Dr. Heckyl & Mr. Hype

 
  • Deutscher Titel: Dr. Heckyl & Mr. Hype
  • Original-Titel: DR. HECKYL & MR. HYPE
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  • Regie: Charles B. Griffith
  • Land: USA
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Oliver Reed (Dr. Henry Heckyl / Mr. Hype)
    Sunny Johnson (Coral Careen)
    Maia Danziger (Miss Finebum)
    Virgil Frye (Lt. Mack Druck – ‚Il Topo‘)
    Mel Welles (Dr. Vince Hinkle)
    Kedrick Wolf (Dr. Lew Hoo)
    Jackie Coogan (Sgt. Fleacollar)
    Corinne Calvet (Pizelle Puree)
    Sharon Compton (Mrs. Quivel)
    Denise Hayes (Liza Rowne)
    Charles Howerton (Clutch Cooger)
    Dick Miller (Irsil / Orson)
    Jack Warford (Herringbone Flynn)
    Lucretia Love (Debra Kate)


Vorwort

Wir springen heute erneut kopfüber in die Gewässer des vergessenen Trashfilms, aus einer Zeit, in der sich die 80er Jahre noch wie die späten 70er anfühlten. Beziehungsweise sollten wir das mit dem Kopfsprung lieber lassen. Dazu sind die Gewässer wahrlich zu seicht und so flach wie der Humor, der in DR. HECKYL UND MR. HYPE geboten wird (in etwa auf der Höhe des Schattens einer Schlange). Einer der wenigen Streifen, in denen Oliver Reed die komödiantische Hauptrolle spielen durfte. Und auch hier dürfen wir spekulieren, ob der Film nun trotz oder gerade wegen Reed der Vergessenheit anheimgefallen ist. Aber vergessene Früchte schmecken bekanntlich am besten, auch wenn sie an manchen Stellen doch schon etwas modrig sind und in etwa so grün wie die Visage des Protagonisten.


Inhalt

Der Liebe Gott hat es mit dem Fußdoktor – oder wie manche sagen würden, „Quanten-Physiker“ – Dr. Henry Heckyl (Oliver Reed) nicht gut gemeint: nicht nur dass er einen überdimensionalen Klumpfuss, ein rotes und ein grünes Auge, den Teint von vergammelten Ziegenkäse und, in eigenen Worten, „Ohren wie Fingerknöchel und eine Nase wie eine angefressene Karotte“ hat. Dazu kommen noch Fingernägel wie Vogelklauen als und ein Gebiss wie das eines alten Straßenköters, der sich hauptsächlich von halbleeren Crystal-Meth-Beuteln ernährt. Dass Heckyl ein grundgütiger Mensch ist, fällt für seine Umwelt dabei natürlich nicht weiter ins Gewicht. „Ich sehe die Furcht und den Abscheu in ihren Augen. Was aber niemand sieht, ist die Schönheit in meinen Augen. Sie sehen nur die unterschiedlichen Farben“, deklamiert der Doktor seine Lebensphilosophie. “Darum scheiße ich auf sie“.

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Dank seiner britischen Herkunft, konnte man bei Reeds Make-Up
an den Zähnen sparen.

Einziger Lichtblick in Heckyls Leben ist seine allmorgendliche Fahrt zu seiner Arbeit. Zwar hat er dank seines Äußeren an der Bushaltestelle praktisch eine Privatloge auf der Wartebank, aber dort sieht er jeden Tag die bildhübsche Coral (Sunny Johnson), die Heckyl aus der Ferne anhimmelt. Aber auch diese schönen Momente gehen vorbei und bald findet sich Heckyl in seiner Praxis wieder, die er sich mit zwei durchgeknallten Kollegen teilt: dem Abmagerungsarzt Dr. Hinkle (Mel Welles), der anscheinend an der Hochschule der Mad-Scientists graduiert hat, und den nicht minder abgedrehten Dr. Hoo (Kedrick Wolf), der jegliche Wehwehchen mit seiner einem Büschel Federn und seiner „Kitzel-Therapie“ heilt. Dr. Hoo befindet sich im ständigen Kriegszustand mit der Sekretärin Miss Finebum (Maia Danziger), einer kühlen Schönheit und die einzige Person, die Heckyl so etwas wie menschliche Wärme entgegenbringt. Wenn Heckyl sich nicht gerade um die Quanten seiner Patienten kümmert, greift er zur Flasche oder spielt sich mit Selbstmordfantasien.

