Drachenwelt

 
  • Deutscher Titel: Drachenwelt
  • Original-Titel: Dragonworld
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  • Regie: Ted Nicolaou
  • Land: USA/Rumänien
  • Jahr: 1994
  • Darsteller:

    Alastair Mackenzie (John McGowan), Brittney Powell (Beth Armstrong), John Calvin (Bob Armstrong), Lila Kaye (Mrs. Cosgrove), John Woodvine (MacIntyre), Jim Dunk (Brownie), Andrew Keir (Angus McGowan), Courtland Mead (John als Kind)


Vorwort

Johnny McGowan, nach einem Autounfall seiner Eltern frischgebackenes Waisenkind, trifft bei seinem alten Opa Angus McGowan in Schottland ein. Angus residiert eher einsiedlerisch auf der alten Familienburg und herrscht über eine Herde Schafe und, more or less, seine Haushälterin Mrs. Cosgrove. Obwohl Angus von Johnny verlangt, die Schafe zu hüten (und nicht etwa zur Schule zu gehen), kommen sich Großvater und Enkel über gemeinsames Dudelsackspielen und ähnliche traditionelle schottische Marotten näher. Eines schönen Tages entdeckt Johnny beim Schafehüten einen Babydrachen. Wider Erwarten nimmt Angus diese Nachricht eher gelassen auf und erlaubt dem Enkel, den „Yowler“ getauchten Drachen zu adoptieren…

Viele Jahre später. Mittlerweile ist John der Schlossherr (Mrs. Cosgrove, die um keinen Tag gealtert ist, halte ich inzwischen für einen Vampir) und hat die Lebensweise seines Oheims praktisch 1:1 übernommen. Dazu gehört eher unvernünftigerweise auch die konsequente Weigerung, lästigen offizielle Ansinnen wie der Forderung von Steuerzahlungen nachzukommen. Schottische Behörden sind offensichtlich ziemlich geduldig, aber jetzt langt’s dem Finanzamt – wenn John nicht bald die Steuern austütet, wird die Regierung seine Ländereien schlicht und ergreifend beschlagnahmen.

Während John noch grübelt, wie man aus der Bredouille wieder rauskommt, ohne sich Facepaint aufzulegen und „BRAVEHEART!!!“ brüllend mit der Streitaxt gen Finanzamt zu ziehen, tummelt sich auf seinem Besitz ein Dokumentarfilmteam und stolpert, wie sich das gehört, über den mittlerweile recht groß gewordenen Yowler. Filmemacher Bob Armstrong sieht gleich nur noch Pfund-Zeichen und geht mit seinen Beweisaufnahmen beim reichen Geschäftsmann Macintyre hausieren. Armstrong hofft eigentlich nur auf die Finanzierung eines Drachen-zentrierten Filmes, aber Macintyre denkt deutlich weiter – ein Vergnügungspark mit Hauptattraktion leibhaftiger Drachen, das sollte praktisch die Lizenz zum Geldscheffeln sein!

Immerhin – für einen Evil Capitalist ist Macintyre verhältnismäßig zurechnungsfähig – er lässt den Drachen nicht einfach kidnappen, sondern wird bei John vorstellig. Der könnte sich doch sicherlich, angesichts des aktuellen Liquiditätsengpasses, vorstellen, Yowler gegen Entgelt an Macintyre zu verleihen? Und wenn schierer Mammon John nicht weichkocht, dann denke er doch an die Kinder! Haben die nicht ein Recht darauf, den Drachen zu sehen? Nicht zuletzt aufgrund des guten Zuredens von Armstrongs Tochter Beth, zu der sich der Highlander durchaus hingezogen fühlt, willigt John ein, Yowler für einen Monat in die volle Obhut und Verantwortlichkeit Macintyres zu geben.

John fühlt sich bei der Sache äußerst unwohl und obwohl die Eröffnung des mittelalterlichen „Drachenwelt“-Themeparks ein voller finanzieller Erfolg ist, merkt er rasch, dass auch Yowler sich in seinem neuen Umfeld alles andere als wohl fühlt – kein Wunder, wenn man mit Elektroschockern bearbeitet wird. John teilt Macintyre daher ultimativ mit, dass er den Vertrag nicht zu verlängern gedenkt, doch der böse Businessman lacht sich ins Fäustchen. John hat das Kleingedruckte nicht gelesen und das gewährt Macintyre eine einseitige Option auf unbefristete Verlängerung, die er selbstverständlich zu ziehen beabsichtigt.

Keine Frage – jetzt muss eine Befreiungsaktion her und in den Armstrongs, die von Macintyres Geschäftsgebaren ebenso schockiert sind wie John selbst, findet er willige Komplizen…


Inhalt

Es ist manchmal ein Kreuz, wenn man sich dem Werk eines Filmschaffenden mit einem gewissen Hang zur Komplettierung verschrieben hat. Und bei Charles Band ist das ganz besonders, eh, frohsinnsstiftend, hat der Herr doch nicht nur die für uns normalerweise interessante Genreware auf dem Kerbholz, sondern immer wieder Subunternehmen gestartet, die mit seinem Kerngeschäft nur am Rande zu tun haben, z.B. seine Softcore-Produktionen unter dem „Surrender Cinema“-Banner oder kindgerechte Familienunterhaltung unter dem „Moonbeam“-Label. Letzteres kann man aus finanzieller Sicht nachvollziehen, landete er doch mit „Prehysteria!“, einer Art „Jurassic Park“ für Preteens, zu Zeiten seiner Paramount-Vertriebskooperation einen veritablen Video-Hit, den er fortan zu replizieren hoffte.

Wie praktisch der komplette Full-Moon-Output der 90ern entstand „Dragonworld“ in Bands rumänischem Studio (Highlands oder rumänische Steppe, Hauptsache es ist grün) unter der bewährten Regie von Ted Nicolaou, Charlies zuverlässiger Allzweckwaffe, der noch einen ganzen Schwung Moonbeam-Filme (inklusive eines „Dragonworld“-Sequels) inszenieren sollte. Das Drehbuch verfasste Nicolaou gemeinsam mit Suzanne Glazer Naha und Michael McGann – da letzterer ausschließlich Moonbeam-Titel in seiner Vita stehen hat und aufgrund der Zusammenarbeit mit Suzanne Glazer Naha halte ich McGann mal entspannt für ein Pseudonym des bekannten SF- und SF-Sekundärliteraturschreiberlings Ed Naha, der zu Empire-Zeiten verschiedentlich für Band geschrieben hatte (u.a. „Troll“) und zu jener Zeit nominell bei Disney unter Vertrag stand, wo er am „Honey, I Shrunk the Kids“-Franchise arbeitete (gemeinsam mit den Empire-Kollegen Brian Yuzna und Stuart Gordon) und wohl deswegen nicht unter eigenem Namen kreditiert werden konnte.
Ich wär ja mal froh, wenn badmovie-Kater Pucki so knuddlig wäre…

Für Moonbeam-Verhältnisse ist „Dragonworld“ schon deshalb recht ungewöhnlich, weil die kindliche Identifikationsfigur (hier der junge Johnny) schon nach etwa 25 Minuten durch den 15-Jahres-Zeitsprung aus dem Spiel genommen wird und für den Rest des Films ausschließlich Erwachsene im Mittelpunkt stehen (was mir durchaus zupass kommt. Ich halte Kinderdarsteller meist für überfordert und sowieso den Gedanken, dass ein Film nur für Kinder interessant ist, wenn auch Kinder mitspielen, für einen der grundsätzlichen Irrtümer der Filmindustrie). Der Haken daran ist, dass halt auch Andrew Keir als Opa nach 25 Minuten aus dem Spiel ist, und dem hätte ich gern länger zugesehen. Man kann’s mir halt schlicht nicht recht machen.

Die Geschichte selbst ist nett – nicht weltbewegend, aber nett, und vor allen Dingen tatsächlich der altersmäßigen Zielgruppe gut angepaßt. „Dragonworld“ kommt ohne Anbiederungen an erwachsenes Publikum aus, hat keinerlei Anzüglichkeiten außer einer extreeem subtil angedeuteten Liebschaft zwischen Beth und John (die am Ende sogar zu Nachwuchs führt. So züchtig, wie’s hier zugeht, war das vermutlich Vermehrung durch Zeillteilung) und ist geradezu provokativ gewaltfrei. Macintyre ist böse, aber nicht auf eine Art, die selbst leicht zu beeinflussenden Kleinkindern dauerhaft Angst einjagen würde, und das schlimmste, was dem Drachen passiert, mit dem ja die meisten Kids mitfiebern werden, ist, dass er mal mit Betäubungspfeilen schlafen gelegt wird und ansonsten ein bisschen mit den Elektro-Stöcken getriezt wird. Das ist nicht gerade „King-Kong-wird-auf-dem-Empire-State-Building-zu-Klump-geschossen“ und sollte daher für jede Altersgruppe erfaßbar sein (so sah das auch die FSK und verpasste dem Film einen weißen „ohne Altersbeschränkung“-Flatschen).

Wenn man als Erwachsener an den Streifen rangeht, wird man zwangsläufig ab und an auf Passagen stoßen, die einen kopfschüttelnd am Wegesrand verharren lassen – John lebt zwar abgeschieden im hintersten schottischen Hinterland, meinetwegen auch ohne Kabelfernsehen und Radio, aber er weiß nicht, was ein Hubschrauber ist? Eh, die hat’s schon gegeben, als du nach Schottland gekommen bist, Keule, es sei denn, deine Burg steht in Brigadoon (verdammt, muss ich das Musical jetzt in jedem Review referieren?). Will sagen, seine Naivität und sein Unverständnis gegenüber der „modernen“ Welt ist deutlich übertrieben (wenn die Film-Timeline einigermaßen Sinn ergeben soll, kam er in den späten 70ern zu seinem Opa – die modernen Autos, die wir in dieser Sequenz gern im Hintergrund sehen, ignorieren wir jetzt einfach mal aus Kulanz – , und bei aller Freundschaft, die Unterschiede zwischen sagen wir mal 1979 und 1994 dürften weniger gravierend ausgefallen sein als die zwischen 1994 und 2009). John wird also ein wenig drehbuchtechnisch lobotomisiert, damit er, wenn er schon selbst kein Kind mehr ist, von seinem Wissen und Verhalten kindlich genug bleibt, um als Identifikationsfigur durchzugehen.

Damit’s nicht zu intensiv wird, müssen wir auch ohne das, worauf wir insgeheim natürlich ein klein wenig gehofft haben, verzichten, nämlich die zünftige Monster-Rampage. Zwar darf Yowler im Showdown zeigen, dass er mittlerweile alt genug ist, um Feuer zu spucken und zu fliegen, aber ernstlich jemanden verletzen oder mehr kaputt schlagen als etwas von Macintyres Eigentum, ist natürlich nicht drin. Selbstverständlich gibt’s ein paar Momente, in dem sich das beindruckbare Publikum ein paar Tränen verdrücken soll, denn natürlich wird gelegentlich die sentimentale Karte gespielt (vor allen Dingen, wenn John Yowler klar zu machen versucht, dass sie nun getrennte Wege gehen müssen), aber all dies erreicht natürlich nie den tearjerker-Quotienten eines „Old Yeller“. Wenn man kritteln möchte, dann, dass es Yowler an einer echten „Persönlichkeit“ fehlt. Er ist letztlich ein typisches „ungewöhnlicher tiereischer Freund“-Charakter, ähnlich wie Willy, der Orca (mit „Free Willy“ hat „Dragonworld“ eh den ein oder anderen Plotpoint gemein).

„Dragonworld“ ist ein Film, in dem, so mal rein kinematisch gesehen, nicht arg viel passiert – es zeichnet Nicolaou aus, dass er selbst einen kaltherzigen erwachsenen Zyniker wie yours truly trotzdem über die gut 80 Minuten bei der Stange hält, obwohl er das Tempo kindgerecht gemäßigth hält. Der gute Ted ist für meine Begriffe ein ziemlich unterschätzter B-Regie-Recke, der beinahe immer auch aus beschränkten Möglichkeiten ein Optimum herausholen kann (die einzige Totalkatastrophe, die ich ihm leider bescheinigen muss, bleibt der Found-Footage-Kreppel The St. Francisville Experiment, für den bzw. die Lebenszeit, die ich damit verschwendet habe, alle Beteiligten immer noch Abbitte leisten müssen).

Alan Trows Kameraführung hat jetzt nicht gerade die aller-pittoreskesten Landschaften abzufilmen, aber es geht in Ordnung, ebenso wie Richard Bands praktikabler, verständlicherweise etwas keltisch geprägter Score. Wichtiger sind natürlich die Spezialeffekte, und da lässt sich Charlie Band einmal mehr nicht lumpen. Der Drache sieht zwar ungefähr so „realistisch“ aus wie ein Drache in einem Kinderfilm nun mal auszusehen hat (besonders die großen Augen sind ein bissl sehr „cute“), aber die Umsetzung ist aller Ehren wert. Es gibt sowohl stop-motion-Effekte aus dem Workshop von David Allen, ein paar frühe CGIs von Randall William Cook (mittlerweile in WETA-Diensten) und lifesize-animatronics von Jim Danforth. Wohin der Löwenanteil des Budgets geflossen sein dürfte, liegt jedenfalls auf der Hand…

Die Darstellerriege wird nominell von Andrew Keir („Rob Roy“, „Quatermass and the Pit“) angeführt, der quasi als Gaststar in der Prologsequenz in der Opa-Rolle dafür zuständig ist, dass aus John McGowan ein sozial gestörter Eigenbrötler wird. Ich mag ihn. Keir zieht seinen Auftritt professionell – in Kilt und mit geschulterten Bagpipes – durch.

Enkel John wird als Kind von Courtland Mead („Hellraiser IV” und Danny Torrance in Stephen Kings selbstproduzierter “Shining”-Miniserie”) immerhin so überzeugend gespielt, dass es für einen Young Artist-Award reichte (anspruchsloses Volk dort), als Erwachsener übernimmt Alistair MacKenzie den Part und legt ihn irgendwie als Mischung aus Radu, dem Vampir aus der „Subspecies“-Serie und einem Dritte-Klasse-Christopher-Lambert-Imitat an. Man gewöhnt sich aber an den Burschen, der hier sein Filmdebüt feierte und mittlerweile eine feste Größe im britischen Fernsehen ist. Der Schurkenpart geht an John Woodvine („Die dreibeinigen Herrscher“), einen routinierten TV-Akteur, der für meinen Geschmack etwas mehr aus sich herausgehen könnte. Sein wohl bekanntester Filmauftritt ist der in „American Werewolf“, wo er auch Lila Kaye (ansonsten auch in „Nonnen auf der Flucht“ zu sehen) über den Weg gelaufen sein dürfte.

Love Interest für Mr. Mackenzie ist die gebürtige Würzburgerin Brittany Powell, auch zu sehen in „Karate Tiger 7“, „Baby Blood 2“, „Fled – Flucht nach Plan“ und für einen Dreimonats-Stint in „General Hospital“. Sie hat nicht wahnsinnig viel zu tun, wirkt aber durchweg sympathisch. Ihren Filmvater mimt John Calvin („Critters 3“, „Airwolf“) ganz passabel.

Bildqualität: „Ganz passabel“ ist allerdings nichts, was ich zur DVD aus dem Hause Schröder Medien sagen würde. Dass es bei einem DTV-Film von 1994 nicht mehr als einen Vollbildprint gibt, leuchtet mir ein, aber der VHS-Rip, den das Label uns hier als DVD-tauglich präsentieren will, würde selbst bei Best Entertainment negativ auffallen. Weitere Einzelheiten erübrigen sich…

Tonqualität: Immerhin liefert Schröder Medien neben dem deutschen Synchronton auch die englische Originaltonspur mit (beides in Dolby 2.0). Die deutsche Synchro ist allerdings ganz gut gelungen. Untertitel gibt’s nicht.

Extras: Nüsch.

Fazit: „Dragonworld“ ist ein durchweg unterhaltsamer Fantasyfilm für Kids und Junggebliebene, ein weiteres Indiz dafür, dass man Ted Nicolaou so ziemlich jedes Projekt anvertrauen kann und mindestens ansehbare Resultate erzielen wird. Nette, größtenteils handgemachte Spezialeffekte, eine sympathische Darstellerriege, eine angenehm unaufgeregte Geschichte – das ist die Sorte Kinderfilm, die ich potentiellen Nachkommen bedenkenlos vorsetzen würde. Eine bessere DVD-Umsetzung hätte der Film allerdings verdient.

3/5
(c) 2015 Dr. Acula


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