DoppelPack

 
  • Deutscher Titel: DoppelPack
  • Original-Titel: DoppelPack
  •  
  • Regie: Matthias Lehmann
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2000
  • Darsteller:

    Eckert Preuss (Lehmi), Markus Knüfken (Hoffi), Jochen Nickel (Horst), Margret Völker (Likörverkäuferin), Jeanne Tremsal (Hosenverkäuferin), Manfred Zapatka (Boutiquen-Kunde), Edgar Selge (Schriftsteller), Attila the Stockbroker (als er selbst)


Vorwort

Lehmi und Hoffi sind die besten Freunde. Und das, obwohl sie im Grunde vollkommen unterschiedlich sind. Hoffi steht auf dünne Frauen, redet den ganzen Tag nur dummes Zeug und kann „gerade mal ne Pulle Bier aufmachen“, wie Lehmi sagt. Lehmi studiert, ist schweigsam, macht sich Gedanken über Gott und die Welt und hats gern etwas üppiger. Außerdem ist er ne Steißlage, und „das ist nicht zum lachen“. Was die beiden verbindet ist ihre Liebe zu Punkmusik, zum Alkohol und ein sauber ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Gesellschaft. An dem Tag, an dem die beiden nach durchzechter Nacht im Dortmunder Tierpark aufwachen, stehen nur zwei Dinge auf ihrer To-Do-Liste: Ein Geburtstagsgeschenk für Hoffis Schwester organisieren (ein Foto aus dem Passbildautomaten) und abends auf das Konzert von „Attila the Stockbroker“ zu gehen. Dann platzt allerdings in ihre Tagesplanung der Geburtstag von Lehmis Tante, eine mysteriöse Unbekannte, deren Foto Hoffi im Automaten findet und in die er sich total verknallt, eine vollbusige Likörverkäuferin und ein ungehobelter Boutiquen-Kunde. Und wenn dann Horst noch Verstopfung hat, irgendein Schriftsteller aus seinen Werken vorliest und die Frau am Imbiss keine Currywurst mehr hat, gibt’s nur eins: Erstmal mit nem Kasten Bier in den Westpark. Denn: „Wir haben keine Termine. Und wir brauchen auch keine.“


Inhalt

„Kleine Hommage an die Poesie des ganz normalen Lebens“ (Pressetext) oder „Komödie, die sich in die Länge zieht“ (Cinema)? Um es gleich herauszuschreien: Ich halte „DoppelPack“ für einen der besten deutschen Filme der letzten zehn Jahre. Erstaunlicherweise, ohne dass er auf eine große Handlung, Budget oder bekannte Namen (dazu später mehr) zurückgreifen kann. Oder gerade weil? Matthias Lehmann, auf dessen Lebenserfahrungen das Drehbuch basiert (und der in der Gestalt des Lehmi von Eckert Preuss verkörpert wird) hat hier ein kleines, aber sehr, sehr feines Juwel des deutschen Films abgeliefert. Wir begleiten die beiden ungleichen Freunde einen Tag lang, wie sie ziellos durch die Dortmunder Innenstadt laufen (oder besser taumeln), Bier trinken und dabei Zeugs erleben. Die Rahmenhandlung ist lediglich, dass sie Abends auf ein Konzert wollen. Alles Weitere ergibt sich. Lehmis Verwandte, die im Cafe Strickmann aneinander vorbei reden, Horst, der keinen „adäquaten Boiler“ findet, die Unbekannte von den Passbildern… alles fügt sich zu einem merkwürdig stimmigen Mosaik zusammen. Am Ende des Films hat man das Gefühl, dass keine einzige dieser Episoden irgendwie überflüssig wäre. Man lehnt sich einfach zurück und lässt sich von der entspannten Atmosphäre treiben.
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Und das, obwohl „DoppelPack“ im Herzen eine waschechte „Ruhrpott-Komödie“ ist. Leute, die sich durch die Thorwarth-Filme „Bang Boom Bang“ oder „Was nicht passt, wird passend gemacht“ quälen mussten, sollten sich von dem Wort Ruhrpott nicht abschrecken lassen, denn DoppelPack schlägt einen ganz anderen Ton an. Wenn „Bang Boom Bang“ die deutsche Antwort auf „Pulp Fiction“ ist, dann ist „DoppelPack“ der deutsche „Big Lebowski“. Entspannt, verkatert und trotzdem saukomisch. Gerade durch den Gegensatz des Dauerredners Hoffi und dem zynischen Lehmi ergeben sich Dialogperlen erster Güte – die beiden und die vielen Nebencharaktere sorgen dafür, dass eine „typische“ Ruhrpottatmosphäre aufkommt. Sicher könnte der Film auch in Berlin, München oder Hamburg spielen, aber da würde so vieles nicht funktionieren. Wie Ernst, der Kioskbesitzer, oder Lehmis Mutter, oder oder oder.
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Und der Film funktioniert auf allen Ebenen. Die verkaterte Grundstimmung wird durch eine stets etwas wackelige Handkamera erzeugt, die jedoch nie so sehr aus dem Ruder gerät, dass man an einen Dogma-Film oder einen Amateurstreifen denken muss. Auch sind alle Szenen, die unter freiem Himmel spielen, konsequent einen Tacken überbelichtet. Durch diese kleinen, aber feinen Kniffe und der Tatsache, dass Lehmi und Hoffi die einzigen sind, die sich mit der Geschwindigkeit eines Faultieres durch die City bewegen, während die Welt an ihnen vorbeirast (bis auf zwei Ausnahmen, aber wir wollen ja nichts verraten) wird die Stimmung festgelegt: Ruhig bleiben, erstmal ein Bierchen trinken, kommze heut nich, kommze morgen. Das gemütliche Pacing des Films wird noch dadurch unterstrichen, dass sich die einzelnen Episoden scheinbar sinnlos aneinanderreihen, dieses allerdings so sympathisch, dass man sich nur zurücklehnen und genießen will, was dem Drehbuchautor jetzt wieder eingefallen ist.

Schauspieltechnisch ist alles in bester Ordnung. Alle Beteiligten agieren natürlich und glaubwürdig, so skurril ihre Figuren auch angelegt sind. Der Großteil der Darsteller ist, wie gesagt, unbekannt, einzig Jochen Nickel, Manfred Zapatka und Markus Knüffken werden dem einen oder anderen wahrscheinlich etwas sagen. Gerade letzterer hat sich einen festen, feuchten Händedruck verdient, denn seine Figur des Hoffi trägt den Film und sorgt dafür, dass es nie langweilig wird. Die beiden Damen, die unseren „Helden“ über den Weg laufen, Margret Völker und Jeanne Tremsal, sind beides keine Superschönheiten, wirken aber attraktiv und natürlich genug, um sehr wohl zu verstehen, dass Menschen in einer gewissen Verfassung sich problemlos in sie verknallen können.

Sehr wichtig für den Film ist auch die Musik. Dass „Attila the Stockbroker“ den Film eröffnet und beendet, ist ein mehr als großes Plus. Forenbesucher haben vielleicht das eine oder andere Mal mitbekommen, dass sein Album „The Siege of Shoreham“, aus dem drei seiner vier Songs, die im Film gespielt werden, stammen, eines der Alben ist, die ich nach einem Jahr quasi Dauerhörens immer noch ohne zu zögern heilig spreche. Der Rest setzt sich aus überwiegend kleineren Ska- und Punkbands (Die Happy ausgenommen, aber die waren zu der Zeit ja noch unbekannt) zusammen. Die Killer Barbies steuern ihre Version des Klassikers „Downtown“ von Petula Clark bei und Blondie geben „Deniz“ zum besten, der absolute, und ich meine wirklich absolute Übersong des Filmes ist neben den Attila-Songs „Share the Darkness“ von den Saw Doctors, der die akustische Untermalung für die schönste Szene des Films ist.

Bildqualität: Ich weiß nicht, woran es liegt, aber meistens kann man schon an den Bildern erkennen, dass es sich um einen deutschen Film handelt. Das gereicht allerdings nicht zum Nachteil, denn da die Handlung, das Setting und quasi alles „typisch deutsch“ ist, wirkt alles wie aus einem Guss. Das Bild, im Format Letterbox 1:1,85, ist gestochen Scharf und präsentiert sich fehlerlos, ohne Macken oder Mastering-Fehler. Dass das ganze Bild ein bisschen unscharf wirkt, im Vergleich zu Megablockbustern, bei denen man noch die Pickel eines drei Kilometer entfernen Zwölfjährigen erkennen kann, ist zu verschmerzen.

Tonqualität: Hier wurde ein bisschen gespart. Anstelle eines 5.1er Sounds, wie er schon 2001, als die DVD heraus kam, üblich war, kriegen wir „nur“ Dolby Surround zu hören. Das tut dem Filmgenuss allerdings keinen Abbruch, denn der Klang wirkt, wie das Bild sehr natürlich. Die Dialoge sind gut verständlich und das Problem mit den Tonschwankungen, das einige Filme haben, tritt nicht auf. Hier bleibt alles auf einer Qualitätsstufe. Die Musik, die ja eine große Rolle im Film spielt, ist sehr gut abgemischt und klingt glasklar.

Extras: Trailer zu „Männerpension“ und „Gloomy Sunday“ (auch sehr zu empfehlen), der Originale Kinotrailer, zwei Szenen „Vom Set“ (die Eröffnungskamerafahrt und eine Probe kurz vor dem finalen Konzert), Interviews mit dem Regisseur und den beiden Hauptdarstellern… und ein Audiokommentar, der fast so unterhaltsam ist wie der eigentliche Film, da kann man nix gegen sagen. Höchstens vielleicht gegen die „Fotogalerie“, die uns dann doch fünf (in Zahlen: 5!) Bilder aus dem Film präsentiert. Hätte man sich auch sparen können. Oder: Wenn, dann richtig machen.

Fazit: Auch wenn ich mich wiederhole: DoppelPack ist für mich einer der besten Filme aus Deutschland der letzten Jahre. Der Film plätschert gemütlich vor sich hin, nimmt sich Zeit, hetzt nicht… und ist in jedem Moment interessant und witzig genug, um den Zuschauer bei Laune zu halten. Der Humor pendelt zwischen einigen Schmunzlern und echten Brüllern hin und her, ohne dabei aufgesetzt oder konstruiert zu wirken. Die einfache Technik und der „Billig“-Look passen dabei wie die Faust aufs Auge. Dadurch wirkt der Film wie aus einem Guss und wie ein Projekt, das „mal eben“ auf Zelluloid gebannt wurde. Von der harten Arbeit, die so ein Film immer macht, ist nichts zu merken. Für Leute, bei denen es in erster Linie auf große, epische Stories, Action oder Gruseleffekte ankommt, ist DoppelPack nichts. Nicht jeder in meinem eigenen Bekanntenkreis bringt dem Film die gleiche Begeisterung wie ich entgegen. Wer allerdings einen kleinen, feinen Film sehen will, in dem es gemütlich, urkomisch und manchmal philosophisch zugeht, sollte DoppelPack mal antesten. Mehr als 8 Euro muss man im Regelfall auch nicht latzen, da kann man schon mal das Risiko eingehen.

5/5
(c) 2005 Ascalon


mm
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