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Nicht dass Heckyls Geisterbahnvisage in der Praxis groß aus dem Rahmen fallen würde.

Dr. Hinkle teilt Heckyl die aufregende Neuigkeit mit, er habe ein phänomenales Schlankheitsserum erfunden: nur ein Tropfen, so Hinkel, und die Damen würden innerhalb von Minuten ihre Pfunde buchstäblich ausscheißen. Zwei Tropfen würden allerdings ein Pferd umbringen und nur eine Niere des Patienten übriglassen. Während sich Heckyl seinen ersten Kunden widmet, Lt. Mack Druck (Virgil Frye), auch genannt „Il Topo“, dem Polizisten mit den plattesten Plattfüßen des Universums, verwandelt Hinkel seine walrossartigen Kundinnen tatsächlich zu wohlgeformten Sexbomben.

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Nicht unbedingt ein Traumjob, da kommen einen schon mal Selbstmordgedanken
(im Schnitt drei- bis viermal täglich).

Bei Heckyl hat sich nun eine zweite Patientin auf den Stuhl gehockt, diesmal die bildhübsche Coral (Sunny Johnson), um sich podiotechnisch behandeln zu lassen. Die bekommt erst mal einen Schreianfall als sie des Doktors Visage sieht, findet jedoch schnell ihre Kontenance wieder und erkennt sogar die Schönheit hinter Heckyls Augen. Der Doktor sieht natürlich sofort rosa Schmetterlinge, lässt ihr sogleich einen Termin für den nächsten Tag geben, macht sich aber schlussendlich ob seiner Chancen keine Illusionen. Wieder kommt ihm der Gedanke an den Suizid und die sicherste Methode scheint Heckyl, ein Flakon von Hinkles Wunderwässerchen zu leeren. Aber nicht die erwartete totale Auflösung, sondern nur eine lästige Maulsperre ist das Resultat. Zuhause geht Heckyl wie immer alleine in sein Bett, dass er mit seinem ausgestopften Löwen „Spot“ teilt und träumt bizarre Träume von seinen Patienten, Coral und einer seltsamen Metamorphose.

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“Ha! Die weißesten Beißerchen, die je ein Engländer sein eigen nannte!
Der Ritterschlag ist so gut wie garantiert!

Wahrhaftig! Heckyl erwacht mitten in der Nacht und findet sich tatsächlich in einem neuen Körper wieder. Und dieser Körper ist nicht von schlechten Eltern. Keine warzige Knollennase mehr, fort ist der grünliche Teint und sogar der überdimensionale der Klumpfuß hat sich sprichwörtlich verdünnisiert. Stattdessen grüßt Heckyl im Spiegel jetzt die Visage eines Sunnyboys. Sofort macht sich Heckyl auf in den Hinterhof, um dort seine übergroßen Latschen in einer Mülltonne zu versenken und stimmt dabei eine Freudenarie an. Das weckt seine Nachbarin, Mrs. Quivel (Sharon Compton), an der Heckyl sogleich seinen neugewonnenen Charme ausprobiert. Aber ein blendendes Aussehen ist nicht alles. Mrs. Quivel will ihrem Ehemann treu bleiben und lässt Hype abblitzen.

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Natürliche Reaktion wenn ein großer Zeh zum Teil des Starkstromkreislaufs wird.

Die Ablehnung bringt den Verwandelten in Rage und Hype rächt sich, indem er den Zeh seiner Nachbarin in eine Nachttischlampe steckt. Bekanntlich keine gesunde Sache; kurz geht Mrs. Quivel ein Licht auf, dann gibt sie den Geist auf. Zunächst ist Heckyl schockiert, dass er plötzlich ein Mörder ist, aber schlimmer noch: immer noch eine Jungfrau. Aber es hilft alles nichts: Heckyl muss erneut den Gang zu den Mülltonnen antreten, um dort das Corpus Delicti zu versenken. Im Licht der Morgensonne sieht alles schon wieder freundlicher aus. Zunächst kleidet sich der „neue“ Heckyl neu ein und versucht sogar, Carol an der Bushaltestelle den Hof zu machen. Die ist aber alles andere als beeindruckt von Heckyls kruder Anmache, der sich noch dazu als arger Rüpel und Macho entpuppt.

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Guckt, als ob sie nicht weiß, dass Alten-Damen-den-Sitz-wegnehmen
ein traditioneller Männersport ist.

In der Praxis gibt sich Heckyl als sein eigener Neffe Hype aus England aus, der als begeisterter Amateur die Praxis von seinem „spontan verstorbenen“ Onkel übernimmt. Aber weder bei den Kollegen, noch bei den Patienten stößt der vermeintliche Neffe auf Sympathien, da dieser in allen Aspekten das genaue Gegenteil des liebenswürdigen Dr. Heckyl ist. Besonders Lt. Druck, dem Hype die Plattfüße amputieren will, hat den neuen Fußdoktor im Verdacht, seinen Onkel um die Ecke gebracht zu haben. Bald ist Hype der Arbeit überdrüssig, nimmt sich den Nachmittag frei und besorgt sich einen feuerroten Sportwagen, mit dem er erneut bei Coral Eindruck schinden will.

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Schwer ist der Beruf, da kann einem Fuß-Arzt schon Mal die Hutschnur platzen …

Und wieder blitzt Hype bei der Schönheit ab, die sich vor Hypes Augen fürchtet, in ihnen sogar den leibhaftigen Tod sieht und Schutz bei ihrem schmierigen Chef Herringbone (Jack Warford) sucht. Die erneute Ablehnung führt wieder zu einem Wutausbruch und Hype reagiert sich bei einer Amokfahrt auf dem Highway ab, wo er für eine Weile eine Joggerin vor seinen Wagen hertreibt.

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… aber gewisse Ausblicke wissen Hypes Mütchen zu kühlen.

Hypes Laune bessert sich, als er die Anhalterin Liza (Denise Hayes) aufgabelt. Diese ist offensichtlich kein Kind von Traurigkeit, sieht blendend aus und ist offensichtlich sowohl von Hypes Aussehen als auch von seinem Flitzer beeindruckt. Nur allzu gerne lässt sich Liza zu einem „Umtrunk mit Bonus-Runde“ in Heckyls / Hypes Wohnung einladen, muss dort aber feststellen, dass der Super-Narzisst Hype mehr daran interessiert ist, seine Vorzüge aus Lizas Mund zu vernehmen. Ja sicher, er sähe blendend aus, ein Mannsbild wie aus dem Bilderbuch, so Liza. Nur die Augen, in denen sei etwas Schäbiges. Diese Feststellung kostet auch Liza das Leben.

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Ein ausgestopfter Kuschellöwe mit Mehrzweckfunktionen.

Wieder muss Hype, immer noch unberührt, einen Kadaver Richtung Mülleimer schleppen, und macht sich danach auf zu seiner Praxis. Diese lässt er festlich ausstaffieren um angeblich seine Übernahme des Betriebs zu feiern, aber mit dem Hintergedanken, Coral zu imponieren, da diese für jenen Nachmittag ja noch einen Termin hat. Doch kurz bevor die Angebetete erscheint, schlägt das Schicksal zu: Hinkles Wundermittel verliert seine Wirkung, Hinkels Patientinnen verwandeln sich zu überdimensionalen Fettsäcken zurück – und Hype wird wieder zu Heckyl. Sehr zur Freude von Coral, die Heckyl von ihrer Begegnung mit dem „schrecklichen Mann“ (also Hype) mitteilt. Im Gegenzug erzählt Hype ihr, wie er zu seinem monströsen Äußeren gekommen ist: seine Mutter hätte die schlechte Angewohnheit gehabt, während der Schwangerschaft an Leim zu schnüffeln. Seitdem schmecke er, jedes Mal wenn er ein Glas Milch trinkt, Leim und denke beim lecken einer Briefmarke an seine Mutter.

Trotzdem: Hypes boshafte Stimme im Hinterkopf lässt Heckyl keine Ruhe und er durchsucht die Mülltonnen nach den letzten Ampullen von Hinkels Wundermittel. Dabei wird er von dem schizophrenen Müllmann Orson (Dick Miller) überrascht, der nicht nur einen an der Waffel hat und Selbstgespräche mit seinem Alter-Ego Irsil führt, sondern auch eifersüchtig über seinen Müll wacht und sofort nach der Polizei ruft. Die eröffnen die Jagd nach dem vermeintlich müllfressenden Monstrum. Aber Heckyl kann die Tinktur in letzter Sekunde finden, verwandelt sich zurück in Hype und findet bei der MILF-igen Debra (Lucretia Love) Unterschlupf. Auch die ist zunächst von Hypes Charme beeindruckt, erkennt aber auch etwas Widerwärtiges in Hypes Blick. Auch Debra muss daran glauben: Hype rammt ihren Kopf in einen Spiegel und entsorgt auch diese Dame im Hinterhof. “Jeder, der meine Schönheit nicht zu schätzen weiß, hat sein Recht auf Leben verwirkt“, spricht Hype augenzwinkernd in die Kamera

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Das Auge des Gesetzes schläft nie
(nur ausruhen muss es sich gelegentlich).

Erneut versucht Hype sein Glück bei Coral, die inzwischen ein Techtelmechtel mit ihrem Chef Herringbone angefangen hat. Das lässt der eifersüchtige Hype nicht auf sich sitzen, macht den unliebsamen Nebenbuhler mit einem Blumentopf unschädlich und schleicht sich an dessen Stelle in Corals Gemächer. Doch wieder vollzieht sich die Verwandlung, und nun liegt statt Hype Dr. Heckyl ins Corals Bett. Herringbone, wider bei Bewusstsein, ruft die Polizei, die Heckyl prompt in die nächste kerkerartige Polizeistation verfrachtet. Dort herrscht anscheinend das nackte Grauen und das Geschrei der Gefolterten vereint sich mit Peitschenknallen zu einer ständigen Symphonie. Seine Zelle muss Heckyl sich mit einem Nunchaku-schwingenden Zwerg teilen, der sich als „Böser William“ vorstellt. Dieser sei friedlich, „solange du nicht auf meinen Schatten steigst; der ist nämlich größer als du“.

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Klein aber Oho. Und da der „Böse William“ vermutlich ein Stammkunde ist,
hat man ihm sogar einen Standard-Lokus eingebaut.

Heckyl ruft seine Kollegen Hinkle und Hoo zu Hilfe, die ihn gegen Kaution freipressen sollen. Als diese kommen, hat Heckyl aber erneut am Serum genascht und hat sich in Hype verwandelt (gegen den die Polizei sowieso nichts in der Hand hat). Trotzdem muss Heckyl / Hype seinen Kollegen nun reinen Wein einschenken und sie über Hinkles Wunderwasser aufklären: Das Mittel reduziert nicht das Körperfett, sondern verwandelt jeden in die Gestalt, die man zwar verabscheut aber insgeheim immer sein wollte. Inzwischen haben hat Lt. Druck Eins und Eins zusammengezählt, beziehungsweise, die toten Damen in den Mülltonnen, die Orson ins Revier geschleppt hat. Wieder beginnt die Jagd nach dem monströsen Podologen.

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“Der Kronzeuge ist da, Herr Inspektor.
Die Beweise hat er auch gleich mitgebracht.“

Dr. Hoo hat sich inzwischen von der Wirksamkeit des Serums überzeugt – und prompt in Miss Finebum verwandelt. Gemeinsam kann das Team Hype / Finebum die Polizei überlisten und stilisieren sich als eine Art übermenschliche Bonnie und Clyde. Aber während sich das teuflisch (gutaussehende) Paar wilden Liebkosungen hingibt, setzt erneut die spontane Rückverwandlung ein und so finden sich plötzlich wieder Dr. Hype und Dr. Hoo in inniger Umarmung. Diese Tatsache ist zu viel für Hoo, der sich mittels seiner eigenen Federn den Garaus macht (wie Lt. Druck lakonisch feststellt, “totgelacht“). Heckyl verwandelt sich mit zunehmender Geschwindigkeit und beschließt (als Hype), dass, wenn er Coral nicht haben kann, sie niemand besitzen soll.

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Ein Anblick, der zu automatischen Zuckungen im Polizistenzeigefinger führt.

Zwar siegt schlussendlich die Heckyl-Persona, die nun endlich Corals Herz gewonnen hat, aber Lt. Druck und seine Mannen sind inzwischen am Ort des Geschehens angelangt. Druck folgt seinem Polizeiinstinkt und pumpt das vermeintliche Monstrum mit Blei voll. Sterbend, verwandelt sich Heckyl und letztes Mal in Hype, der Gott und die Welt verwünscht, und zurück zum gütigen Hype, dem Coral die trockenen Lippen mit dem Rest des Serums benetzt. Es folgt nun eine finale Salve von Verwandlungen in praktisch alle Beteiligten (inklusive diverser Hollywood-Monstren), bis nur noch eines bleibt: Eine Niere, die sinniert, „Jetzt sind wir tot… und ich bin immer noch unberührt!“

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THE END

Analyse
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Schwer.

Wir könnten nun darüber streiten, ob DR HECKYL UND MR HYPE nun lustiger Trash oder einfach nur Müll ist. Man muss schon einen etwas anarchischen Humor haben um über die krassen, überdrehten Gags zu lachen, wobei das ganze weniger anarchisch als eine andere Adaption aus derselben Zeit ausgefallen ist, namentlich JECKYLL & HYDE … TOGETHER AGAIN aus dem Jahre 1982, in dem der amerikanische Comedian Mark Blankfield den gutmütigen Dr. Jeckyll und sein dauerbekifftes, von Dauer-Erektion geplagtes Alter-Ego gibt. Auch dieser durchaus empfehlenswert, wenn man den tiefliegenden Sperrfeuerhumor a la AIRPLANE oder TOP SECRET! schätzt. Ganz so flach und Stakkato-artig ist der Witz von DR HECKYL UND MR HYPE nicht, sondern geht mehr in Richtung der 70er Jahre MAD-Magazine, was der Kenner vielleicht schon allein von den Namen wie „Miss Finebum“ oder „Herringbone Flynn“ geahnt haben könnte.

Mr. Oliver Reed als gutaussehenden (wenngleich auch mörderischen) Beau zu stilisieren, mag fast schon so etwas wie ein Insider-Joke gewesen sein. Nein, mit seinen Doppelkinnen und Helmut-Kohl-förmigen Birnenkopf kann man Reed kaum als Schönheitsideal bezeichnen, da halfen auch die blitzenden Katzenaugen nichts. Reed war der erste der zugab, ein recht limitierter Schauspieler zu sein, der nie Chancen auf einen Oscar hatte. Aber schauspielerische und optische Mankos wusste Reed aber mit seinem überlebensgroßen Charakter und geballter Männlichkeit zu kompensieren, der ihn nicht umsonst den Spitznamen „Mr. Britain“ eingebracht hat. Man muss es einem Mannesmann lassen, der selbst einem Ozzy Osbourne und einem Klaus Kinski (während der Dreharbeiten zu DIE SCHWARZE MAMBA) die Furcht Gottes eingejagt hat. Noch legendärer war Reeds Sauferei.

Reed hatte sich in den späten 50er Jahren in Hammer Horror- und Historienschinken wie DER FLUCH VON SINIESTRO, DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG oder einer weiteren Adaption des Robert Louis Stevenson-Adaption, SCHLAG 12 IN LONDON, hochgearbeitet und auch hier war es der Alk, der beinahe Reeds Karriere beendete, bevor diese überhaupt begonnen hatte. In einer Pub-Toilette hatte sich der Schauspieler mit zwei nicht minder besoffenen und miesgelaunten Cockneys angelegt (die er mit einem sarkastischen “wollt ihr ihn jetzt noch für mich halten?“ provozierte). Die Antwort der beiden Hafenarbeiter kam in Form eines zerbrochenen Bierglases, mit dem sie Reeds Gesicht bearbeiteten und ihn die markanten Narben beifügten. Danach wollte Reed die Schauspielerei eigentlich an den Nagel hängen, konnte aber von seinem Busenfreund Ken Russell dazu überredet werden, weiterzumachen. Es folgten etliche Filme, die fast das gesamte Spektrum der Genres umspannten, sei es Russells TOMMY und DIE TEUFEL, Disneys CONDORMAN, DIE VIER HALUNKEN DER KÖNIGIN oder auch Schotter wie GUERILLA FORCE und MEISTER DES GRAUENS.

Das große Talent zum Komödianten ward Reed sicherlich nicht in die Wiege gelegt. Dazu war sein Humor einfach zu trocken (und hier könnten Giftzungen einwerfen, dass das vermutlich das einzige trockene an Reed war), aber der zurückgelehnte, britische Witz war durchaus vorhanden. Man darf halt nur keinen Jerry Lewis oder gar Peter Sellers erwarten. Und wenn man es einmal von der technischen Seite her sehen will: wie oft bekommt man schon Gelegenheit, Oliver Reed in einer waschechten Anarcho-Komödie zu sehen?

Dass Reed es nie in die Erste Liga der Superstars geschafft hat, hat er seiner Liebe zum Suff und den heimischen Pubs zu verdanken. Bald galt er als Schrecken der Regisseure und Produzenten. Auch ließ Reed keine Gelegenheit aus, im Vollsuff die Talk-Shows zu stürmen und dort lallend seine Meinungen und Thesen kundzugeben, meist zum Horror der weiblichen Teilnehmer, zu denen Reed ein Verhältnis hatte, das nur wenige Grade über dem eines muselmanischen Haremshalters stand. (Man sagt Reed nach, er sei ein so brillanter Schauspieler, dass er in Interviews ab und zu den Nüchternen gespielt habe). 1999 sollte es zu einem Quasi-Comeback kommen: Ridley Scott wollte Reed unbedingt für seinen Monumentalschinken GLADIATOR haben, der auch bekanntlich ein monumentaler Erfolg an den Kinokassen wurde. Von diesem Ruhm hatte aber Reed selbst nicht mehr viel: der 61-jährige Schauspieler verstarb während einer Drehpause, die er (wie üblich) in einem englischen Pub auf Malta verbrachte, an einem Herzinfarkt. Dass er kurz zuvor noch fünf englische Seemänner von der Royal Navy im Armdrücken geschlagen hat, mag ein Faktor gewesen sein. Ebenso wie der Fakt, dass Reed – wie gesagt, es war um die Mittagsstunde – nicht mehr ganz nüchtern war. Drei Flaschen Captain Morgans Jamaikarum und acht Flaschen (deutsches) Bier hatte Reed mit etlichen Famous Grouse Whiskeys, seiner Favoritensorte, runtergespült – und gab dann den Löffel ab. Die Zeche an jenem Morgen betrug $725. (Für Scott sollte Reeds Tod noch etwas teurer kommen: weitere $3 Millionen musste der Regisseur in die CGI-Effekte buttern, mit denen man Reeds Szenen „doubelte“).

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Eine der wenigen Lichtblicke im tristen Alltag eines Podologen
(Nun, wie man’s nimmt).

Manche der älteren Generation werden sich vielleicht noch an die reizende Sunny Johnson im Disco-Kracher FLASHDANCE erinnern. Man muss fair sagen: Das Zeug zur Oskar-Gewinner hatte Miss Johnson sicherlich nicht in sich und wurde, wie der Rest der weiblichen Belegschaft, aus rein optischen Gründen angeheuert (und eine Meryl Streep oder Emma Thompson am Set hätte vermutlich Reed sowieso nicht toleriert). DR HECKYL UND MR HYPE sollte einer der letzten Film der Schauspielerin sein; sie starb ein paar Jahre später, kaum 30 Jahre alt, an einer spontanen Gehirnblutung.

Auch Jackie Coogan, der seine Karriere im Babyalter begann, das Kind in Charlie Chaplins DER VAGABUND UND DAS KIND spielte, hierzulande aber eher für seine Rolle in der originalen THE ADDAMS FAMILY-Serie bekannt ist, sollte nur noch zwei weitere Rollen spielen, bis ihn der Sensenmann auf die Schulter klopfen sollte (die letzte davon im Schund-Slasher THE PREY, wobei Coogan zu jener Zeit schon ziemlich offensichtlich senil war. Trotzdem, insgesamt 145 Rollen, darunter Auftritte in solchen Mülleimer-Klassikern wie DIE LIEBESTOLLEN STEWARDESSEN oder MESA OF LOST WOMAN wollen gewürdigt werden (wenn nicht auf unserer Seite hier, wo sonst?).

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Kaum zu glauben, dass der „Knirps“ ein paar Jahrhunderten
zuvor noch auf Charlie Chaplins Schoss saß.

Mel Welles gibt hier den gewichtigen Dr. Vince Hinkle, ist ebenfalls ein Veteran der Griffith / Corman Fabrik; dem treuen BM Leser wird er wohl am ehesten als Regisseur von LADY FRANKENSTEIN bekannt sein. Virgil Fryes (X-TRO 3, REVENGE OF THE NINJA) steinerne Fresse hatte ihn Früh zur Rolle des Sheriffs, Cops oder Detektiv prädestiniert – hier darf Frye sein Ultimo Opus als knallharter El Topo spielen.

Zu erwähnen sei noch Dick Miller, der hier als schizophrener Müllmann allen die Show stielt. Zum großen Star sollte Miller nie werden, wer aber nicht mindestens einer seiner 175 Rollen (bis Datum) gesehen hat, der besitzt sicher keinen Fernseher. Und da wäre noch der kleine Auftritt von Lucretia Love als eines von Hypes Opfern. Dem Trash-Veteranen und Freund von italienischen Exploitation-Filmchen dürfte der Namen aus Schinken wie DIE JUNGFRAU MIT DER SCHARFEN KLINGE, SIE HAUEN ALLE IN DIE PFANNE oder CATRICE, DIE NYMPHOMANIN bekannt sein. DR. HECKYL UND MR. HYPE war nicht nur einer der wenigen Auftritte von Signorina Loves in einem amerikanischen Streifen sein, sondern auch ihr finaler, bevor diese sich vom Filmgeschäft zurückzog.

Regisseur Charles B. Griffith ist, was Regiearbeit angeht, ein relativ unbeschriebenes Blatt. Seine Werke beschränken sich auf eine Handvoll B-Movies, wie den BEASTMASTER-Abklatsch EIN KÖNIGREICH VOR UNSERER ZEIT, einem recht minderwertigen EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR-Rip-Off DIE TOTAL VERRÜCKTE HIGHWAY-POLIZEI oder dem üblen JAWS-Klon UP FROM THE DEPTH. Am rühmlichsten war da noch Griffiths Arbeit als Co-Regisseur vom originalen KLEINER LADEN VOLLER SCHRECKEN (für die Griffith allerdings keine Credits erhielt). Trotzdem hat der Mann zu Lebzeiten seine Spuren hinterlassen, namentlich als Kollaborateur und Schreiberling für diverse Roger Corman B-Klassiker wie FRANKENSTEINS TODESRENNEN, ATTACK OF THE CRAB MONSTERS und DAS VERMÄCHTNIS DES PROFESSOR BONDI (um nur ein paar zu nennen). Trash-technisch ist man also in besten Händen.

Die User der INTERNET MOVIE DATABASE (IMDB) waren nicht besonderst nett zu DR HECKYL UND MR HYPE: kaum 3.7 Pünktchen aus 10 gab es für den Streifen, und dazu noch ein paar missgünstige Reviews, obwohl ein paar der Rezensenten als Beweis herhalten dürfen, dass der Film durchaus eine kleine Fan-Basis hat. Da sind wir von BM natürlich viel kulanter und verteilen Bomben und Bier. Sagen wir Mal, für einen feuchtfröhlichen Videoabend reicht er allemal, auch wenn man einen gewissen Sinn für infantile Jokes mitbringen und keinen tiefsinnigen Witz a la Loriot oder Kishon erwarten sollte. In dem Sinne: Prost Ollie, wo immer du jetzt auch zechen mögest!

Und das mit dem „Videoabend“ ist durchaus wörtlich zu nehmen. Dazu sei noch gesagt dass, wie so viele Filme, die bei BM besprochen werden, auch DR. HECKYL UND MR. HYPE ein äußerst rares Stück ist, das bis dato nirgends auf DVD geschafft hat. Alleine schon das Kassettencover ist Kult (siehe oben): Oliver Reed ist in der Illustration kaum zu erkennen, die Namen von zwei Hauptdarstellern sind falsch geschrieben und von einem Werwolf ist die Rede, der im Film natürlich nicht vorkommt. Wenn euch die VHS also einmal über den Weg läuft, haltet sie bloß fest!


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 7


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