön, das wir das miterleben durften. Aber so’n Tach ist ja ein einschneidendes Erlebnis und da kann nicht nur einfach die Dr. Oetker-Backmischung ausgepackt werden, nein, das verdient Besonderheiten. Und deswegen „wollte er mir etwas ganz besonderes zeigen“. Das macht ihr allerdings Angst (und die schwerhändige Symbolik, mit der Lommel von der Einstellung eines flammenden Grills und der mittlerweile schon gefühlt 752mal gezeigten Scheiterhaufen-Szene aus „Totentanz der Hexen“ schneidet, lässt mich schier abschnallen vor Ekstase). Er führt sie bei Abenddämmerung in den Wald auf eine Lichtung, wo sie mit Taschenlampen in der Gegend herumleuchten und doof kucken, dieweil in der Post Production noch mal die komplette Hexenverbrennung aus, naja, Ihr wisst ja woher, drübergeblendet wird. Täte ich versuchen, dem Ganzen noch irgendeinen Sinn beizumessen, ich würde spekulieren, dass es sich um den gleichen Ort handeln soll (abgesehen davon, dass sich die Lokalitäten ungefähr so ähnlich sehen wie der Times Square in New York und der Plärrer in Nürnberg) und die Vergangenheit des Platzes in Zusammenhang mit des Entführers Geistestzustand steht, aber ich tu’s ja nicht und verbleibe daher kommentierenderweise so: ???WTF???

Nachdem wir aufgrund allgemeinen Wunsches noch ein paar zusammenhanglose shots aus dem bisherigen Filmverlauf recyclen, kucken wir Schatze zurück in ihrer Zelle beim Nachtmahren zu. D.h. flash-cuts diverser von Lommel als denkwürdig erachteter Ereignisse und eine Montage, die zumindest für mich den Schluss zulässt (und daher mit Sicherheit nicht so beabsichtigt ist), als dass für Schatze der bärtige Typ und der „Fremde“ eins, bzw. zwei Seiten einer Medaille, verwandte Persönlichkeiten oder was-auch-immer sind. Und damit sind wir wieder am Anfang des Films angekommen…

Also wieder close-up-Zoom-Doublette, Schlüsselklauerei (und mittlerweile erahnen wir, dass Schatze sich relativ frei im Haus bewegen durfte und deswegen einfach aus ihrer Zelle herausspazieren konnte), usw. „Ich rannte so schnell ich konnte“, übertreibt der voiceover schamlos, „aber wohin?“ Nach Schatzes Interpretation geradewegs in ihre Vergangenheit. „Mir wurde klar, dass ich Schwierigkeiten hatte, Zärtlichkeiten anzunehmen. Vielleicht ist das der Grund, warum mich jeder verlässt. Sie wissen nichts über meine Gefühle. Und dass auch ich lieben kann. Und ich liebte meinen Fremden.“ Okay, ist jetzt irgendjemandem NICHT schlecht? Mir fallen schon gar keine Beleidigungen mehr ein, die MEINEN Gefühlen angemessenen Ausdruck verleihen könnten.

Okay, der Fremde nimmt die Verfolgung auf und beide sind traurig – er, weil sie weg ist und er sie nicht findet, sie, weil sie weg ist und ihn doch eigentlich liebt. „Ich erkannte, dass ich zu ihm zurückwollte, in die Sicherheit meines Gefängnisses“, blödlabert Schatzis voiceover, und daher latscht sie dann auch treuherzig zurück gen Hütte, wo aber, da der Fremde nach ihr sucht, niemand ist. Also auf zum offensichtlichen doofen Ende – sie spaziert zum See, wo… schockschwerenot, werhättsgedachtjaichbestimmtnich, eine tote Leiche rumliegt, nämlich der „Fremde“, der sich ob der bitteren Enttäuschung, von Schatzi so schmählich verlassen worden zu sein, selbst gemordet hat. That being ironic or somethin‘. Der Soundtrack fiedelt noch mal „Guten Abend, gut‘ Nacht“ ein, und Schatzi spricht das Wort zum Sonntag.

„Jetzt weiß ich, dass es kein Gefängnis war – es war Freiheit. Ich liebte ihn, aber ich habe es ihm nie gesagt.“

Drum lasst uns jetzt alle losgehen, ein Mädchen entführen und einsperren, die wollen’s doch alle nicht anders…

Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott. Ich hasse Ulli Lommel. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn schätzungsweise inbrünstiger als jedes andere menschliche Wesen auf diesem Planeten. Was ist aus dem Autorenfilmer geworden, der „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ gemacht hat? Was ist aus dem sympathischen B-Filmer geworden, der „Boogeyman“, „Brain Waves“ oder meinetwegen sogar noch „Totentanz der Hexen“ gemacht hat?

Ich wiederhole mich – das, was Lommel seit drei Jahren macht und mit „Dungeon Girl“ möglicherweise zur Perfektion getrieben hat, kann nichts anderes sein als die grausame Rache eines zutiefst verletzten Filmemachers, der der Welt einmal so richtig heimzahlen will, dass sie sein „Daniel“-Epos nicht als den bedeutungsvollen, kulturhistorisch wichtigen Autorenfilm verstanden hat, den er wohl meinte, gemacht zu haben. Warum er sich aber ausgerechnet die Fans des Genre-Kintopps als Opfer ausgesucht hat, die den Kübl-Film ja wahrscheinlich eh nicht gesehen haben, wird sein Geheimnis bleiben.

Eins muss man in der Nachbetrachtung, die ich heute wirklich in aller gebotenen Kürze halten will, nämlich feststellen – gegen „Dungeon Girl“ wirkt „Daniel der Zauberer“ wie ein Film (und wie sehr „Film“ der war, kann sich jeder zusammenreimen, der mal kurz mein Review quergelesen und die screenshots betrachtet hat). „Daniel“ hatte wenigstens einen Plot, einen Narrative, den man mit bloßem Auge erkennen konnte, hatte Dialoge, hatte Charaktere, hatte definierte Szenen, einen gewissen Rhythmus – klar, das war alles hochgradige Scheiße, aber es genügte wenigstens in gewisser Weise mit beiden zugedrückten Hühneraugen den formalen Ansprüchen eines Spielfilms. „Dungeon Girl“ dagegen besteht nur aus völlig zusammenhanglos aneinandergerotzten Bildern, die für sich allein keinerlei Dramaturgie folgen und daher, um überhaupt rudimentäre Ansätze einer nachvollziehbaren Handlung zu schaffen (was selbstverständlich grandios scheitert), dies per voiceover, der von den 82 Minuten Laufzeit (vier Minuten muss man aber wieder für den langsamsten end-credit-crawl der Filmgeschichte wieder abziehen) sicherlich… naja, 50 Minuten zukleistert, erledigen muss.

Mit dem echten Kampusch-Fall hat „Dungeon Girl“ letztlich, wie sicher aus obigem Blafasel bereits deutlich wurde, ungefähr so viel zu tun wie Barack Obama mit der Mitgliedschaft im Ku-Klux-Klan, und das ist auch gut so – Lommel übernimmt nur die Grundsituation „Kind wird entführt und jahrelang gefangen gehalten“ dem realen Vorbild und fabuliert seinen verquasten Hirnwichs daraus; so entgeht er wenigstens einer ansonsten sicherlich gerechtfertigten Klage (würde die Kampusch ihre Zeit damit verschwenden, schlechte Filme anzusehen) wegen Verunglimpfung, Beleidigung und audiovisueller Körperverletzung (halt, nein, der letzte Punkt ist die Begründung *meiner* Strafanzeige); das hindert den deutschen Vertrieb natürlich nicht daran, auf dem DVD-Cover (ohne Namensnennung) die entsprechende Verbindung herzustellen, aber irgendwie muss man den Scheiß, den man sich auf der letzten AFM hat andrehen lassen, ja verkaufen, gelle?

