Dressage

 
  • Deutscher Titel: Dressage
  • Original-Titel: Dressage
  •  
  • Regie: Pierre B. Reinhard
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1986
  • Darsteller:

    Veronique Catanzaro (Nathalie), Patrick Guillemin (Baron Plessis du Regard), Henri-Jacques Huet (M. Leroy-Murville), André Nader (Col. Montvilliers), Sylvie Novak (Sophie), Cornelia Wilms (Eliane), Pierre Doris (Valet), Marc Henry, Katya Strambi, Carole Grove


Vorwort

Frankreich, Ende der 1920er/Anfang der 1930er. Während der gemeine Plebs unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise schmachtet, geht die gelackte Oberschicht ihren dekadenten Vergnügungen nach. Ganz oben in Punkto Dekadenz steht Baron Plessis du Regard, von Frauen umschwämter Perversling. Als ihm bei einer seiner Parties die junge Nathalie von ihrem Vorhaben berichtet, sich an ihrem (unehelichen) Vater, einem reichen Pinsel namens Leroy-Morville zu rächen, indem sie sich als Hauslehrerin an seine süße 17-jährige Tochter Sophie heranmacht, kommt ihm eine Idee. Er selbst will den reaktionären Politiker Montvillers, den einflussreiche Kreise ins Parlament boxen wollen, gesellschaftlich vernichten. Der Hauslehrerinnen-Plan kommt ihm geeignet vor – nach einem Impromptu-Wettbewerb um die Position der „perversten Frau“ auf der Party fällt seine Wahl auf Illiane, die sich um Montvillers Sohn Robert „kümmern“ soll. Und als besonderen Gag verspricht der Baron, diejenige, die ihren Job schneller erledigt, zu ehelichen. Was tut man nicht alles für den Titel der Baronesse…

Die beiden Frauen machen sich munter ans Werk. Montvillers ist ein alter Kommisskopp, der Frankreich great again machen will, und persönlich enttäuscht ist, dass sein Sohn ein Nerd ist, der von Krieg eher nicht so viel hält, und den er gern mit englischer Disziplin auf Spur gebracht sähe. Ilaine stilisiert sich für Robert freimütig als Sexobjekt und gibt ihm gleichzeitig zu verstehen, für ihn völlig unerreichbar zu sein und macht ihn so ihr hörig, dieweil sie für den Herrn Papa die Scharade spielt, unter Einfluss geringer Mengen Alkohol völlig die Beherrschung zu verlieren. Montvillers hält sie für vertrauenswürdig und zieht sie in eine Verschwörung – er und seine Mitstreiter wollen einen Bombenanschlag aufs Parlament verüben und Ilaine soll ihn ausführen…

Indes macht sich Nathalie ans Werk, aus der süßen Sophie eine perverse Sexbombe zu basteln. Ihre gesamte autoritär durchgezogene „Erziehung“ basiert darauf, dass Sophie ihren Körper erkunden und jegliches Schamgefühl verlieren soll. Gleichzeitig entwickelt ihr Vater, Leroy-Morville, wie von Nathalie vorausgesehen, sexuelle Gefühle für sie, die sich fördert und ihm vormacht, sie wäre Fetischistin, die Sex nur unter Verwendung gewisser… Hilfsmittel betreiben würde. Dies dient nichts anderem, als Leroy-Morville in einer blindfolded-Bondage-Session Sophie zuzuführen…


Inhalt

Die Franzosen ticken gemeinhin in Sachen (Softcore-)Pornographie etwas anders als wir Teutonen. Wo bei uns in der Lederhose gejodelt wird, bis der Enzian lacht, behaupten die französischen Sexfilmer gerne, ihre Werke hätten künstlerischen Anspruch. Darüber kann man sicherlich streiten, aber dass der typische französische Softcore-Schinken ’ne Ecke sorgfältiger gearbeitet ist als deutscher Schmuddel, darauf kann man sich, glaube ich, einigen.

„Dresssage“ stammt aus der Werkstatt des Hard- und Softcorefilmers Pierre B. Reinhard, der einem, hihi, größeren Publikum als Regisseur des aus unerfindlichen Gründen semi-kultisch verehrten unsäglichen Zombie-Schlonzers „Die Rückkehr der lebenden Toten“ bekannt sein könnte. Für „Dressage“ nahm sich Reinhard sozusagen eine Dekonstruktion der überheblich-dekadenten Großbourgeoise mit all ihren Abgründen und Heucheleien vor und lässt seine zwei Protagonistinnen nach Herzenslust ihre „Gastfamilien“ manipulieren. Wie einfach Nathalie und Iliane ihre Opfer becircen und dazu bringen, sich selbst in vernichtende Skandale zu verwickeln, mag heute naiv erscheinen, passt aber in den blinden Autoritätsglauben und die strenge Familiendisziplin, die in der geschilderten Epoche in den portraitierten Kreisen üblich war und die das Hinterfragen tatsächlciher oder vermeintlicher Autorität undenkbar erscheinen ließ (so werden Nathalie unerwarterweise ein paar Nichten einer Freundin Leroy-Morvilles als Schützlinge für einen Nachmittag zugeteilt. Es dauert keine fünf Minuten, da hat Nathalie sie sich ausziehen lassen und dazu gebracht, Aktgemälde nachzustellen). Gepaart mit Standesdünkeln und der Hybris, Männer ihrer gehobenen Position wären per se unfehlbar, führt dies zu einer explosiven Mischung, die Montvillers und Leroy-Morville zum Verhängnis wird (wobei der fiese Baron dafür sorgt, dass Nathalie und Iliane nicht als simple Gewinner aus der Nummer herausspazieren).

Das zentrale erotische Element, das Reinhard dafür benutzt, ist Voyeurismus. „Dressage“ ist für einen nominellen Sexfilm (der sich aber durchaus auch als biestige Gesellschaftskomödie versteht – inwieweit er da erfolgreich ist, ist zweifelhaft, aber es sollte erwähnt sein, dass der Streifen sich nicht hundertprozentig ernst nimmt) ausgesprochen arm an Sex. Nicht an nackten Körpern, fraglos, aber wer aufeinanderrutschende Körper beim simulierten Geschlechtsverkehr beobachten will, ist hier falsch. „Beobachten“, „ansehen“, „erfühlen“, das sind die Stichworte, auf die Reinhard abzielt. Das Thema weiblicher Dominanz zieht sich ebenfalls als roter Faden durch den Film, wobei die auf den meisten Coverartworks herausgestellten Bondage-Elemente nicht der Rede wert sind – Reinhard interessiert mehr die psychologische Seite von Dominanz und Unterwerfung, ohne dass „Dressage“ in dieser Hinsicht wirklich tiefgründig werden könnte (nach wie vor steht die Aussage, sich „Secretary“ anzusehen, wenn man wirklich etwas über Dom-/Sub-Beziehungen lernen will).

„Dressage“ sieht teurer aus als er sicherlich war – Location-Drehs sorgen für gewisse production values, die Kostüme sind ausgezeichnet. Reinhard hält den Film in einem betont langsamen, fast lyrischen Tempo.

Große Teile des Ensembles wurden von Reinhard auch in „Die Rückkehr der lebenden Toten“ beschäftigt – Veronique Catanzaro (Nathalie), Cornelia Wilms (Iliane), Sylvie Novak (Sophie) und Patrick Guillemin (Baron Plessis) fanden sich ein Jahr später in der Untoten-Mär wieder. Catanzaro und Wilms sind ausgesprochen gutaussehende Frauen und Novak ist als verdorbene Unschuld ebenfalls ein Hingucker. Schauspielerisch die größte Nummer im Cast ist wohl Henri-Jacques Huet, der 1960 neben Belmondo in „Außer Atem“ spielte und in Godards etwas später entstandenem „Der kleine Soldat“ sogar eine Hauptrolle spielte. Seine weitere Karriere war nicht sonderlich distinguiert, aber zumindest war er stets gut beschäftigt. „Dressage“ ist sicherlich kein großes Schauspielerkino, aber seinen Leroy-Morville bekommt er ganz gut hin. Auch Andre Nader (Montvillers) hatte berühmte Filmpartner – Louis de Funes und Pierre Richard, z.B., doch seine Rollen waren meist sehr klein. Sein Montvillers ist ein angemessenes Ekelpaket. Ganz akzeptabel ist Marc Henry („Operation Corned Beef“) als Robert.

Die DVD von X-Rated bringt den Film in deutschem, englischen und französischen Ton sowie in anamorphen 1.77:1-Widescreen. Die Qualität des Prints ist leider recht bescheiden und verrauscht.

Fazit: ein nicht uninteressanter Softsexer, der etwas über die Befindlichkeiten des großkotzigen Großbürgertums auszusagen glaubt (eine seriöse Feuilleton-Besprechung müsste wahrscheinlich mit den Worten „1933 kommt Hitler an die Macht.“ enden), aber vielleicht etwas zu zurückhaltend ist, sowohl in seiner Inszenierung der Erotik an und für sich als auch in der Schilderung der „Dekadenz“. Wer sich für die Themen Voyeurismus und Dominanz interessiert, kann mal reinschauen.

2,5/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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