Doctor Who: The Ark

 
  • Original-Titel: Doctor Who: The Ark
  •  
  • Regie: Michael Imison
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    William Hartnell (Doktor), Jackie Lane (Dodo), Peter Purves (Steven Taylor), Eric Eliott (Commander), Inigo Jackson (Zentos), Roy Spencer (Manyak), Kate Newman (Mellium), Terence Woodfield (Maharis), Terence Bayler (Yendom), Brian Wright (Dassuk), Eileen Helsby (Venussa)


Vorwort

Der Doktor und seine Gefährten landen mit der TARDIS in, wie sich herausstellt, einem riesigen Raumschiff – ein Generationenschiff, mit dem die Restbestände der Menschheit, zehn Millionen Jahre in der Zukunft, der sterbenden Erde entkommen sind und in 700 Jahren auf ihrem Zielplaneten Refusis II ankommen wollen. Der Großteil von Mensch- und Tierwelt ist zur leichteren Lagerung miniaturisiert worden, ebenso wie der Großteil einer Fremdrasse, der Monoiden, die ihrerseits auf der Erde Zuflucht gesucht hatten und nun als stumme Handlanger fungieren.
Alles höchst faszinierend, doch die freundliche Aufnahme ist nicht von langer Dauer – Dodo, des Doktors neuester Companion, ist nämlich erkältet und gegen den in ferner Zukunft längst ausgestorbenen gewöhnlichen Schnupfen haben weder Zukunftsmenschen noch Monoiden Antikörper. Besonders die Monoiden werden in Windeseile vom Virus dahingerafft und auch der Commander der „Arche“ erkrankt. Zentos, sein Stellvertreter, wittert Foulspiel seitens der Neuankömmlinge und stellt sie vor Gericht. Steven, mittlerweile selbst vom aggressiven Virus infiziert, ist nicht in der Lage, eine vernünftige Verteidigung aufzubauen und so stünde das Urteil, Verbannung aus dem Raumschiff, schon fest, würde nicht der sieche Commander befehlen, dass man dem Doktor eine Chance zur Herstellung eines Impfstoffs lässt…

(VON HIER AN SPOILER) Zur allgemeinen Überraschung materialisiert die TARDIS nach der Abreise von der „Arche“ genau wieder dort, nur 700 Jahre später, kurz vor der Ankunft auf Refusis II. Einiges hat sich geändert – des Doktors Impfstoff gegen den Schnupfen hatte unerwartete Nebenwirkungen auf die Willenskraft der Menschen und so gelang den Monoiden, nachdem sie mit Hilfe der Menschen Waffen und Sprachboxen herstellen konnte, der Umsturz. Die wenigen überlebenden Menschen dienen den Monoiden jetzt entweder freiwillig oder als Sklaven. Auch der Doktor und seine Begleiter werden festgesetzt – Eins, der Chef der Monoiden, plant den Doktor und Dodo (mit einem Monoiden- und einem Kollaborateur-Begleiter) als Spähtrupp nach Refusis zu schicken, um dort die Lage zu peilen. Während Doktor, Dodo und Zwei feststellen, dass Refusis nicht so unbewohnt ist, wie es zunächst den Anschein hat, trägt Kollaborateur Maheris den Sklaven zu, dass Eins plant, die Restbestände der Menschheit durch eine Bombe (die die Arche sprengen soll, nachdem alle Monoiden auf Refusis gelandet sind) elegant zu beseitigen. Jetzt muss eine Gegen-Revolution her…


Inhalt

Ich bin, auch wenn ich nicht erst mit dem „Neustart“ der Serie ins Fandom eingestiegen bin (ich hab sogar in meinen Beständen noch eine alte, von RTL anlässlich der Ausstrahlung der McCoy-Folgen herausgegebene Soundtrack-CD gefunden), nicht wirklich ein Experte, was „Doctor Who“ angeht – ich kann zwar die Doktoren in der richtigen Reihenfolge aufzählen und einem Unbefangenen grob erklären, wo die Unterschiede zwischen einer späten Jon-Pertwee- und einer frühen Colin-Baker-Episode liegen, ohne zwingend weder eine solche noch eine solche gesehen zu haben, aber je weiter man in der Who-Historie zurückgeht, desto dünner werden meine Kenntnisse – deswegen darf ich auch zugeben, „The Ark“ war das erste First-Doctor-Serial, das sich mir in tatsächlich existenter physischer DVD-Form bei mir vorstellte (und wenn man berücksichtigt, dass bis dahin die älteste Who-Episode, die ich gesehen hatte, mit Tom Baker war… ja, verklagt mich, ich bin ein lausiger Who-Nerd. Aber ich lebe und lerne).

„The Ark“ stammt aus der dritten Staffel der Serie (und lief damals natürlich nicht unter diesem Titel – in dieser Phase hatten die einzelnen Episoden noch eigene Titel anstelle der schlichten „Story Arc Teil 3“-Titel, die ab der vierten Staffel eingeführt wurden), einer Season, von der leider viele viele Episoden dank der berüchtigten Bänderlöschungen, die die BBC wie praktisch alle Fernsehsender, deren Chefs nicht im Traum daran dachten, dass man dreißig-vierzig Jahre später mit Heimvideoveröffentlichungen irgendwelcher billiger Kinderprogrammshows Geld verdienen könnte, durchführte, verloren sind.
Die Hartnell-Ära neigte sich dem Ende zu (Hartnells undiagnostizierte Arteriosklerose führte dazu, dass er immer größere Schwierigkeiten mit seinen Texten bekam und den Frust über seine Fehler, die mangels Geld und Zeit für Re-Takes und das Herauseditieren von solchen Bloopern in den fertigen Shows zu hören und sehen waren, gemeinhin an seinen Kollegen ausließ – die BBC experimentierte daher mit Storys, in denen der Doktor nicht die dominante Figur ist – im größtenteils verlorenen nächsten Serial nach „The Ark“, „The Celestial Toymaker“, war der Doktor durch außerirdische Fieslichkeit unsichtbar); auch wenn die historischen Serials immer noch ihren Platz im Programm hatten, so dominieren die reinen SF-Geschichten (mit dem leider überwiegend verlorenen Serial „The Dalek’s Master Plan“ und dem Prequel „Mission the the Unknown“ – der einzigen Who-Folge, in der kein Mitglied des regulären Casts auftaucht – gibt es einen dreizehnteiligen Story-Arc. Eine längere zusammenhängende Geschichte brachte erst die 23. Staffel, die sich mit allen ihren 14 Episoden dem „Trial of a Time Lord“ widmete).
You can almost not see the wires etc.

Autor Paul Erickson (die co-kreditierte Lesley Scott kann man als Kreativkraft getrost vergessen, Erickson bestand darauf, seine Ehefrau mit einem Credit zu versehen), der bis dato hauptsächlich Fernsehkrimis geschrieben hatte (u.a. einige Folgen von „Simon Templar“) und immerhin mit einer Episode für die SF-Anthologieserie „Out of the Unknown“ („Time in Advance“, eine Adaption einer Story von William Tenn, deren interessantes Gimmick es ist, dass man durch die Teilnahme an lebensgefährlichen Planetenkolonisierungen „carte blanche“ für spätere Verbrechen erringen kann) mit Genre-Erfahrung ausgestattet, nach Ansicht führender britischer SF-Experten stark beeinflusst sowohl von verschiedenen H.G.Wells-Ideen als auch von Nigel Kneales „Quatermass“, befasst sich mit nichts geringerem als dem Schicksal der Menschheit im Angesicht der Zerstörung/Unbewohnbarkeit der Erde – das Konzept der „Arche“ wurde von „Doctor Who“ 1974 im zweiten Tom-Baker-Serial „The Ark in Space“ wieder aufgegriffen (ohne Continuity-Probleme, den die Baker-Arche diente ja explizit der Wieder-Besiedelung der Erde und spielt Millionen Jahre vor der Hartnell-„Ark“. Dass „The Ark“ in Sachen Zeitpunkt der Erd-Zerstörung einer Tenth-Doctor-Folge widerspricht, erklären die Produzenten mit Veränderungen, die der „Time War“ verursacht hat. Also Klappe.)

Die Geschichte selbst ist mit ihrer cleveren Zweiteilung fast schon zu smart für sich selbst – der klassische Doktor war immer eine Angelegenheit, die sich auf Sparstrumpfbudgetlevel abspielte (selbst wenn diese Phase die wohl luxuriöseste für das Team war – man durfte im großen Studio Riverside 1 drehen, wurde aber zu Beginn der vierten Staffel wieder in die klaustrophobischen Lime Grove Studios zurückverbannt) und je ambitionierter Scope und „Aussage“ einer Geschichte wurden, um so leichter wurde es für das unter Zeit- und Gelddruck arbeitende Produktionsteam, sich amtlich zu verheben. „The Ark“ hat für „alter Dokter“-Verhältnisse ziemlich epische Sets (der Hauptversammlungs- und Kontrollraum der Arche z.B.), doch die recht einfältigen Weltraum-Effekte und die Monoid-Kostüme (die in Farbe vermutlich wohl noch peinlicher ausgesehen hätten) kann man selbst mit „das waren halt die 60er und Fernsehen“ kaum entschuldigen – in den USA lief zur gleichen Zeit immerhin „Raumschiff Enterprise“ und selbst die FX in „Raumpatrouille“ sind deutlich besser als was „Doctor Who“ hier abliefert.

Ungeachtet der Einschränkungen, denen „Doctor Who“ eben unterlag, stellt die erste Hälfte der Episode einige interessante Fragen – ist bei einer Mission von der enormen Wichtigkeit der „Arche“ Mißtrauen und Risikominimierung nicht wirklich Priorität? Hat man, selbst wenn die „Tat“, hier eben das Einschleppen des Erkältungsvirus, unbeabsichtigt geschah, nicht doch eine moralische Verantwortung für ihre Folgen und muss für sie einstehen? Man kann für Zentos‘ Standpunkt, die Fremdlinge als „Schadkörper“ so schnell wie möglich wieder rauszuwerfen, durchaus Verständnis entwickeln, betrachtet man, dass nichts weniger als das Überleben gleich zweier intelligenter Spezies (von den Tieren der Erde ganz abgesehen) auf dem Spiel steht (wenn man so will, stehen sich hier die alten Feinde „Ratio“ und „Glaube“ mal wieder gegenüber).

Nach dem grandiosen Cliffhanger von zweiter zu dritter Episode geht’s mit einer weniger moralischen denn aktionsorientierten zweiten Hälfte weiter – nach der Umkehrung der Kräfteverhältnisse zwischen Mensch und Monoid haben wir eine deutlichere „Schurkenrolle“ bei den Monoiden (bei denen aber auch zwei Fraktionen mit gegenläufigen Interessen interne Konflikte austragen). Der Gedanke, dass der Doktor (bzw. seine Companions) des mutierten Schnupfenvirus wegens für den Umsturz verantwortlich sind, ist nett, wird aber nicht weiter ausgearbeitet – hier geht’s weniger um moralische Dilemmas (auch wenn immerhin, was im Vergleich gerade im Umgang mit den Daleks, gegen die Genozid stets als probates und adäquates Mittel gesehen wurde, hier auf ein versöhnliches Zusammenleben von Menschen und Monoiden als gleichberechtigte Partner hingeendet wird und der Doktor den Menschen noch einschenkt, dass sie’s grundsätzlich wegen ihrer vormaligen Knechtung der Monoiden gar nicht anders verdient hätten als Rückzahlung mit gleicher Münze) denn um ein handelsübliches „race-against-time“-Szenario, das allerdings – und da ist die Auflösung relativ schwach – auf ein deus-ex-machina hinausläuft (SPOILER: Wer den Tag letztendlich rettet, sind die Refusianer – der Doktor trägt nicht viel mehr dazu bei, als dass er den Menschen auf der Arche mitteilen kann, wo die Bombe versteckt ist. Für die Beseitigung des Knallkörpers braucht’s dann aber wieder die Refusis…).

Michael Imison, ein Vertragsregisseur der BBC, der zuvor an einer „Buddenbrooks“-Adaption für’s Briten-TV gearbeitet hatte, kämpfte um eine Vertragsverlängerung und hoffte, mit einem spektakulären „Doctor Who“-Serial Punkte zu sammeln. Daher mühte er sich um möglichst epische Shots, bestmögliche Spezialeffekte, flottes Pacing und ein potentiell franchise-taugliches „Monster“ (das Monoid-Design geht im Wesentlichen auf ihn zurück, auch wenn er die fertigen Kostüme dann erst am Set erstmals sah).
Nutzte nur nix, weil er noch vor dem Abdrehen der letzten Episode (eine Doctor-Who-Folge wurde seinerzeit an einem Samstag mehr oder weniger in einem Rutsch aufgezeichnet) den Brief erhielt, mit dem ihm die BBC die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitteilte (womit dann auch die Regie-, Film- und Fernsehkarriere Imisons komplett erledigt war. Die 60er waren harte Zeiten).

Dabei ist wirklich festzuhalten, dass Imison im Rahmen der Möglichkeiten, die er hat, und das sind nun mal nicht viele, gute Arbeit leistet. Klar, die FX sind, wie erwähnt, mies, aber was will man machen, wenn man kein Geld hat (keine FX-orientierten Stoffe angreifen, z.B.? Gez. Der Redaktionszyniker). Besonders die zweite Hälfte ist in der Tat sehr flott inszeniert – so flott, dass man beim Zukucken gar nicht richtig realisiert, wie *wenig* die eigentliche Titelfigur zum Prozedere beiträgt. Dass die Monoiden teilweise dazu tendieren, eher lustig-doof denn bedrohlich-angsteinflößend zu wirken (wenn Zwei z.B. auf Refusis brutal Schnittblumen zu Poden chleudert), ist schon wieder auf eigenartige Weise in sich scary (wenn wir darüber nachdenken, was für Weicheier unsere Nachfahren sein müssen, wenn sie sich von dem Haufen unterwerfen lassen). Wie üblich gibt’s auch den ein oder anderen Lacher, manche unfreiwillig (Hartnells „flubs“ oder die Schwierigkeiten, die Monoid-Darsteller mit ihren Kostümen haben), manche freiwillig (wenn der Doktor sich über die Jugendsprache Dodos echauffiert, die es wagt, tatsächlich Phrasen wie „okay“ oder „fab“ in den Mund zu nehmen).

Hartnell selbst mag hin und wieder mit seinem Text kämpfen, aber den Charakter hat er drauf – in der dritten Staffel ist er inzwischen weit weg vom unwirschen alten Zausel der ersten Folgen, sondern ein jovialer, abenteuerfreudiger alter Knabe geworden (dessen Hintergrundmythologie noch unaufgeklärt ist – er ist in dieser Phase der Serie in der Tat lediglich ein ältlicher Exzentriker mysteriöser Herkunft mit einer geklauten Zeitmaschine. Der ganze Timelord-Krams kam mit dem Wechsel vom zweiten zum dritten Doktor), den die Tatsache, dass er mit der TARDIS nicht wirklich umgehen kann, nicht anficht; Hartnells Enthusiasmus (der allerdings auch dazu führte, dass er sich lange Zeit für unersetzbar hielt) ist unübersehbar und ansteckend.
Jackie Lane als des Doktors neuesten Companion (sie war im vorigen Serial, dem verlorenen „Massacre on St. Bartholomews Eve“ eingestiegen und war hier erstmals „integriert“) könnte Imision bei dessen früherer Arbeit an der TV-Serie „Compact“ aufgefallen sein – mit ihrer anything-goes-Beatnik-Attitüde bringt sie viel Schwung ins Prozedere. Ihr Stint bei „Doctor Who“ war nicht allerdings nicht sonderlich lang.
Peter Purves (Steven) war eine Staffel früher als Mann für die actionhaltigeren Szenen eingestiegen (drei Serials weiter stieg er allerdings aus, zwei Episoden vor Lane) – auch wenn er hier nicht wahnsinnig viel zu tun hat, erfüllt er die wichtige Rolle des „straight man“ gegneüber dem abenteuerlustigen Doktor und der aufgekratzten Dodo.

Eric Elliot (Commander der Arche) scheint irgendwie nicht mitzubekommen haben, dass er nicht Shakespeares Julius Caesar spielt und NICHT notwendigerweise in jedes „yes“ oder „no“ die Gravitas des großen Bühnenmimen legen muss. Inigo Jackson als Zentos ist da schon wesentlich überzeugender.
Brian Wright als Dassuk agiert solid, Terence Woodfield als wankelmütiger Maheris etwas *zu* weichkäsig.

Die Bildqualität ist für eine fast fünzig Jahre alte SF-Serie, die bei der BBC seinerzeit niemand für aufhebenswürdig hielt (weswegen, wie gesagt, ein Großteil der dritten Staffel und der nachfolgenden Troughton-Jahre verloren ist), okay und auch auf einem Flachbildfernseher noch gut ansehbar. Gleiches gilt für den Ton. Als Extras gibt’s eine kurze Dokumentation, die die Verbindung Who-Wells untersucht, eine kurze Featurette über die Monoiden, einen Blick hinter die Kulissen des Riverside-Studios (mit Interviews mit Peter Purves und Michael Imison), Bildergalerie, PDF-Dokumente, Audiokommentar etc.

Fazit: eine sehr unterhaltsames „klassisches“ Who-Serial, dass sich aufgrund seines Standalone-Charakters auch ohne detaillierte Kenntnisse des Who-Kanons für Einsteiger und Reinschmecker in die Hartnell-Ära prima eignet. Natürlich beißt die billige Produktion etwas mehr ab, als die ambitionierte Story verkraftet, aber wer sich von den technischen Unzulänglichkeiten nicht abschrecken lässt, bekommt eineinhalb Stunden gute SF-Unterhaltung serviert.


mm
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