Ein „Script“ kann nicht existiert haben, denn in so einem schriftlich niedergelegten Drehbuch würden ja Dialoge drinstehen, und Szenen, und der ganze Kram, den man gemeinhin als notwendig für eine Film erachtet. „Dungeon Girl“ erweckt den Eindruck (und der liegt sicherlich nicht sooo weit neben der Spur), als hätte Lommel einfach mit seinen beiden Darstellern lustig improvisiert und dabei vor sich hin gefilmt, dann im Schneideraum das Material mal durchgesichtet, per Zufallsgenerator eine Reihenfolge ermittelt und DANN den voiceover-Kommentar dazu geschrieben, damit der Quark zumindest so tut, als könnte er eventuell einen Sinn haben. Dieser Kommentar ist dann auch eine bodenlose Frechheit, propagiert eine geradezu erschreckende, erniedrigende und abstoßende Moral (nach Lesart des Films ist ja schließlich Schatzi an allem Schuld, also, dass sich jeder umbringt, abhaut oder sonst wie aus ihrem Leben verschwindet, weil sie ihre Gefühle nicht äußert, und am Ende traurig ist, dass sie nicht in ihr Gefängnis zurückkehren kann; da steckt natürlich das Stockholm-Syndrom drin, aber derart unbeholfen, dass ich Lommel nicht zubillige, wirklich *daran* gedacht zu haben, sondern das einfach „literally“ interpretiere), für die man Lommel eigentlich ganz grundsätzlich die Fresse polieren sollte, ungeachtet der filmischen Qualität des Ganzen (für die sollte man ihm dann einfach *nochmal* die Fresse polieren. Ich propagiere ungern Gewalt gegen Filmemacher, aber manche Leute fordern es einfach heraus. Und wenn Ain’t it Cool News mit Aufrufen zum Mord an Joel Schumacher durchkommt, kann ich doch wohl wenigstens dem Ulli eine Tracht Prügel empfehlen, oder?). Das Wunderbare an der ganzen voiceover-Scheiße ist dann auch noch, dass all das, was an *wesentlichen* Punkten (bzw. dem, was Lommel dafür hält) im Kommentar erzählt wird, im Film nicht vorkommt bzw. aus diesem nicht deutlich wird. Das hat dann zur Folge, dass man als Zuschauer natürlich rasch aufgibt, dem Prozedere in irgendeiner Form folgen zu wollen, weil Schatzes Behauptungen, etwas „hätte sich geändert“ oder sie und der „Fremde“ „wären sich näher gekommen“, keinerlei Bestätigung aus dem Film selbst heraus haben. Es sind einfach Behauptungen. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, würde man den Film als Psychogramm ernst nehmen, dass dies Feststellungen eines beeinträchtigten Geistes sind, die man nicht für bare Münze nehmen kann, aber selbst der derangierte Schatzi-Geist müsste ja für seine Behauptungen so etwas wie einen Anlass haben. Aber verdammt, was tu ich hier? Ich mache mir hier wieder Gedanken über die inhaltliche Konsistenz und Kontinuität eines Lommel-Pseudofilms. Das hab ich nicht nötig.

Daher – die „Drehbuch“-Kritik in einem Satz: das ist ein riesengroßer Haufen Pferdekacke, der nichts mit dem zu tun hat, was Menschen (also die komplette Erdbevölkerung abzüglich Ulli Lommel) als eine Story, ein Script, ein verfilmbares Buch betrachten würden. Wirres, zusammenhangloses Geblubbere, gegen das Coleman Francis‘ Narration von The Beast of Yucca Flats kohärent wirkt. Auch ’ne Leistung. Erwähnen möchte ich aber wirklich noch, dass ich Lommels „victim/vixen“-Gegenüberstellung für eine Geschmacklosigkeit erster Kajüte halte. Aber was soll’s… das hielt er wohl, genauso wie die schwachsinnige Hexen-„Allegorie“ für eine wahnsinnig clevere Idee. Ich halte ihn halt einfach nur für wahnsinnig, da gleicht sich das wieder aus.

