Duell der Giganten

 
  • Deutscher Titel: Duell der Giganten
  • Original-Titel: Du bi quan wang da poe xue di zi
  • Alternative Titel: Master of the Flying Guillotine | One-Armed Boxer vs. the Flying Guillotine | One-Armed Boxer II |
  • Regie: Jimmy Wang Yu
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1975
  • Darsteller:

    One-Armed Boxer (Jimmy Wang Yu)
    Fung Sheng Wu Chu (Kang Kam)
    Wu Xiao Die (Chung-Erh Lung)
    Yoga Master (Chia Yung Liu)
    Win-Without-A-Knife Yakuma (Lung Fei)
    Thai-Boxer (Tsim Po Sham)
    Master Wu (Pai Cheng Hau)
    Shao-Tien (Ming Fei Wang)
    Referee (Han Hsieh)
    Monkey Boxer (Tie Lang Wung)


Vorwort

Es ist schön, wenn man treue Leser hat… vor ewigen Zeiten, sozusagen im Pleistozäikum von badmovies.de, erwähnte ich im Review eines fünftklassigen Shaolin-Kloppers (sucht Euch das Review selber raus, ich hab grad keine Lust) beiläufig, dass ich die „fliegende Guillotine“ für die unpraktischte Waffe, die jemals ihn einem Martial-Arts-Schinken gefeatured wurde, halte, basierend auf vielleicht zehn Minuten, die ich von irgendeinem ebenjener Schinken im Privatfernsehen gesehen hatte. Nun fragte mich neulich einer meiner Stammleser, ob ich vielleicht Master of the Flying Guillotine gemeint haben könnte. Gut möglich, aber nur durch persönliche Inaugenscheinnahme verifizierbar. Dankenswerterweise stellte mein Leser mir seine Scheibe leihweise zur Verfügung. Das freut.

Nehmen wir´s mal vorweg – ja, es IST genau der Film, an den ich mich schwächlich erinnerte, allerdings nicht der, der die „fliegende Guillotine“ als solche erfunden hat. Diese zweifelhafte Ehre können sich die Shaw Brothers (wer eigentlich auch sonst?) ans Knie nageln, die 1974 den entsprechenden ersten Film auf die Leinwand brachten, in einer Zeit, in der das Studio seinen legendären Ruf schon eingebüßt hatte und sich nur noch ein paar Jahre mit eher unterbelichteten Produktionen wie dem allerdings unschlagbaren Trash-Klopper Infra Superman mehr schlecht als recht über Wasser hielt. Ausgerechnet einem Ex-Shaw-Brothers-Star, Jimmy Wang Yu, der sich vor allem durch die gerade wiederentdeckt werdenden One-Armed Swordsman-Filme von Chang Cheh (mit Erfolg auch beim diesjährigen FFF gelaufen) einen Namen gemacht hatte, fiel es bei, nach seiner Trennung von den Shaw-Studios ein Pseudo-Sequel auf die Beine zu stellen und dies auch noch mit seinem hauseigenen Erfolgsfilm The One-Armed Boxer (dies wiederum ein inoffizieller Nachzieher zum One-Armed Swordsman… alles gar nicht so einfach im Gewirr des Hongkong-Films) zu kombinieren.

Jimmy Wang Yu selbst zählt zu den dienstältesten Hongkong-Martial-Arts-Stars – er war ein Star, bevor Bruce Lee auf den Plan trat und versuchte zumindest, mit recht deftigen, unabhängig produzierten Streifen, die er als einer der ersten HK-Akteure selbst inszenierte, die Lücke zu schließen, die Bruce Lees zeitiges Ableben im Business hinterließ. International, besonders in Europa, wurde Wang Yu nie ein wirklicher household-name und gilt mehr oder weniger als Lückenbüßer zwischen Bruce Lee und Jackie Chan (wobei´s da auch wieder Querverbindungen gibt, denn Wang Yu gab Jackie eine der ersten Hauptrollen und half ihm dabei, aus seinen vertraglichen Verbindungen mit Lo Wei herauszukommen. Jackie zahlte den Gefallen zurück, in späteren Wang-Yu-Filmen wie Fantasy Mission Force kleinere Rollen zu übernehmen, obwohl er Superstar war).

Gut, das ist alles mehr Filmtheorie, die zwar interessant ist (und die ich, feigerweise, größtenteils dem informativen Audiokommentar der DVD entnommen habe. Hab nie behauptet, originell zu sein), uns interessiert in erster Linie aber mal der Film als solcher. Und dem widmen wir uns jetzt auch sofort ohne weitere Vorrede.


Inhalt

Über die grundlegenden geschichtlichen Zusammenhänge informiert uns unser alter Freund, der Erzähler. Die Mär spielt also im China um 1730, kurz (historisch gesehen) nachdem die Mandschu-Ching-Dynastie das Kommando übernommen hat (und dass die Mandschus beim normalsterblichen Chinesen ungefähr so populär waren wie Fußpilz, weiß selbst der ignorante Filmkonsument aus ungefähr zwölfadrölfzig anderen eastern). Weil die Anhänger der gestürzten Ming-Han-Dynastie immer noch renitent sind, statten die neuen Chefs den Klischee-Eastern-Oberschurken Fung Sheng (einfach zu identifizieren: Bart auf Ehrenmitglied-bei-ZZ-Top-Länge, Augenbrauen, die Theo Waigel Tränen der Rührung und/oder des Neides über die Wangen treiben, und blind, demzufolge unschlagbarer Superkämpfer) mit der Doppelnull-Lizenz und der superfiesen Mordwaffe fliegende Guillotine aus, damit er die Rebellen mores lehrt. Deswegen hockt der alte Sack (selbstverständlich ist der Knabe nämlich mindestens 280 Jahre alt) auch in einer einsamen Berghütte, hat sich eine Matte bis zu den Kniekehlen wachsen lassen und verbringt den lieben langen Tag mit Kung-fu-Trockenübungen (mit den lächerlichsten Soundeffekten, die ich seit langer Zeit im Genre gehört habe; garniert mit einem eigenen „theme“, das irgendwie versucht, gleichzeitig nach Krautrock, Industrial und chinesischer Folklore zu klingen. Skurril). Die eigentliche Arbeit überlässt der weise Meister von Welt nämlich gern seinen Schülern, und davon hat er, so sagt uns zumindest der Erzähler, zwei.

Fung Shengs aufregende Trainingsstunde wird von einer Brieftaube unterbrochen, die der Blinde selbstverständlich am Flügelschlag erkennt (weil der Knabe blind ist, hat er natürlich ein Supergehör, das die listening monks der Scheibenwelt gut gebrauchen könnten). Die Brieftaube hat ´nen schweren Job, denn da Fung Sheng einen normalen Brief begreiflicherweise nicht lesen kann und eine chinesische Braille-Variante noch nicht erfunden ist, muss man ihm die Botschaft schon auf ordentlich klobigen (Holz?-) Klotz gravieren. Die Botschaft stammt von seinen Schülern und beinhaltet die übliche „wenn-du-das-hier-liest-sind-wir-tot-und-müssen-dringlich-gerächt-werden“-Litanei. Damit Fung Sheng auch weiß, wenn er zu meucheln hat, haben die vorausschauenden Schüler auch eine kleine Skulptur ihres Killers in den „Brief“ meißeln lassen (wie das nu wieder funktionieren soll, ist mir auch ein Rätsel. Ich weiß erstens mal schon nicht, ob´s im alten China Notare gab, bei denen man solche Botschaften für den Fall der Fälle deponieren konnte und ob die dann mit Brieftauben arbeiten, aber zweitens find ich´s lustig, dass die Schüler offenbar vorab wußten, wer sie denn umbringen wird – oder hatten die die entsprechenden Plastiken für alle bekannten Rebellen vorfertigen lassen und dann irgendwie per Seancé ihrem Vertrauensmann mitgeteilt, welche Nachricht er verschicken sollte? Schon komisch…). Egal, der böse Killer war der gefürchtete „einarmige Boxer“. Fung Sheng tickt aus, als hätte man einem deutschen Rentner gerade schonend von der nächsten Nullrunde erzählt und kramt die fliegende Guillotine aus´m Fundus. Die Wunderwaffe sieht aus wie ein Knirps – für diejenigen unter euch Mitlesern, die mit antiken deutschen Markennamen nicht mehr so viel anfangen können, wie ein Taschenregenschirm im Etui, Farbe Rot. Im aufgeklappten Zustand ist das Ding schon gefährlicher, wie uns Fung Sheng in Rage anhand einiger Dummies und einem (ich befürchte, quietschlebendigen) Vogel demonstriert – man klappt das Teil auf (dann sieht´s aus wie eine Mischung aus Imkermaske, Ascot-Hut und Lampenschirm), schleudert es auf des potentiellen Opfers Rübe, zieht an der Schnur und ein Klingenkranz klappt nach innen auf und schneidet dem bedauernswerten Behüteten den Kopf ab. Nette Erfindung, so rein optisch, funktioniert aber rein physikalisch nur in einem Paralleluniversum, in dem sämtliche grundlegenden Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind. Aber im Kontext eines HK-Martial-Arts-Film passt das ja irgendwie wieder. Fung Sheng zündet noch mit einer Art Bombe/Granate (okay, ich weiß, die Chinesen haben das Schießpulver erfunden) seine Hütte an und marschiert ab, um seine finsteren Rachepläne umzusetzen.

Was den Produzenten die Gelegenheit bietet, den Vorspann einzuspielen, der sich kurioserweise mit beiden englischen Titeln meldet, aus einem farbgefilterten Highlight-Reel of things to come besteht (und damit mit Sicherheit nicht der chinesische Originalvorspann ist) und von einem gruseligen Pseudo-Punk-Instrumental beschallt wird (und da´s 1975 noch keinen Punk gab, von dem ich wüßte, ist der ganze Soundtrack wohl neu erstellt worden, als der Film 1977/78 in die USA exportiert wurde).

Nun schalten wir um in eine Kung-fu-Schule (ja, wir lassen praktisch kein Klischee des klassischen Eastern aus), und die wird betrieben vom einarmigen Banditen, äh, Boxer, nebst seinem Bruder (der heißt Dhrong Jong oder so ähnlich, according to the Untertitel. Den Namen des Boxers, der auch genau einmal erwähnt wird, hab ich prompt vergessen). Über mangelnde Kundschaft scheint die Schule sich nicht beklagen zu können, es gibt etliche Lernwillige und der Boxer korrigiert wortkarg, aber bestimmt, bei jedem einzelnen Schüler Arm- oder Beinhaltung. Respekt, der tut noch was für sein Geld (während in den meisten Kung-fu-Schulen in billigen Eastern ja die werte Schülerschaft mehr oder weniger allein vor sich hin trainiert und die Herren „Lehrer“ meistens mit der Entgegennahme des Ausbildungsobolus ihre Tätigkeit erschöpfend ausgefüllt zu haben meinen. Äh. Ist das Deutsch?). Die heutige Speziallektion ist das „richtige Springen“. Dafür lässt der Boxer einen Weidenkorb mit Steinen füllen und fordert einen der Schüler auf, auf den Rand des Korbes zu springen und zu balancieren. Kein Problem für den aufmerksamen Schüler. Gut, dann ist er jetzt bereit für Schritt 2, selbe Übung OHNE Steinballast. Bekanntlich sind Weidenkörbe nicht gerade Musterbeispiele für Stabilität unter Belastung und so kippt Schüler samt Korb um. Das liegt daran, doziert unser Herr Lehrer, dass er nicht richtig atmet und schreitet zur Demonstration, wie man das richtig macht. Sonderlich aufregend (filmisch betrachtet) ist das sicher nicht.

Es ist allerdings, macht uns der einarmige Boxer klar, unabdingbare Grundvoraussetzung für die Königsdisziplin im „Springen“, nämlich das „Springen aufs Dach“. Okay, du und ich würden das jetzt für die relativ althergebrachte Übung „Springen aufs Dach“ im Wortsinne halten und die beherrscht ja jeder Kampfkünstler im Schlaf (außer vielleicht Steven Seagal, harhar). Uns Boxer meint das aber anders, er nämlich „Dach“ von unten betrachtet (unsereins würde das also eher als „Decke“ bezeichnen). Wie weiland Fred Astaire, der das aber tänzelnd erledigte, latscht der Boxer in aller Seelenruhe eine Wand hoch, an der Decke entlang und auf der gegenüberliegenden Seite wieder runter. Eat this, laws of physics! Die Eleven sind angemessen bedruckt, äh, beeindruckt. [AOL-User] Me too [/AOL-User]. Tricktechnisch ist das einigermaßen erträglich.

Ja, das ist bis alles ja ganz nett, ergibt aber noch keinen richtigen Plot (als ob ein Eastern so was brauchen würde, pffz). Für solche Notlagen empfiehlt sich immer wieder das gute alte bewährte Mittel des Kampfkunstturniers. Und, welch glückliche Fügung, die „Adlerkrallen“-Schule hat gerade ein solches ausgerufen – jeder darf mitmachen. Wär doch auch was für die Schule unseres Helden, meinen zumindest die Schüler. Doch der Boxer ist skeptisch (bzw. unerwartet clever für den Helden eines Martial-Arts-Opus) – als bekannter Anhänger der Ming-Dynastie wäre es eventuell unklug, Aufmerksamkeit zu erregen, indem er an dem Turnier teilnimmt (inwieweit es dann auch clever ist, eine eigene fette Schule zu eröffnen, mag man dahingestellt sein lassen. Immerhin waren die Gelben Seiten damals noch nicht erfunden). Dem Argument, dass man von den Kampfkünsten der anderen dort auftretenden Meister am Ende noch was lernen könnte, kann er sich aber nicht verschließen und genehmigt einen Wandertag zwecks Beobachtung des Turniers (und das, wie wir später sehen werden, vollkommen legal und ungetarnt als offizielle Zuschauer. Hätt´ er mitmachen können auch gleich…)

In der Adlerkrallen-Schule bereiten sich die hauseigenen Kämpfer unter dem strengen Blick des dortigen Meisters Wu Chang Chen auf das Turnier vor und veranstalten einen Übungskampf mit Schild und Knüppel. Da kommt Besuch – ein ziemlich arrogant reintänzelnder Knabe beschwert sich, warum er nicht beim Turnier mitmachen dürfe, obwohl´s doch frei für jeden ist. Theoretisch ja, doziert Wu Chang Chen, aber bei unserem nölenden Freund handelt es sich um einen Ausländer und weil beim Turnier theoretisch allerhand schlimme Sachen passieren könnten und man sich im Hause der Adlerkrallen-Schule offensichtlich nicht um den Papierkram mit ausländischen Botschaften kümmern will, wenn einer der auswärtigen Teilnehmer ins Gras beißt, sollen die sich eben raushalten. Dem Herrn Ausländer sind derartige Erwägungen allerdings reichlich wurscht, worauf sich Wu Chang wenigstens eine Kotzprobe seiner Kampfkünste erbittet. Dem wird gerne nachgekommen – einen Steinblock per Kick zu zerdeppern, das findet Wu Chang ja schon mal ganz töfte, aber er würde auch gern wissen, wie sich der Fremde gegen vier Schild-und-Knüppel-Fighter hält. Dafür muss der Fremde aber erst mal ein Warm-up-Programm mit exotischem Ausdruckstanz absolvieren (ich nehm was vorweg – der Knabe ist Thailänder, Muay-Thai-Boxer und braucht dafür das aus Fernsehübertragungen und Thaibox-Filmen gefürchtete orientalische Gedudel für sein Stretching-Programm). Danach vertrimmt er die vier Angreifer aber mühelos. Des Meisters Töchterchen Shao-Tien fühlt sich bemüßigt, die Ehre der Schule wiederherzustellen und dem frechen Thai aufs Maul zu hauen, auch wenn der Vater warnt („du bist nicht gut genug“ – das nennt man Vertrauen in die eigene Familie) und abrät. In der Tat kann Shao-Tien dem Thai nicht das Wasser reichen (rein kampftechnisch, als Hausfrau vielleicht schon, so im Wortsinne) und bekommt die Fresse mit drei-vier Tritten poliert (aber offenbar ist der Thaiboxer ein Gentlemen und zieht in aller-aller-allerletzte Sekunde stets zurück oder er trägt Schuhe mit fünf Zentimeter dicken Schaumstoffsohlen, jedenfalls bleibt das hübsche Gesicht des Mädels unversehrt). Bevor doch noch bleibende Schäden am Porzellanpuppengesicht seiner Tochter angerichtet werden, schreitet der Vater ein und lässt den Ausländer zum Turnier zu. Shao-Tien wirft ihrem Erzeuger einen angefressen-überheblichen Blick Marke „ich-hätt-den-Kerl-schon-noch-verdroschen“ zu.

In der örtlichen Herberge treffen die weiteren Teilnehmer am Turnier an, darunter auch „Win-without-a-Knife“-Yakuma, ein japanischer Kampfkünstler (soviel zur „keine-Ausländer“-Regel, wa?). Der Erzähler unterrichtet uns, dass die Mandschu-Regierung befürchtet, die Ming-Rebellen könnten das Turnier als Anlaß für eine kleine Revolte ansehen und schicken deswegen Fung Sheng vor Ort, der wiederum sich der Dienste diverser ausländischer Kämpfer versichert hat (der von Wu Chang vor fünf Minuten gemurmelte Brasel bezüglich der Ausländer-Regel – widerspricht sowieso dem Bosman-Urteil, also wirklich – wird immer sinnloser), was zumindest den Erzähler sich zu der gewagten Hypothese versteigen lässt, das Turnier könnte eine „blutige Angelegenheit“ werden. [Loriot] Ach? [/Loriot]. Ist ja nicht so, dass unpolitische Turniere immer völlig sportlich-fair-unblutig absolviert werden (wir haben doch alle Bloodsport und Rocky IV gesehen).

