Dr. Horrible’s Sing-Along Blog

 
  • Deutscher Titel: Dr. Horrible's Sing-Along Blog
  • Original-Titel: Dr. Horrible's Sing-Along Blog
  •  
  • Regie: Joss Whedon
  • Land: USA
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Neil Patrick Harris (Dr. Horrible), Nathan Fillion (Captain Hammer), Felicia Day (Penny), Simon Helberg (Moist), Nick Towne, Jed Whedon, Rob Reinis (Bad Horse Chorus)


Vorwort

Dr. Horrible, ambitionierter (und videobloggender) Superschurke der dritten Liga, arbeitet an seinem Lebenstraum – der „Evil League of Evil“, der führenden Schurkenorganisation unter der Leitung des gefürchteten Bad Horse beizutreten. Nach diversen Fehlversuchen ist die Liga seinem Aufnahmeansinnen inzwischen halbwegs wohlgesonnen – er müsste nur noch eine spektakuläre Schurkentat vollbringen. Müsste sich einrichten lassen, denkt der Doktor, denn er muss für seinen „Freeze Ray“ (der die Zeit anhalten soll, nicht etwa Kälte verschießt, wie es die Art seines nicht gerade geschätzten Rivalen Johnny Snow wäre) eh das Element Wonderflonium klauen. Da könnte man ja das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Allerdings gibt es zwei gravierende Probleme – zum einen des Docs Nemesis, den elenden superhelden Captain Hammer, der Horrible schon mehrfach heftig aufs Haupt geschlagen hat, zum anderen Penny, ein hübsches Mädchen, das Horrible (in seiner zivilen Geheimidentität als Billy) aus dem Waschsalon kennt, in das er schwer verknallt ist, aufgrund akuter Schüchternheit aber bis dato noch nicht mal angesprochen hat…

Wie’s das Schicksal so will, kommt Penny Horrible genau zur Unzeit, beim Wonderflonium-Klau, in die Quere – bzw. in den Weg des von Horrible via Fernsteuerung übernommenen Wonderflonium-Transporters, den Captain Hammer durch beherztes Zuschlagen in unkontrollierbaren Chaosfahrt-Zustand gekloppt hat. In letzter Sekunde gelingt es Horrible, das Fahrzeug zu stoppen, doch für Penny sieht’s aus, als hätte Hammer ihr das Leben gerettet. Zwar erlaubt die sofort aufkommende romantische Stimmung zwischen Held und Geretteter Horrible, sich unauffällig mit dem Wonderflonium vom Acker zu schleichen, jedoch ist die sich anbahnende Beziehung seiner Nemesis mit dem Mädchen seiner Träume – garniert von einer weiteren vernichtenden Niederlage gegen Captain Hammer – nicht dazu angetan, des bösen Doktors empfindliches Selbstbewusstsein zu heben, erst recht, als Hammer ihm unverblümt vermittelt, hauptsächlich deswegen mit Penny zu poussieren, weil es Horrible anpisst. Aufgrund seines fortgesetzten Versagens fordert die Evil League of Evil von Horrible nunmehr einen Mord – und inzwischen ist der Doktor auch emotional verwüstet genug, um gegen seine Prinzipien einen solchen zu begehen. Captain Hammer soll sterben…


Inhalt

Was macht man, wenn man Joss Whedon heißt und ein Kreativbolzen ist, aber von der allmächtigen (naja) Autorengewerkschaft daran gehindert wird? Der Erfinder von „Buffy“, „Firefly“ und „Dollhouse“ jedenfalls wollte nicht auf der faulen Haut liegen, während die Gewerkschaft im Arbeitskampf für die schreibende Zunft bessere Vergütungsbedingungen auszuhandeln versuchte. Er schnappte sich Familie und Freunde und drehte auf eigene Kappe in sechs kurzen Tagen ein kleines Projekt für zwischendurch – „Dr. Horrible’s Sing-Along Blog“ war nur für wenige Tage in drei Teilen auf der eigens eingerichteten Website (und bei iTunes, wenn ich mich recht entsinne) zu begutachten und schaffte es dennoch in der New-York-Times-Liste der „besten Fernsehserien 2008“ auf Platz 4 (ungeachtet der Tatsache, dass „Dr. Horrible“ selbstverständlich nie im TV lief und mit drei 15-Minuten-Episoden an den Grundkriterien für eine „Serie“ allenfalls kratzt). Und, ach ja, es ist, wie der Titel schon dezent andeutet, ein Musical… Das Fandom war begeistert (man kucke nur mal auf’s IMDb-Rating) – zumal ein Musical für Whedon ja auch nichts neues ist (schließlich gibt’s ja „Once more with feeling“, eine der beliebtesten Buffy-Episoden überhaupt).

Gut, ich will’s zugeben, das IMDb-Rating allein muss nichts bedeuten – Whedon-Fans gehören zu den fanatischeren Gruppierungen im Internet und man muss bei aller Liebe konstatieren, dass nicht alles zu Gold wird, was Joss anfasst (die jüngst eingestellte Whedon-Serie „Dollhouse“ halte ich schon allein für eine konzeptionelle Totgeburt (Message from Future Doc: Vollidiot!). Andererseits werden wir vermutlich nie wissen, was Whedon da genau vor hatte). Allerdings hat das Fandom bei „Dr. Horrible“ völlig recht, das war mir schon klar, als ich die Serie im Web verfolgte, denn diese kleine Zwischendurch-Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gehört zweifellos zum besten, was die Whedon-Werkstatt bislang auf die Öffentlichkeit losgelassen hat. Das Erfolgsgeheimnis: ähnlich wie bei „Buffy“ oder „Firefly“ gelingt es Whedon, aus einer freakigen Geek-Idee (hier: eine launige Superhelden-Parodie aus der Perspektive des Schurken, dem ständig der kostümierte Vertreter des Guten ins Handwerk pfuscht) mehr zu machen als nur oberflächlichen, leicht konsumierbaren Blödsinn ohne größeres Niveau (obwohl „Dr. Horrible“ natürlich leicht konsumierbar bleibt), sondern in die knapp 40 Minuten mehr Tiefgründigkeit, mehr Charakter, mehr Drama zu legen als es so manche seriöse Serie in einer ganzen Staffel schafft.

Das „Videoblog“-Gimmick ist dabei eher eine Randerscheinung – Dr. Horribles Videocasts kommentieren und erläutern die Handlung, dienen zur Rekapitulation von Ereignissen, denen wir in bildlicher Form nicht beiwohnen dürfen (oder können, weil das Budget eines solchen kleinen Internet-Films sie nicht hergibt); sie sind also mehr (geschickt eingesetzte) erzählerische Krücke, um die produktionsbedingten Einschränkungen zu kompensieren denn zentrales Stilmittel, aber die Klasse Whedons zeigt sich eben darin, dass er etwas, was in den Händen mindertalentierter Filmemacher klar als simpler Notbehelf erkennbar wäre, in wahrhaft charakterbildende Maßnahmen verwandelt – in diesen Monologen stecken nicht nur einige gute Gags, sondern eben auch viele, gerne auch zwischen den Zeilen zu lesende Einblicke in die Persönlichkeit des guten bösen Doktors (und dass die Tatsache, dass ein Superschurke seine Untaten bloggenderweise ankündigt, beknackt ist, thematisiert Horrible selbst in einem der Blogbeiträge). Und darum geht es letztendlich hier – um die Persönlichkeit des Schurken. Die weiteren Figuren sind bewusst eindimensionale Stereotypen: Captain Hammer ist der tumbe Muskelprotz, dessen intellektuelle Fähigkeiten in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seinem Ego stehen und der „Gutes“ nicht tut, weil es ihm ein moralischer Imperativ ist, sondern weil er dadurch berühmt wurde und Frauen rumkriegt (und mit Penny eben nur deswegen „geht“, weil er den Doktor demütigen möchte… er sagt selbst, dass es für ihn das erste Mal wäre, zweimal mit der selben Frau zu schlafen); das macht den komplexbehafteten Horrible, dessen theoretische Schurkentumkenntnisse leider meist von seiner praktischen Ungeschicklichkeit k.o. geschlagen werden, obschon er rein geistesmäßig Hammer turmhoch überlegen ist, schon by default zum sympathischen Underdog, zum quintessentiellen Outsider, der sich gegen das Superschurken-Äquivalent eines Schulhof-Rowdys, der grundsätzlich nur die Kleineren und Schwächeren (Nerds) verprügelt, durchsetzen muss (und dass der durchschnittliche Konsument eines Whedon-Produkts sich mit dieser Situation identifizieren kann, darf man wohl voraussetzen). Es braucht also nur noch den Katalysator in Form von Penny, der personifizierten liebenswerten, naiven Gutmenschin und – freilich – fähige Schreiberlinge, um aus einem unterhaltsamen Pseudo-Comic-Film eine zwar lustige, aber mindestens ebenso tragische und anrührende Geschichte zu machen (deren tragische Komponente ich als, sagen wir mal, Evil-Doc-Kollege des Titelcharakters fieserweise nicht verrate).

Neben dem beeindruckenden emotionalen character arc für Dr. Horrible beinhaltet das stolze Werk selbstredend eine Menge cooler Gags (von weiteren Superschurken wie Horribles Kumpel „Moist“, dessen ehrfurchtgebietende Fähigkeit es ist, aufgrund überwältigender Transpiration alles und jeden durchfeuchten zu können, oder „Pink Pummeler“, den Evil-League-Mitgliedern Bad Horse, Professor Normal oder Fake Thomas Jefferson zu den witzigen Dialogen in bester Whedon-Qualität), was die gut 40 Minuten wie im Flug, äh, verfliegen lässt. Und auch filmisch überzeugt „Dr. Horrible’s Sing-Along Blog“ trotz der Schnellschuss-Qualitäten eines Sechs-Tage-Drehs. Klar, da sind keine Special-FX-Orgien a la Spider-Man zu erwarten, gibt’s keine breit ausgewalzten Actionszenen, aber alles ist sehr apart und kompetent gefilmt, unter Einsatz von Splitscreens für Songs, die aus verschiedenen Charakter-Perspektiven dargeboten werden… Die Kostüme sind simpel, aber effektiv (Dr. Horrible trägt einen Laborkittel und klassische Mad-Scientist-Goggles, Captain Hammer ein simples T-Shirt mit Hammer-Applikation auf der Brust [was Horrible berechtigt, ihn als „tool“ zu bezeichnen]), Props wie Horribles Strahlenkanone wurden teilweise aus „Firefly“ reaktiviert, die Außenaufnahmen entstanden größtenteils auf dem Universal-Backlot, und des Doktors bizarres Labor ist nicht mal ein Set, sondern ein weiteres Beispiel für Whedons Einfallsreichtum: man mietete sich einfach kurzfristig in ein aktuelles Projekt von „Monster House“ (der einzigen Haus-Umbau-/Renovierungsshow, die man sich ernsthaft ankucken sollte, zu sehen ab und an auf DMAX) ein. Die durch die ursprüngliche Drittelung des Films automatische Drei-Akt-Struktur sorgt für hohes Tempo und korrekt gesetzte dramaturgische Höhepunkte.

Ach ja, und Songs gibt’s auch noch… Satte zwölf Songs bastet Whedon (in Kollboration mit diversen Brüdern) in die 42 Minuten und die sind nicht von schlechten Eltern. Stilistisch überwiegend im typischen modernen Musical-Stil („adult contemporary“ nennt man das wohl bei Billboard) gehalten, sind die Songs (die übrigens handlungsrelevant sind) vielleicht nicht absolute Ohrwürmer, die sich beim ersten Anhören unvergesslich in den Gehörgang fräsen, aber ebenso überwiegend memorabel – ob es Horribles traurig-sentimentaler Opener „My Freeze Ray“, „A Man’s Gotta Do“ (hauptsächlich ein Duett von Horrible und Hammer), „Brand New Day“ (Horribles character turning point), Hammers egozentrisches „Everyone’s a Hero“ oder die unendlich traurige Schlussnummer „Everything You Ever“ ist. Harris, Fillion und Day mögen keine ausgebildeten Sänger sein, aber sie treffen die Töne und speziell Harris ist vorzüglich in der Lage, die richtigen melancholischen bzw. hasserfüllten Emotionen zu transportieren.

Womit wir dann schon bei den Akteuren wären. Neil Patrick Harris („Starship Troopers“, „How I Met Your Mother“) als hoffnungsloses Außenseiter-Bündel von Komplexen mit delusions of grandeur bietet eine herausragende Leistung, sowohl in den komödiantischen als auch dramatrischen Aspekten der Rolle.
Nathan Fillion („Firefly“, „Castle“) hat als muskelbepackter Prolet sicherlich die eindimensionalere Rolle, aber sichtlich diebische Freude daran, mal den Hanswurst spielen können zu dürfen.
Felicia Day („Buffy“) hat nicht nur die richtige Ausstrahlung für die zerbrechlich-naive Penny, sondern macht die Dreiecksbeziehung (Hammer als Lover, Horrible bzw. dessen ziviles Alter Ego Billy als Kumpelfreund) aus ihrer Sicht glaubhaft.
In der kleinen Rolle des „Moist“ geht Simon Helberg („The Big Bang Theory“) völlig auf.

Bild: Kurioserweise hat es die von Whedon via seiner Produktionsfirma Mutant Enemy selbst vertriebene DVD zu einem zumindest insofern legitimen Deutschland-Release geschafft, als dass die US-DVD tutti kompletti inklusive Original-Cover, lediglich geziert von einem FSK-6-Flatschen, hierzulande zu haben ist (in NTSC und stilecht auf einem DVD-R-Rohling…). Dafür bekommt der geneigte Konsument einen guten, wenn auch nicht herausragenden anamorphen Bildtransfer, der gelegentlich zu leichter Klötzchenbildung neigt und in Sachen Schärfe und Kontrast nicht ganz auf einem Level mit Major-Releases steht, aber für ein quasi Hobby-Projekt ist das völlig in Ordnung.

Ton: Der ausschließlich englische O-Ton in Dolby 5.1 ist speziell im Musikmix angemessen voluminös, von der Sprachqualität her ausgezeichnet. Untertitel gibt’s auf Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Japanisch und CHinesisch.

Extras: Holladiewaldfee. Neben einem herkömmlichen Cast- und Crew-Audiokommentar und diversen Making-of-Featuretten gibt’s zwei ganz besondere Gutzis. Nummer 1 ist „Commentary: The Musical“ – und das ist genau, wonach es klingt, ein Musical-Audiokommentar, mit etlichen neuen Songs (teilweise noch besser als die im eigentlichen Film) – da wird z.B. in Sangesform über die Hintergründe des Autorenstreiks informiert (mit heftigen Seitenhieben gen WGA), da bekommen die Nebenfiguren ihre großen Solo-Partituren („Ten Dollar Solo“, „Noone wants to be moist“, „It’s all about me“) und Nathan Fillion darf klar stellen: „I am better than Neil!“ (und großartig ist auch die rappige Nummer „Don’t Tell Him it’s a Musical“ für Zed Whedon). Gross-ar-tig (und überdies ein bedeutender Mehrwert für diejenigen, die das Filmchen schon aus seiner Internet-Inkarnation her kennen und vielleicht nicht ganz sicher waren, ob man wirklich noch ’ne DVD dazu braucht)!
Noch mal ’ne gute halbe Stunde kann man sich die Zeit mit den Resultaten eines Fan-Contests vertreiben – man durfte nämlich „Bewerbungsvideos“ für die Evil League of Evil einsenden und die zehn besten finden sich in voller Glorie auf dem Datenträger wieder. Die schwanken in ihrer Qualität zwar beträchtlich, aber die Highlights (nicht unzufälligerweise von Leuten, die mit Comedy durchaus schon was zu tun hatten) stehen dem Hauptfilm kaum nach (speziell Mr. Terrible und Tur-Mohel [ausgesprochen Turmoil], letzterer ein jüdischer Rabbi, der mit seinen „minions“ die Spitze des Washington Memorials „beschneiden“ möchte). Mucho stuff.

Fazit: Tu ich mal so, als wäre ich kein Mann vieler Worte: „Dr. Horrible’s Sing-Along Blog“ MUSS man einfach haben. It’s entertainment at its best. Keine Kaufempfehlung, ein strikter Kaufbefehl!

5/5
(c) 2009 Dr. Acula


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