Don’t Be Afraid of the Dark

 
     
  • Regie: Troy Nixey
  • Land: USA/Australien/Mexiko
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Katie Holmes (Kim), Guy Pearce (Alex), Bailee Madison (Sally), Jack Thompson (Harris), Julia Blake (Mrs. Underhill), Alan Dale (Charles Jacoby), Garry McDonald (Blackwood)


Vorwort

Sally, die achtjährige Tochter des Architekten Alex, wird von ihrer Mutter zum lieben Papa geschickt, der mit seiner neuen Flamme Kim derzeit das Anwesen des berühmten „wildlife“-Malers Blackwood bewohnt und zwecks Weiterverkauf restauriert. Dumm nur, dass niemand Sally erklärt hat, dass der „Besuch“ von dauerhafter Sorte sein soll. Kim ist auch nicht gerade davon überzeugt, dass dieses neue Familienarrangement die Wucht in Tüten ist, aber Alex hat für derlei Sorgen und Nöte wenig Ohr – er hat sein gesamtes privates Kapital in das Projekt gesteckt, und wenn er die Hütte nicht verkauft bekommt (wofür seines Erachtens dringend eine Titelseite auf einem Architekturmagazin nötig ist), ist die Lage sowohl hoffnungslos als auch ernst. Am unglücklichsten ist allerdings Sally, die sich, nicht völlig zu Unrecht, ungeliebt und unverstanden vorkommt. Immerhin gelingt ihr eine Entdeckung, die ihr Erzeuger, immerhin Profi auf dem Gebiet, in all den Monaten des Herumfuhrwerkens am und im Gemäuer nicht gemacht hat – das Anwesen hat, untypischerweise für die Gegend, einen Keller, der irgendwann nach Blackwoods geheimnisumwitterten Verschwinden versiegelt und zugemauert wurde. Der Keller war offensichtlich Blackwoods letztes Atelier – und nicht nur das. Sally hört Stimmen – Stimmen, die sie „verstehen“, und die ihre Freunde sein wollen. Das patente Mädchen schraubt den Aschenraum auf, aus dem die Stimmen dringen, und entdeckt ein Schälchen menschlicher Zähne. Bei einem weiteren Ausflug in den Keller wird sie von Mr. Harris, einem lokalen Handwerker, ertappt – Harris, der mehr weiß, als er zugibt, will den Aschenraum wieder verschließen, doch das lassen die Wesen, die dort unten hausen, nicht zu… Harris landet schwer verletzt im Krankenhaus und Sally erhält eine deutliche Warnung. Ihre „Spielgefährten“ zerschneiden Kims Kleider – natürlich muss es für die Erwachsenen so aussehen, als lebe Sally ihr Eltern-Trennungs-Trauma jetzt handgreiflich am Eigentum ihrer Quasi-Stiefmama aus. Doch Kims Neugier ist geweckt – sie recherchiert und wird von Harris auf die Spur Blackwoods letzter Gemälde gebracht, und siehe da: die finalen Werke des großen Meister des Realismus zeigen kleine, fiese, klauenbewehrte Kreaturen, die exakt so aussehen wie Sally sie beschreibt…


Inhalt

Eröffnungsfilme beim FFF sind so ’ne Sache. Der generelle Konsens unter den Stammzuschauern bezüglich des letzten vollauf gelungenen Festival-Openers scheint auf „Severance“ hinauszulaufen, und das ist ja jetzt auch schon wieder ein paar Tage her. La Meute letztes Jahr war ja nicht so der Bringer und auch Carriers verdiente sich bestenfalls ein „ganz nett“. Sollte es da ausgerechnet das Remake eines TV-Films von 1973, noch dazu mit Mrs. Tom Cruise Katie Holmes in tragender Rolle *und* notgedrungen einem Kind in der Hauptrolle (ja, das ist jetzt speziell eher eins meiner Totschlagargumente…), besser machen?

Für Hoffnung sorgt der Name Guillermo del Toro. Der Mexikaner ist nunmehr seit Jahren eine verlässliche Größe auf dem Gebiet des phantastischen Films und mit dem spektakulär guten „Pan’s Labyrinth“ bewies der „Hellboy“-Regisseur auch schon einmal ein glückliches Händchen für kindliche Protagonistinnen. Del Toro ist hier zwar nur für die zeitgemäße Überarbeitung des Drehbuchs und die Produktion zuständig und überließ die Regiearbeit Newcomer Troy Nixey, der bis dato nur mit dem Kurzfilm „Latchkey’s Lament“ auf sich aufmerksam gemacht hatte. Aber wenn man’s nicht wüsste… der Film ist deutlich von del Toros Handschrift geprägt; wiewohl er als Regisseur jemand ist, der mit aufwendigen Effekten umzugehen weiß, kommt er als Schreiber eindeutig von der psychologischen Schiene (schon mit seinem noch in Mexiko entstandenen Debütfilm, dem metaphorischen Vampirdrama „Cronos“, unter Beweis gestellt). Demzufolge nimmt das fragile Beziehungskonstrukt der zwangszusammengewürfelten Patchwork-Familie breiten Raum ein: Sally, die sich von ihrer Mutter abgeschoben fühlt (und damit ins Schwarze trifft) und ahnt, dass sie nicht uneingeschränkt willkommen ist, Kim, die eigentlich nicht bereit ist, Verantwortung für ein Kind (erst recht nicht für ein „fremdes“) zu übernehmen, aber dennoch die einzige echte Vertrauensperson für Sally wird, und Alex, der bei einem Telefonat mit der Frau Mama (das Sally pflichtschuldigst zufällig mithört) deutlich anmerkt, dass die Tochter-Relokalisierung ganz bestimmt nicht seine Idee war – viel familiärer Zündstoff, der eine gewisse Ähnlichkeit zur Figurenkonstellation in „Pan’s Labyrinth“ sicher nicht verleugnen kann, auch wenn „Don’t Be Afraid Of The Dark“ die Ambivalenz der Kindheits- und Faschismusparabel abgeht; vielleicht sogar eine vergebene Chance, denn der Streifen beraubt sich durch einen vorgeschalteten Prolog, der uns Zuschauern erklärt, was mit Blackwood seinerzeit passierte (ohne alle Geheimnisse zu verraten), der ein oder anderen Interpretationsmöglichkeit (andererseits… hätten del Toro und Nixey ihre Karten nicht gleich auf den Tisch gelegt, hätte sicherlich so mancher Vergleiche zu Cronenbergs „Die Brut“ angestrengt).

Wiewohl sich das Script also – speziell in den ersten beiden Akten – um eine starke psychologische Komponente bemüht (und fleißig Seitenhiebe gegen die medikamentenhaltige Ruhigstellungs-Psychiatrie austeilt, was einer Scientologin wie Frau Holmes sicherlich ein Wohlgefallen sein dürfte), kommt man aber andererseits nicht umhin, dass sich die Story rein erzählerisch sehr konventionell entwickelt und viele Plotentwicklungen dem routinierten Genrekenner vorhersehbar erscheinen dürften. Das kann man sicherlich, wenn man seinen sozialen Tag hat, als Verbeugung vor den Vorbildern sehen, allerdings.. es *ist* vieles überraschungsart: selbstverständlich glaubt man Sally zunächst kein Wort, selbstverständlich werden die ersten handgreiflichen Aktionen der „Fairies“, wie sie im Film bezeichnet werden, auf eine mentale Schramme Sallys zurückgeführt, selbstverständlich ist es die Sensitive Frau [TM], die spürt, dass an Sallys Geschichten etwas dran sein könnte… schon früh kristallisiert sich heraus, dass der entscheidende Kampf um Sallys Leben (um das es selbstverständlich letztlich geht) nicht von Alex, sondern von Kim geführt werden wird. Das sind bewährte Mechanismen, die ihre Wirkung auch nicht völlig verfehlen, vielleicht hätte ich mir von einem del-Toro-Script etwas mehr Tiefgang, etwas mehr Innovation erwartet (wobei mir der Verweis, diese Fairies wären ursächlich für die Legenden um die „Zahnfee“, durchaus gefällt. Man vergebe mir, aber mir ist das Original nicht so weit geläufig, um zu beurteilen, ob dieser Punkt schon in der 73er-Version gemacht wurde).

Optisch lässt sich gegen den Film nichts einwenden – auch wenn Nixey es für meinen Geschmack vielleicht etwas mit close-ups auf geplagte Gesichter übertreibt (und geplagt sind die Gesichter nahezu immer – „Don’t Be Afraid of the Dark“ ist ein Film ohne „fröhliche“ Momente), aber Oliver Stapleton („Mein Freund, der Wasserdrache“, „Gottes Werk & Teufels Beitrag“, „Schiffsmeldungen“) liefert einige beeindruckende Kamerafahrten und tracking shots, die Peter Hyams Tränen der Rührung über die Wangen rieseln lassen sollte, ab; die Ausstattung ist detailfreudig. Auch gegen den Ansatz, die Story in einem ruhigen, bedächtigen Tempo zu erzählen, das Bedrohungsszenario langsam zu entwickeln und die Art der Bedrohung schlechend zu enthüllen, ist nichts einzuwenden (abgesehen vielleicht davon, dass „Don’t Be Afraid of the Dark“ mit seiner wohl impliziert härtesten Szene einsteigt und damit den Ton nicht wirklich trifft), und auch nicht dagegen, dass Nixey mit einigen Szenen, die im halbverwilderten Garten des Anwesens spielen, deutlich erkennbar „Pan’s Labyrinth“ zumindest zitiert (was der Eigenständigkeit des Films natürlich ein wenig Abbruch tut). Wogegen man etwas einwenden kann (zumindest kann man darüber trefflich streiten), ist der Bruch zwischen zweitem und drittem Akt. Nachdem Nixey uns nämlich die Fairies in all ihrer Glorie gezeigt hat, gibt er die Zurückhaltung auf – aus dem leisen, altmodischen Grusel der ersten beiden Akte wird im Finale dann doch ein CGI-intensives Effektspektakel, und dass daraus zumindest ein potentielles Problem wird, liegt an der Gestaltung der Faires selbst, die nach dem Willen der FX-Künstler halt eben doch „nur“ vielleicht zwanzg-dreißig Zentimeter hohe pelzige, aufrecht gehende Ratten sind (bzw. an solche erinnern). Und so sehr sich die im Finale geradezu massenweise auftretenden Fairies auch mühen, böse und bedrohlich zu sein, so schwer tut sich der Zuschauer (wenigstens dieserjeniger welcher) damit, sie richtig „ernst“ zu nehmen. Es gibt in der Beziehung sicherlich nicht *den* Königsweg zwischen „dem Zuschauer Spektakel bieten“ und „die Bedrohung geheimnisvoll und gruslig halten“ – ich kann logischerweise nur für mich sprechen, und da stelle ich fest: obwohl das Finale durchaus spannend gestaltet ist (und ein zumindest semi-überraschendes, wenn auch vorbereitetes Ende aufweist), verlor der Film im Schlussakt für mich einiges an Reiz, da wurde aus dem hübsch fotografierten, durchaus stimmungsvollen old-school-Grusler ein, ich will nicht sagen „austauschbares“, aber vergleichsweise unoriginelles Monsterfilmchen. Your mileage may vary, wem der Aufbau des Films zu langsam, zu gemächlich war, bekommt zumindest in der letzten halben Stunde Tempo und FX serviert.

Erstaunlicherweise kassierte der Streifen in den USA ein R-Rating – ich hätte Stein und Bein geschworen, dass man mit gutem Willen auch PG-13 hätte vertreten können; richtig explizite Gewalt gibt’s nicht, die wenigen make-up-FX von KNB sind nicht gerade heftig und das creature design an sich auch nicht konsequent jugendgefährdend. Gefällig ist der Score von Marco Beltrami und Buck Sanders.

Zum Cast: Katie Holmes („Go“, „The Gift“, „Batman Begins“) wird nie eine meiner Lieblingsschauspielerinnen werden – sie scheint mir auch hier leicht damit überfordert, den Stimmungswandel ihrer Figur von der widerstrebenden „Stepmom“ zur liebend-kämpferischen Ersatzmutti glaubhaft auf den Punkt zu bringen, aber ich hab sie auch schon schwächer aufgelegt gesehen (und im Finale war sie mir regelrecht sympathisch). Guy Pearce („Memento“, „The Hurt Locker“, „Time Machine“) hat wenig Möglichkeit, sich auszuzeichnen, das Script billigt ihm relativ wenig Momente zu, in denen er nicht vergleichsweise eindimensional den typisch verständnislosen Elter zu geben hat. Bailee Madison („Die Zauberer vom Waverly Place“, „Brücke nach Terabitha“) muss schon mal gegen mein gepflegtes Vorurteil gegen Kinderdarsteller ankämpfen und schafft’s nicht ganz, so richtig warm werde ich mit ihrer Vorstellung nicht. Auch ihr tut das Script nicht nur Gefallen – verhältnismäßig lange ist ihre Figur „unlikeable“ und die kleine Bailee kann nicht wirklich dagegen ankämpfen (was sie müsste, denn mit unserer Sympathie als Zuschauer mit der Hauptfigur steht und fällt natürlich das Interesse an der Geschichte). Routinier Jack Thompson („Böses Blut“, „Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence“, „Fleisch & Blut“, „Nummer 5 lebt!“) holt aus seiner kleinen Rolle recht viel heraus.

Fazit: „Für’n FFF-Eröffnungsfilm okay“ ist sicherlich jetzt nicht der Claim, den ein zukünftiger DVD-Publisher freudestrahlend auf das Cover malen lassen wird, aber viel euphorischer kann ich nicht werden. Bei allen sichtbaren del-Toro-Trademarks und dem lange angenehmen Retro-70er-Feeling fügen sich die Einzelteile nicht ganz zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Es mag eine Frage meines persönlichen Geschmacks sein, dass mich der Stilwechsel vom Klassik-Grusler zum CGI-Horror nicht überzeugt hat, ich denke aber, dass er das Hauptproblem (neben den sicherlich besser möglichen darstellerischen Leistungen) ist; es ist das alte Lied – wer von modernen Sehgewohnheiten geprägt ist, wird sich wohl königlich langweilen, bis Nixey seine Fairies in Massen auftreten lässt, und wem das wohlig-altmodische langsame Schauern der ersten zwei Akte gefällt, dem wird das Finale zu effektlastig sein. Wem „Pan’s Labyrinth“ gefallen hat und meint, an einer „verwässerten“ und ent-ambivalenzierten (äh? Das ist kein Wort, oder?) Variante des Themas Gefallen finden zu können, sollte mal reinschauen. Ich verbleibe mit einer neutralen Durchschnittswertung.

TL’DR-Fassung: „Pan’s Labyrinth“ meets „Lurking Fear“ meets „The Brood“.

3/5
(c) 2011 Dr. Acula


mm
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