Fung Sheng, der sich wenigstens die Zeit genommen hat, bei einem Friseur vorbeizuschauen und die Bis-zum-Arsch-Matte auf mainstreamkompatibleren Bürstenschnitt trimmen zu lassen (Augenbrauen und Bart hat er sich aber eher aufpolstern als zurechtstutzen lassen) macht sich´s in einem Restaurant gemütlich und bestellt vegetarische Nudeln (Excuse me if I ask, aber was bitte sind unvegetarische Nudeln? [Ja, ich weiß, Fleischsoße und so, aber ich laß mir doch den Kalauer nicht entgehen]). Im Restaurant sitzt auch ein mir bislang unbekannter Kerl mit einem nervösen Tick. Halt, stopp, das Gezucke ist kein Tick, sondern wird durch bösartige Fliegen verursacht (that I can relate to. Hab selber momentan ein paar nervige Exemplare in meiner Bude und erwische sie nicht). Korrigiere mich erneut – ich glaub, ich kenn den Kerl doch, er ist das tapfere Schneiderlein. Wieso? Weil er die ihn umschwirrenden Fliegen auf einen Hand-Streich erledigt und, haha, natürlich sind´s genau sieben. Reife Leistung, die müssen günstig gesessen haben – ich würde allerdings Händewaschen empfehlen. Naja, das Schneiderlein sieht das nicht so, sondern haut unter völliger Verkennung sämtlicher Tischmanieren (nicht wirklich durchgebraten ausgesehenes) Hähnchen rein. Und nicht nur eins, wie der Elefanten-, äh, Hühnerfriedhof an Knochen auf seinem Teller zart andeutet (ich korrigiere mich noch mal: das muss dem Appetit nach mindestens Son-Goku sein). Blöd nur, dass unser verfressener Freund grad heut sein Portemonnaie vergessen hat. Kann ja mal vorkommen. Nachdem das elegante Rausschleichen vom Wirt unterbunden wird, versucht unser Mampfer mit seinem guten Namen zu zahlen, bzw. mit dem guten Namen anderer Leute, speziell dem des einarmigen Boxers. Funktioniert deswegen, weil auch unser Hühnerfresser nur über eine Greifextremität verfügt. Nur sollte man halt nicht mit fremden Federn schmücken, wenn der rechtmäßige Federträger bei den staatlichen Autoritäten nicht wirklich populär ist. Bei der Erwähnung der Worte „einarmiger Boxer“ packt Fung Sheng nämlich sofortamente und el zacko die fliegende Guillotine aus und lässt sie fliegen. Fürderhin wird der potentielle Zechpreller ein wenig kopflos agieren.

Natürlich stellt sich umgehend raus, dass der Geköpfte nicht wirklich der echte einarmige Boxer, sondern nur ein x-beliebiger Penner war. Gewissensbisse hat Fung Sheng deswegen nicht wirklich, eher im Gegentum, er gelobt an Ort und Stelle, ganz grundsätzlich jeden Einarmigen umzubringen (solche Pläne haben noch nie funktioniert. Fragt nach bei Herodes).

In der Schule des Adlerkrallen-Clans spielt sich weitgehend bedeutungsloser Dialog ab: Wir etablieren, dass Shao-Tien für den Clan am Turnier teilnehmen wird, was ihr Paps zwar nicht wirklich prickelnd findet (wenn er sie nicht mal einen Demokampf bestreiten lassen will, warum verbietet er ihr nicht die Teilnahme am Turnier? Gar keine väterliche Autorität mehr? Und wenn die Schule nichts besseres zu bieten hat als ein Frauenzimmer, in dessen Fähigkeiten selbst ihr Papa kein rechtes Vertrauen hat, sollte man dann wirklich ein Turnier veranstalten?), ihr aber auch nicht ausreden kann. Außerdem ging an den einarmigen Boxer eine Einladung, auf die der allerdings nicht geantwortet habe, aber Wu Chang ist sich sicher, dass der Boxer auf die eine oder andere Weise vorbeischauen werde.

Und schon geht das Turnier los mit der Auslosung der ersten Hauptrunde im DFB-Pokal. Die SpVgg Greuther Fürth trifft auf…., äh, tschuldigung, falsche Sportart. Im ersten Match, gespannt erwartet vom in überschaubarer Anzahl angetretenen Publikum (wenn ich ehrlich bin, erkenne ich als Zuschauer AUSSCHLIESSLICH den Boxer und seine Schüler), treffen „Long Spear“ und „Long Stick“ aufeinander (ja, die Kerle haben auch noch richtige Namen, aber die tun nichts zur Sache, also bleibe ich bei ihren Kampfnamen). Wie in allen anderen Turnierfilmen vor- und nachher bedeutet das im Klartext, dass jeder Kämpfer mit einem Spezial-Gimmick in Form von Waffe und/oder verwendetem Kampfstil auftritt. „Long Spear“ erklärt sich von selbst, „Long Stick“ ist allerdings kein einfacher langer Stecken, sondern ein dreifach unterteilter und dami flexibel einsetzbarer Stock. Nach kurzem Kampf ist „Long Stick“ aber abgefrühstückt und hinüber – der offizielle Schiedsrichter erklärt „Long Spear“ per Fächeraufklappen zum Sieger und befiehlt den Sanis, den Kadaver des Verlierers abzutransportieren. Harte Sitten.

Im zweiten Kampf trifft der Schwertkämpfer Wong Chang auf Win-without-a-Knife-Yakuma, der sich, being Japanese and therefore by default arrogant and stuff, einen angeberischen Showman-Auftritt nicht verkneifen kann. Seine Waffe ähneln erstaunlich stark herkömmlichen Polizeischlagstöcken (Aufklärung verschafft der Audiokommentar, aber damit Ihr Euch selbigen auch noch persönlich anhören müsst, verrate ich es nicht. Bätsch). Weil Yakuma ein Japaner und damit per se böse ist, spielt er natürlich nicht fair – in den Schlagstöcken sind auf Knopfdruck ausklappbare Klingen eingebaut und damit macht er seinem Kontrahenten den Garaus. Soviel zu „Sieg ohne Messer“… Der einarmige Boxer ist beeindruckt („smart“) und betrachtet die linke Nummer nicht von Haus aus als unsportlich – okay, die Auffassungen sind in China diesbezüglich offenbar etwas laxer. Da gibt´s bestimmt auch keine Dopingproben (würde einiges an chinesischen Sportleistungen späterer Natur auch erklären).

Kampf Nummer Drei bestreiten „Braised Hair“ und der „Mongole“. Letzterer ist ein eher schmächtiger Hänfling mit einem der schwulsten Mongolenbärte, die ich jemals gesehen habe (nicht mal in der Schlagerband „Dschingis Khan“, als deren Fan ich mich hiermit oute, hätte der Junge ´ne Chance gehabt) und befleißigt sich, rein kämpferisch, eher des Wrestling-Repertoires mit Beinscheren und ähnlichem Tinnef, während „Braised Hair“ seinen Zopf (!) als Waffe einsetzt. Die beiden bringen sich der Einfachheit halber gegenseitig um („Braised Hair“ erwürgt den Mongolen mit dem Zopf, was ihm aber nicht viel hilft, da er aus den Wunden, die ihm der Mongole mit bloßen Händen in die Seiten gepfriemelt hat, verblutet. Pech, persönliches). Der Referee quittiert das mit einem Achselzucken – wird halt einer in der zweiten Runde ein unerwartetes, aber hochwillkommenes Freilos haben…

Im vierten Fight (Ihr merkt schon, wir verheizen jede Menge Screentime mit diesem Turnier, das streng genommen für die Handlung, wie Ihr sicher auch schon vermutet habt, nicht die geringste Relevanz hat) treffen „Daredevil“ (nein, nicht Ben Affleck!) Lee Sen und „Iron Skin“ No Szie aufeinander. Eine eher ungleiche Paarung, denn der Schutzteufel (kleiner Pun muß sein) ist ein Kandidat für´s Fliegengewicht, während Iron Skin mehr die handlichen Schrankwandausmaße einnimmt (ist also ungefähr so ausgewogen wie ein alter WWF-Kampf zwischen dem 1-2-3-Kid und Earthquake o.ä.). Gut, der Daredevil ist schnell, während Iron Skins Reaktionszeiten eher mit ´nem Kalender als ´ner Stoppuhr gemessen werden können (jetzt klau ich schon Gags von Rick Amann aus dem NHL-2002-Kommentar), dafür aber haben seine Schläge und Tritte nicht die geringste Wirkung (zumal Iron Skin beim versuchten und absolut absichtlichen Tiefschlag beweist, über die schon von den Dimple Minds besungenen „Hoden aus Eisen“ zu verfügen). Iron Skin ist, wie gesagt, nicht der Schnellste, aber er muss ja nur einmal mit einem Angriff durchkommen. Tut er auch und knackt dem armen Daredevil das Bein durch. Auatsch. Der Ref will schon Iron Skin zum Sieger erklären, doch Daredevil ist vielleicht ein Hänfling, aber ein harter Hund, humpelt zur Konterattacke und Iron Skin tut ihm auch den Gefallen, ihn so weit hochzuheben, dass der Gehandicapte zum klassischen Fulci-Manöver des Eye-Gouging ausholen kann und seinem großen Gegner die Glubscher aus den Höhlen puhlt (selbstredend offscreen, einen solchen Splattereffekt trauten sich die Effektkünstler HK anno ´75 gottseidank noch nicht zu). Damit hat der Daredevil den Spieß noch mal umgedreht und schleppt sich siegreich, aber eben mit glatt gebrochener Laufgräte, ins Fahrerlager, äh, den Backstage-Bereich.

