Doctor Bloodbath

 
  • Deutscher Titel: Doctor Bloodbath
  • Original-Titel: Doctor Bloodbath
  • Alternative Titel: Butcher Knife |
  • Regie: Nick Millard
  • Land: USA
  • Jahr: 1987
  • Darsteller:

    Albert Eskinazi (Doctor Thorn), Irmgard Millard (Claire), Frances Millard (Miss Carmicheal), Joan Simon (Miss Stanley), Leslie Simon (Erstes Opfer) u.a.


Vorwort

Aller guten Dinge sind drei – und so habe ich mir nach längerer Schaffenspause einmal mehr ein Werk des hierzulande fast völlig unbekannten Meisteramateurs Nick Millard vorgeknöpft, der unsere Herzen bereits mit „Criminally Insane“ und „Criminally Insane 2“, der Saga um die possierliche Crazy Fat Ethel, die einer guten Sahnetorte ebenso wenig abgeneigt ist wie einem saftig durchgebratenen Mord, höherschlagen ließ. Insgesamt brachte sie es bei ihren Opfern auf eine stattliche zweistellige Anzahl, und wäre sie nicht jeweils am Ende der Filme gefasst worden, hätten es wesentlich mehr sein können, wenn man sie denn gelassen hätte. So gehen Talente verloren, nur weil sie das Fünfte Gebot nicht immer ganz so genau genommen hat.

Wie dem auch sei: Die Pfundskerlin saß offensichtlich nach dem zweiten Teil dauerhaft in der Klapse ein, denn man hat nie wieder von ihr gehört – wenn auch die Hauptdarstellerin Priscilla Alden etwa zur selben Zeit für Millard noch zweimal als mörderische Krankenschwester in „Death Nurse“ (1987) und „Death Nurse 2“ (1988) ihr Unwesen trieb, die man in ihrem schändlichen Tun ganz zweifellos als Reinkarnation von Ethel bezeichnen kann. Dafür hatte der Regisseur aber – dem großspurigen Titel „Doctor Bloodbath“ nach zu urteilen – offenbar einen weiteren Kandidaten in petto, den er in metzelnder Absicht auf die Menschheit loslassen wollte.

Wer die beiden Reviews verpasst hat, darf das Nachlesen gern vorher nachholen. Wer nicht, wählt natürlich einen sehr einfachen Weg und sollte mit mindestens 250 Peitschenhieben auf alle erdenklichen Körperstellen bestraft werden – bevorzugt auf den Sack –, aber im Sinne des Leserservices wiederhole ich dann halt doch noch einmal ein paar Takte zum Macher dieses Films, denn ich mag Nick Millard oben bereits als Meisteramateur bezeichnet haben, aber das wird ihm nicht gerecht. Er war ein Filmbesessener, der zwar keinerlei Ahnung auch nur von den grundlegendsten Dingen des Filmemachens hatte, die er aber hätte wissen müssen, wenn er seine Machwerke schon einem größeren Publikum zugänglich machen wollte, aber kam trotzdem in einem Zeitraum von 53 Jahren (1963 bis 2016) auf insgesamt 71 Filme und war damit länger im Geschäft als der große Alfred Hitchcock. Die Budgets seiner Filme bewegten sich spätestens ab den 80er-Jahren fast schon im Minusbereich, aber dennoch drehte er unaufhörlich weiter – und wenn das bedeutete, dass er alle Verwandten und Bekannten, die sich in seinem Dunstkreis aufhielten und nicht schnell genug fliehen konnten, vor die Kamera – und zum Drehort, vermutlich seinem eigenen Haus – zerren musste, um dort mal eben schnell an einem Wochenende einen weiteren Film mit seinem billigen Camcorder aus dem Sonderangebot des örtlichen Supermarkts abzudrehen.

Doch das war noch nicht alles, was Millard auszeichnete: Im im selben Jahr wie „Doctor Bloodbath“ entstandenen „Criminally Insane 2“ erwies er sich sogar als bewundernswerter Ökonom, indem er im schier unerschöpflichen Fundus von Teil 1 wühlte – und seine Fortsetzung mit so viel als Rückblenden und Träume getarntem Material daraus vollstopfte, dass der Film aus allen Nähten zu platzen drohte. Das Ergebnis war objektiv gesehen so peinlich, dass ich mich für den Regisseur geschämt habe, aber tief im Inneren musste ich mir bereits kurz nach der Sichtung eingestehen, dass das Ergebnis in seiner auf allen Ebenen kolossal versagenden – und „versagen“ ist hier ein eigentlich viel zu weiches Wort, das ich nur verwende, weil noch kein stärkeres Wort erfunden wurde – Gesamtheit ziemlich entzückend war. Man sollte halt ausklammern, dass es darin um eine fettleibige Killerin geht, was ja eher unentzückend ist, aber mein Gott…

Bevor wir loslegen, noch dies: Die Laufzeitanzeige beträgt 57 Minuten, was mich dann doch etwas erstaunt, war ich doch bisher immer davon ausgegangen, dass Millard für seine Filme stets eine Stunde als Ziel anpeilte, weil er nach seinen viel zu früh platzierten „Finals“ der „Criminally Insane“-Reihe (auch zwei Teile sind eine Reihe) mit massenhaft faulen Tricks arbeitete, um die Filme auf über 60 Minuten zu strecken, aber wollen wir ernsthaft über eine zu kurze Filmlänge meckern, wo doch jede Minute weniger Millard-Material positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat?


Inhalt

Auf geht’s – und es geht los mit der Einblendung „AN IRMI FILMS PRODUCTION“. Die fällt mir hier erstmals auf, obwohl auch mindestens „Criminally Insane 2“ schon damit aufwartete. „IRMI FILMS“? Wofür soll das stehen, frage ich mich zunächst, bis ich mir in Erinnerung rufe, in der Zwischenzeit herausgefunden zu haben, dass Nick Millards holde Gattin Irmgard heißt. Irmgard – Irmi! Leute, ich weiß, ich fange heute früh an, in Verzückung versetzt zu werden, aber: Ist das nicht süß? Millard benennt seine Produktions„firma“, für die er letztklassige Amateurfilme dreht, nach seiner Frau. Könnte es einen größeren Liebesbeweis geben?

Als Nächstes wird uns ein weißes, teilweise zerfetztes Plakat rabiat dazwischengehauen – mit dem roten Schriftzug „BUTCHER KNIFE“. Kurz argwöhnte ich, es hier mit dem falschen Film zu tun zu haben, aber es stimmt: „Butcher Knife“ ist der Alternativtitel zu „Doctor Bloodbath“ – so wie „Criminally Insane“ und „Criminally Insane 2“ für alle nur „Crazy Fat Ethel“ und „Crazy Fat Ethel 2“ sind. Eine Hand sticht mit einem langen Messer ins Plakat (ich möchte wetten, es ist genau das Messer, das auch Priscilla Alden bei ihrer Mordserie in „Criminally Insane 2“ teilweise verwendete), und das Grundrauschen im Hintergrund macht frühzeitig die Videoherkunft des Films deutlich.

Wer sich jetzt schon sofort wie zu Hause fühlt, wird dies erst recht tun, als die nächsten Texttafeln erscheinen, die – und jetzt möchte ich Millard mindestens die Füße küssen – die Texttafeln aus dem originalen „Criminally Insane“ von 1975 sind!! Kurzum: Dieselben Texttafeln, die auch schon einmal für „Criminally Insane 2“ recycelt wurden, kommen gleich noch ein weiteres Mal in „Doctor Bloodbath“ zum Einsatz. Außerdem gibt es ein Wiederhören mit dem altbekannten dissonanten Soundtrack (ebenfalls bereits zu hören in „Criminally Insane“ und „Criminally Insane 2“), den ich mit voller Inbrunst hasse, aber auf derartige Befindlichkeiten hat Millard ja noch nie Rücksicht genommen.

Eine Variation gibt es dann aber doch – und zwar verzichtet der Vorspann diesmal auf den Credit „starring PRISCILLA ALDEN – MICHAEL FLOOD“, den es in „Criminally Insane“ und „Criminally Insane 2“ noch gab. Zwar spielte bereits in Teil 2 Michael Flood (außer in Rückblenden) nicht mehr mit, aber immerhin noch Priscilla Alden. Jetzt – in „Doctor Bloodbath“ – sind beide nicht mehr mit von der Partie. Gut, streng genommen sind auch alle anderen Darsteller, die in den Credits aufgeführt werden, nicht mit dabei, weil sie ja nur in „Criminally Insane“ mitgemacht haben, aber wahrscheinlich bekam Millard dann doch bisher nicht gekannte Skrupel, „Doctor Bloodbath“ als einen Film mit „Star“ Priscilla Alden auszugeben, wo sie doch null Minuten und null Sekunden Screentime hat – und so löschte er die Tafel. Gleichzeitig bedeutet das einmal mehr (siehe auch meine Anmerkung an der entsprechenden Stelle in „Criminally Insane 2“), dass alle in „Doctor Bloodbath“ mitspielenden Darsteller keine Credits erhalten und nur dank der IMDb zugeordnet werden können (zumindest sieben davon).

Könnt ihr mir eigentlich noch folgen?

Nach dem Vorspann sehen wir einen alten weißen Wagen eine Straße entlangfahren. Der Wagen parkt vor einer Garage, und ein Schnauzbartträger entsteigt ihm. Kenner von „Criminally Insane 2“ erkennen ihn bestimmt: Es ist Albert Eskinazi, der dort Ethels kriminellen Mitinsassen und mehrfachen Gattinnenmörder in der Rehabilitionseinrichtung Edgar Stanley spielte und schließlich als Opfer der fiesen Killerin endete. Dort wie hier verfügt er von der ersten Sekunde über eine Bildschirmpräsenz, die ich irgendwo zwischen einem zerquetschten Hamster und einem muffigen Spültuch einsortieren würde. Er steigt aus, nimmt seine Tasche von der Rückbank und spaziert gemütlich zu einem Haus, um dort an der Tür zu klingeln. Eine junge Frau öffnet.

Sie: Hello doctor, come in!
Er: Thank you.
Sie: You said on the phone there is something wrong with my test?
Er: Yes. Are you alone?
Sie: Yes.
Er: Can we sit down?
Sie: Sure. In here.

Wir spüren bereits jetzt: Hier liegt was in der Luft – im Zweifel trivialste, konsequent im Schuss-Gegenschuss-Verfahren aufgenommene Dialoge, die unweigerlich an ein Best-of von Quentin Tarantino erinnern.

Der Doktor hat Neuigkeiten für seine Patientin: Einer der an ihr durchgeführten Tests war positiv. Die Patientin kann sich zwar nicht daran erinnern, irgendwelche Tests gemacht zu haben, aber der Doktor verfügt über ein besseres Gedächtnis als sie: „Of course we do. We do more than just perform an abortion.“ Für ihn ist es deshalb unerlässlich, sofort eine Vitamininjektion an ihr vorzunehmen, um die bei der Abtreibung entstandene Infektion zu bereinigen. Bereitwillig hält sie ihm einen Arm hin – und der Doktor gibt ihr in Großaufnahme eine Spritze. Oder sagen wir: Der Doktor gibt ihr in Großaufnahme KEINE Spritze, denn die Einstellung von der Spritze im Arm hat Millard bereits 1975 in „Criminally Insane“ verwendet. Wie gesagt: ein großer Ökonom, das. (Und womöglich war die Einstellung bereits 1975 Stock Footage.)

Die Patientin verspürt umgehend eine unbegreifliche Müdigkeit und glaubt, dass hier etwas nicht stimmt. Wie recht sie doch haben soll: Einen groben Schnitt später trägt der Doktor seine bewusstlose Patientin die Treppe hoch und legt sie dort in eine Badewanne. Im Hintergrund ist leise das zermarternde „Criminally Insane“-Theme zu hören – und ich bin mir ziemlich sicher, dass, da Millard die technischen Möglichkeiten für zwei parallele Tonspuren fehlten, irgendwo außerhalb des Kamerablickwinkels ein Fernseher in Zimmerlautstärke eingeschaltet ist, auf dem der große Regisseur den Vorspann einer seiner „Criminally Insane“-Kopien laufen lässt.

Für den Doktor heißt es eins nach dem anderen und immer mit der Ruhe: Nachdem er die Patientin in der Badewanne abgelegt hat, geht er die Treppe runter zu seiner Tasche, um ein Messer herauszunehmen. Dann geht er wieder hoch. Man kann es sich vorstellen: Es ist qualvoll aufregend. Während die Patientin in der Wanne wieder zu sich kommt, kniet sich der Doktor hin – und sticht zu! Bereits bei diesem ersten Stich sehen wir eine Blutlache auf ihrem Körper, die da in der Ausprägung noch gar nicht sein kann. „Uah“, krächzt das wehrlose Opfer immerhin dezent beeindruckt und bleibt angesichts der sich noch anschließenden – von mir laut nachgezählten – 24 Messerstiche verblüffend cool. Es nützt nur nichts, denn danach ist sie tot. Technisch sieht das Ganze so aus, dass die Einstiche unsichtbar bleiben und wir stattdessen nur den Doktor sehen, wie er nicht mal sonderlich stark mit dem Messer nach unten sticht – offenbar darauf bedacht, nichts von der Badezimmereinrichtung kaputtzumachen, was ihm der Regisseur im Nachgang in Rechnung stellen könnte. Dass einzelne Einstellungen in dieser „Psycho“-like geschnittenen Szene wiederholt werden, versteht sich dabei von selbst.

Nach vollbrachter Tat steht Doktor Blutbad auf, und Millard schneidet für einige Sekunden ein paar Straßenverkehrsaufnahmen ein, die er vermutlich in einem alten selbst gedrehten Urlaubsvideo gefunden hat. Dies bedeutet einen Schauplatzwechsel. Wir sehen Doktor Blutbad auf einem Stuhl hinter einem Schreibtisch sitzen, doch, liebe Leser, wohnen wir hier nicht dem langweiligen Büroalltag eines durchgeknallten Arztes bei, sondern den abschließenden Worten eines von ihm vor Publikum gehaltenen Vortrags: „A doctor‘s primary concern has always been and must always be the health and the well-being of his patient. Thank you.“ Ironie hat Millard drauf.

Die Illusion, dass Doktor Blutbad in einem Hörsaal einen Vortrag vor Publikum hält, wird gleich durch mehrerlei Dinge zerstört. Erstens: der fehlende Hörsaal. Millard hat die Szene offenkundig in seinem Arbeitszimmer gedreht – weil er keine Drehgenehmigung für einen Hörsaal hatte. Zweitens: das fehlende Publikum. Millard hatte keine Komparsen zur Verfügung, die ein Publikum hätten simulieren können, weshalb wir nur Doktor Blutbad am Schreibtisch sitzen sehen ohne Zwischenschnitte auf etwaige Zuhörer. Aber auch hier macht Millard aus der Geldnot eine Tugend: Wir hören nach Abschluss der Rede – zumindest mit etwas Fantasie, und das auch sehr leise – das Klatschen der vermeintlichen Zuhörerschaft, wobei das Klatschen, wie ich es eben schon bei der Musik vermutete, durch die Wiedergabe einer Aufnahme einer applaudierenden Menschenmenge simuliert wird, die über den neben der Kamera platzierten Fernseher abgespielt wird. Und drittens: die ungenügende Körperhaltung. Seit meiner Schulzeit habe ich niemanden mehr einen solch jämmerlichen Vortrag wie den von Doktor Blutbad halten gesehen: völlig in sich zusammengesunken, mit gefalteten Händen und aufeinander klopfenden Daumen sowie mit gesenktem Kopf quasi seinen ganzen Text vom vor ihm liegenden Zettel ablesend. Ich kann es ja verstehen: Darsteller Eskinazi wird für diese Rolle bis auf einen feuchten Händedruck kein Geld erhalten haben. Da kann man nicht erwarten, dass er einen Satz auswendig lernt, der aus mehr als drei Wörtern besteht.

Dann sehen wir wieder den weißen Wagen von Doktor Blutbad. Er hält vor einem Haus, das garantiert schon der Hauptdrehort von „Criminally Insane 2“ war, steigt aus und nimmt seine Tasche von der Rückbank. Dann geht er zur Haustür. Wer Millard kennt, weiß, dass das seine gängigen Mittel sind, um die Laufzeit zu erhöhen – zeigen, wie nichts passiert. Er kann nicht viel, aber das kann er gut. Man hört auch den Wind gegen die Kamera blasen. Das beschert mir Flashbacks zurück in die 90er-Jahre, in denen ich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte, wenn ich mit meiner Kamera gefilmt habe. Manchmal überlagerte der Wind auch das gesprochene Wort. Gut, dass gerade nicht gesprochen wird.

Eine Frau an der Schwelle der Wechseljahre steht vor einem Spiegel und parfümiert sich im und um den Ausschnitt. Es soll ja Darstellerinnen geben, die nichts dagegen haben, auch in einem etwas betagteren Alter blank zu ziehen, aber diese Darstellerin gehört nicht dazu. Sie mag sich noch die Träger ihres Kleides für die Parfümeinlage herunterziehen, aber nackte Haut, die darüber hinausgeht? So weit reicht die Liebe doch nicht – und das ist an dieser Stelle sogar wörtlich gemeint, denn die Frau, die wir hier sehen, ist Irmgard Millard, besagte Ehefrau unseres Wunderregisseurs.

Nachdem wir ihr bei dieser interessanten Tätigkeit eine Weile lang zugesehen haben, betritt auch schon Doktor Blutbad das Haus. Es scheint ihm zu gehören, weil er die Tasche wie selbstverständlich auf den Couchtisch wirft und sich dann auf die Couch fallen lässt, wo er dann erstmal sitzt (hat er sich nach dem Mord redlich verdient), begleitet von sinnlosen Zooms auf seine Hand und sein Gesicht. Die Frau verlässt das Schlafzimmer und geht die Treppe runter, die vermutlich dieselbe Treppe ist, die Doktor Blutbad vorhin bereits bei seinem ersten Opfer auf- und abstieg – nur dass es vorhin ein anderes Haus sein sollte. Die Frau bleibt auf der Treppe stehen, weil Doktor Blutbad immer noch zusammengesunken auf der Couch sitzt. „Hello darling, you’re home early“, gibt sie sich sogleich als dessen Frau zu erkennen. „Yes, I’m tired“, gibt Doktor Blutbad zu. Frau Blutbad ist eigentlich bereits auf dem Sprung in den ominösen Garden Club, wie sie verrät, aber da sie um das leibliche Wohl ihres Gemahls besorgt ist, bittet sie vorher noch Haushälterin Wanita darum, ihm was Leckeres aufzutischen. In einem der wahnsinnigeren von vielen wahnsinnigen Momenten des Films entpuppt sich jene Wanita als Stock-Footage-Haushälterin aus Nick Millards 1976 gedrehtem „Satan’s Black Wedding“. Das sieht dann so aus, dass Frau Blutbad an der Küchentürschwelle nach Wanita ruft und die dann für vielleicht zwei Sekunden aus dem 76er-Film eingeschnitten wird, wie sie gerade irgendwas in der Küche werkelt. Man sieht sie auch gar nicht auf den Ruf reagieren, nur kurze Einblendung, zack, fertig.

In der Zwischenzeit sind die Cops auf die Leiche in der Badewanne aufmerksam geworden. Merkwürdigerweise ist sie nun wesentlich weniger blutverschmiert als vorhin noch während des Mordes, aber mit solchen Kontinuitätsfehlern will ich mich gar nicht groß aufhalten – der ganze Film ist ein Kontinuitätsfehler. „Poor kid never had a chance“, seufzt der Ober-Cop traurig – und ein Stock-Footage-Unterling aus „Satan’s Black Wedding“ meint: „We’re finished out here, Lieutenant.” Ober-Cop bittet ihn darum, den Gerichtsmediziner hereinzuschicken, und Stock-Footage-Unterling aus „Satan’s Black Wedding” nickt. „I’m gonna find the son of a bitch who did this to you“, schwört der Ober-Cop, die Tote zu rächen. Wenn ich an die allgemeine Nutzlosigkeit der Polizei in Millard-Filmen denke, habe ich wenig Hoffnung.

Dann entstaubt Millard mal wieder einst von ihm gefilmtes Stadtverkehrstreiben, das ursprünglich nicht für diesen Film gedacht war, und fügt es ein, um den Schauplatz zu wechseln. Die Anordnung der Archivbilder ist dabei mit abenteuerlich gut beschrieben. Frau Blutbad geht in ein mehrstöckiges Haus, das sich zu meiner Überraschung auch von innen tatsächlich mal als ein anderes Gebäude darstellt als das, in dem sich der größte Teil der „Handlung“ bisher abgespielt hat. Dort, wo sie klopft, wohnt ein eher unansehnlicher Mann mit Vollbart und Halbglatze und setzt gerade zum Sprechen an, als ein abrupter Schnitt auf Frau Blutbad andeutet, dass Millard hier wohl ein paar Sekundenbruchteile zu spät geschnitten hat. Wie es scheint, hat sie sich verfahren und möchte von Halbglatzenmann wissen, wie sie zum Garden Club kommt. Wer oder was auch immer der Garden Club ist. Halbglatzenmann erwidert mit osteuropäischem Akzent, dass sie da hier falsch wäre. Ich weiß nicht so recht, ob das die Antwort ist, die sie hören wollte, jedenfalls zieht sie sich im nächsten Moment höchst sexy erst den linken, dann den rechten Träger ihres Kleides herunter und betritt die Wohnung. Anstatt sie herauszuschicken, schließt er die Tür hinter sich und seinem Gast. Tja, Leute, auch wenn es sonst keiner bemerkt hat – ich eingeschlossen –, sind hier soeben zwei Menschen in purer Leidenschaft entbrannt.

Als Nächstes sitzt eine alte Frau hinter einer Schreibmaschine und tippt. Die alte Frau erkennen wir, die wir ja „Criminally Insane 2“ gesehen haben, sofort als Frances Millard wieder, Nicks Mama. Dort war sie die arme Resozialisierungsanstaltsleiterin Hope, die zwar nie die Hoffnung aufgeben wollte, aber dennoch hoffungslos von Ethel erschlagen wurde. Hier ist sie Doktor Blutbads Krankenschwester, die während des Tippens einen Anruf erhält und für den nächsten Tag einen Abtreibungstermin mit der Anruferin ausmacht.

In seinem „Büro“ sitzt wiederum Doktor Blutbad und bittet jene Krankenschwester Miss Carmicheal darum, ihm die Akten für diejenigen Frauen vorbeizubringen, die im vergangenen Monat Abtreibungen haben durchführen lassen. „Yes, Dr. Thorn“, antwortet sie. „Thank you, Miss Carmicheal”, sage ich, denn endlich habe ich einen Namen für unseren gewalttätigen Doktor. Thorn wartet auf die Akten, seufzt, schlägt die Daumen aufeinander (Zoom!) und seine Augen zwinkern etwas stärker als gewöhnlich (Zoom!). Wenn ich übrigens Zoom schreibe, meine ich einen Langsam-Zoom. Macht das Ganze nicht weniger rumpelig. Dann erhält Thorn seine gewünschten Akten und durchstöbert sie (Zoom!).

Im nächsten Gegenschnitt sitzt plötzlich eine junge Frau dem Arzt gegenüber. Nichts deutete auf einen Zeitsprung hin, aber da ist er – Arzt schaut Akten an, Schnitt, Frau da, neuer Tag. Jedenfalls glaube ich, dass es sich bei Thorns neuer Patientin um die Frau handelt, die eben noch mit der Krankenschwester einen Termin für den nächsten Tag ausgemacht hatte. So oder so setzt Millard die einfachsten Regeln der Schnitttechnik dreist außer Kraft. „Have you ever had an abortion?“, fragt Thorn und haut dabei seine Daumen aufeinander. Scheint seine Marotte zu sein. Tatsächlich hatte die Frau bereits eine Abtreibung, aber die Narkose hat sie gut überstanden, und auch Herzprobleme hat sie nie gehabt. Gegenschnitt auf den Killer-Arzt, der seine Akten zusammenlegt und aufsteht. Die Patientin scheint nicht mehr da zu sein, sodass ich vermute, dass dieser Schnitt SCHON WIEDER einen abrupten Zeitsprung bedeutete. Wie gesagt: Wie man Szenen sinnvoll aneinanderschneidet, ist für Millard ein Buch mit sieben Siegeln.

Ein noch schlimmeres Beispiel dafür ist die sich direkt anschließende Szene. Zunächst beweist Millard noch, dass er den ungeheuer aufregenden und daher auch bereits zweimal vorgeführten Vorgang „Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür“ auch genau anders herum drauf hat. Also: Thorn geht zu seinem Wagen, öffnet die Hintertür, legt seine Tasche rein, steigt ein und fährt los. In diesem Fall fährt er sogar ZWEIMAL los, weil Millard die Einstellung, in der Thorn rückwärts vom Parkplatz rollt, versehentlich doppelt zeigt. Ein Schlachtfest der Inkompetenz, das Freude macht.

Dann sind wir mal wieder bei Frau Blutbad zu Gast, die wir ab sofort auch Mrs. Thorn nennen können. Sie geht die Treppe herunter – ein ähnlich spannendes Erlebnis wie die Thorn-parkt- und Thorn-fährt-los-Arien – und schreitet zur Küche, um Haushälterin Wanita ihre neuerliche Abwesenheit mitzuteilen („Garden Club business“ – langsam wüsste ich ja schon mal ganz gern, was es mit diesem Garden Club auf sich hat). Wanita rödelt stumm an der Herdplatte rum und tut so, als hätte sie nichts gehört, was nicht verwunderlich ist, weil sie ja Stock Footage von 1976 ist und daher auch nichts gehört haben kann. Mrs. Thorn tut aber so, als würde ihre Angestellte auf sie reagieren und bedankt sich: „Gracias, Wanita!“

Dr. Thorn kurz im Wageninneren, ehe er seinen Wagen parkt. Wir kennen das Spiel mittlerweile: Thorn steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür. Es ist aber nicht sein eigenes Haus, sondern das jener Patientin, die er vorhin in seiner Sprechstunde hatte. Sie öffnet ihm die Tür.

Er: Hello, Miss Stanley!
Sie: Hello, doctor!
Er: I don’t want to alarm you but one of your tests came back positive.
Sie: Test? What kind of test?
Er: One of the standard tests we do.

Okay, jetzt ist Miss Stanley bestimmt schlauer. Dr. Thorn ist ihr vertrauenswürdig genug, um ihn auf seine Bitte hin in die Wohnung zu lassen, auch wenn der Blick skeptischer wird, als er obendrein wissen möchte, ob sie allein ist. „What’s wrong with me?“, möchte sie wissen, aber Thorn stellt lediglich seine Tasche auf der Treppe ab und schweigt. Ich möchte nicht ausschließen, dass es exakt die Treppe ist, die auch die Thorns zu Hause haben, weil Millard nun mal fast ausschließlich bei sich zu Hause drehte. Als Antwort auf die etwas hysterischer gestellte Reaktion der Frau („Doctor, tell me what’s wrong!“) kramt Dr. Thorn eine Axt aus seiner Arzttasche. Das bemerkt die doofe Miss Stanley aber erst, als er bereits ausholt (insert „Criminally Insane“-Musik here) und ihr das spitze Werkzeug insgesamt 19 Mal in die Halspartie hämmert. Immerhin: Beim 15. Schlag quiekt sein Opfer dann auch einmal kurz auf, um schließlich leblos liegen zu bleiben. Zur Umsetzung bleibt nur zu sagen: Wir sehen Thorn abermals ständig ausholen und auf sie einschlagen, aber Einschläge sehen wir keine, nur etwas Erdbeerkonfitüre am Hals der Frau. Übrigens ist es diese Szene, die deutlich macht, dass Millard mit diesem Film ein Anliegen hat, das über einen reinen Slasher hinausgeht, auch wenn mir vor Lachen fast der Kopf abgeflogen ist. Während Thorn die arme Miss Stanley zu Hackfleisch verarbeitet (bzw. verarbeiten müsste, ihre Körperteile bleiben bis zum Schluss dran), stößt er empört nur ein Wort aus: „Murderer!“ Ja genau, er brüllt „Murderer!“, während er sie zu Klump haut. Das ist vermutlich die hinterhältigste Täter-Opfer-Umkehr, die mir je begegnet ist. Andererseits: Steckt in seiner Anklage nicht doch ein wahrer Kern? „Doctor Bloodbath“ entpuppt sich auf nicht mal halber Strecke als bedenkenswerte Anti-Abtreibungs-Parabel. Das ändert natürlich alles… nichts.

Mrs. Thorn – so nehme ich an – ahnt von dem Doppelleben ihres Mannes nichts und hat es sich beim osteuropäischen Halbglatzenmann-Adonis auf dem Bett bequem gemacht. Von wegen „Garden Club business“. Halbglatzenmann sitzt währenddessen im selben Zimmer an seinem Schreibtisch und kritzelt irgendwas auf ein Blatt Papier. Die Unordnung in diesem Zimmer (eine wirre Zettelwirtschaft mit übereinandergestapelten Büchern) beschert mir nostalgische Gefühle: In genau einem solchen Umfeld habe ich früher meine Homevideos auch gedreht – und den Look meiner Homevideos trifft „Doctor Bloodbath“ auch haargenau. Dazu läuft irgendwo – warum auch immer gerade jetzt – die „Criminally Insane“-Musik auf einem nicht gezeigten Fernsehapparat.

Nach etwas Gekritzele dreht sich Halbglatzenmann zu Mrs. Thorn um. Es mag bislang nicht so ausgesehen haben, aber Halbglatzenmann ist ein Intellektueller. Woran ich das festmache? Nun, zum einen klemmt er sich seinen Bleistift hinters Ohr, und das machen doch alle Intellektuellen, die was auf sich halten. Und zum anderen hat er da was ganz Tolles für Mrs. Thorn geschrieben: „This poem is to you, my darling. Because you are my inspiration.“ Mrs. Thorn nennt den Poeten sogar beim Namen (ich verstehe „Jersey“, aber so werden Osteuropäer ja wohl kaum heißen, oder?) und ist ganz gerührt von ihrem kleinen Romantiker. Das heißt: Sie wäre es vielleicht, wenn Irmgard Millard nicht wie alle anderen Darsteller in diesem Film selbst von einer seit zwei Jahren abgelaufenen Rindermettwurst an die Wand gespielt werden würde. Dann steht Jersey auf (ohne Bleistift hinterm Ohr) und legt sich zu Mrs. Thorn aufs Bett (mit Bleistift hinterm Ohr – die Wunder der Continuity!), um ihr das Gedicht zu überreichen. Wenn wir nach ihren Worten gehen, ist es „beautiful“, insofern ist es schade, dass Millard das Gedicht weder mittels Voice-over einsprechen (na gut, das hätte seine technischen Möglichkeiten vermutlich überfordert – Stichwort: zweite Tonspur) noch Mrs. Thorn es laut vorlesen lässt. Aber gönnen wir den beiden etwas Intimität: Letztlich geht uns das Gedicht ja auch nichts an.

Eine Sache liegt Jersey dann aber doch noch am Herzen, und zwar eine, die ihm, wie er selbst sagt, peinlich ist. Kurz unterbricht ein blauer Bildschirm den Dialog unfreiwillig. Personen, die früher viel gefilmt haben und alte abgenudelte Kamerakassetten im Besitz haben, kennen das Problem – irgendwann leidet die Qualität, und es gibt Bildaussetzer. Zum Glück sind Bild und Ton gerade rechtzeitig wieder da: Weil er seit sechs Monaten keine Gedichte mehr verkauft hat, ist er knapp bei Kasse und benötigt dringend 650 Dollar für die Miete. Die hoffnungslos in ihn verliebte Mrs. Thorn hilft dem Pleitegeier nur zu gern aus, wofür Jersey als Dankeschön schüchtern – manche würden sagen: unbeholfen – ihre Arme in die Hand nimmt und ihr zwei zarte Küsse auf ihre rechte und ihre linke Wange gibt. Wangenküsse waren für Irmgard Millard vermutlich gerade noch so im Rahmen des Zumutbaren, wenn sie schon unbedingt für ihren Mann drehen muss, weil der mal wieder nicht genug Darsteller herangekarrt hat, aber auch das kann nicht verhindern, dass man die Glut der Begierde spürt. Es fühlt sich an, als würden Alf und Kate Tanner miteinander fremdgehen.

Aber alle Erotik soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier immer noch ein Mörder umgeht. Die Polizei kann wieder einmal nur den Tod einer jungen Frau feststellen, sprich: den von Miss Stanley. In sekundenkurzen Einstellungen knipst erst ein Fotograf in schlechtem vergilbten Stock-Footage-Zustand die zugerichtete Leiche, ehe ein anderer Mann in schlechtem vergilbten Stock-Footage-Zustand was in ein Buch kritzelt. Nur der Lieutenant, der auch schon am vorherigen Tatort war, ist echt, und ich bedaure den Darsteller etwas, da er vorgeben muss, mit seinen Angestellten zu sprechen, wo doch aber gar niemand da ist. Sein Riecher ist aber erstaunlich intakt: „It’s him! He just used a different weapon this time. This guy likes to see ‘em bleed.“

Erst jetzt wäscht sich auch Dr. Thorn nach seiner Missetat seine blutigen Hände über einem Waschbecken. Und SO ist er den ganzen Weg nach Hause gefahren? Oder ist das nur wieder einer dieser legendären Millard-Montagen und er hat diese Szene irgendwie zeitlich falsch eingeordnet? Klar ist: Auch dieser Vorgang erfordert Zeit. Daher gibt es auch noch einen Schwenk auf den sich im Spiegel betrachtenden Killer und einen Schwenk zurück ins Waschbecken. Danach sehen wir ihn plötzlich extrem schlecht ausgeleuchtet stumm vor einem bunten Hintergrund stehen, der bildlich so mies etabliert wird, dass ich nur vermuten kann, dass er in einer Kirche vor einem verzierten Fenster steht. Er mag etwas ungeschickt darin sein, aber ich meine, dass Millard hier suggerieren will, dass Thorn seine Taten selbst hinterfragt und in der Kirche Buße tut – immer vorausgesetzt natürlich, das ist eine Kirche. Immerhin: Das ist mehr „charakterliche Sorgfalt“, als ich unserem Regisseur zugetraut hätte.

Der Alltag wartet: Zurück in der Wohnung… äh… Abtreibungsklinik führt die Krankenschwester eine neue Patientin ins Büro des Arztes, was für den – entschuldigt bitte den Superlativ, aber Millard hört einfach nicht auf mit seinen geradezu irrwitzigen Entscheidungen – bislang mit weitem Abstand bizarrsten Moment des Films sorgt. Die neue Patientin heißt Miss Rogers – so weit, so gut – und ist aus Gründen, die ich mir nicht mal im Traum erklären kann, im Gesicht mit kiloweise brauner Schuhcreme zugekleistert!!

WAS ZUR HÖLLE?!

Blackfacing ist die eine Sache, die in unsensibleren Zeiten als den heutigen vermutlich nur wenige gejuckt hat. Die andere und für mich viel wichtigere Sache ist meine Frage: Warum? Warum muss Miss Rogers schwarz sein? Gab es eine Schwarzen-Quote zu erfüllen? Stellt sie überhaupt eine Schwarze dar? Oder soll sie als abschreckendes Beispiel für einen außer Kontrolle geratenen Solariumbesuch und die verheerenden Folgen herhalten? Ich gebe es zu: Ich bin verloren.

Thorn stört sich an dem sonderbaren Äußeren seines Gegenübers zumindest äußerlich nicht. Ein Dorn im Auge ist ihm da vermutlich schon eher, dass Miss Rogers sich für eine Abtreibung entschieden hat. „You’ve considered the alternatives?“, fragt er, und ich frage mich, ob es da mehrere gibt. Abtreibung oder… äh… Nichtabtreibung? Doch ihre feste Entschlossenheit, ihr Baby wegmachen zu lassen, resultiert darin, dass er seine Daumen aufeinanderschlägt. Die Zeitbombe in ihm – sie ist wieder aktiviert. Bei der Gelegenheit sollte er vielleicht auch ein ernstes Äxtchen auf seine Putzfrau hauen, denn ein Kameraschwenk offenbart denselben völlig verwelkten Blumenstrauß auf seinem Schreibtisch, der schon bei der letzten Schreibtischszene drauf stand.

Miss Rogers sitzt in der nächsten Szene bereits auf dem… hüstel… gynäkologischen Stuhl. Ich war noch nie bei einer Abtreibung dabei, aber ist es normal, dass die Abtreibende dabei fast wie eine Mumie in Bettlaken eingewickelt wird, nur mit freibleibendem Gesicht? Als Arbeitswerkzeug dient Thorn eine Bratenspritze (!), mit der er den Embryo und die Gebärmutterschleimhaut „absaugt“. Wie bei den bisher gezeigten Morden sehen wir dabei natürlich absolut gar nichts, sondern lediglich Thorns Armbewegungen, mit denen er andeutet, die Bratenspritze vaginal rein- und rauszuschieben. Hin und wieder windet sich auch die Patientin auf ihrem Stuhl, aber hauptsächlich sehen wir Thorn bei der Arbeit zu – mit ganz, ganz vielen Zooms vor und zurück. Seinen diabolisch gemeinten Blick aus halber Unteransicht – eine von mehreren Einstellungen, die während der Prozedur mehrmals wiederholt werden – könnte auch ein Mogwai nicht beängstigender hinkriegen.

Allerdings wird diese einmal mehr über Gebühr ausgedehnte Szene noch mit eingestreuten Visionen aufgefüllt, die eine nackte und einem echten Baby selbstverständlich sehr, sehr ähnlich sehende Babypuppe zeigen, in der ein Messer steckt und die mit roter Farbe bespritzt ist. Schon klar, der Arzt ist wahnsinnig, da sieht man schon mal vor seinem inneren Auge nackte Babypuppen, in denen Messer stecken. Irgendwann, als man als Zuschauer bereits gerädert ist wie nach einem „Harry Potter“-Filmmarathon, wird Thorn dazwischengeschnitten, wie er mit einem spitzen Messer auf die arme Plastik-Babypuppe einsticht, die ja nun wirklich niemandem was getan hat. Und als ich schon hoffte, damit wäre die Szene zu Ende, geht es noch ein paar Mal mit der Bratenspritze und den hastigen Armbewegungen des Arztes weiter. Ich sag’s euch: Danach fühlt man sich, als hätten einem mehrere Boxer gleichzeitig was auf die Glocke gegeben. Schließlich schreit die Frau einmalig laut auf (der kläglichste Schrei, den je eine Frau ausgestoßen hat), und Thorn kann Entwarnung geben: „It’s over.“ Danke.

Erstaunlich genug scheint Miss Rogers den Abtreibungsprozess trotz der gewalttätigen Gedanken ihres Arztes überlebt zu haben (derart blutige Visionen hätten auch ins Auge gehen können), denn als Nächstes passiert das hier: Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür. Man wähnt sich in einer Zeitschleife – nicht nur, weil wir zum sage und schreibe vierten Mal Zeuge dieses fünfstufigen Vorgangs werden, sondern auch, weil Millard mittlerweile das Filmmaterial ausgegangen ist: Dieselben Bilder haben wir vorhin schon einmal bei Thorns Heimkehr nach dem ersten Mord gesehen. Damit nicht genug wiederholen sich in der Folge auch einige Einstellungen, in denen Thorn sein Haus betritt, seine Tasche auf dem Couchtisch ablegt und sich auf die Couch pflanzt. Danach gibt es zum zweiten Mal den sehr schlecht ausgeleuchteten Thorn in der vermeintlichen Kirche. Fürs Protokoll: Wir haben gerade einmal 23 Minuten rum, und Millard weiß schon jetzt nicht mehr weiter.

Dann braucht es mal wieder eine neue „Thorn sitzt hinter dem Schreibtisch und stöbert in seinen Akten“-Szene. Er greift zum Telefonhörer und ruft eine weitere Patientin an, eine Miss Andrews – und dazu dieser Dialog:

Er: Miss Andrews, I don’t want to be overly concerned but one of your tests came back with a positive result.
Sie: Is that bad?

BUMM! Das war mein Kopf, der vor Schmerz auf die Tischplatte geknallt ist.

Thorn deutet an, dass er lieber persönlich mit ihr über den Test sprechen möchte. Nach kurzem Zögern stimmt sie zu.

Da das persönliche Gespräch einen Hausbesuch bedeutet, kann die nächste Szene nur so aussehen: Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür. Miss Andrews in ihrem Haus atmet schwer durch, steht auf und geht zur Tür, um dem Doktor zu öffnen. Die Tonspur hat vergessen, einen Klingel- oder Klopfton aufzunehmen, weshalb es so wirkt, als wäre sie instinktiv zur Haustür gegangen.

Er: Hello, Miss Andrews!
Sie: Hello, doctor! Come in.
Er: Thank you.
Sie: Please sit down.

Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass der Wortschatz des Drehbuchautoren, der mit 99,98%-iger Wahrscheinlichkeit Nick Millard ist – immer davon ausgehend, dass es tatsächlich ein Drehbuch gab –, nicht einmal die Hundertermarke knackt.

Im Hintergrund bellt ein Hund und weckt bei mir angenehme Erinnerungen an „Criminally Insane 2“. Da wuselte auch schon ein nervtötender Kläffer am Drehort herum, und seine Anwesenheit lässt mich vermuten, dass der Schauplatz – obwohl inzwischen offiziell das vierte verschiedene (Opfer-)Haus – immer noch ein und derselbe wie bei sämtlichen anderen Innenaufnahmen ist (vielleicht mal abgesehen von den Szenen mit Dichter Jersey, dessen Darsteller vielleicht sogar seine eigene Wohnung zur Verfügung stellte). Einmal mehr vergewissert sich Thorn, ob er und seine Patientin unter sich sind, und einmal mehr hat er Glück. Diesmal meine ich sogar ein leichtes Grinsen über sein Gesicht huschen zu sehen (ein zweiter Gesichtsausdruck, den ich Eskinazi beim besten Willen nicht zugetraut hätte). Miss Andrews hätte gern gewusst, worum es überhaupt geht.

Er: It’s about something evil.
Sie: Evil? What evil?

Ja verdammt, Thorn, rück schon raus mit der Sprache! Meinst du das böse Böse oder das gute Böse? Ich vermute, er meint das böse Böse, weil er im nächsten Moment einen Schraubenzieher aus seiner Tasche hervorzaubert. Das macht er sehr langsam, aber nicht langsam genug für Miss Andrews, die in getreuer Kanonenfutter-Manier, die ja allen Opfern in Millard zu eigen ist, erst checkt, was Sache ist, als er im Begriff ist, mit dem Utensil auf sie einzustechen (auf die technisch gewohnt schlichte Weise). Ich zähle 15 Mal – ein viel zu langwieriger Mord für einen einzelnen Schrei, weshalb Millard den einzelnen Schrei auch einfach mehrfach hintereinander loopt. Ich glaube nicht mal, dass das der Schrei der Frau ist, sondern irgendeiner aus einem anderen Film. Das Endergebnis bleibt aber für Miss Andrews ähnlich katastrophal: Die arme Frau sackt blutüberströmt und mausetot an der Wand hinter ihr zusammen. Thorn packt seinen Schraubenzieher ein und begutachtet kurz sein teuflisches Werk – bevor er zum inzwischen dritten Mal sehr schlecht ausgeleuchtet vor dem bunten Kirchenfenster steht.

Danach gibt es wieder ein paar Sekunden Aufnahmen von Thorn aus dem Wageninneren, und ich bin überzeugt davon, zumindest einen Teil dieser Einstellung vorhin schon einmal gesehen zu haben – doch dann: Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür. Wenn ich mich nicht verzählt habe, sehen wir den Vorgang zum sechsten Mal – und zum dritten Mal dieselben Einstellungen, die Millard bislang immer verwendete, wenn Thorn nach Hause kam.

Damit ist also klar: Wir sind bei den Thorns. Dort sitzt seine Frau auf der Couch und blättert in einer Zeitschrift. Man begrüßt sich, und wir erfahren den Vornamen der Frau: Claire. Immerhin. Thorn legt seine Tasche auf den Couchtisch (das geschieht zum dritten Mal in diesem Film) und setzt sich neben seine Frau auf die Couch, weil sie mit ihm reden möchte: „My expenses this month have been horrendous. New dresses, shoes, the Garden Club – anyway, I need an extra 2.000.“ Und ich weiß immer noch nicht, was der Garden Club ist, obwohl er schon viermal erwähnt wurde! Allerdings reicht es ja, wenn ihr Gatte das weiß – und der als ehrenwertes Pantoffeltierchen braucht gar nicht lange nachzudenken: Natürlich kriegt sie die 2.000 Dollar. Für diese noble Geste bezahlt sie ihn nicht mit Sex, aber immerhin mit einem liebevollen Dankesbussi auf die Wange. Für mehr hat sie auch keine Zeit, sie ist nämlich mit Cynthia verabredet. Auch wer Cynthia ist, erfahre ich nicht, aber Thorn weiß schon, von wem sie spricht. Die sturmfreie Bude nutzt er für nachdenkliches Ins-Leere-Starren und eine Runde Daumenaufeinanderhauen. Irgendwo knarzt der Boden, der die Anwesenheit mindestens einer zweiten Person nahelegt (vielleicht Wanita?), aber in Kenntnis der sorgfältigen Arbeitsweise unseres Regisseurs gehe ich eher davon aus, dass das eines der zweieinhalb Crewmitglieder ist, die es nicht hinkriegen, während dieser Szene ruhig stehen zu bleiben und mit ihren Schuhen auf den Fußbodendielen herumtrampeln.

Wir folgen Claire in die Stadt – und weil sie nicht etwa Cynthia, sondern ihren Schnuckel Jersey besucht, verwendet Millard auch die vorhin schon gezeigten Stadtaufnahmen noch ein weiteres Mal. Und warum sollte er nicht, wenn das Haltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist? Die Verliebten begrüßen sich zunächst noch freundlich mit den obligatorischen Wangenküssen, aber dann hat Claire Neuigkeiten für den sensiblen Poeten: „You’re going to be a father.“ Das hat gesessen – auch bei mir, denn dabei handelt es sich schon um sehr, sehr spätes Mutterglück. Irmgard Millard war beim Dreh immerhin schon stolze 50 Jahre alt. Ich kann Jersey seine dämliche Frage daher fast nicht verdenken: „What do you mean I’m going to be a father?“ „Exactly what I said“, erwidert Claire und bringt ihren Geliebten zum Nachdenken. Er hält sich die Hand ans Kinn und murmelt unaufhörlich „Father… father…“ Das ist sicherlich nicht die Reaktion, die sich Claire erhofft hat. Nach etwas Brainstorming muss er doch nochmal nachhaken: „You’re sure?“ „Yes, I’m sure.“ Jersey fragt, was sie jetzt machen sollen, und Claire träumt bereits von einer rosigen Zukunft: „We’re going to get married and raise our child.“ Der erfolglose Dichter hatte vermutlich eher auf eine Zukunft gehofft, in der auch das Wort „abortion“ eine große Rolle spielt. Fest steht: Er kann sich mit dem Gedanken an ein sabberndes Schreikind nicht anfreunden und macht mit einem viermaligen „No“ klar, was er von Claires Idee hält.

Da Millard zu wenige Einparkszenen gedreht hat und schon gar keine mit seiner Ehefrau, stürzt Claire im nächsten Moment auch schon in ihr eigenes Schlafzimmer und flucht wie ein Rohrspatz. „Son of a bitch!“ zum Beispiel. Oder: „Rotten no good Polack!“ Energisch pfeffert sie ihre Handtasche aufs Bett und schleudert einen ihrer Schuhe gegen die Tür. Mir scheint, die hat die Entscheidung ihres Götterpolen nicht so gut aufgenommen.

Ihr ahnungsloser Mann vollzieht hingegen gerade seine liebste Beschäftigung direkt nach dem Töten und dem Aus-dem-Wagen-Aussteigen: das Hinter-dem-Schreibtisch-Sitzen-und-in-Akten-Wühlen, gefolgt von seiner viertliebsten Beschäftigung Zum-Wagen-Gehen-und-durch-die-Gegend-Fahren. Wir haben bereits in der Vergangenheit Aufnahmen von Thorn hinter dem Steuer gesehen, und wir tun es hier wieder. Millard hatte mich zugegebenermaßen mit seiner meditativen Endlosschleife hundertmal gesehener und wiederholter Ereignisse so sehr eingelullt, dass ich regelrecht zusammenzuckte, als von der Tonspur plötzlich ein greller hochfrequenter und unmelodischer Piepton erklingt, der ordentlich in den Ohren zwiebelt. Dazu sehen wir blitzlichtartig völlig unzusammenhängendes Stock Footage wahrscheinlich alter Millard-Filme, etwa von einer unkenntlichen, weil verschwommenen Frau, die sich auf die Kamera zubewegt, dazu viel Negativfilm (wie schon in den „Criminally Insane“-Teilen), mitunter durchsetzt durch den immerhin auch schon über fünf Minuten alten Schraubenziehermord an Miss Andrews. Auch ein Friedhof – Archivmaterial bereits in „Criminally Insane“ – kommt zum Einsatz. Das ist Millards unkonventionelle Art, uns zu sagen, dass seine Hauptfigur endgültig übergeschnappt ist. Denke ich.

Und was dann passiert, lässt mich fassungslos zurück. Millard variiert seine Lieblingsszene „Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür“ und verkürzt sie auf ein schlichtes „Thorn geht mit seiner Tasche in der Hand zur Haustür“. Es geschehen noch Zeichen und Wunder – und ich bin fast ein wenig enttäuscht.

Die Haustür, an der der Arzt anklopft, gehört Blackface Miss Rogers. In Wirklichkeit gehört die Haustür höchstwahrscheinlich wieder Millard (auch wenn Thorn diesmal vorher durch ein hölzernes Gartentor geht, das aber bestimmt zum Grundstück der Millards gehört), denn ich höre wieder einen Hund bellen. Man tauscht die üblichen Begrüßungsformeln aus („Hello, Miss Rogers!“ – „Hello, doctor!“), bis Thorn wieder einen Test als Grund für seinen Besuch vorschiebt. Auch wenn er diesmal nicht explizit betont, dass es sich um einen „positiven Test“ handelt, kann er sich mit der Taktik Zutritt verschaffen. Er erschleicht sich Miss Rogers Vertrauen, indem er ihre Frage, ob er Kaffee wolle, bejaht. An der Unbedarftheit der Frauenwelt in Millard-Filmen hat sich immer noch nichts geändert. Deshalb kann Thorn, nachdem er einen Hammer aus seiner Tasche genommen hat, auf die Frau losgehen. In Boogeyman-Pose holt er bereits während des Von-hinten-Anschleichens eine halbe Minute vor dem beabsichtigten Schlag auf den Kopf aus und nähert sich seinem Opfer so. Ist durchaus legitim, da er auch damit Erfolg hat: Insgesamt 19 Mal schlägt er in extremer Großaufnahme auf einen Puppenhaarschopf, der eigentlich Miss Rogers gehören soll, ihr aber fraglos nicht gehört. Es ist der gewalttätigste Mord bislang, weil es einen direkten Kontakt zwischen Kopf und Hammer gibt – auch wenn es wie gesagt nur ein Puppenkopf ist. Langsam frage ich mich schon, wie Millard immer an diese ganzen Puppen rankommt. Schon in „Criminally Insane“ hat Ethel in Visionen mit einer Axt auf eine Schaufensterpuppe eingedroschen, in „Doctor Bloodbath“ sind es sogar zwei Puppen (die Babypuppe und diese). Arbeitet seine Frau in einem Kaufhaus und darf nicht mehr gebrauchte (Schaufenster-)Puppen mit nach Hause nehmen, anstatt sie zu entsorgen? Zum Abschluss der Szene versucht sich Millard noch an einer künstlerischen Einstellung: rote Farbe, die einen weißen Küchenschrank herabläuft und auf den Fußboden tropft. Es ist schlicht wow.

Ach, guck an, Millard hat eine Aufnahme vom Mond in seinem Archiv gefunden. Die verwendet er natürlich gleich. Danach folgt – zum vierten Mal – die Szene mit Thorn in der Kirche. Und danach steigt Thorn aus seinem Wagen, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht aus dem Bild. Diese Szene wiederum ist mir nur ein halbes „Yeah“ mit eingeklammertem Sternchen als Bewertung wert, denn Millard hat vergessen, den Parkvorgang und den Gang zur Haustür zu filmen. Nur aus dem Bild zu gehen, zählt nicht.

Claire wartet offenkundig sehnsüchtig auf die Heimkehr ihres Mannes, was durch rastloses Auf- und Abgehen im Wohnzimmer visualisiert wird, und zwar: lange visualisiert wird. Ich würde fast schätzen, dass Millard dafür eine ganze Minute investiert. Thorn kommt endlich zur Tür herein und bekommt sogleich die Hiobsbotschaft aufs Butterbrot geschmiert und ins Gesicht geklatscht. „I’m pregnant“, platzt es aus seiner Frau heraus. Ein Wutausbruch käme nicht unberechtigt, aber der Doktor bleibt äußerlich äußerst gefasst. Er packt seine Tasche auf den Couchtisch und setzt sich auf die Couch. Erst dann fragt er: „How?“ Dafür, dass von ihrer Seite nun eigentlich etwas Demut angebracht wäre, reagiert Claire erstaunlich patzig: „Isn’t that a pretty dumb question?“ Nein, Claire, das ist eine durchaus berechtigte Frage, und folglich ist er auch nicht gewillt, sich so abspeisen zu lassen. „Who’s the father?“, hakt er in weiter ruhigem Tonfall nach – einem Tonfall, den Understatement-Gott Eskinazi wie kein zweiter Darsteller beherrscht. Damit bringt er seine Frau aber nur noch mehr in Rage: „A poet, a jerk, what’s the difference? Anyway, how’s your sex life?“ Ach sorry, falscher Film: „Anyway, I need your particular medical specialty. I want you to kill the little bastard before he gets any bigger.” Na, na, na, das ist aber keine nette Art von einem Lebewesen zu reden, das sie fünf Minuten vorher unbedingt noch großziehen wollte. Thorn stimmt völlig ungerührt der Abtreibung zu. Ich lüge übrigens, wenn ich schreibe, Thorn sei völlig ungerührt: Er beißt sich dezent auf die Unterlippe und knetet seine Daumen. Robert de Niro hätte das nicht besser gespielt.

Und damit zurück zu unserem Lieutenant, der ja im Durchschnitt alle 20 Minuten mal reinschneit, um eine Leiche zu entdecken. Diesmal ist er im Haus des neuerlichen Opfers und muss so tun, als würde er mit irgendjemandem telefonieren. Auch wenn das Gespräch einseitig verläuft, können wir ihm den Namen des Lieutenants entnehmen (Chandler!) sowie den Namen der Toten und die Todesursache, was besonders wichtig ist, weil ich vergessen habe, dass Miss Rogers vor etwa drei Minuten mit einem Hammer totgeknüppelt wurde. Ach nee, habe ich ja doch nicht vergessen. Chandler hat zwar einmal mehr die richtige Ahnung, dass wir es mit demselben Killer wie bei den Opfern zuvor zu tun haben, aber ich glaube, es wäre hilfreicher, wenn er denn mal vorsichtshalber verhindern würde, dass hier ständig Frauen sterben. Wie versprach er vorhin noch vollmundig: Er werde den „son of a bitch“ finden. Das klang nach paulkerseyscher Selbstjustiz, bei der das Festhalten an Gesetzen nur eine Option ist. Dann mach jetzt also auch mal.

Chandler redet in dem Zusammenhang übrigens von zwei anderen Frauen, die getötet worden seien. Ich zähle hingegen einen Messermord, einen Axtmord und einen Schraubenziehermord, was nach Adam Riese und Eva Zwerg drei andere Frauen bedeutet. Allerdings möchte ich Millard hier mal verteidigen: Wir haben Chandler nur an zwei Tatorten gesehen. Insofern ist die Leiche von Miss Andrews vielleicht noch gar nicht gefunden worden. Natürlich wäre es auch möglich, dass Millard den Schraubenziehermord erst noch nachträglich in den Film gedengelt hat, nachdem er merkte, dass „Doctor Bloodbath“ zu wenig Gewalt beinhaltet – und Chandler deshalb nur von bislang insgesamt drei Opfern ausgeht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass man zur Abwechslung mal einen potenziellen Fehler im Logikkontinuum nicht zwangsläufig als Fehler lesen muss. Millard bleibt ja deshalb nicht weniger unfähig.

(Allmählich vermisse ich übrigens die „Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür“-Szenen. Die letzten beiden Szenen, die in die Richtung gehen, waren kein gleichwertiger Ersatz, weil sie gar nicht den gesamten Vorgang beinhalteten. Ein Gefühl von unerklärlicher Wehmut erfasst mich, zu sehr habe ich mich an die entsprechenden entschleunigenden Passagen gewöhnt. Mir wird klar: Man merkt erst, wie sehr etwas fehlt, wenn es nicht mehr da ist.)

Stattdessen sehen wir Claire, wie sie bereits fast vollständig vermummt auf dem Behandlungsstuhl liegt und in freudiger Erwartung der anstehenden Abtreibung durch ihren Mann ist. Ich weiß ja nicht so recht, ob ich an Thorns Stelle so scharf darauf wäre, das Ergebnis eines Seitensprungs meiner Frau selbst wegmachen zu müssen. Da wir bereits einem Abtreibungsprozess beigewohnt haben, werden auch einzelne alte Einstellungen von vorhin für diese Szene wiederverwertet, so etwa der diabolisch gemeinte Blick aus halber Unteransicht, den Thorn aufsetzte, als er mit seiner Bratenspritze das Embryo entfernte. Währenddessen hört man laut das Dröhnen eines über den Drehort fliegenden Flugzeugs – genauso wie bei „Criminally Insane 2“ in einer Szene. Ich stelle daher die These auf, dass beide Filme nicht nur am selben Drehort entstanden sind, sondern auch, dass das millardsche Anwesen, in dem auch diese Szene spielt, eher ungünstig in einer Flugschneise gelegen ist.

Bei der ersten Abtreibung kam darüber hinaus bekanntlich auch eine blutverschmierte Babypuppe zum Einsatz. Es verwundert deshalb nicht, dass sie auch diesmal Thorn als Vision heimsucht. Wieder muss die Puppe eine wenig zärtliche Behandlung durch den verrückten Arzt über sich ergehen lassen (ihr erinnert euch: brutale Messerstiche), aber wieder bleibt die abtreibende Person am Leben – in diesem Fall also Claire. „It’s all over“, gibt Thorn seiner Frau am Ende zu verstehen, wobei ich feststelle, dass er lügt: Nichts ist vorbei, denn der Film läuft gnadenlos weiter. Als nächste Einstellung hat er mal wieder den schlecht ausgeleuchteten Thorn in der Kirche zu bieten (zum fünften Mal!).

Millards Szenenrecycling rockt weiter: Der unmelodische grelle Piepton ist wieder da, und er hat uns dieselben Stock-Footage-Szenen wie vorhin mitgebracht, bei denen das Bild mal negativ wird, eine unkenntliche, weil verschwommene Frau auf die Kamera zugeht, ein Friedhof zu sehen ist usw. Ich meine, es ist noch keine Viertelstunde her, dass wir die gesehen haben, aber Wiederholung ist Trumpf in diesem Film. Daher folgen dann auch mehrfach eingestreute Flashbacks vom Schraubenziehermord an Miss Andrews. Es fällt auf, dass er im Vergleich zu den anderen Morden überproportional und unverhältnismäßig oft eingeschnitten wird. Insofern gehe ich davon aus, dass Millard besonders stolz darauf ist. Auch wenn „stolz“ nicht das Wort wäre, das ich hier verwenden würde, so gebe ich doch zu, dass Miss Andrews zumindest am überzeugendsten von allen gestorben ist.

Meine durch schmerzhafte Melancholie hervorgerufenen Entzugserscheinungen haben ein Ende, denn nachdem Thorn zum sechsten Mal schlecht ausgeleuchtet in der Kirche rumsteht, ist sie endlich wieder da – die Szene, auf die ich so lange warten musste: Thorn parkt seinen Wagen, steigt aus, öffnet die Hintertür, holt seine Tasche raus und geht zur Haustür. Wir sehen besagten fünfstufigen Vorgang nun zum insgesamt bereits siebten Mal (die beiden Male davor zähle ich wie gesagt nicht mit, denn da wurde der Vorgang ja zum Teil drastisch abgekürzt). Gleichzeitig ist es aber auch die „Thorn kommt nach Hause“-Szene, die wir mit exakt denselben Einstellungen zum nunmehr vierten Mal erleben – und zum immerhin zweiten Mal wiederholen sich die Einstellungen von Thorn, wie er ins Haus kommt, seine Tasche auf den Couchtisch packt und sich aufs Sofa setzt. Die sehen wir somit insgesamt zum dritten Mal.

Ich frage noch einmal: Kommt ihr noch mit?

Das war jetzt so viel Stock Footage bzw. Szenenrecycling auf einen Haufen, dass Millard mal wieder eine neue Szene braucht: In der Nacht liegt Thorn wach – neben ihm seine wie selbstverständlich ratzende Ehefrau, als hätte es das Fremdgehgeständnis mitsamt Abtreibung niemals gegeben. Er liegt aus einem bestimmten Grund wach: weil er sich an den Mord in der Badewanne erinnert. Thorn trägt die bewusstlose Frau die Treppe hoch. Thorn trägt sein Messer die Treppe hoch. Thorn sticht auf die nun nicht mehr bewusstlose Frau in der Badewanne ein. Ach ja, stimmt, das hatten wir ja auch schon. Szenenrecyling deluxe, die nächste, nur vereinzelt unterbrochen von Zwischenschnitten auf Thorn im Bett.

Dann ist da wieder der Mond – auch ein Bekannter, der vorhin schon mal kurz reingeschaut hat. Thorn liegt immer noch im Bett, und Claire schläft immer noch. Dann steht Thorn auf. Er geht in die Küche. Er holt sich einen Orangensaft aus dem Kühlschrank. Er trinkt den Orangensaft. Richtig, Millard, nimm den Fuß bloß vom Gas nach dem wilden Ritt der bisherigen 45 Minuten. Dann geht Thorn an die Besteckschublade wie weiland Ethel in „Criminally Insane 2“, um das lange spitze Messer herauszuholen, das wir mittlerweile im Millard-Universum bereits so gut kennen wie so manches Kind seine Eltern. Langsam, ganz langsam geht er die Treppe hoch, die neben Albert Eskinazi die zweite Hauptrolle spielt. Er hält das Messer bereits einstichbereit ausholend in seiner Hand. Er geht ins Schlafzimmer. Er beobachtet seine schlafende Frau. Er geht zu seiner schlafenden Frau. Manche nennen es elende Zeitschinderei, ich nenne es Kunst. Tja, und so viel Zeit, wie sich Thorn lässt, so wenig Zeit lässt er sich, sobald er das erste Mal zugestochen hat. Zwei-, drei-, vier-und-noch-mehr-mal lässt er das Messer auf die wehrlose, aber immerhin schreiende Claire niederprasseln. Thorn hat einiges in sich hineingefressen, denn obgleich er ja schon bei seinen vorherigen Opfern wenig zimperlich war, rammt er der untreuen Kindsmörderin insgesamt 40 Mal das Messer in den Körper. Das ist aber auch notwendig, weil getreu der millardschen Regeln die Mordopfer ja zur Not auch 20 bis 30 Stiche locker wegstecken und ewig und drei Tage Widerstand leisten. Aber wie gesagt: Nach 40 Stichen hat Thorn seine Schuldigkeit getan und Claire ermordet.

Und dann wäre da ja auch noch Wanita. Kennt die noch wer? Die hatte vorhin zwei insgesamt fünfsekündige Auftritte als Stock Footage aus „Satan’s Black Wedding“, wo sie stumm und auf nichts reagierend in der Küche rumstand und herzlich überflüssig war. Die taucht JETZT tatsächlich doch nochmal auf. Da Millard aber nun mal entscheidend im Weg steht, dass „Satan’s Black Wedding“ und „Doctor Bloodbath“ aus zwei verschiedenen Dekaden stammen, er sich aber nun mal in den Kopf gesetzt hat, beide Filme etwas anspruchsvoller als bisher miteinander zu verquirlen, muss er erfinderisch werden.

Lesen Sie in den folgenden zwei Absätzen: „Satan’s Bloodbath“ aka „Doctor’s Black Wedding“.

Zunächst dringt kaum hörbar eine Stimme an Thorns Ohr – und mit „kaum hörbar“ meine ich wirklich „fast nicht mit menschlichem Gehör wahrnehmbar“. Es könnte eine Stimme sein, ein Wimmern, vielleicht auch ein Furz. Mein Versuch, durch mehrfaches Zurückspulen Klarheit zu erhalten, scheitert. Jedenfalls ist Thorn davon alarmiert. Er stürzt aus dem Schlafzimmer. Eine Einstellung später steht Thorn auf der Treppe und holt mit dem Messer aus – und noch eine Einstellung später bricht Stock-Footage-Wanita schwer blutend zusammen! Die arme Wanita hatte fünf Sekunden Screentime – und in der sechsten Sekunde wird sie schnörkellos abserviert. So machen’s große Meister wie Millard.

Stock-Footage-Wanita – in „Satan’s Black Wedding“ eigentlich einer sehr gierigen Vampirin mit sehr peinlichen falschen Zähnen zum Opfer gefallen – wird also ein weiteres Opfer des psychopathischen Abtreibungsarztes und kriecht noch einige Zeit tapfer, aber wirkungslos über den Boden. Nach etwas Gerobbe entdeckt sie ein schwarzes Schuhpaar vor sich und sieht resignierend daran hoch. Es ist… der Stock-Footage-Obervampir! Ach nein, sorry, es ist… New-Footage-Thorn, der sich langsam zu ihr hinabbeugt und ihr in einem Anfall verblüffender Zurückhaltung offscreen endgültig den Garaus macht. Millard hätte vermutlich gern mehr (Blut) gezeigt, aber Wanita zu doubeln, hätte am Ende doch zu viel Arbeit gemacht.

Für die gesamte Wanita-stirbt-Szene hat Millard den Ton abgedreht, und sie ist somit völlig stumm. Man hört nicht einmal das sterbende Gejapse der tödlich verletzten Haushälterin. Das liegt daran, dass sie im alten Film zweimal „Father! Help me!“ jammert, was ja mal so überhaupt keinen Sinn ergeben hätte. Deshalb: Film ab, aber Ton aus. Ein Toast auf den Mann auf dem Regiestuhl!

Und Millard dreht die Genrekonventionen fleißig weiter auf links: Schon in „Criminally Insane“ und „Criminally Insane 2“ verweigerte er sich dem erwartbaren finalen Zweikampf zwischen Held und Bösewicht. Das lag zum einen daran, dass die Filme über keinen Helden im klassischen Sinne verfügten. Der erste Teil endete damit, dass der einzige Ermittler des Films Ethel auf frischer Tat ertappte. Der zweite Teil endete damit, dass Ethel sich dem einzigen Ermittler des Films (der vielleicht eine Minute Screentime hatte) in ihrem fortgeschrittenen Wahnsinn als eines ihrer Opfer vorstellt und sich somit selbst ans Messer liefert. In „Doctor Bloodbath“ wird uns ein Kampf auf Leben und Tod, den sich theoretisch Thorn und Lieutenant Chandler liefern könnten, ebenso verwehrt. Zwar treffen beide schließlich und endlich aufeinander (falls man hier tatsächlich von „schließlich und endlich“ sprechen kann – ist ja nicht so, als wäre die Handlung genau darauf zugelaufen), aber dies geschieht nur telefonisch. Genau genommen ruft Thorn von seinem „Arztbüro“ aus direkt bei Chandler an.

Der Arzt stellt sich gegenüber dem Polizisten als Roger Thorn vor. Das ist für mich etwas befremdlich: Soll das am Ende eine Hommage an Cary Grants Paraderolle in „Der unsichtbare Dritte“ sein, wo die Hauptfigur Roger Thornhill heißt? Bei dem Gedanken muss ich schon schlucken. Und warum spielt Thorn mit offenen Karten – so ganz ohne Grund? Nun, er verrät es uns: „I’ve just killed my wife and have information about other killings.“

Ganz genau – er ruft bei Chandler an, um sich zu stellen! Ich wiederhole: um sich zu stellen. Freiwillig. Widerstandslos. Thorn stellt sich – und das war’s. Schluss, aus, Micky Maus.

Na, hättet ihr mit einem solchen Twist gerechnet?

Chandler, der dafür, dass er den Tod zumindest eines der Opfer ja rächen wollte, relativ wenig (man könnte auch sagen: gar nichts) gemacht hat, sitzt in seinem sehr beengten Büro, von dem wir sehr sicher sein können, dass auch das kein Polizeirevier ist, sondern irgendeine Zimmerecke in Millards Haus, und fragt nach dem Aufenthaltsort. Doch selbst hier kommt der Killer ihm entgegen: „Don’t trouble yourself. I’ll come in.“ Thorn wird als der wahrscheinlich polizistenfreundlichste psychopathische Killer in die Geschichte eingehen. Ich verstehe zwar nicht so ganz, wieso er sein Geständnis telefonisch durchgibt, wo er doch einfach ins Polizeirevier hätte spazieren und sich dort festnehmen lassen können, aber das hätte am Ende noch bedeutet, dass Millard ein richtiges Polizeirevier-Set mit mehr als einer weiteren Person hätte simulieren müssen. Obwohl Thorn sich als sehr kooperativ gibt, traut Chandler dem Frieden noch nicht und weist einen seiner unsichtbaren Unterlinge an, den Anruf zu orten. Der Lieutenant gibt Thorn noch schnell durch, an welche Adresse er sich wenden muss – an die „Northern Station“ am Golden Gate Park, falls es euch interessiert.

Tja, und damit könnte der Film nun enden. Ich ging davon aus, dass wir in der letzten Szene vielleicht noch Thorn hinter Schloss und Riegel sitzen sehen, aber mehr auch nicht. Nun, ich falle immer wieder auf Millard rein. Natürlich ist die nächste Szene eben gerade nicht die, in der Thorn hinter Schloss und Riegel sitzt. Es ist vielmehr die Szene, in der – und nun bleibt mir fast das Herz stehen – Crazy Fat Ethel in der Irrenanstalt in ihrer Zelle hockt! Ja, ihr lest richtig: Crazy Fat Ethel, die eine, die einzige, die wahre Crazy Fat Ethel!! Sie ist es leibhaftig – aber natürlich ist es nicht die dortige Darstellerin Priscilla Alden in einer neuen Rolle, sondern Crazy Fat Ethel in der korpulenteren Ausgabe vom 1975er-Original „Criminally Insane“, sprich: Stock-Footage-Crazy-Fat-Ethel, wie sie ins Leere starrt. Das ändert nichts daran, dass er damit auf den letzten Metern diese Figur zu einem Teil des „Doctor Bloodbath“-Universums macht – und theoretisch die Priscilla-Alden-Texttafel im Vorspann hätte beibehalten können. Wow – Crazy Fat Ethel mit dem unerwartetesten Cameo der Filmgeschichte!

Das war es aber noch nicht. JETZT kommt die Szene, die ich schon eben erwartet hätte: Thorn hinter Schloss und Riegel in seiner Zelle sitzend. Das heißt: Zunächst sehen wir ihn nicht, nur eine weiße Wand. Dann aber gibt es den Schwenk – und da sitzt er, mit leerem Blick ins Nichts. Da alle Millard-Filme gleich funktionieren, wird die Szene sogleich mit einem Flashback in aufregendere Zeiten kombiniert: zum schon ungefähr viermal gesehenen Schraubenziehermord. Kunstvoll kreuzen sich in der Folge nach dem immer gleichen Prinzip triste Gegenwart und blutige Vergangenheit: zuerst die weiße Wand, dann den Schwenk auf Thorn, dann ein Flashback. Als Nächstes – der Axtmord! Den hatten wir bisher noch gar nicht als Rückblende gesehen. Wand, Schwenk, Claire-Mord. Wand, Schwenk, Schraubenziehermord, diesmal sogar mit Schrei. Wand, Schwenk, Claire-Mord. Wand, Schwenk, Claire-Mord.

Danach sehen wir direkt Thorn (huch, keine weiße Wand?), und ganz plötzlich sind wir bei Thorn zu Hause auf der Couch, auch wenn ich glaube, dass das gar nicht bei Thorn zu Hause auf der Couch sein soll, sondern eine weitere Zelle. Ich bin mir aber nicht sicher. Diesmal kriegen wir Stock Footage aus „Criminally Insane 2“. Dort gab es einen „Spinnenmann“ namens Greg, der in mehreren Szenen so komische Handbewegungen in der Luft machte, als wolle er pantomimisch klettern. Eine dieser Szenen – eben die, in der er auf der Couch rumhampelt – wird für „Doctor Bloodbath“ wiederverwendet. Ich kann nur raten: um zu zeigen, dass Thorn nun unter Irren wie ihm gefangen ist? Vielleicht will der „Spinnenmann“ mit seinen Händen auch Thorn zu sich rufen. Wer weiß? Damit wir mal wieder einen Superlativ haben: die unnötigste Szene des gesamten Films – und das ist schon eine Leistung, wo doch der ganze Film unnötig ist.

Dann – wieder die weiße Wand, wieder Thorn mit starrem Blick, der sich den Frauenschrei vom Schraubenziehermord vergegenwärtigt. Und schließlich noch ein Schwenk über die in einer Metallschüssel liegende Bratenspritze und daneben die blutverschmierte Babypuppe.

THE END. (Die „Criminally Insane“-THE-END-Schrifttafel, versteht sich.)

Oha. Es ist schwer zu glauben, aber „Doctor Bloodbath“ ist gegenüber „Criminally Insane 2“ in technischer Hinsicht noch eine Stufe niedriger einzuordnen. Nicht dass da noch viel Luft nach unten gewesen wäre, aber die Tatsache, dass Nick Millard diesmal nicht mehr nur auf Stock Footage aus einem zwölf Jahre älteren Film zurückgreift, sondern darüber hinaus auch noch dieselben Einstellungen innerhalb seines 57-minütigen Films mehrere Male wiederverwendet, ist nun doch eine ganz besondere Art des Zeitschindens.

Es ist die eine Sache, einen Park-and-Go-Vorgang (Parken, Aussteigen, Hintertür öffnen, Tasche nehmen, zur Haustür gehen) insgesamt fast zehnmal zu schildern, aber ein und dieselben Einstellungen dabei gleich viermal zu zeigen, die andere. Streng genommen könnte man Millard dabei sogar Absicht unterstellen, weil er den monotonen Alltag eines durchgeknallten Arztes schildern möchte, der morgens zur Arbeit geht, nachmittags Frauen schlachtet und abends nach Hause kommt, und das eben jeden Tag immer wieder aufs Neue. Dafür sprechen auch die regelmäßigen Szenen von Thorn in der Kirche (ich wiederhole mich: falls ich das nicht missinterpretiere und es möglicherweise doch keine Kirche ist), die er regelmäßig besucht, um vor Gott Buße zu tun. In Kenntnis seines sonstigen Outputs glaube ich bei Millard aber doch eher, dass es sich um kostensparende Maßnahmen handelt. Warum eine Szene mehrfach drehen, wenn man sie doch schon einmal im Kasten hat?

Sehr abenteuerlich ist auch Millards Umgang mit dem Archivmaterial: In „Criminally Insane 2“ wählte er ja fast schon einen faulen Weg, indem er immer dann, wenn die Hauptfigur fantasiert oder träumt, Originalaufnahmen des ersten Teils in neue Aufnahmen von Ethel schnitt und so die Laufzeit deutlich verlängerte. Da Priscilla Aldens voller Terminkalender diesmal Dreharbeiten bei den Millards verhinderte und es ja doch etwas komisch ausgesehen hätte, wenn der Killer-Arzt Visionen von von Ethel begangenen Morden gehabt hätte, musste er neue Ideen entwickeln, wie er altes Filmmaterial von sich doch irgendwie in „Doctor Bloodbath“ pressen konnte. Besonders knuffig wird es, wenn der Darsteller des Lieutenants Chandler ständig mit Leuten interagiert, die gar nicht da sind – und geradezu herrlich, wenn die lediglich in „Satan’s Black Wedding“ vorkommende Haushälterin Wanita stirbt, indem der blutige Biss einer Vampirin mittels einer zackigen Einstellung mal eben zu einem Mord durch Thorn umfunktioniert wird. Damit der Zuschauer dann auch wirklich glaubt, dass die Szene originär für diesen Film entstanden ist, wird kurzerhand der Ton abgedreht, der sonst verraten würde, dass Wanita in ihrer Not was von „Papa, hilf mir!“ stammelt, was in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergeben hätte. Aber selbst ihre zwei (stummen) Auftritte vorher reizen zum Lachen, weil sie so offensichtlich nicht reagiert, wenn im neuen Material jemand so tut, als würde er mit ihr reden. Das erreicht schon die wahnsinnige Qualität der besten Joseph-Lai-ich-mache-zwei-zu-einem-Film-Verhackstückungen.

Ein kräftig ausgerufenes „Fickende Hölle!“ (© Peter Rütten) ist dann auch das plötzliche Auftauchen von Ethel in den letzten Minuten wert, aber in Millards Universum geht halt alles. Da kriegt man aus den fadenscheinigsten Gründen auch Material unter, das gar nicht passt. Während Ethel ja fast noch klargeht, weil Thorn am Ende ebenfalls in der Irrenanstalt landet, ist das Wiedersehen mit dem „Spinnenmann“ aus „Criminally Insane 2“ dann doch schon sehr weit hergeholt, zumal man nicht übersehen kann, dass die Szene auf derselben Couch gedreht wurde, auf der sich vorher ständig Thorn niedergelassen hat. Völlig gaga ist auch der Vorspann. Das hat schon was von Crazy Credits, wenn im Filmstab Leute auftauchen, die seinerzeit noch bei „Criminally Insane“ mitgespielt haben mögen und vielleicht teilweise sogar noch in „Criminally Insane 2“, aber garantiert nicht in diesem Film. Ich würde behaupten, nicht ein einziger im Vorspann genannter Darsteller ist in „Doctor Bloodbath“ mit von der Partie – und die Einzige, die sowohl in „Criminally Insane“ als auch hier mitspielt, wenn auch bloß als Archivmaterial, nämlich Priscilla Alden, wird um ihren „Ruhm“ gebracht, weil Millard ihr 30-sekündiges Erscheinen dann doch als zu kurz ansah, um ihr den „starring“-Credit zu geben. Gleichzeitig taucht keiner der Darsteller, die hier mitspielen, in den Credits auf. Es ist verrückt – aber irgendwie auch schön.

Davon abgesehen ist der Film erwartungsgemäß technisch nicht mehr nur eine Katastrophe, sondern drei oder vier Katastrophen gleichzeitig. Nichts funktioniert. Die Tonqualität ist schlecht, die permanenten Rumpel-Zooms augenkrebsfördernd, Millard setzt in den Dialogen fast ausschließlich auf die ungemein unangenehm anzusehende Schuss-Gegenschuss-Technik, anstatt einen Dialog auch mal in einem Bildausschnitt ohne ständige harte Schnitte stattfinden zu lassen. Sein Zwang, Einstellungen möglichst kurz und knapp zu halten, sorgt dann mitunter auch für kuriose Anschlussfehler wie der, in dem gerade dann weggeschnitten wird, als einer der Darsteller zum Reden ansetzt. Von der besonders schlimmen doppelten Ausparkszene habe ich oben ja ebenfalls berichtet.

Die einzige Musik, die verwendet wird, ist die recycelte aus „Criminally Insane“. Allerdings ist auffällig, dass Millard in der ersten Filmhälfte sie vereinzelt noch einsetzt, aber später dann so gar nicht mehr. Vermutlich hat er den Film chronologisch gedreht und irgendwann gemerkt, dass es doch zu aufwendig ist (und vielleicht gar zu monoton?! Soll man es glauben?), in jeder potenziellen Spannungssequenz mit Trick 17 „Ich schalte den Fernseher ein, lasse den Vorspann von ‚Criminally Insane‘ laufen, während ich filme, und tue so, als wäre das meine Musikuntermalung für diesen Film“ zu arbeiten. Trotzdem scheint er immer wieder auf diesen Trick zurückzugreifen, wenn es gilt, einen Schrei oder so zu simulieren (im Falle von Wanita) oder eine applaudierende Zuhörerschaft (im vermeintlichen Hörsaal).

Die Morde sind wieder entschieden gewalttätiger als die in „Criminally Insane 2“, wo eigentlich nur die Rückblenden ins Original für knallig rote Farbe sorgten und ansonsten verblüffend unblutig gestorben wurde. Hier werden laufend spitze Werkzeuge verwendet wie Messer, Beil und Schraubenzieher oder auch mal ein Hammer, womit man dann ordentlich rumsudeln kann. Dabei kommt die Hauptfigur diesmal auch wieder deutlich mehr nach Ethel in „Criminally Insane“: Mit einem Stich oder einem Schlag ist es nicht getan, die Opfer müssen in einem wahren Blutrausch ausgelöscht werden. Effekte sind aber auch in diesem Film nicht zu vermerken. Da geht Millard den hitchcockschen Weg aus „Psycho“ (Millard und Hitchcock in einem Satz – der runde Brite wird mich wahrscheinlich schon morgen in meinen Träumen heimsuchen): Er deutet immer nur an, aber zeigt nicht ein einziges Mal, wie das Mordwerkzeug im Körper einschlägt. Nur der Hammermord zeigt wie gesagt „Körperkontakt“, wenn der Körper nur nicht so offensichtlich ein Körper, sondern ein Puppenhaarschopf wäre.

Was haben wir noch? Erschütternde Dialoge. Nicht nur wiederholen sie sich fortwährend (Thorns Hausbesuche bei seinen Patientinnen laufen gefühlt allesamt wortgleich ab), auch sind sie völlig banal und gehen kaum über einen Satz hinaus, weil dann immer wieder der Gesprächspartner dran ist. Überhaupt sprechen immer nur zwei Personen miteinander, niemals drei oder noch mehr. Und von „sprechen“ kann man eigentlich gar nicht reden – wie bereits angeschnitten machen Schuss und Gegenschuss jeden Gesprächsfluss zunichte.

Was ich Millard zugutehalten möchte – er bemüht sich, dem Serienmörder etwas Tiefe und gar ein Motiv für seine Taten zu geben. Ich wiederhole: Er bemüht sich. Er schafft es natürlich nicht. Wo bei Ethel lediglich die Fresssucht und später dann Angst vor Entdeckung eine Rolle bei ihren Morden spielten, ist Thorn offenbar der Meinung, dass eine Abtreibung mit dem Mord an einem Lebewesen gleichzusetzen ist, was durch ihn nicht nur missbilligt wird, sondern blutig bestraft. In der Kirche scheint er sich zu hinterfragen, ob er richtig handelt, und generell sieht man ihn oft schweigend irgendwo rumsitzen und seine Daumen aufeinander tippen. Womöglich brodelt es in ihm. Das ist nun keine sonderlich feinsinnige Charakterentwicklung, aber zumindest macht Millard damit einen Punkt.

Interessant finde ich auch, dass Millard uns erneut einen echten Showdown verweigert und den Film leise ausklingen lässt. Das ist natürlich für einen Horrorfilm reichlich unfilmisch und eine ziemlich freche Auflösung: Der Killer stellt sich. Ende. Andererseits ist es auch mal was anderes – und, wenn ich schon dabei bin, Millard wenigstens ein ein Hundertstel Lob zu schenken, es ist auch realistischer als ein spektakuläres Finale. Thorn sieht am Ende ein, dass er unmoralisch handelt, kann mit seinen dadurch hervorgerufenen Gewissensbissen nicht mehr leben und liefert sich deshalb selbst ein, um seine Mitmenschen zu schützen.

Ganz besonders viel Spaß machen die Darsteller. Ich habe mich bisher geweigert, sie Schauspieler zu nennen, denn dazu müssten sie ja spielen, aber aus Trash-Sicht ist das hier das reinste Vergnügen. Albert Eskinazi dilettiert sich tapfer durch seine Rolle als Doktor „Blutbad“ Thorn. Auf einer Bedrohlichkeitsskala von 0 bis 10 liegt er ungefähr bei -9.972. Er ist schon irgendwie zum Knuddeln, wie er sich abrackert. Er war – wie schon bei „Criminally Insane 2 erwähnt – exklusiv für seinen Kumpel (?) Millard im Einsatz und drehte bereits 1975 mit ihm seinen ersten Film („Alcatraz Breakout“). 1988 beendete er mit „The Terrorists“ seine zum Scheitern verurteilte Darstellerkarriere.

Nach Nick selbst und dessen Mutter Frances in „Criminally Insane 2“ lernen wir in diesem Film eine weitere Verwandte kennen – Irmgard Millard, die Frau des Regisseurs. Auch ihre Leistung ist GROSS (also nicht „gross“, sondern „groß“). Ich bin unsicher, ob sie nicht vielleicht sogar noch schlechter ist als Eskinazi, bringt sie doch nicht einen Satz ungekünstelt über die Lippen. Auch hier gilt: Die Bemühung, ihr Bestes zu geben, ist spürbar, aber sie kann es einfach nicht. Wenn sie ihre körperlichen Reize einsetzt, indem sie die Träger ihres Kleides herunterzieht, möchte man hysterisch aufschreien. Sie ist in der IMDb mit insgesamt 14 Credits vermerkt, die erste ebenfalls in „Alcatraz Breakout“ (als „Wife“). Sie war aber im letzten Jahrzehnt mehrfach für andere Regisseure im Einsatz, darunter in zwei Kurzfilmen von Jesus Teran (wer?), die „Brownie Goes Shopping“ und „Death Sisters“ heißen. Darin agiert neben ihr jeweils auch Nick. Ich gehe davon aus, dass die Filme in Richtung Freundschaftsprojekt gehen.

Frances Millard (als Krankenschwester Miss Carmicheal) taucht auch als kleiner Gast„star“ auf. Ihre Rolle ist hier deutlich kleiner als die in „Criminally Insane 2“, aber ich habe sie trotzdem erkannt. Es sei nochmals betont, da ich die Karriere ziemlich spektakulär finde, dass sie nach den Auftritten in den Filmprojekten ihres Sohns von 2000 bis 2004 – 2004 war sie 89 Jahre alt – unter dem Künstlernamen Gigi in neun Granny-Pornos mitwirkte, darunter „Hey, My Grandma Is a Whore 8“.

Joan Simon (Miss Stanley) und Leslie Simon (Namenloses erstes Opfer) sind Schwestern und spielten für Millard noch in einem weiteren Film mit: „Cemetery Sisters“. Dort sind sie ein Schwesterduo mit einer einzigartigen Geschäftsidee, die vermutlich nur dem Hirn eines Nick Millard entsprungen sein konnte: Sie verführen Männer, heiraten sie, töten sie und streichen das Geld für die Lebensversicherung ein, um sich irgendwann ihren Traum vom eigenen Bestattungsunternehmen zu erfüllen.

Den Rest des Casts kann auch die IMDb nicht mehr richtig zuordnen. Sicherlich gibt es noch Osa Danam (Wanita) und Don Lipsey (Cop’s Assistant), aber die stammen ja beide aus „Satan’s Black Wedding“. Ich denke aber nicht, dass die anderen Mitwirkenden so wild darauf sind, nach über 35 Jahren namentlich wiederentdeckt zu werden. Erwähnen möchte ich aber noch den Darsteller des „Jersey“, der als polnischer Dichter mit fettem Akzent durch die Nullstory watet und in Verbindung mit Irmgard Millard so viel Anti-Sex versprüht, dass man Gefahr läuft, mit einem Schlag impotent zu werden. Weniger Chemie war wirklich nie.

Womit ich zum Schluss komme: „Doctor Bloodbath“ ist ein weiterer unverwechselbarer Millard-Null-Budget-Schnellschuss, der sicherlich aus objektiver Sicht so ziemlich das Langweiligste ist, was das Genre je hervorgebracht hat. Die Story wiederholt sich bis zum Erbrechen, Szenen werden so lange recycelt, bis man eigentlich den ganzen Film zum Recyclinghof bringen kann, die Optik ist hässlicher als Quasimodo und generell spottet einfach jeder einzelne Aspekt des Films jeder Beschreibung. Aber auch hier gilt: „Doctor Bloodbath“ ist so liebenswert unbegabt, dass selbst die vielleicht etwas frauenfeindlich anmutende Stoßrichtung und die zumindest auf dem Papier brutalen Morde ihm nichts anhaben können. Millard liebte Filme, man spürt das einfach. Er konnte sie nur nicht. So absolut gar nicht.

Weil technisch noch indiskutabler als die „Criminally Insane“-Streifen, geht die Goldmedaille für den höchsten Unterhaltungswert an „Doctor Bloodbath“.


BOMBEN-Skala: 10

BIER-Skala: 7


mm
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