- Deutscher Titel: Dracula braucht frisches Blut
- Original-Titel: The Satanic Rites of Dracula
- Alternative Titel: Count Dracula and His Vampire Bride | Rites of Dracula | Dracula is Alive and Well and Living in London | Dracula is Dead... and Well and Living in London |
- Regie: Alan Gibson
- Land: Großbritannien
- Jahr: 1973
- Darsteller:
Christopher Lee (Graf Dracula), Peter Cushing (Prof. Lorrimer van Helsing), Michael Coles (Inspektor Murray), William Franklyn (Torrence), Freddie Jones (Prof. Julian Keeley), Joanna Lumley (Jessica van Helsing), Richard Vernon (Colonel Matthews), Barbara Yu Ling (Chin Yang), Patrick Barr (Lord Carradine), Lockwood West (General Freeborne), Valerie Van Ost (Jane), Maurice O’Connell (Hanson)
Vorwort
Routinemäßige Prüfungen des Inlandsgeheimdienstes ergeben, dass eine Gruppe hoher Tiere regelmäßig eine abgelegene Villa, angeblich eine psychologische Forschungsstätte, aufsucht. Grund genug, dort einen Mann einzuschleusen – der kommt aber halbtot geschlagen wieder zurück und kann nur noch wirr über schwarze Messen, Menschenopfer und ähnliche Schelmereien berichten, ehe er dahinscheidet. Ein Problem für die Geheimdienstler – ihr oberster Chef, der Sicherheitsminister, ist einer der regelmäßigen Besucher dort (neben einem Nobelpreis-gewürdigten Bakteriologen, einem hohen Militär und einem der reichsten Grundbesitzer Londons), was eine offizielle Ermittlung unmöglich macht. Also wird Scotland Yard-Inspektor Murray hinzugezogen, der wiederum vorschlägt, aufgrund der okkulten Verbindungen den Experten Professor van Helsing hinzuziehen. Der ist auch schnell davon überzeugt, dass hier etwas im Busch ist und sucht den Nobelpreisträger, Professor Keeley, einen alten Bekannten, auf, um ihm unauffällig auf den Zahn zu fühlen. Keeley ist allerdings vollkommen hysterisch und drängt van Helsing auf, dass er unter Zeitdruck einen neuen, hochansteckenden und überaus wirksamen Pest-Strang entwickelt habe; bevor Keeley allerdings ausreden kann, wird van Helsing niedergeschossen – als er wieder zu sich kommt, baumelt Keeley in einer hübschen Schlinge.
Murray, Geheimdienstler Torrence und van-Helsing-Enkelin Jessica untersuchen dieweil die Villa und stellen fest, dass in den dortigen Gewölben allerhand hübsche, darob aber nicht minder beißwütige Vampirmädchen hausen und ihnen an die Gurgel wollen. Die Flucht gelingt mit Müh und Not. Van Helsing zählt 2+2 zusammen – Graf Dracula, den er vor zwei Jahren besiegt zu haben glaubte, ist wieder da und alles deutet darauf hin, dass er in der Maske des reklusiven Multimillionärs und Industriekapitäns D.D. Denham nichts minderes als die Apokalypse loszubrechen gedenkt…
Inhalt
Nachdem Dracula jagt Mini-Mädchen, mal rein vom, ähm, künstlerischen Aspekt her ein völliger Schuss in den Ofen war (allerdings wenigstens ein leidlich unterhaltsamer), war der deutsche Titel des nächsten Hammer-Vampirkloppers Programm: „Dracula braucht frisches Blut“. Dass sich der olle Blutsauger mitsamt seinem gothischen Schauersetting nicht problemlos ins 20. Jahrhundert übertragen ließ, hatte das Studio mit dem Vorgängerfilm schmerzlich erfahren müssen – und sicherlich half auch nicht, dass Drehbuchautor Don Houghton und Regisseur Alan Gibson verweifelt krampfhafte Bezüge zwischen Hippie-Drogen-Jugendkultur und dem Vampirismus herzustellen versuchten (und abgsehen davon ein ziemlich dämliches Script verfilmten).
Für das nächste Instalment der Serie, das letzte, zu dem sich Christopher Lee noch mal breitschlagen ließ (der letzte offizielle Hammer-Dracula, „Die Sieben Goldenen Vampire“, musste dann ohne seinen signature star auskommen), musste man also, sofern man, und das war die erklärte Absicht, so etwas ähnliches wie Kontinuität wahren und die Reihe damit in der relativen Gegenwart halten wollte (weil plüschigen viktorianischen Horror in einer Zeit, die nun schon einmal „Night of the Living Dead“ kannte, nun wirklich niemand mehr sehen wollte), einiges an Ballast über Bord werfen, und, obwohl „The Satanic Rites of Dracula“ der meines Erachtens nach erste Eintrag in der Serienchronologie ist, der *tatsächlich* auf den direkten Vorgänger Bezug nimmt, das war nicht nur eine gute Entscheidung, sondern sogar eine, die vom gleichen Kreativteam (Houghton als Autor, Gibson als Regisseur) passabel gelöst wurde.
Im erkennbaren Willen, alle alten Zöpfe, die den Hammer-„Dracula“ in den 50ern und 60ern ausgezeichnet hatten, ihn aber nunmehr in der „neuen Welt“ behinderten, radikal abzuschneiden, änderten Gibson und Hougthon alles – Setting, Struktur, Stil und Ton des Films nehmen eine 180-Grad-Wendung von dem, was man von Hammer bislang gewohnt war.
Setting – „The Satanic Rites of Dracula“ hat nichts Gothisches, wie es in „Dracula jagt Mini-Mädchen“ noch mühselig durch die entweihte Kirche als Dracs neuem Hauptquartier eingebaut werden musste, mehr an sich. Abgesehen von ein paar Minuten in den (trotzdem aber modern „eingerichteten“) Gewölben der Villa erinnert hier nichts mehr an alte Schlösser, spinnwebenverhangene Torbögen oder ähnliche Mittelalter-Atmosphäre ausstrahlende Kulissen. Was im direkten Vorgänger noch „heavy-handed“ wirkte, ist jetzt wirklich eingetreten – Dracula ist im 20. Jahrhundert angekommen und nutzt die Möglichkeiten, die ihm dieses Zeitalter bietet, ohne Einschränkungen.
Struktur – Ein Manko des Vorgängerfilms war es, dass die Antagonisten ungefähr 75 % des Films damit zubrachten, Dracula überhaupt erst wieder zu reanimieren, was nicht nur naturgemäß die Screentime des größten Stars arg limitierte, sondern auch eben die ganze Filmdramaturgie behinderte. Bis Dracula „aktiv“ ist, wird sich, mal grob runtergerechnet, sicherlich nichts Weltbewegendes tun, konnten wir uns sicher sein. In „Satanic Rites of Dracula“ ist der alte Beißer nicht nur von Anfang an aktiv (auch wenn Lee sich wieder erst nach 32 Minuten zu einer ersten Appearance überreden lässt), sondern hat längst sein Imperium aufgebaut, haust nicht in einem finsteren Keller, sondern im Penthouse eines modernen Bürotowers, schaltet und waltet nach Belieben und hat sich Einfluß bis in die höchsten elitären Machtzirkel verschafft; was bedeutet, dass er seine Gegner nicht nur durch’s bloße Anknabbern, sondern auch *politisch* ausschalten kann (die Geheimdienstabteilung, der Torrence und sein Vorgesetzter Matthews angehören, wird schlicht geschlossen) oder sich gedungener Killer bedienen kann, die seine Feinde auf Verlangen bodenständig durch eine Gewehrkugel zwischen die Augen ausknipsen.
Stil – Angesichts dieser Voraussetzungen kann ein Film als bloße „Schauergeschichte“ nicht mehr funktionieren, was Gibson und Houghton bewusst war. Statt dessen präsentiert sich „Satanic Rites of Dracula“ über weite Strecken als eine Art „police procedural“, ein Polizei-/Detektivfilm, in dem (informelle) Verhöre durchgeführt, Hinweise ausgewertet, Hausdurchsuchungen vorgenommen werden. Dazu passt, dass erklärende exposition gerne, wie’s heute z.B. hochmoderne Krimiserien wie „CSI“, „Monk“ oder „Psych“ tun, durch „Filmeinspielungen“ plastisch dargestellt wird.
Gibson und Haughton ändern auch anderweitig komplett den Ton – „Dracula jagt Mini-Mädchen“ tastete sich voooorsichtig an die neuen Möglichkeiten der 70er, was Erotik- und Gewaltdarstellungen im Kino angeht, heran, traute sich letztlich aber selbst nicht über den Weg und blieb daher lieber zwei Schritte zu weit hinten als einen Schritt zu weit vorne stehen. „Satanic Rites of Dracula“ hat nun die Chuzpe, Sachen zu bringen, die Hammer noch einen Sommer früher nicht wagte. Nackte Tatsachen in Form unbedeckter Frauenbrüste gibt’s schon nach gut zwei Minuten, die werden dann auch ausführlich in Szene gesetzt, und etwas später sind die Hammer-Jungs tatsächlich mutig genug, einen Holzpflock in eine nackte Frauenbrust zu jagen. Nudity & Gore in einem – das war man dann doch zeitgenössisch eher von den Spaniern oder Italiener gewohnt. Mit „Satanic Rites“ kommt Dracula nicht nur vom Setting, sondern auch von der gewissen „mean spiritedness“ in der Gegenwart an.
Das alles mag Puristen des ebenso altmodischen wie altbackenen Vampirgrusels ein Greuel sein, aber dieser endgültige Bruch mit langgehegten und künstlich konservierten Traditionen war faktisch genau der Tritt in den Hintern, den das Franchise brauchte – blöderweise kam er aber mindestens zwei-drei Jahre zu spät, um das Publikum noch einmal in hellen Scharen in die Lichtspieltheater zu lotsen. Auch wenn diese Frischzellenkur nicht mehr zu Hammers Rettung führen sollte, die Idee war die richtige, aber es war, wie sagt man so schön „too little, too late“ – ein Jahr später brachte Tobe Hooper „The Texas Chainsaw Massacre“ in die Kinos und auch wenn der „neue“ Dracula boshafter und gemeiner war als die Vorgänger, für den distinguierten Blutsauger war in einer Welt, in der kettensägenschwingende Psychopathen die Leinwände eroberten, kein Platz mehr.
Trotz aller guten Rahmenbedingungen hat das Script dennoch seine Schwächen – dass wir nie erfahren, *wer* Dracula wieder unter die Lebenden geholt hat, ist bei aller lobenswerten Abkehr von der alten Formel ein Manko, die ganze Litanei von Vampirtötungsmethoden, die van Helsing aufzählen darf, ist mittlerweile so umfangreich geworden, dass man sich fragen muss, wie ein unschuldiger Blutsauger, der nur unbehelligt durch’s Leben ziehen und in Hälse beißen will, überhaupt noch unfallfrei aus seinem Sarg kommt, wieso Vampire Särge in ein Gewölbe stellen sollten, das mit einer Sprinkleranlage versehen ist (wo wir doch von Professor van Helsing wissen, dass die „Reinheit“ fließenden Wassers für die Fangzahnfletscher ungesund ist), ist ein ziemlich übles (aber von den Helden schamlos ausgenutztes) Plothole, und im Finale – SPOILERWARNUNG – kommen unserem eigentlich nach allen Regeln der Kunst besiegten van Helsing sämtliche Schicksalsgötter des Zufalls zu Hilfe und leisten Überstunden… nicht nur, dass genau über dem Raum, in dem Dracula vor van Helsings Augen dessen Enkelin vampirisieren will, Murray solange mit einem von Dracs Helferlein balgt, bis ein Kurzschluss die ganze Hütte in Brand setzt, nein, auf der Flucht vor dem Vampir läuft van Helsing auch noch *rein zufällig* an einem Dornbusch vorbei (und, so ein Glück, van Helsing hat kurz davor etabliert, dass auch *DER* Vampiren weh tut, wg. Christi Dornenkrone, natürlich), in dem sich Dracula verfangen kann, und *gleich nebenan* ein Bretterzaun steht, aus dem vH einen Pflock improvisieren kann (da stört dann schon nicht mehr, dass van Helsing eine vorher umständlich von ihm eigenfüßig eingeschmolzene Silberkugel gar nicht erst einsetzt). (SPOILERENDE)
Gute Ideen gibt’s aber auch – der Gedanke, Draculas apokalyptische Vision zu einer Art elaboraten Selbstmordversuch zu stilisieren (schließlich ist eine entvölkerte Erde auch für einen Untoten nur von eingeschränktem Unterhaltungswert), gefällt, ebenso wie die Tatsache, dass die elitären Machtzirkel, deren Dracula sich bedient, auch nur von ihm über den Tisch gezogen werden, oder der Gedanke, dass Torrence und sein Chef diesen Zirkel zunächst, angesichts seiner Zusammensetzung verständlich, für einen Spionagering halten. Ich bin nicht ganz so firm in der internen Chronologie der Reihe und des Vampirfilms an sich, aber mir gefiel auch der ausdrücklich gemachte Punkt, dass Vampire nicht nur, wie gewöhnlich in Spiegeln, sondern auch auf Fotos und Filmen (wie in „Überwachungskameras“) nicht zu sehen sind.
Dank des völligen Verzichts auf die altbekannte Formelhaftigkeit speziell des Hammer-Vampirfilms entwickelt sich eine ungewohnte „anything goes“-Atmosphäre, in der auch Motorrad-Verfolgungsjagden, Scharfschützen, die auf unsere Helden anlegen, und ähnliche Gimmicks ihren Platz finden können, was dafür sorgt, dass trotz einer dialoglastiger Passagen das Tempo des Streifens überraschend – für die sonst doch eher betulichen Gruselstücke des Studios – hochgehalten wird. Gibson beweist hier gutes „Rhythmusgefühl“ und hat mit Brian Probyn auch einen guten Kameramann zur Verfügung, der, wenn man so will, auch noch relativ genre-unbelastet amtieren konnte (er hatte zuvor den Robert-Redford-Sportfilm „Downhill Racer“, den Actionfilm „The Revolutionary“ und mit „Straight on Till Morning“ nur einen Hammer-Psychothriller fotografiert, später war er noch für den Abgesang auf die Hammer-Frankenstein-Filme „Frankenstein and the Monster from Hell“ und die Hammer/Shaw Brothers-Koproduktion „Shatter“ zuständig) und nicht an den üblichen optischen Gepflogenheiten klebt. Dazu gesellt sich moderne, teilweise futuristische (heute also retro-spacig wirkende) Ausstattung – insgesamt ein Garant dafür, dass „Satanic Rites of Dracula“ auch visuell nicht mit einem „typischen“ Hammer-Plüschgrusler verwechselt werden kann. Die zurückhaltend eingesetzte Musik von John Cacavas („Horror Express“, „Airport ’77“, „Kojak“) tut das ihre dazu, dass der Film auch von der Tonspur her nicht überfrachtet wirkt.
Wie bereits angedeutet fährt Gibson den Sleaze-Anteil deutlich hoch – in den schwarzen Messen sind die ausgesuchten Opfer nun auch mal wirklich splitternackt (natürlich nicht Jessica van Helsing, die ist ja ’ne Gute), es wird, wie gesagt, in nackte Brüste gepfählt und das Gewölbe, in dem Dracula seine Vampirgirls teilweise an den Wänden angekettet aufbewahrt, dürfte ja fast schon einen Eintrag in Bertuccis Frauenfolterfilmlexikon wert sein… (da will ich dann auch gnädig drüber hinwegsehen, dass – SPOILER – da, wo van Helsing im Finale hinpfählt, wohl eher Draculas Milz sein dürfte – SPOILERENDE). Sogar den Versuch sudeliger Pest-Make-up-Effekte dürfen wir bewundern. Auch Terrences recht graphischer Abgang durch Gewehrfeuer ist nicht von schlechten Eltern.
Auf Darstellerseite ist Christopher Lee meines Erachtens anzumerken, dass er auf die Fangzahnrolle nicht mehr wirklich großen Bock hatte. Seine Screentime ist, wie schon üblich, limitiert, aber er hat doch einiges an Dialogen, Motivation sieht für mich jedoch anders aus – in manchen Szenen neigt er sogar ein wenig zum Chargieren. Peter Cushing hingegen agiert gewohnt souverän und ernsthaft (sein van Helsing ist aber auch zum Glück nicht mehr so dämlich geschrieben wie im Vorgänger), liefert die zu erwartende Qualität.
Michael Coles, der seine Rolle aus dem Vorgängerfilm aufgreift (und deutlich erweitern darf) ist mit viel Enthusiasmus bei der Sache. Auch der bewährte Veteran William Franklyn („Quatermass II“, „Cul-de-sac“) als Torrence überzeugt, Freddie Jones („Marat/Sade“, „Krull“, „Son of Dracula“, „18 Stunden bis zur Ewigkeit“, „Dune“, „Erik der Wikinger“, „Die unendliche Geschichte 3“) darf als völlig aufgelöster Professor Keeley nach Herzenslust übertreiben, Joanna Lumley („Im Geheimdienst ihrer Majestät“, „New Avengers“, „Absolutely Fabulous“), die für die verhinderte Stephanie Beachham einsprang, ist sowohl optisch als auch darstellerisch adäquater Ersatz. Als unglücklichen Geheimdienstabteilungsleiter Matthews begrüßen wir Richard Vernon (Slartibartfast im TV-„Anhalter“, „Das Grab der Ligeia“).
Bildqualität: Mir liegt – einmal mehr – „nur“ die Billigheimervariante von Mill Creek Entertainemnt aus der „Drive-In Movie Classics“-Box vor. Prinzipiell ist das einer der besseren Prints, den der Public-Domain-Krams-Verscherbler hier aufgetan hat. Das Widescreen-(4:3-Letterbox)-Ratio scheint mit dem intendierten 1.85:1-Scope ganz gut hinzuhauen, Schärfe (speziell Tiefenschärfe) und Kontrast sind für eine derartige No-Price-Veröffentlichung erstaunlich gut, dafür allerdings plagt sich der Print mit zahllosen Verschmutzungen, Laufstreifen und Bilddefekten. Noch ansehbar, aber insgesamt doch ein eher, eh, gemustertes Seherlebnis.
Tonqualität: Der englische Mono-Ton ist ganz gut verständlich, bringt aber ein deutlich vernehmbares, aber noch nicht offensiv störendes Grundrauschen mit. Musik und Soundeffekte sind auf der eher blechernen Seite.
Extras: Nischewo.
Fazit: Mit „The Satanic Rites of Dracula“ nahm Hammer *endlich* die Kurskorrektur vor, die eigentlich schon mit „Dracula 1972 A.D.“ (aka „Dracula jagt Mini-Mädchen“) fällig gewesen wäre; anstatt schon dutzendfach durchgezogene Genre-Formeln noch mal, nur halt in der Gegenwart, durchzukauen, setzte das Studio alles daran, sein größtes Franchise amtlich zu entrümpeln und für eine völlig neue Kinogänger-Generation interessant zu machen. Dumm nur, dass Hammer sich damit vorhersehbar zwischen die Stühle setzte – es war einfach zu spät, die zitierte neue Generation wollte von den Helden bzw. Monstern ihrer Väter nichts mehr wissen und wandte sich den ent-mythifizierten Psychokillern, die keine Ausreden mehr brauchten, um ihre Untaten zu zelebrieren, zu; denjenigen, die von Hammer nichts anderes erwarteten als den leicht angestaubten Plüschgrusel, musste „Satanic Rites“ zu direkt, zu fies, zu sleazig sein.
In der Rückschau macht dieser totale Kurswechsel den Streifen aber enorm interessant, es ist ein völlig anderer Ansatz für Old Dracula, der seiner Zeit – mit seiner angedeuteten Eliten- und Kapitalismuskritik – ironischerweise vielleicht sogar ein wenig voraus war. Hätte man diesen Schritt bereits mit dem direkten Vorgänger gewagt, anstatt dort nur die altbekannte Methodik in die Gegenwart zu verpflanzen und mit unverstandener Jugendkultur zu garnieren, vielleicht hätte die Serie noch ein paar Chancen mehr erhalten (auch wenn Christopher Lee, wie er nie müde wurde zu betonen, so ziemlich jeden Dracula-Film nach dem ersten für Müll hielt und erkennbar nur noch wegen des Gagenschecks dabei war) und sich, zum Wohle des Studios, erfolgreich in die Neuzeit des Horrorfilms retten können. Das Umdenken bei den Produzenten kam aber sowohl für die Reihe im Speziellen als auch Hammer im Allgemeinen zu spät – bald schon gingen dort die Lichter aus. „The Satanic Rites of Dracula“ ist aber trotz seines eher ernüchternden Vermächtnisses und leichter Script-Schwächen vor allem eines – ein überraschend flotter, modern inszenierter, richtig guter Film!
4/5
(c) 2009 Dr. Acula
Review verfasst am: 04.05.2009