Im nächsten Kampf muss Shao-Tien antreten, aber das Schicksal hat´s gut mit ihr gemeint, als Gegner wird ihr nämlich der „Monkey Boxer“ zugelost. Den Affen-Kampfstil kennen wir ja auch aus zig Knochenbrecher-Filmen, wie sie einst, in guten alten Zeiten, sogar ab und an im öffentlich-rechtlichen Fernsehen liefen. Abgesehen davon, dass dieser „Monkey Boxer“ seinen Kampfstil durch entsprechendes Grimassieren visuell unterstützt, kann er allerdings nicht viel und wird von Shao-Tieh nach allen Regeln der Kunst (und, da wir nach soviel Brutalität ja auch ein wenig humoristischen Ausgleich brauchen) vorgeführt – sie reißt ihm peu-a-peu (da hab ich jetzt sicher einige Dutzend Akzente vergessen. Wenn man auch mal Frankozismen verwenden will…) die Klamotten vom Leib. Als er nach ein paar Flic-Flacs sprichwörtlich mit runtergelassenen Hosen dasteht, ergreift der Affenmann peinlich berührt die Flucht (und ist damit immerhin der einzige Verlierer eines Kampfes, der sich zwar vielleicht zum Gespött des Publikums gemacht hat, dafür aber noch weiterhin auf dem Antlitz dieser schönen Welt spazieren kann. Wäre mir im Zweifelsfalle lieber).

Als nächster Kämpe betritt So Leung aus Java das Kampfareal und bittet sich gleichmal verschärfte Bedingungen aus – der Herr fühlt sich so überlegen, dass er seinen Kampf gegen „Flying Rope“ als „Pole Fight“ über einer „Sword Formation“ bestreiten möchte. Sein Wunsch ist der Turnierleitung Befehl (was sein Gegner dazu sagt, wird nicht eruiert. Sehr fair). Also, rauf auf die Masten (kennt man ja aus Iron Monkey). Wie üblich in solchen Angelegenheiten backfired die Angelegenheit – Flying Rope schubst So Leung (der vorher megacool nicht etwa auf den Pfosten, sondern auf den Schwertspitzen balancierte… was´n Angeber) in die Schwerter. Tja, wer andern eine Grube gräbt, ist Bauarbeiter und ab und zu mal gern tot…

Der nächste Kampf – „Tornado Knives“ trifft auf den indischen Yoga-Meister Sing. Scheinbar sind die Chinesen das einzige Volk auf Gottes bzw. Buddhas Erdboden, das Yogas prinzipiell für begnadete Martial-Artisten hält (siehe Goodbye Bruce Lee). Dieweil die beiden Herrschaften sich prügeln (und darauf gehe ich gleich noch ein), lässt Wu Chang eine Nachricht an den von ihm mittlerweile im Publikum identifizierten einarmigen Boxer übermitteln (was Wu Chang kann, sollte die Staatsmacht doch auch können, möchte man meinen. Aber das kommt davon, wenn man Blinde schickt). Es wäre doch supernett und die Adlerkrallen-Schule würde sich schwer geschmeichelt fühlen, wenn Herr Einarmiger Boxer sich vielleicht doch noch spontan zu einer Teilnahme am Turnier durchringen könnte. Darauf haben wir ja eigentlich alle gewartet, wozu veranstalten wir schließlich ein Turnier, wenn der designated hero nicht dran teilnimmt? Der einarmige Boxer verblüfft seine Schüler, die Turnierleitung und die Zuschauer, indem er allen eine lange Nase dreht und nach Hause geht. Seine Schüler sollen ihm doch ausrichten, wie´s Turnier ausgegangen ist. Der Mann ist wirklich motiviert… Der Yoga packt inzwischen in die Trickkiste und kramt eine Fähigkeit heraus, an die sich viele erinnern dürften, die den Film mal gesehen habe (ich meine sogar, dass mich mal jemand danach gefragt hat, ob ich den Film anhand dieser Szene identifizieren könne. Konnte ich seinerzeit nicht. Hoffe, derjenige liest noch mit) – er verlängert seine Arme teleskopartig (jetzt weiß ich auch, woher „Streetfighter II“, das Videospiel, die Idee her hat) und setzt diesen für seinen Gegner enorm überraschenden Reichweitenvorteil ein. Aus sicherer Distanz erwürgt er seinen Kontrahenten (und der Effekt, mit dem die ausgefahrenen Arme auf Normalzustand „zurücksnappen“, ist für Alter und vermutetes Budget des Films wirklich schick ausgefallen).

Neuer Kampf – neues Glück. „Tiger & Crane Fist“ Lee Kun Man trifft auf unseren alten Bekannten, den Thaiboxer (Nai Men heißt der übrigens, nicht, dass das wirklich wichtig wäre). Letzterer braucht aber vor dem Fight wieder sein übliches Aufwärm-Ritual zu der schrecklichen thailändischen Dudelmucke (wer spielt die eigentlich? Ist ja nicht so, dass der Knabe seine eigene Theme-Song-Kapelle dabei hätte). Lee Kun Man tut das, was man als Angehöriger eines anderen Kulturkreises zu solchen Anlässen gerne mal tut, er bohrt gelangweilt in der Nase. Dann geht´s aber los – Nai Men setzt klassische Muay-Thai-Techniken ein (d.h. er arbeitet mit den Ellbogen und Knien, würde auch ´nen guten K1-Fighter abgeben), Lee Kun Man versucht, mit seinem Spezial-Stil zu kontern und seinem Gegner mit bloßen Fingern die Augen auszustechen. Nai Men gelingt es in letzter Sekunde, seine Hände schützend vor die Pupillen zu halten – tut trotzdem weh, aber in den Handflächen kann man´s sicher eher verschmerzen als in den Glotzbuchten. Ein paar hart Muay-Thai-Moves später ist Lee Kun Man geplättet und Nai Men der Sieger.

Womit wir zum letzten Erstrundenmatch kommen (zugegeben, langsam kann´s auch aufhören – der Film hat jetzt quasi die halbe Laufzeit totgeschlagen, ohne in Punkto Plot entscheidende Fortschritte zu machen. Was nicht heißt, dass der Film bislang keinen Spaß gemacht hat). „One-Armed Snake Fist“ vs. „Praying Mantis“. Der Kampf ist unspektakulär und die einarmige Schlangenfaust macht mit dem Gottesanbeter kurzen Prozeß. Doof nur, dass der Einarmige nicht mitgekriegt hat, dass es jemanden gibt, der die Behindertenstatistik im Staate China ein wenig zurechtstutzen will. Und da ist er schon, Fung Sheng, lässt die Guillotine fliegen und beraubt One-Armed Snake Fist seiner Rübe (ich bin, Supergehör hin oder her, beeindruckt, wie Fung Sheng aus der gar nicht so unbeträchtlichen Anzahl von Personen, die über´s Kampfareal latscht, zielsicher den Einarmigen ausmacht). Irgendwie hab ich bei diesem Effekt allerdings das Gefühl, der „kopflose“ Kadaver ist schlicht ein etwas kleiner gewachsener Stuntman (sprich: es sieht nicht wirklich echt aus).

Wu Chang echauffiert sich über den Eingriff in den regulären Turnierbetrieb: „Du hast einen Unschuldigen grundlos ermordet!“ (Im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Unschuldigen, die im bisherigen Turnierverlauf begründet gekillt wurden, zweifellos. Was man so alles als „guten Grund“ ansieht…). Und diese gar skandalöse Entweihung eines fairen sportlichen Wettkampfs kann Wu Chang als Veranstalter schlecht auf sich sitzen lassen, d.h. er kommt auf die eher blöde Idee, Fung Sheng anzugreifen. Gegen die fliegende Guillotine allerdings zieht er schnell den kürzeren, wobei Fung Sheng sich nicht mal die Mühe macht, Wu Chang zu köpfen, sondern davon profitiert, dass seine Spezialwaffe auch als nach außen klingenbewehrtes Frisbee-an-der-Leine verwenden lässt und dem Turnierpräsidenten in die Brust fährt. For good measure bekommt auch Shao-Tien noch die Guillotine in die Schulter, dann wirft der fiese Mandschu-Killer noch ein paar Brandbomben und beamt sich von hinnen, dieweil die niedergestreckte Shao-Tien von einer nicht zu identifizierenden Gestalt abgetragen wird.

Tja, schätze, wer das Turnier gewinnt, werden wir wohl nie erfahren… aber im Umkehrschluß bedeutet das wohl, dass wir uns ernsthaft wieder mit dem Plot beschäftigen. In seiner Schule versammelt der einarmige Boxer seine Schäfchen und verkündet ob der Bluttat beim Turnier (und zwar der skandalösen Bluttat von Fung Sheng, im Gegensatz zu den absolut in Ordnung seienden anderen Bluttaten vorher), dass er aus Sicherheitsgründen die Schule schließe. Die Mandschus, spekuliert er, würden alle Kung-fu-Experten umbringen wollen (eine etwas gewagte Hypothese), würden dann früher oder später über seine Schule stolpern (auch das leichte Verkennung der Sachlage) und im Kampf könnten einige der Schüler getötet werden und das möchte Gutmensch Boxer gerne verhindert wissen. Immerhin fällt unserem Helden tatsächlich ein, dass er die beiden Schüler Fung Shengs auseinandergenommen hat (woher weiß er, dass es Schüler von Fung Sheng waren? Laufen die alle mit ´nem Schild um den Hals rum „Fung Sheng ist mein Meister“?), was einen sofortigen Flashback nötig macht. Hierfür bedient sich Regiemeister Jimmy Wang Yu aus dem Fundus seines Pseudo-Vorgängerfilms The One-Armed Boxer und beschränkt sich darauf, zur Verfremdung die entsprechenden Szenen pink einzufärben (die Farbgebung hat was. Ich bin nicht sicher, WAS, aber irgendwas sicher). Und so werden wir also, falls wir den Vorgängerfilm nicht kennen, doch noch Zeugen des entsprechenden Kampfes, an dem vor allen Dingen bemerkenswert ist, dass einer der Fung-Sheng-Assistenten sich aufpumpt, als wäre er der eher unbekannte DC-Comiccharakter Ballonboy („Legion der Superhelden“) und fürderhin gar lustige BOING-BOINGG-Geräusche von sich gibt, wenn der Boxer auf ihn einprügelt. Ich möchte nur noch mal darauf verweisen, dass dieser Film ERNST gemeint ist. Der Boxer besiegt den aufgeblasenen Gegner, wie man einen Luftballon eben so tiltet – man lässt ihm die Luft raus (dafür sorgt ein stahlhart in die luftgefüllte Plauze des Fieslings gestochener Kung-fu-Finger!). Mich wundert, dass Regisseur Wang Yu der Versuchung widerstehen konnte, den Kerl wie einen angestochenen Luftballon wild hin- und herfliegen zu lassen.

Der Boxer beamt sich mental zurück in die Gegenwart. „Ich hätte nie gedacht, dass er (Fung Sheng ist gemeint) beim Turnier auftaucht“, erweist er sich als doch nicht ganz so clever. Sein Bruder weist ihn darauf hin, dass er der legendäre einarmige Boxer sei (hat der bestimmt ganz vergessen, bei all der Aufregung) und deswegen nicht einfach stiften gehen könne. Prinzipiell stimmt uns Boxer da zu, aber da er schlicht und ergreifend bislang keinen Plan habe, wie man gegen Fung Sheng vorgehen könne, müsse man sich einstweilen verstecken. Ist jetzt nicht wirklich gesteigert heroisch, aber gar nicht mal so blöde.

Es kann jedoch der Unblödeste nicht in Frieden Versteck spielen, wenn es dem bösen Schurken nicht gefällt. Der böse Schurke ist in dieem Fall Nai Men, der Thaiboxer, der seine thailändische Flöte spielend (aha, jetzt spielt der Herr seinen Theme Song selbst. Und wer war´s vorher?) einmarschiert (vielleicht hätte der Boxer kein „Dies ist die Schule des berühmten einarmigen Boxers“-Schild an die Tür hängen sollen). Nai Men äußert sich entttäuscht darüber, dass der Boxer beim Turnier nicht mitgemacht hat und möchte nun einen persönlichen Kampf gewidmet bekommen. Der Boxer aber hat keine Lust (für einen Kung-fu-Helden kämpft er recht wenig, findet Ihr nicht auch?). Zu schade, findet der Thai, aber Fung Sheng, der schon auf dem Weg sei, wird der Boxer sich nicht verweigern können (ich wiederhole mich: was nützt das schönste Leben im „Untergrund“, wenn jeder Hinz & Kunz weiß, wo ich wohne?). Des Boxers zweiarmiger Bruder stürzt sich auf Nai Men und kabbelt ein bissl mit ihm, aber wichtiger ist, dass Fung Sheng, mit Sinn für spektakuläre Auftritte, durch die Wand springt (das würde maximal noch in meiner Bude klappen. Zum Glück für ihn baute man im alten China aus Holz) und mit der Guillotine um sich wirft – einer der Schüler wird in den Rücken getroffen und verscheidet, auch der Boxer selbst handelt sich eine Verletzung ein, es gelingt ihm aber, enorm heldenmäßig, die Flucht.

Habt ihr Shao-Tien vergessen? Schämt Euch. Wir enthüllen nämlich jetzt die Identität des geheimnisvollen Entführers. Es handelt sich um Win-without-a-Knife-Yakuma, der sich mitnichten als Kid- bzw. Girlnapper, sondern als Lebensretter sieht (bis zu einem gewissen Punkt sogar vertretbar, und sogar so vertretbar, dass Shao-Tien das auch relativ souverän akzeptiert und sich in der Schuld des Japaners sieht). Shao-Tien ist verständlicherweise ob des Ablebens ihres alten Herrn emotional geringfügig überwältigt, wofür Yakuma wenig Verständnis hat – sie solle doch einfach an etwas anderes denken (Junge, gib dem Mädel doch wenigstens zehn Minuten Zeit zum Trauern…). Shao-Tien schwört die übliche blutige Rache, Yakuma rät ab und empfiehlt ihr vielmehr, mit ihm nach Japan zu reisen (mir deucht, der Knabe braucht nur ´ne neue Geisha). Das Mädchen lehnt entrüstet ab. Yakuma verklickert ihr, dass der Vorschlag weniger eine lose Empfehlung denn eine akkurate Voraussage künftiger Geschehnisse ist und lässt sie dann, wo auch immer er sie eigentlich versteckt hält, unbewacht und ungefesselt sitzen, um ein wenig Happa-Happa einzukaufen. Entführer waren schon mal intelligenter. Kaum ist Yakuma weg, schleicht sich der einarmige Boxer rein in das Versteck (ich will nicht wissen, woher er überhaupt weiß, dass Shao-Tien entführt wurde und schon gar nicht, wo sie versteckt wird) und erklärt ihr den Weg zu dem geheimen Ersatzhauptquartier, von dem er aus seinen Gegenschlag plant (ein Häuschen irgendwo außerhalb, das von der Stadt aus durch ein Tunnelsystem zu erreichen ist). Dort wird er sie treffen (warum nimmt er sie jetzt nicht einfach mit? Wäre zu einfach bzw. zu heldenmäßig, schätze ich. Langsam glaube ich, Jimmy Wang Yu nimmt sich hier absichtlich die gezielte Dekonstruktion chinesischer Heldenmythen vor).

Zurück in der Schule (ausgesprochen clever, dorthin zurückzukehren, oder?) schickt der Boxer endgültig seine Schüler fort und verspricht, sich zu melden, sobald ihm ein tauglicher Plan eingefallen ist (das könnte ein Snickers-Tag werden). Gerade will er das Bild seines persönlichen Schutzheiligen abmontieren, da gibt´s erneut ungebetenen Besuch, in Person des Gurus. Der Boxer meint, dass es gerade ein wenig unpassend wäre (mit exakt diesen Worten). „Es ist leichter, einen Feigling zu töten als ihn zu beleidigen“, philosophiert der Guru, fährt einen seiner Teleskoparme auf, greift sich eine Lampe von der Decke und schleudert selbige gegen das Heiligenbild, das programmgemäß abfackelt. Es hilft alles nix – eine solche Beleidigung kann nicht ungesühnt bleiben, der Boxer muss nun doch mal versehentlich kämpfen (ich dachte schon, das wird der erste Kung-fu-Film, in dem der Held nicht einen Schlag austeilt). Der Kampf ist (aus später noch genauer zu analysierenden Gründen) nicht übermäßig spektakulär, auch wenn sich der Boxer mal kurz an die Decke hängt und wird beendet, indem er dem Guru eine der überdimensionierten Gräten bricht. Als Fung Sheng und Nai Men das Areal betreten, finden sie nur noch den sich vor Schmerzen krümmenden Yogi (ich dachte immer, solche Fakire sind grundsätzlich schmerzresistent?).

Im Geheimversteck labern der Boxer, Shao-Tien und die zahlreich dort erschienenen Schüler dummes Zeug, das keinen Menschen weiterbringt. Später sitzen Shao-Tien und der Boxer dumm im Grünen und beobachten einen alten Sack, der sich recht erfolglos bemüht, mit der vermutlich stumpfsten Axt der Weltgeschichte (die Klinge der Axt kann man eher als Säge denn als Beil benutzen), einen Bambusstamm zu hacken. Doch schon nach mehreren ominösen Zooms auf die Axt geht beim Boxer eine Glühbirne an (mich wundert, dass der Filmemacher nicht noch eine Neonleuchtschrift a la „Plotpunkt hier, bitte aufpassen!“ eingeblendet hat. It´s sooo subtle). Die Klingen der fliegenden Guillotine können doch unmöglich stabiler sein als die einer Axt, also könnte man mit Bambus doch… (ich halte das für eine der blöderen Ideen, die ich in letzter Zeit gehört habe).

Ziemlich unbefangen für jemanden, der eine ganze Schar Killer auf seinen Fersen hat, spaziert der Boxer in die Stadt und holt eine größere Bestellung of something-or-other in einer Schmiede ab und stapelt anschließend im Laden eines Sargtischlers einen Batzen Geld auf die Theke, um den „Laden zu mieten“. Geld regiert die Welt und zu gruseliger Synthesizer-Musik springt der Ladenbesitzer auf des Boxers Weisung durch den Laden und stellt diverse Gadgets (ich nehme an, die eben abgeholten Dinge aus der Schmiede) an allen möglichen Ecken auf. Da die Teile aussehen wie Winkelmesser o.ä., konnte ich mir da zunächst keinen gesteigerten Reim drauf machen, außer, dass der Boxer schon mal sicherheitshalber einen Sarg für sich ausmessen lässt. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Film diesbezüglich noch einen tieferen Sinn ergeben wird, gelle?

Wie nicht anders zu erwarten wird der Boxer auf dem Heimweg zum Versteck von einem der ausländischen Killer beschattet, Yakuma erledigt das. Der Boxer doziert dieweil vor seinen Jüngern, dass das Hauptproblem bei der Bekämpfung der fliegenden Guillotine deren „spinning force“ sei. Außerdem sieht sich der Boxer überfordert, es mit Fung Sheng und Nai Men gleichzeitig aufzunehmen (was ´ne Lusche. Soll sich ein Beispiel an jedem handelsüblichen Bruce-Lee-Imitator nehmen, der´s problemlos mit einem Dutzend Gegner aufnimmt) – erst muss man den Thai irgendwie ausschalten, dann kann man sich um den blinden Alten kümmern. Erfreulicherweise für unsere im fairen Kampf sichtlich chancenlose Heldenbrigade ist Nai Men ein ziemlicher Volldepp. Es reicht nämlich, dass ein paar von des Boxers Schülern auf der Hauptstraße ein wenig thailändische Mucke musizieren und schon springt Nai Men aus dem Loch, in dem er sich verkrochen hat und kuckt nach demjenigen, der da vermeintlich seinen exquisiten Musikgeschmack teilt (vielleicht war´s aber auch nur der Balzruf der typischen Thailänderin). Die Aufmerksamkeit des Thais erst mal so geweckt, ist es kein großes Problem, ihn durchs (mit Fallensystemen, die der intelligente Nai Men allerdings durchschaut, gespickt. Einen auffälligeren Stolperdraht kann man auch gar nicht installieren) Tunnelsystem zum Geheimversteck und in die Hütte zu lotsen. Da wartet aber eine böse Überraschung oder zwei auf den barfuß durchs Leben ziehenden Muay Thai. Überraschung 1: es erwartet ihn dort ein kampfeslustiger einarmiger Boxer. Überraschung 2: der Boden ist aus Metall. Überraschung 3: Des Boxers Freunde zünden unter der Hütte ein ordentliche Feuerchen an. Und Überraschung 4: Flucht aus den Fenstern ist unmöglich, denn vor den Fenstern warten die Boxer-Schüler mit Piekespeeren. Der sich zwanglos anschließende Kampf entwickelt sich für Nai Men also zum Tanz auf der heißen Herdplatte und jeder, der mal versehentlich eine solche geküßt hat, kann sich vorstellen, dass das doch ein ganz klein wenig unangenehm ist. Der Boxer, für einen Helden ein ziemlich sadistisches Dreckschwein, denn eine solche Todesfalle traut man im allgemeinen eher einem James-Bond-Superschurken o.ä. zu denn einem, für den wir vermutlich die Daumen drücken sollen, macht sich aus den Problemen seines Kontrahenten nicht viel. Es ist, zugegeben, recht unfair, gegen jemanden zu kämpfen, der schon nach ein paar Minuten hauptsächlich aus Brandblasen besteht (und die Fiesheit der Szene wird noch gesteigert dadurch, dass Nai Men „lustig“ durch den Raum hüpft). Wir lernen daraus: Schuhe anziehen rult okay, auch wenn der Boxer nach erfolgreicher Annihilierung des Thais selbst fußvoran in ein von seinen Helferlein bereitgestelltes Wasserfaß hüpft.

Nachdem der Thai also aus dem Weg geräumt ist, schickt der Boxer seine Schüler einmal mehr fort, nur Shao-Tien weigert sich, ihn für den Endkampf allein zu lassen. „Wenn du bleibst, kann ich mich nicht konzentrieren“, meckert der Boxer (tja, das Weibsvolk lenkt nun mal ab, das ist sein Job). Bevor das ausdiskutiert werden kann, stellt sich Yakuma kampffreudig vor. Wieder einmal stellt der Boxer fest, dass es jetzt gerade nicht wirklich gut passt, aber Yakuma lässt sich nicht abbringen (dieweil lässt sich Fung Sheng von einem einheimischen Guide schon durch das Tunnelsystem lotsen, wobei der Guide doof, wie ein Bauerntölpel nun mal ist, über den Stolperdraht, eh, stolpert und eine Explosion auslöst). Der Boxer vermöbelt indessen Yakuma, obwohl der wieder mit seinen klingengespickten Schlagstöcken hantiert und den Boxer damit auch ernsthaft verletzt (der muss ganz schön einstecken, der Jung). Mit seinem Spezialschlag legt er den Japaner allerdings entscheidend aufs Kreuz, was auch nötig ist, denn da ist schon Fung Sheng, der die Tunnelexplosion natürlich – wenngleich ungeklärterweise – überlebt hat. Der Boxer flüchtet in ein vorbereitetes Feld von Bambuspfosten. Der blinde Fung Sheng schleudert seine Guillotine und köpft ein halbes Dutzend unschuldiger Bambusstämme (hm, der Plan klappt wohl doch nicht so ganz, wie?). Ah, zu früh für den Bösen gefreut, beim x-ten Anlauf, den sich feige hinter den Bambusmasten versteckenden Boxer zu enthaupten, bleiben die Klingen der Guillotine im Bambusstamm stecken (damit ist eine zivile Verwendung der fliegenden Guillotine im Bereich Waldrodung leider ausgeschlossen). Der Boxer flieht (ja, der flieht mächtig oft) in die Stadt zurück und jumpt in eine Vogelhandlung. Wieder mal verhältnismäßig cleveres Thinking, denn das Gezwitscher der Piepmätze und ihr Flügelschlag verwirrt des Blinden Supergehör, d.h. der Boxer kommt nahe genug an Fung Sheng heran, um den ein oder anderen Schlag auszuteilen. Fung Sheng allerdings ist nicht nur Guillotinenschwinger, sondern auch an sich ein guter Kämpfer und kickt den Helden durch die nächste Wand in den Nachbarladen. Das scheint allerdings exaktemento des Boxers teuflischer Plan gewesen zu sein, denn der Nachbarladen ist die Sargtischlerei (warum er dann nicht gleich in DIESES Geschäft gespurtet ist und den Umweg über den Vogelhändler gemacht hat, frag ich mich dann schon) und nun erklärt sich auch die Geschichte von vorhin: Der Boxer hat das gesamte Ladengeschäft des Sargtischlers mit Boobytraps ausgerüstet und das, was ich vorhin fälschlicherweise für Winkelmesser gehalten hatte, entpuppt sich als Axt-Katapulte. Fair ist das mal wieder nicht wirklich, einem blinden Gegner automatisiert diverse Äxte in Brust und Schulter zu jagen, aber, mein Gott, man muss halt machen, was man manchen muss, nur der Sieg zählt, der Zweite ist der erste Verlierer usw. usf. Die fliegende Guillotine, die ja immer noch über ihren äußeren Zahnkranz verfügt, bleibt in einem stabilen Sargdeckel hängen und wird per Axtwurf endgültig halbiert und damit ausgeschaltet, womit es endlich zum Kampf mano-a-mano kommt – dabei kommen dem Boxer seine schwerkraftbesiegenden Fähigkeiten des Wändehochlaufens etc. zupass. Kürzen wir die Sache ab – der Boxer drückt Fung Sheng eine Axt, die vom Katapult schon in seinen Bauch gejagt wurde, tief in die Eingeweide (un-gorig), setzt seinen Spezialschlag an, pustet Fung Sheng durchs Dachgebälk und direkt in einen auf der Straße parkenden Sarg. Spiel, Satz, Sieg, Ende (wie immer im HK-Film: ein Wrap-up der Story findet nicht statt. Wozu auch? Wen interessiert´s?).

Nehmen wir das entscheidende vorweg – so macht ein klassischer Eastern Spaß. Master of the Flying Guillotine rockt, trotz der ein oder anderen kleineren Schwäche, ganz gewaltig und sollte für jeden aufgeklärten Genre-Freund Pflichtprogramm darstellen.