Filmisch ist „Dungeon Girl“ nicht minder katastrophal. Ich weiß nicht, worauf Lommel gefilmt hat (ich schätze, Tesafilm) – manches ist grobkörnig, manches ist überbelichtet, manches wirkt verhältnismäßig glatt (speziell die schwarz-weiß-Sequenzen sind von der Optik her noch am elegantesten), aber nichts wirkt so, als stünde dahinter eine Art künstlerisches Konzept, ein Wille, bestimmten Szenen einen bestimmten Look zuzuordnen. Dramaturgisch hat der ganze Schmu keinerlei Rhythmus, keine Tempoentwicklung, es ist bodenlos langweilig, weil ja schlicht und ergreifend NICHTS passiert. Wir kucken einfach nur zwei Leuten beim Suppeschlürfen, Schlafen, Duschen, Ficken von Kinderspielzeugpuppen, doof Kucken und ähnlich cineastisch ergreifenden Tätigkeiten zu und müssen notgedrungen zuhören, was Madame Schatze von der Tonspur aus dazu zu berichten weiß. Jeder, der im Keller noch ein paar Rollen alter Super-8-Familienfilme hat, kann sich mit der gleichen Methodik (also die Handlung ausschließlich auf der Tonspur stattfinden zu lassen) sicherlich einen spannenderen Film selberbasteln (nein, das war keine Aufforderung, ich will das von Euch genausowenig sehen wie von Lommel. Geht mir bloß weg). Die Kameraführung (besorgt von Bianco Pacelli, der diesen Job exklusiv für Lommels No-Budgeter erledigt) könnte jeder dressierte Affe ungefähr genauso gut, wenn nicht besser erledigen, der Schnitt passt sich in seiner Wirrnis dem Restfilm an. Die endlose Wiederholung der stets gleichen Aufnahmen, Flashback-Sequenzen und stock-footage verursachen akuten Magenkrebs (ich möchte mal vorsichtig schätzen, dass das im Film gezeigte Material, jeweils nur einmal gezeigt, vielleicht 40 Minuten Laufzeit hergeben würde. Der Rest ist Wiederholung). Hier geht nichts, hier stimmt nichts, hier würde jemand seinen Offenbarungseid ablegen, hätte er dies nicht schon mit „Daniel“ getan (und, ich wiederhole mich, der war schauderhaft, schrecklich, katastrophal, entsetzlich, niederschmetternd, hirnfolternd, augen- und ohrenmarternd und all-around ein riesengroßer Haufen Walfischkotze, aber gegen „Dungeon Girl“ regelrecht GUT). Das ist in allen Belangen so bodenlos schlecht, dass es die „so bad it’s good“-Kategorie locker durchschlägt, die „so bad it’s not even funny anymore“-Kategorie mühelos hinter sich lässt, die „so badly bad it’s almost funny again“-Kategorie, die ich soeben als Steigerung erfunden habe, links liegen lässt und es sich in einer völlig neuen, noch unbeschrifteten Schublade bequem macht, für die mir jegliche Worte der Beschreibung einfach fehlen. Ich wiederhole mich – Lommel hat irgendwann mal gewusst, wie man Filme macht, und wer dieses Talent mal hatte, ist normalerweise in der Lage, es in kleinerem Rahmen auch mit wenig bis gar keinem Geld umzusetzen. Lommel scheißt einfach drauf. Er filmt irgendwelchen Dreck, montiert das ganze irgendwie zusammen, kotzt irgendeinen Kommentar drüber und nennt das ganze „Film“. Dass er dafür auch noch wirklich seinen Namen hergibt, ist schockierend genug. Ich würde mich schämen, hätte ich für diesen Film die Butterstullen für die Drehpausen geschmiert und mich nur unter Pseudonym kreditieren lassen. Aber immerhin ist Lommel bzw. sein Schnittmeister „Xgin“ (alias Christian Behm, der auch den Pfaffen spielt) in der Lage, irgendein Shareware-Videobearbeitungsprogramm zu bedienen und die flash-cuts, Überblendungs- und Aufkopiereffekte aus dem Handbuch „video editing für Dummies“ zu bewerkstelligen.

Die einzige gelungene Szene des Films ist tatsächlich die Flashback-Sequenz zu Schatzis erstem Kuss – die ist recht unterhaltsam und wird von den beiden Kinderdarstellern sogar einigermaßen glaubhaft gespielt – sie beweist auch, dass es im Zweifelsfalle empfehlenswert ist, Szenen mit Dialogen zu schreiben (die Sequenz hat vielleicht 10 Zeilen Dialog und damit die längsten durchgängigen Dialoge des gesamten Films. Insgesamt mögen es vielleicht 20 Lines sein, die tatsächlich *gesprochen* werden).

Erwähnt werden muss freilich noch, wie lustig Herr Lommel sich für den (selbstredend auch nie aufgeklärten) Hexen-Sub“plot“ aus seinem eigenen „Totentanz der Hexen“ bedient; die Scheiterhaufen-Szene bekommen wir sicher dreimal komplett ausgespielt (overimposed), dafür in schauerlicher Bildqualität, geboten, dazu schneidet Lommel noch einige weitere Fetzen (aber natürlich nichts mit seiner Ex-Frau Suzanna Love) wahllos in das Machwerk.

Einigermaßen brauchbar ist noch der Score der „Green River Band“, der gelegentlich atmosphärisch ist und sicher effektiver wäre, würde er nicht permanent zugelabert.

Aus mir völlig schleierhaften Gründen prangt auf der DVD das rote „keine Jugendfreigabe“-Papperl. Mal ganz grundsätzlich bin ich natürlich schwer dafür, dass Kappes wie dieser einer möglichst kleinen Gruppe Opfer zugänglich gemacht wird, denn hier liegt nicht nur Jugend-, sondern eindeutig auch Erwachsenengefährdung vor, aber wer ob dieses Ratings darauf hofft, dass wenigstens ein bisschen Exploitation betrieben würde, wird sich wundern. Da NICHTS passiert, passiert natürlich auch nichts Gewalttätiges, ein nackter Mann von hinten (auch wenn er eine Tür oder eine Puppe poppt) ist jetzt auch nicht das, was ich per se als 18er-würdig einstufen würde, vielleicht liegt’s am Weltbild, den eingesprengselten „Totentanz der Hexen“-Szenen (wobei der Streifen ja auch ’ne ungeschnittene 16er Freigabe hat), ich weiß es nicht, es interessiert mich auch nicht sonderlich, ich wollte es halt nur erwähnen, damit nicht Splatterheads und Gorehounds sich den Streifen, der sowieso überall als „Horror“ gelistet wird, obwohl es wirklich nur „Horror“ ist, ihn sich anzuschauen, versehentlich auf die Einkaufsliste setzen (das schicke Cover mit dem nackten und blutenden Mädchen ließe ja theoretisch denken, man hätte es mit einem „schönen“ fiesen Frauenfolterfilmchen zu tun. Soll ja Leute geben, die sich sowas ankucken, ähempt).

Ich lasse immerhin noch gelten, dass Lommel, wie auch immer, mit Wendi Jean Linn ein wirklich hübsch anzusehendes junges Mädel aufgetrieben hat. Wendi Jean Linn kann natürlich, da sie ja nichts zu spielen hat – es sind ja praktisch nur Alltagssituationen, die ins Bild gesetzt wird und den voiceover spricht sie ja nicht selbst -, nicht beweisen, ob sie darstellerisch wirklich etwas auf der Pfanne hat, aber sie ist zumindest nett anzuschauen. Dass es natürlich nicht funktioniert, ohne jegliches make-up, ohne jegliches Bemühen, die gleiche Darstellerin die 12-jährige Schatze bis zur 18-jährigen Schatze spielen zu lassen, kann man ihr nicht anlasten. Günther Ziegler, der seit den frühen 70er Jahren aktiv ist und u.a. in „Daniel der Zauberer“ des Kübls Musiklehrer mimte, „spielt“ den Entführer uncharismatisch und ausdruckslos, zeigt aber immerhin seinen Hintern. Ulli Lommel stilisiert sich in seiner Gastrolle des Onkel Henry mal wieder als den Erlöser, die traumhafte Ideal-Vaterfigur, *spielt* aber wenigstens nicht, da seine Auftritte ja aus „home-video-footage“ montiert sind. Die restlichen Darsteller sind mangels aussagekräftiger Credits (und der Tatsache, dass praktisch keiner von denen anderweitige Auftritte zu verzeichnen hat) bis auf Behm und Bud Watson (der Bärtige, der hauptsächlich bei Lommel spielt, aber auch in einem Reunion-TV-Special der alten „Batman“-TV-Serie den Cesar-Romero-Joker gab) nicht zuordenbar. Die Kinderdarsteller Schatzes und Coopers sind verhältnismäßig gut, und wenn ich, erklärter Feind JEDES Kinderdarstellers, die Kurzen als Highlights eines Films lobe, sagt das vermutlich weniger über die Kids als über die Qualität des Films an sich.

Bildqualität: marketing, mittlerweile im Sunfilm-Vertrieb, hat sich des Streifens erbarmt. Das Coverartwork ist wirklich schick (und sogar ’nen Pappschuber bekam die Scheibe spendiert). Der anamorphe 1.85:1-Print hat ein-zwei kleinere Störungen, für das qualitativ arg schwankende Filmmaterial kann marketing wohl weniger; das Bild ist manchmal verwaschen, manchmal grieselig, selten ansehnlich. Aber warum sollte das passen, wenn sonst nichts stimmt?

Tonqualität: Leider nur deutscher Ton in Dolby 2.0 und 5.1 (ich hätte den englischen O-Ton schon mal gern gehört, nur so zum Abgewöhnen). Deutsche Untertitel werden mitgeliefert. Die Tonqualität selbst ist durchschnittlich – der Score kommt ganz gut zur Geltung, der, hüstel, „Dialogton“ ist okay.

Extras: Nur eine Trailershow.

Fazit: Ich hatte es wirklich nicht für möglich gehalten, aber Lommel ist eine Klasse für sich, er hat’s tatsächlich geschafft, „Daniel der Zauberer“ noch mal mit Schmackes zu unterbieten. „Dungeon Girl“ ist wirklich kein Film, sondern nur eine konfuse Aneinanderreihung von Bildern, die einen abendfüllenden (dämlichen, langweiligen und von der „Aussage“ her zumindest, ehm, unangenehmen) Monolog sinnlos untermalen. Ich habe echt keine Ahnung, was (und ob überhaupt) Herr Lommel sich dabei gedacht hat. Das Ding ist einfach nur eine Frechheit, ein schlechter Witz ohne Pointe, ein verachtenswertes Stück filmischer Dreck, das umgehend auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgt werden sollte. Vielleicht gibt’s den ein oder anderen Experten, der sich „Dungeon Girl“ zum großartigen Vertreter neuen low-budget-Experimentalfilms schönredet, in dem Form und Inhalt dekonstruktivistisch geprägt keine Rolle mehr spielen, sondern einfach nur zufällige Filmschnipsel zusammengefügt und von einem nachträglich dazugedichteten Kommentar zusammengehalten werden, aber ich will schwer hoffen, dass dieses Beispiel keine Schule macht. Für „Dungeon Girl“ reicht meine Skala nicht aus – man möge sich also bitte mindestens zwei bis drei Bomben und einige Minus-Biere (so vier oder fünf) dazudenken. Das ist mit weitem Abstand (und Fantom Kiler, Schnaas-Werke, Attack of the Killer Hog, Kichiku dai enkai und was auch immer bisher mit einer 10/0-Wertung durchgewunken worden sein mag, eingerechnet) das schlechteste Stück Pseudo-„Film“, das sich mir vorgestellt hat. Ich glaube, es ist wesentlich unterhaltsamer, sich bei lebendigem Leib die Haut abziehen zu lassen, denn das ist wenigstens nicht noch so langweilig…

(c) 2009 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 10

BIER-Skala: 0


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments