Dr. Jekyll’s unheimlicher Horrortrip

 
  • Deutscher Titel: Dr. Jekyll's unheimlicher Horrortrip
  • Original-Titel: Dottor Jekyll e gentile signora
  • Alternative Titel: Dr. Jekyll Likes It Hot | Jekyll Junior | |
  • Regie: Steno
  • Land: Italien
  • Jahr: 1979
  • Darsteller:

    Paulo Villagio (Dr. Jekyll/Mr. Hyde), Edwige Fenech (Barbara Wimply), Gianrico Tedeschi (Jeeves), Gordon Mitchell (Pretorius), Paolo Paolini, Guerrino Crivello, Eolo Capritti, Francesco Anniballi, Walter Williams, Clemente Ukmar, Geoffrey Copleston, Paola Arduini


Vorwort

Der multinationale Industriekonzern PANTAC hat ein Problem – sein Abfallprodukt FP1, das zufälligerweise als exzellenter Dünger ein Verkaufsschlager in der Dritten Welt wurde, hat unerwünschte Nebenwirkungen: spontane Bildung zusätzlicher Gliedmaßen (oder Geschlechtsmerkmale), Verlust der Schwerkraft etc. Die 84.000 Tonnen Material, auf denen PANTAC noch sitzt, sind jetzt natürlich Ladenhüter und versauen dem Konzern mächtig die Bilanz. Mr. Namenlos, der große Führer des Konzerns, weiß nur noch einen Rat – Dr. Jekyll (bzw. sein Enkel) muss her, der ist nämlich die Bosheit in Person und wird schon eine Idee haben, was man mit dem Stoff gewinnbringend anfangen kann. Dr. Jekyll stürzt sich auch gleich in die Arbeit und rekrutiert mit Barbara Wimply eine neue, attraktive Sekretärin (d.h. sie rekrutiert sich selbst, indem sie seine alte Sekretärin überfährt…). Nach kurzem Brainstorming hat Jekyll auch schon die Lösung gefunden – man verarbeite FP1 zu Kaugummi und erfreue sich nicht nur an den Gewinnen aus dem Verkauf, sondern auch daran, dass allen Konsumenten die Zähne ausfallen werden (teuflisch, teuflisch). Als unfreiwilligen Werbeträger hat er die Königin von England ausgekuckt – kompromittierende Bildmaterial des Prinzgemahls beim Liebesspiel mit Barbara sollen die Queen motivieren.
Dummerweise geht’s Jekyll irgendwie nicht so gut, bzw. zu gut, denn in ihm regt sich schubweise das dringende Verlangen, Gutes zu tun. Zum Glück ruft ihn kurz vor dem großen Anschlag auf den Buckingham Palace sein Großvater, der Original-Jekyll, zu sich, der die letzten 100 Jahre im Keller seines Hauses vor sich hin siechte, und verrät ihm das Geheimnis seines Wunderelixiers. Das könnte der Bosheit doch auf die Sprünge helfen. Leider ist Opa Jekyll ein wahrer Scherzkeks vor dem Herrn und sorgt dafür, dass sein Enkel sich das falsche Elixier einpfeift – das verwandelt den bösen Jekyll in die endlos barmherzige lockenköpfige Supertucke Mr. Hyde. Hyde sabotiert die Operation Buckingham Palace und kann sich, verfolgt von PANTAC-Killern, angeführt vom gnadenlosen Pretorius, gerade noch ins Jekyll-Anwesen retten und zurückverwandeln.
Während Jekyll am Ausbaldowern eines Ersatzplans arbeitet, überkommen ihn jahreszeitlich bedingte sexuelle Gelüste, die er bei Barbara auszuleben beabsichtigt. Die allerdings hat sich in Hyde verknallt und will nur ihn an ihren Alabasterkörper lassen. Schweren Herzens süffelt der Schurke das Elixier, ist jetzt jedoch als Hyde viel zu verklemmt, um zum Stich zu kommen. Dafür gelingt es ihm, Barbara zu überreden, ebenfalls das Zaubermittel zu trinken – und aus der berechnenden Luxusbraut wird ein grundgütiger Rauschgoldengel. Das Gutmenschenduo verfällt auf den Gedanken, die PANTAC-Fabriken und -Ressourcen zur massenweisen Herstellung der Hyde-Formel zu nutzen und so Frieden auf Erden zu bewerkstelligen. Das kann PANTAC nicht zulassen…


Inhalt

Wenn italienische Komiker der bestenfalls Bolzplatzliga Komödien drehen, pflegt bekanntlich nur in den allerseltensten Fällen der englische Rasen noch grün zu sprießen, und wenn sie dann noch große Klassiker der Horrorliteratur schänden, lässt sich der verstorbene Autor sicherheitshalber eine Rotationsanlage im Grab installieren. Von Robert L. Stevensons genrebegründendem und vielfach verfilmten Roman ist hier nicht viel übrig geblieben (und was übrig geblieben ist, wurde sicherheitshalber gleich mal komplett umgedreht – bei den Italienern ist Hyde der „Gute“ und Dr. Jekyll das Monster. Seufz). Aber wenn mit Steno (bzw. Steno E. Monicelli, wie’s in seinem Perso stand), „der größte Lustspielregisseur der Welt“ Regie führt, kann ja sicherlich nichts schiefgehen. Allerdings stellten selbst die akkuraten Beobachtungen eher wenig aufgeschlossenen „Experten“ Hahn/Jensen in ihrem „Lexikon des Horrorfilms“ fest, dass „der größte“ in diesem Fall nur auf körperliche Länge gemünzt sein kann, denn obschon Steno einige klassische italienische Komödien mit dem 60er-Jahre-Starkomiker Toto und ein paar harmlose „Plattfuß“-Haudrauf-Filme mit Bud Spencer inszenierte, würden mir auf Anhieb sicher zwei-, dreihundert bedeutendere Komödienfilmer einfallen…

Die Story erdachte das Schreiberduo Castellano & Pipolo (zuständig für die amüsanten Adriano-Celentano-Schwänke „Asso“ und „Der gezähmte Widerspenstige“), die Ausformulierung in Drehbuchform überließen die, ähm, Starschreiber den Lohnschergen Leonardo Benvenuti, Pietro de Bernardi (die Schreiberlinge der „Don Camillo“-Reihe) und Gionvanni Manganelli (normalerweise eher als Regieassistent zu finden). Das Resultat der Bemühungen dieses Autorengremiums ist ein größtenteils erstaunlich unlustiger Blick zurück in die italienischen Befindlichkeiten der 70er Jahre (ungeachtet des britischen Settings), das in diesem Jahrzehnt so richtig vom Kapitalismus überrollt wurde. Schätzungsweise hatten die Herren Autoren so eine Art satirischer Generalabrechnung mit dem Kapitalismus der Großkonzerne, der Ausbeutung der Arbeiterschaft und negativer Einfluss von Werbung vor, was sicherlich alles gültige Angriffsziel für Satire sein kann, jedoch halt nicht mit den plumpen Mitteln primitiven Slapsticks und dem teilweise geradezu anti-witzigen shtick des „Komikers“ Paolo Villaggio, speziell, wenn er den „guten“ Mr. Hyde spielt und „gut“ dabei ganz offensichtlich auf „tuntig“ reduziert (das kann natürlich auch irgendwo wieder eine Message sein, aber das traue ich den Italienern nun wieder fast nicht zu).

Dabei verliert „Dr. Jekyll’s unheimlicher Horrortrip“ zwischendurch auch noch den Faden, wenn er so ungefähr zu Halbzeit plötzlich daran geht, die bösen PANTAC- und Jekyll-Pläne zugunsten einer unauflösbaren menage-a-trois (mit Jekyll, Hyde, und Barbara – Jekyll begehrt Barbara, die will Hyde, der kann aber aus allgemeinen Gutseinsgründen nicht mit ihr) in den Hintergrund drängt und die Liebesnöte dieses Zwei-Personen-Trios Vorfahrt erhalten. Naja, andererseits auch vielleicht ganz gut so, denn so richtig lustiges fällt dem Autorenkollektiv ja dann doch nicht ein – ein paar Slapstick-Nummern in der ersten halben Stunde sind den ein oder anderen Schmunzler wert, später beschränkt sich das gewollt Komische auf ein bisschen name-dropping (nach dem Reinfall mit der Queen-Nummer überlegt Jekyll, ob er als Werbeträger vielleicht den Papst oder Laurence Olivier zwangsverpflichten soll), ein paar albernen Verfolgungsjagden (im Londoner Nebel rennen sowohl Verfolgter als auch ein halbes Dutzend Verfolger allesamt gegen ein und dieselbe Laternenstange) und ähnlich hochgeistige Scherzchen für Totaldebile, deren Humorverständnis operativ entfernt wurde. Recht bemerkenswert ist höchstens noch – SPOILER-Warnung – dass der schlussendliche Sieg des „Guten“ am Ende dank der Cleverness der Bösen ein Phyrrussieg ist – zwar herrscht am Ende Friede, Freude, Eierkuchen, die Welt ist gut, es herrscht Drei-Tage-Woche und sozusagen der perfekte Sozialismus, aber die Arbeiterschaft ist unzufrieden – wegen akuter Langeweile dank zuviel Freizeit – und geht demonstrierend auf die Straße; wären die 90 Minuten zuvor mit ein wenig mehr von diesem subversiv angehauchten Humor ausgestattet gewesen, wäre der Film vielleicht nicht besser, aber ein wenig vielschichtiger geworden (so verbleibt als möglicherweise bester Gag des Films die Tatsache, dass der rollstuhlfahrende Oberschurke Mr. Namenlos anstatt der üblichen Hakenhand eine solche mit einem halben Dutzend Funktionsaufsätze von Gabel bis Zange hat).

Steno, der bei den „Plattfuß“-Filmen zumindest ein wenig Sinn für komödiantisches Timing und eine zwar anspruchslose, aber wenigstens flotte Inszenierung hatte, führt äußerst gelangweilt Regie. Das Setup der meisten Gags ist lahm, manche Scherze werden antelegrafiert und insgesamt zieht sich der Streifen wie der MacGuffin des Films, ergo Kaugummi (zum Glück übertreibt die Coverangabe 99 Minuten ein wenig). Immerhin hat man sich einen location shoot in London gegönnt und die production values sind für eine Slapstick-Klamotte unterklassiger Güte ansehnlich, aber das Prozedere schleppt sich spätestens ab dem zweiten Akt im Schneckentempo über die Laufzeit und weist ungefähr die gleiche Gagfrequenz auf wie ein abendfüllendes „Wort zum Sonntag“-Best-of (was mich apropos nichts Speziellen darauf bringt, dass es mich schon wundert, wie eine italienische Klamotte damit durchkam, dem gutmenschelnden und tuntigen Helden die Zeile „ich bin der neue Messias“ in den Mund zu legen).

Leider akut ohrwurmverdächtig ist der ungefähr drölfzigmal im Filmverlauf angespielte Titelsong, den sich Veteranen-Komponist Armando Trovajoli („Das fünfte Gebot“, „Ab morgen sind wir reich und ehrlich“, „Der Duft der Frauen“ [Italo-Original], „Sieben goldene Männer“) im „besten“ Oliver-Onions-Stil aus dem Ärmel geschüttelt hat. Eklig-schön.

Effekttechnisch gibt’s nichts zu vermelden – irgendwelche Horror-Effekte sind selbstredend nicht zu verzeichnen, vor einer echten Transformationssequenz drückt man sich konsequent und mit allen erlaubten und nicht erlaubten Tricks (bis hin zum „aus dem Bildausschnitt verschwinden und als ‚anderer‘ Charakter wieder auftauchen). Die FSK-16-Freigabe rechtfertigt sich äußerst mühselig durch die vielleicht dreißig Sekunden, in denen Edwige Fenech die Hüllen fallen lässt (was aber gleichzeitig unwidersprochenes Highlight auch besserer Filme wäre).

Der Film steht und fällt, und eigentlich fällt er mehr als er steht, mit der „komischen“ Leistung von Paolo Villaggio, der rätselhafterweise in den 70ern ein Top-Star des italienischen Komödienkinos war, hauptsächlich dank seiner umpfzigteiligen Filmreihe um die Abenteuer des notorischen Losers Fantozzi (eine Art Al-Bundy-Type), die sich von 1975 bis 1999 über 10 Teile zog. Ich weiß nicht, wie man Villaggios Komik adäquat beschreiben bzw. mit welchen anderen komischen Figuren man ihn vergleichen könnte – eine unlustige Ausgabe von Benny Hill ohne dessen subtiles Komikgespür? Kommt der Sache nicht wirklich nahe, geht aber wenigstens in die Richtung… als böser Jekyll ist Villaggio noch für den ein oder anderen Lacher gut, aber als guter Hyde ist er ein wahres Humorvakuum. Edwige Fenech andererseits geht immer – die hinreißende Schönheit spielte in den frühen 70ern im ein oder anderen Giallo mit, erlebte ihre große Popularität aber ab der zweiten Hälfte der 70er als Ikone der Welle italienischer, gerne „erotisch“ angehauchter Klamotten wie „Die Hauslehrerin“ oder „Eine Superpolizistin in New York“. Sowohl als strenge, glatt- und kurzhaarige Bösewichteline als auch als blondgelockter Rauschgoldengel fehlt ihr etwas der Charme ihrer besten bzw. einprägsamsten Komödien-Auftritte und wirklich etwas lustiges zu spielen hat sie nicht. Aber wenigstens zeigt sie kurz, was sie hat. Gianrico Tedeschi hat als Jekylls Butler, der ihm immer wieder Nachhilfestunden im Bösesein erteilen muss, einige der besseren Lacher – Genre-Fans kennen ihn eventuell aus dem Nackedei-Trashhobel „Casanova Frankenstein“ mit Aldo Maccione als liebestollem Monster, dort spielte er den Dr. Frankenstein persönlich. Gordon Mitchell, der versucht, in dem ganzen Bruhei eine tough-guy-no-nonsense-Attitüde zu pflegen und dessen witzige Szenen dadurch etwas besser wirken als bei den meisten seiner Spielkameraden, ist selbstredend bekannt aus zahllosen Italo-Western wie „Shanghai Joe“ oder den hier besprochenen Adios Companeros oder Sartana – Töten war sein täglich Brot.

Bildqualität: Der ganze Quark wird von MVW auf DVD vertrieben und bedient sich dabei eines erlesen schlechten 4:3-Transfers (Letterbox) – der Print ist verschmutzt und beschädigt, als wäre er seit 1979 nonstop in einem Vorkriegsprojektor gelaufen, die Schärfe- und Kontrastwerte sind gerade eben so mittelprächtig, die Kompression bewährt grottig. Viel Geld sollte man des Bildes wegen nicht ausgeben.

Tonqualität: Ausschließlich die deutsche Synchronfassung in Dolby 2.0 wird geboten. Die ist im Dialogton dumpf und im Musikmix blechern, also insgesamt auch nix.

Extras: Die gefürchteten Madison/MVW-„Specials“ (also ein paar ausgesuchte Filmszenen zum Nochmalkucken) und eine Fotogalerie. Naja, fast schon eine Special Edition für die Verhältnisse deses Ladens…

Fazit: Das italienische Komödienkino ist schon so ’ne Sache – für jeden gelungenen Celentano- oder Spencer/Hill-Spaß gibt’s eben die dumpfnasigen zweit- bis drittklassigen „Komiker“ und ihre Vehikel, die schon darüber grübeln lassen, ob die Alpen tatsächlich so eine Art Humor-Wasserscheide darstellen und das, was der durchschnittliche Stiefelbewohner brüllend komisch findet, für nordisch geprägtere Naturen akut gesundheitsschädlich ist. Ich hätte ja wirklich nichts dagegen, wenn man das Jekyll/Hyde-Motiv, gerne entfremdet, für eine juxige Knallschoten-Komödie mißbraucht, aber dann sollte sie halt in Gottes Namen wenigstens *WITZIG* sein. Villaggios Komik, die praktisch eh nur rudimentär lustig ist, solange er Dr. Jekyll spielt, nutzt sich spätestens nach dreißig Minuten ab, der Rest ist dann seitens des Zuschauers eher betretenes Schweigen der „und darüber soll ich lachen?“-Variety. Aus Trash-Gesichtspunkten und dem nicht ganz zu vernachlässigenden Umstand, dass derart wuchtig ins Hirn des Betrachtes planierte Unlustigkeit in geeigneter Runde möglicherweise unfreiwillig spaßig sein kann, mag man sich den Schmarrn einmal interessehalber anschauen. Danach sollte man den Film aber in die entlegenste Ecke des DVD-Schranks packen… Auch Fenech-Fans können versichert sein – es gibt bessere-née-unterhaltsamere Filme mit der schönen Edwige, und in den meisten davon zeigt sie auch mehr von dem, was wir alle sehen wollen.

1/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments