Django – Melodie in Blei

 
  • Deutscher Titel: Django - Melodie in Blei
  • Original-Titel: UNO DI PIÚ ALL'INFERNO
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  • Regie: Giovanni Fago
  • Land: Italien
  • Jahr: 1968
  • Darsteller:

    George Hilton (Johnny King/Django), Paulo Gozlino (Meredith/als Paul Stevens), Claudie Lange (Liz), Gerard Herter (Ernest Ward), Paul Muller (George Ward), Pietro Tordi (Steve McGregor), Carlo Gaddi (Gary), Roberto Antonelli, Krista Nell, Aldo Cecconi


Vorwort

Großgrundbesitzer und allgemeiner Schlimmfinger Ernest Ward (der zum Spaß auf irgendwelche Mexikaner schießt, denen er Melonen auf den Kopf hat binden lassen) möchte gern noch mehr Grund besitzen, i.e. jenen, der rechtmäßig dem Pfaffen Steve McGregor gehört. Der ist, wie es sich für einen aufrechten Mann Gottes gehört, wenig verkaufswillig und die Versuche von Wards geschäftsausführendem Bruder George, der Kaufofferte ein wenig zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, scheitern primär an zwei Gründen: Pastor Steve pflegt selbst ein eher alttestamentarisches Verhältnis zum Thema „Frieden schaffen mit Feuerwaffen“ und sein Ziehsohn Django ist, was den Umgang mit seinem Revolver angeht, ein wahrer Lucky Luke.

Die Gebrüder Ward identifizieren Django als das größere Problem und beschließen, diesen Risikofaktor mal sachte zu eliminieren. Ihnen in die Karten spielt, dass Django dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan ist und bei seinen Eroberungen wenig bis keine Rücksicht darauf nimmt, ob die entsprechende Dame ggf. schon permanent belegt ist, so z.B. vom Marshal persönlich. Eine solche erotische Eskapade führt zu einer zünftigen Saloon-Schlägerei, an dessen Ende George Ward es hingetrickst hat, dass einer der Kämpen mit Djangos Messer hinterrücks erdolcht wurde. Angesichts der klaren Beweislage droht Django der Strang – für die Wards eine Win-Win-Situation: Entweder McGregor knickt verkaufstechnisch zugunsten einer entlastenden Aussage Georges ein oder Django wird ein drückendes finales Erlebnis haben – am Ende beider Sätze sollte eine relativ unproblematische Besitzübernahme stehen.

Zufällig wird Django in eine Zelle mit dem Banditen Meredith gesteckt. Pack schlägt sich zunächst mal um die einzige Schlafstatt, verträgt sich aber schnell. Meredith plant sein eigenes Date mit dem Strick per Ausbruch deutlich zu verschieben, und weil er an Django einen Narren gefressen hat, nimmt er ihn einfach – und nicht unbedingt zum Frohsinn seiner Bande – mit. Django hat aufs Outlaw-Leben eigentlich keinen sonderlichen Bock, aber als Meredith einwilligt, einen geplanten größeren Bankraub nach Djangos Regeln – ohne Blutvergießen – durchzuführen, lässt unser Held sich breitschlagen.

Trotz eines Sabotageversuchs des von Djangos neuem Lieblingsstatus genervten Gary gelingt der Coup. Nachdem er Gary umgelegt und sich seinen Anteil hat auszahlen lassen, kehrt Django in seine Heimatstadt zurück – wo die Wards zwischenzeilich McGregor getötet haben und versuchen, seinen Besitz bei der sich anschließenden Versteigerung legal zu erwerben. Django funkt mit seiner Beute ersteigernderweis dazwischen. Doch damit soll sein Rachefeldzug erst beginnen – Ernest Ward heuert gedungene Killer an, um Django auszuknipsen, ausgerechnet aber Meredith und seine Bande…


Inhalt

Auf jeden „echten“ Film mit den klassischen Italowesternhelden Django, Sartana oder Ringo kommen bekanntlich ungefähr 374, denen mehr oder weniger clevere deutsche Verleiher einen der zugkräftigen Namen angehängt haben, ob es nun zum Film und dem per Synchro entsprechend umgetauften Charakter passt oder auch nicht. Das ist der Lauf der Welt im Exploitation-Gewerbe, da kann man nichts dran ändern, und davon profitieren heute auch die Billigheimer-DVD-Labels, die so, ohne zu sehr zu lügen, „Django“-DVD-Boxen in die Kaufhausregale stapeln können – so eben wie die „Django Western Collection“ von NUM, die für lauschige fünf Euro neben diesem noch den ebenso „unechten“ Django-Klopper „Tag der Rache“ beinhaltet.

Mein „Glück“ ist es, dass Spaghettiwestern nicht mein Leib- und Magengenre sind, und mein Leben im Gegensatz zum jährlich gen Almeria pilgernden Hardcore-Freak, der seine Italowesternkollektion nach der Anzahl von Gordon Mitchells Gesichtshaaren sortiert, nicht von solchen Feinheiten abhängt… (eigentlich ist mein Kriterium für Italowestern ja eh maximal „spielt Klaus Kinski mit?“ und das wiederum ist ein Maßstab, den man an alle Filme anlegen sollte. Alle. Sogar an Lesbenpornos).

Okay, dann eben „Django – Melodie in Blei“, dessen Django in der Originalfassung auf den Namen Johnny King hört (und lustigerweise wurde in der Synchro genau EINMAL vergessen, den Namen umzusynchronisieren…). Autor Ernesto Gastaldi ist das, was man ohne Gewissensbisse Vielschreiber nennen darf – was immer Cinecitta‘ gerade als ausbeutbaren Trend erkannt hatte, Gastaldi konnte serienweise Scripte liefern. Anfang der 60er liefen Piratenfilme gut? Gastaldi schrieb „Die Küste der Piraten“, „Die Abenteuer der Totenkopfpiraten“ oder „Piratenkapitän Mary“. Sandalenfilme sind populär? Gastaldi lieferte „Perseus – der Unbesiegbare“, „Einer gegen Rom“, „Ursus, der Unbesiegbare“… Gothischer Horror ist angesagt? Aus Gastaldis Feder stammen „Die Gruft der lebenden Leichen“ oder „Der Dämon und die Jungfrau“. Wir brauchen schnell mal Eurospy-Kram? Signore Gastaldi hat „Bob Fleming hetzt Professor G.“, „Gemini 13 – Todesstrahlen auf Cap Canaveral“ oder „Gern hab ich die Frau’n gekillt“ in der Schublade liegen. Klar, dass Gastaldi auch Gialli („The Case of the Bloody Iris“), Katastrophenthriller („Concorde Inferno“) oder eben auch massenhaft Western verfasste – hell, seine IMDb-Seite ist praktisch eine einzige Bewerbung für den Autorenflügel einer potentiellen badmovies-Hall-of-Fame (die einzige echte Aufwallung von Qualität ist, dass Gastaldi tatsächlich auch am Script beider „Nobody“-Filme beteiligt war).

Fraglos ist der Maestro also einer von der Sorte, von dem man keine säuberlich in Tüten verpackte Originalität erwartet, sondern schnell und günstig verfilmbaren Kram. Was fiel ihm denn also hier ein? „Melodie in Blei“ befleißigt sich eines überraschend uneinheitlichen Scripts – lange bevor Quentin Tarantino und Robert Rodriguez mit „From Dusk Till Dawn“ die „künstliche Zweiteilung“ eines Films in unterschiedlich gelagerte Hälften zu einer Kunstform erhoben, an der sich andere Kleingeister kräftig verhoben (Legion of the Dead, hüstelhüstel), setzt uns Gastaldi hier einen ebenso konsequent gesplitteten Genrebastard vor – die erste Filmhälfte ist eine reinrassige Westernkomödie, wie sie ein paar Jahre später vom Duo Spencer/Hill so richtig kassenträchtig gemacht wurde, inklusive einer lustig inszenierten Saloonschlägerei (die Hauptdarsteller George Hilton übrigens komplett in Frauenkleidern bestreitet) mit all den Trademarks, die so eine Saalschlacht in einem Klamaukfilm mit sich bringt, gespickt mit doofen Sprüchen einer nicht ganz auf Spencer/Hill-Niveau, aber deutlich auf dem Weg dahin befindlichen kalauernden Synchro (vemutlich von Rainer Brandt, ohne dass ich das verifizieren konnte), ohne dass sich aufdrängen würde, dass hier eine deutsche Bearbeitung einen todernsten Film in eine heitere Komödie umbauen täte und allgemein auf den Lacher hingewerkelten Szenen.