So, und wer´s ausführlicher haben will, der soll weiterlesen. Master of the Flying Guillotine ist ein Vertreter der kurzen Epoche der Orientierungslosigkeit im Hongkong-Kino. Bruce Lee stand den Produzenten aus verständlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung, die Shaw Brothers-Studios notorisch finanzklamm und nicht mehr in der Lage, ihre großbudgetierten, aufwendigen Epen auf regelmäßiger Basis herauszubringen (gelegentliche Ausreißer wie Gordon Lius Star-is-born-Performance in The 36th Chamber of Shaolin mal ausgenommen) und Jackie Chan war noch nowhere-to-be-seen. Sehr ärgerlich für die HK-Filmindustrie, die gehofft hatte, im Fahrwasser der Bruce-Lee-Welterfolge endlich den internationalen (sprich: US-) Durchbruch zu schaffen. Der Martial-Arts-Film entwickelte sich in dieser Phase zum „B-Produkt“ zurück, was andererseits eben auch unabhängigen Produzenten die Möglichkeit gab, mit vergleichsweise bescheidenem Aufwand die Genrefans zu bedienen. Und ein solcher war zu dieser Zeit Jimmy Wang Yu, der sich von den Shaw Brothers im Gagenstreit getrennt hatte und seine Filme nun selbst realisierte. Als Flying Guillotine von den Shaw Brothers zu einem bescheidenen Erfolg wurde, erkannte Wang Yu das Potential der Idee und strickte in halsbrecherischem Tempo ein Crossover mit seinem eigenen One-Armed Boxer. Das erstaunliche daran – obwohl der Streifen ein absoluter Schnellschuß war, gelang es Wang Yu, in einigen wesentlichen Punkten aus dem klassischen formelhaften Gerüst des üblichen HK-Kung-fu-Films („meine Schule ist besser als deine Schule“, „Rache für den getöteten Meister/Schüler“ etc.) auszubrechen. Wang Yu verwendet durchaus althergebrachte Motive wie z.B. das immer wieder gern gesehene Kampfsportturnier (manche rechnen Wang Yu sogar die Erfindung des „Turnierfilms“ als Subgenre zu), den bewährten Rache-Plot, kombiniert mit dem im Eastern wieder gern gesehenen nationalchinesischen Pathos (die Mandschus waren schließlich ausländische Besatzer und als solche beim stolzen chinesischen Volk, wie gesagt, ungefähr so beliebt wie Räude und Krätze) und, angedeutet, anti-japanischen Ressentiments.

Was Wang Yu allerdings größtenteils recht intelligent löst – er greift die bekannten Motive auf, nur um sie aber zu verfremden oder in andere Richtungen zu führen, als man es gemeinhin erwartet. So wird das Turnier z.B. zwar als großes Action-Set-Piece aufgebaut, nur um dann keinen der Titelcharaktere dort wirklich kämpfen zu lassen und es sogar vorzeitig abzubrechen (bösartig könnte man das natürlich auch so sehen, dass das Turnier in dieser Form prima eine halbe Stunde Laufzeit füllt, in der man sich als Regisseur und Autor nicht wirklich um Storyentwicklung etc. kümmern muss), der Rache-Plot funktioniert ausnahmsweise mal umgekehrt (es ist der Schurke, der die Rache sucht und nicht der Held) und ganz besonders die Charakterisierung des Helden unterscheidet sich deutlich vom handelsüblichen Handkantenschwinger. Sein einarmiger Boxer geht nicht nur nach Möglichkeit dem Kämpfen aus dem Weg (soweit, so macht das auch manch anderer Martial-Arts-Charakter, nur dass Wang Yus Boxer sich auch nicht leichtfertig in Kämpfe hineinziehen lässt), sondern ist nicht mal ein gar so besonders guter Kämpfer und sich darüber sogar im Klaren – er kann seine Gegner nur mit List, Tücke und Unfairness besiegen, bedient sich also genau genommen der Methoden, die man im allgemeinen eher der Fieslingsfraktion zutrauen würde (elaborate – und sogar funktionierende – Fallensysteme, linke Tricks, Hilfe seiner Schüler, um einen fluchtwilligen und eigentlich schon geschlagenen Gegner im Kampf zu halten, damit er ihn killen kann). Ich überlasse es anderen, „seriösen“, Filmkritikern, sich da endgültig einen Kopf drum zu machen, ob Wang Yu das, wie oben im Text von mir mal angerissen, vielleicht sogar bewußt gemacht hat, um den Mythos vom edlen, selbstlosen und guten Martial-Arts-Helden zu entmystifizieren oder sich das einfach so ergab, weil Wang Yu halt mal etwas anders machen wollt als tausend Filme zuvor. Es gibt dem Film auf jeden Fall eine andere Stimmung und rückt die „Heldenfigur“ deutlich näher an z.B. typische Italo-Western-Antihelden heran als es die meisten anderen traditionellen Kung-fu-Filme tun (anders ausgedrückt: hochgradig sympathisch kommt der einarmige Boxer nicht rüber und bleibt nur deswegen der „Held“, weil die Schurkenfraktion in Form von Fung Sheng eben noch „more nasty“ ist, allein schon durch die eingesetzte Waffe, die man bei aller Liebe nicht wirklich als faire, sportliche Martial-Arts-Waffe betrachten kann, sondern eher unter „Fernlenkwaffen“ ablegen sollte). Nichts hineininterpretieren sollte man allerdings in die Tatsache, dass Fung Sheng mit einem fetten Hakenkreuz auf´m Kaftan rumläuft – die Swastika ist halt ein steinaltes spirituelles Symbol, das in vielen alten Kulturen auftaucht.

Ein weiterer Vorteil des Films gegenüber anderen zeitgenössischen Martial-Arts-Epen ist seine vergleichsweise übersichtliche Story. Die Handlung ist nicht übertrieben komplex, um westliche Zuschauer zu verwirren, sondern dient nur als mehr oder weniger taugliches Mittel, um die Kampfszenen in einen gewissen Kontext zu setzen. Immerhin – wir wissen in praktisch jedem Kampf, wer gegen wen und warum antritt, während man bei so manchem Konkurrenzprodukt, besonders in den hierzulande gerne um wesentliche Handlungselemente gekürzten Fassungen, oftmals ratlos im Regen sitzt und sich eben fragt, wer jetzt gerade wen und warum gekillt hat. Dabei ist die Geschichte aber auch nicht soo schlecht, dass sie nur als schlichtes Transportmittel, die Charaktere von Punkt A nach B zu bringen, damit sie dort gegeneinander kämpfen, sondern besticht, wie schon angedeutet, durch die sorgfältig Charakterisierung des Helden und ein in sich größtenteils schlüssiges Gesamtkonzept (natürlich gibt´s Plotholes, deren größtes zweifellos ist, dass der Boxer, der sich darüber klar ist, auf der Abschußliste der Regierung zu stehen, völlig offen eine Kung-fu-Schule betreibt). Perfekt ist die Story natürlich nicht, vor allem der Subplot mit Shao-Tien ist völlig überflüssig, die entsprechenden Szenen treiben die Geschichte nicht voran und haben mit ihr letztendlich auch nichts zu tun, das Shao-Tien nicht mal so was wie des Boxers Love Interest wird, das wirkt mehr so, als hätte man auf Teufel komm raus unbedingt noch ´ne Frauenrolle gebraucht und keine andere Idee gehabt, diese einigermaßen plausibel einzubauen. Konsequenterweise kommt der sehr dynamische Film in den Shao-Tien-Charakterszenen (sind zum Glück nur zwei bedeutsame) beinahe zum Stillstand.

Filmisch ist das ganze ansonsten ziemlich souverän gelöst. Die Kampfszenen, und die sind ja das, worauf´s ankommt und schon rein quantitativ in der Überzahl, mögen vielleicht für unsere moderne Sehgewohnheiten, die wir aus jedem drittklassigen Actionfilm hochkarätiges Wire-Fu gewöhnt sind, etwas altbacken wirken – es gibt verhältnismäßig wenige High-Flying-Stunts und Wirework, dafür aber durch die Vielzahl der unterschiedlichen Kampfstile (einige real, einige ausgedacht) interessant und vor allen Dingen sorgfältig geschnitten – wie auch der Audiokommentar ausführt, werden die Fights nicht einfach aus verschiedenen Blickwinkeln mitgefilmt und nachher im Schneideraum bearbeitet, sondern sind aus zahlreichen Einzeleinstellungen eingesetzt, für den Schnitt choreographiert und nicht umgekehrt (ich hoffe, das ist einigermaßen verständlich ausgedrückt). Der herausragende Kampf ist sicherlich der des Boxers gegen den Thai in der aufgeheizten Hütte – aus der begrenzten Örtlichkeit wird das Maximum an filmischer Wirkung herausgeholt, da ist der ganze Sadismus der Szene richtig spürbar.

Das Tempo ist hoch – abgesehen von den erwähnten Szenen mit Shao-Tien und der anfänglichen Szene des Trainingsbetriebs in der Kung-fu-Schule, die aber dramaturgisch notwendig ist, um die besonderen Fähigkeiten des Boxers (das Wändehochlaufen) zu erklären (konsequenterweise fehlte genau diese Szene in der 81-minütigen Exportfassung, weil sie von den Distributoren als überflüssig erachtet wurde), nämlich deutlich macht, dass es sich dabei nicht um eine „übernatürliche“, sondern eine antrainierte Fähigkeit des Boxers handelt (was natürlich nichts daran ändert, dass es sich rein physikalisch um bullshit handelt), gibt´s kaum Atempausen: Entweder wird gekämpft oder es wird sich im Schnelldurchlauf durch notwendige Exposition geholzt.

Rein stilistisch erweist sich Wang Yu als durchaus talentierter Action-Regisseur (der natürlich von der exquisiten Kampfchoreographie von Lau Kar Leung profitiert), die Kameraführung ist für einen Low-Budget-Klopper beachtlich, der Schnitt, wie schon gesagt, sowieso souverän. Klassische Shaw-Brothers-Kniffe wie die berühmten und von Quentin Tarantino in Kill Bill perfekt kopierten Zooms werden ebenso eingesetzt (recht dosiert) wie das damals noch relativ neue Stilmittel Zeitlupe (und keine Frage, diverse unmögliche Sprünge werden durch den auch bewährten Kunstgriff „Film rückwärts ablaufen lassen“ gelöst). Die Spezialeffekte sind von schwankender Qualität. Die erste Enthauptung hält durchaus noch heutigen Qualitätsansprüchen statt, die zweite wirkt ein wenig lächerlich. Ich hätte gut ohne die wirklich „übernatürlichen“ Elemente leben können, gebe aber zu, dass zumindest ein paar Aufnahmen des „langarmigen“ Yogas (namentlich das „Zurückschnappen“ seiner Teleskoparme) erstaunlich gut gelungen sind (in den Kampfszenen selbst wirkt´s selbstverständlich in keiner Sekunde anders, als würde jemand mit von Ärmeln getarnten Stöcken kämpfen; die zweite „übernatürliche“ Fähigkeit, die Aufpumpbarkeit des vom Boxer im Flashback gekillten Fung-Sheng-Schüler, stammt bekanntlich aus dem Vorgängerfilm One-Armed Boxer und wird von mir daher nicht „bewertet“).

Was Ausstattung und Sets anbetrifft, ist der betriebene Aufwand überschaubar, aber angemessen. Man ahnt zwar, dass der Streifen nicht übermäßig viele HK-Dollars gekostet haben kann, aber er wirkt nicht billig. Die Guillotine selbst verfügt hier über ihr elegantestes und, hüstel, zweckmäßigstes Design (andere Varianten waren aus Holz und wirkten wie Vogelkäfige oder sogar Metall. Wie man die dann wirklich, selbst wenn man alle physikalischen Grundbegriffe außer acht lässt, erfolgreich einsetzen wollte, entzieht sich meiner Vorstellungskraft).

Erwähnen sollte man auf jeden Fall den ausgesprochen skurrilen Score, der wohl kaum das sein dürfte, was ursprünglich anno 1975 vorgesehen war (schon allein wegen dem Punk-Track als Titelstück). Sehr obskure elektronische Klänge, nichts für Freunde ohrenfreundlicher Melodeien. Aber irgendwie … cool…

Zu den schauspielerischen Leistungen und da wollen wir uns, dem Genre entsprechend, mal hauptsächlich auf die Kampfkunstfähigkeiten der beteiligten Gestalten konzentrieren. Und da kommen wir zum einzigen eigentlich wirklich gravierenden Problem des Films – seinem Hauptdarsteller, denn der ist einer der wenigen Fälle von HK-Martial-Arts-Stars, der wohl ein besserer Schauspieler als Kämpfer ist. Jimmy Wang Yu (im richtigen Leben selbstredend im Besitz zweier funktionierender Arme, der für die Rolle überzählige wird einfach unterm Hemd versteckt) ist einfach kein guter Fighter, was wiederum insofern kaum überrascht, da er als einer der wenigen Stars des Kampfsportkinos keinerlei Martial-Arts- oder Peking-Oper-Background hat, sondern vom Schwimmen (!) kam. Selbst weniger aufmerksamen Zuschauern wird auffallen, dass seine Kampfszenen immer aus sehr kurzen Einstellungen bestehen, die (zugegeben durchaus gelungen) kaschieren, dass Wang Yu kaum spektakuläre Moves zu bieten hat (und wenn´s akrobatischer wird, übernimmt ein Stuntdouble den Job). Wie gesagt – Wang Yu ist gottseidank als Regisseur gut genug, seine mangelnde Martial-Arts-Qualifikation zu überspielen, so dass die stand-out-Sequenz (eben der Kampf in der heißen Hütte) trotzdem sehr dynamisch und rasant rüberkommt. Seine Karriere als Schauspieler startete übrigens bereits 1964, mit der Rolle des einarmigen Schwertkämpfers/Boxers schuf er sich ein geregeltes Auskommen, das ihm 1971 u.a. auch zu einem Crossover-Auftritt in der japanischen Zatoichi-Serie verschaffte. Nach dem Aufstieg von Jackie Chan flachte Wangs Karriere ab und konnte auch durch den ein oder anderen Gefälligkeitsjob seines Kumpels (so auch in dem unsäglichen Island on Fire, in dem auch Sammo Hung mitwirkte) keine großen Erfolge mehr feierten. Zuletzt wurde Wang Yu insofern auffällig, als Steve Odekerk für seinen Kung-fu-Spoof Kung-Pow: Enter the Fist Wang Yus Regiewerk Savage Killers verwurstete.

Die Co-Stars sind eher unbeschriebene Blätter und zählen zumeist zur Stock Company, aus der Wang Yu fast alle seine Filme besetzte. Kang Kam (Fung Sheng) sah man 1976 im Bruceploiter Exit the Dragon, Enter the Tiger, Chia Yung Liu (der Yogi) wirkte u.a. auch im „echten“ Game of Death, Eight Diagram Pole Fighter und in kleinen Rollen in vielen erfolgreichen HK-Filmen wie Twin Dragons, My Lucky Stars oder Just Heroes mit. Fei Lung (Yakuma), der seinem Charakter etwas sehr Clint-Eastwood-mäßiges gibt (was von Wang Yu mit einigen sehr schönen Einstellungen unterstrichen wird), gab sich auch im jünst besprochenen Goodbye Bruce Lee die Ehre (dito in zahlreichen anderen Bruceploitern).

Die US-DVD kommt freundlicherweise mit dem Regionalcode 0 von Pathfinder Pictures und stellt die erste international erhältliche vollständige Fassung des Films dar (alle bisher bekannten Export-Versionen tickten irgendwo zwischen 75 und 81 Minuten ein), wobei neben Handlung auch die ein oder andere dramaturgisch für unwichtig erachtete Kampfstrecke auf der Strecke geblieben war und nun in ihrer vollen Glorie wiederhergestellt wurden. Der (nicht anamorphe) Widescreen-Print (etwa 2.35:1) ist dabei wohl das beste, was man unter den Umständen Low-Budget-Film/beinahe vergessen/mühselig zusammengesammelt erwarten kann. Prinzipiell ist das Bild recht scharf und brauchbar, aber oft von Laufstreifen und argen Flimmereien getrübt, besonders das Filmmern tendiert manchmal dazu, etwas auf die Nerven zu gehen. Abgesehen von den erwähnten Laufstreifen ist das Bild aber recht verschmutzungsfrei, wenngleich die Farben für meinen Geschmack deutlich kräftiger sein könnten, es wirkt alles ein wenig blass.

In Punkto Ton kann man sich den Film auf Mandarin (der Film wurde vermutlich auf Mandarin und nicht auf Kantonesisch gedreht) oder in der – nicht vollständig synchronisierten – englischen Fassung ansehen, Untertitel werden auf Englisch und Spanisch mitgeliefert.

An Extras hat man aufgetrieben, was man wohl auftreiben konnte – drei Trailer (den Original-Export-Trailer, den US-Trailer von 1977 und den restaurierten Trailer zum US-Kinostart der vollständigen Fassung 2002), ausführliche Biographien für Jimmy Wang Yu und Kampfchoreograph Lau Kar Leung, eine Fotogalerie und, sehr wichtig, da sehr informativ und durchaus unterhaltsam, ein Audiokommentar der Filmkritiker Wade Major und Andy Klein, die ersichtlich Fans des Genres sind, selten wirklich szenenbezogen kommentieren, dafür aber viele, wirklich informative Abschweifungen zur Karriere von Wang Yu, Jackie Chan, Bruce Lee, dem Einfluss des HK-Kinos auf Hollywood etc. bieten und nie langweilen (ein Audiokommentar, in dem ein seriöser Filmkritiker Albert Pyun – und das nicht negativ – erwähnt, ist ein Audiokommentar, den ich heiligspreche). Die Scheibe wird bei amazon.com recht günstig gelistet, weswegen ich ausnahmsweise mal wieder einen US-Shopping-Link antackere (may my bank account be happy).

Das Wort zum Freitag: Master of the Flying Guillotine ist ein wirklich mitreißender Eastern – bestimmt nicht anspruchsvoll und nichts für die Klientel, die die tänzerische Poesie von King Hu schätzen, aber bestimmt was für alle Freunde des Shaw-Brothers-Kintopps. Die Kämpfe sind zahl- und aktionsreich und auch sehenswert (wenngleich eben für diejenigen, die mit Matrix groß geworden sind, vielleicht etwas altmodisch), das Tempo hoch. Auch der Gewaltpegel stimmt dank einiger herzhafter Effekte und erfrischend, den Helden mal all die fiesen Dinge tun zu sehen, die normalerweise den Bösen vorbehalten sind, ist es allemal. Und dass die Flying Guillotine zwar die vermutlich idiotischte, dafür aber coolste Waffe der Filmgeschichte ist, versteht sich von selbst. Kurz gesagt: das ist ein Film, der Eastern-Fans einfach Spaß machen muss – hier rockt das Haus. Gimme more!

(c) 2005 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 8


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