Nach ziemlich genau 45 Minuten, wenn „Django“ die Bande von Meredith wieder verlässt und vom Tod seines Ziehvaters erfährt, vergisst Gastaldi jegliche Comedy und lässt das Buch blitzartig zur düsteren Racheballade umschlagen – da gibt’s nicht mehr zu lachen, es sei denn, man findet’s lustig, wenn der Bösewicht den Helden hinter eine Zielscheibe fesseln lässt und ihm dann gemütlich ein paar Luftlöcher ins Gewebe stanzt (okay, ich gebe zu: so formuliert klingt das tatsächlich ein wenig lustig…). Ich muss sagen, ich bin gewohnheitsmäßige durchaus Fan von solchen radikalen Ansätzen, wenn sie denn gekonnt gemacht sind, und Gastaldi gelingt das gar nicht mal so schlecht – die erste Hälfte bereitet bei aller leichtgewichtigen Buddy-Comedy durchaus vor, was in der zweiten Halbzeit den Plot ausmachen wird und mit der Einbindung von Merediths Bande, die Django für Ward umlegen soll, ist ein hübsches plot device geschaffen (wird Meredith sich für die Freundschaft oder für den Zaster entscheiden)? Trotzdem… mir gefällt die Comedy-Hälfte deutlich besser als das Drama.

Dafür mache ich mal vier Dinge verantwortlich – erstens mal ist Comedy-Western per se etwas, aus dem ich mehr Unterhaltungswert ziehe als aus bedeutungsschwangeren existentialistisch-politischen Allegorien (ohne die Bedeutung der Anti-Establishment-Western a la „Il Grande Silencio“ auch nur im Geringsten bestreiten zu wollen), zweitens ist Regisseur Giovanni Fago, ein biederer Auftragsarbeiter, der in der Folge hauptsächlich fürs italienische Fernsehen arbeitete, nicht in der Lage, den gelungene komischen Einlagen (speziell eben der Saloonkeilerei und dem witzigen Knast-Kampf von Django und Meredith) adäquate dramatische (oder wenigstens ernste Action-) Sequenzen entgegenzusetzen, nicht mal wenn Ernest Ward drehbuchgemäß seinen ganzen Sadismus an Django auslässt (will sagen, in Sachen Western-Sadisten-Schurken ist er z.B. im Vergleich zu Gene Hackman ihn Leise weht der Wind des Todes eine ganz maue Nummer), und drittens und viertens fehlt den beiden zentralen Darstellern der zweiten Hälfte, eben Held George Hilton und Böswatz Gerard Herter, ein wenig das darstellerische Rüstzeug, um aus ihrer Konfrontation wirklich ein Duell zu machen, das den Zuschauer mitreißt. Ihnen hilft freilich nicht, dass Fago Django in dieser Phase zu sehr zum passiven Charakter macht (es ist Meredith, der hier als Figur viel zu stemmen hat) und Ernest Ward, der Erzschurke, einfach kein besonders gut definierter Charakter ist – seine Motivation ist vage-unspezifiziert-langweilig, sein Sadismus unglaubwürdig.

Der Streifen verliert in seiner ernsthaften Hälfte deutlich an Fahrt – Fagos Regie ist eh relativ uninspiriert und ohne die komödiantischen Elemente, die weniger von der Fähigkeit des Regisseurs denn vom Timing der Darsteller (und dem Kalauern der Dialoge) abhängig sind, wird deutlich, wie wenig inszenatorischen Drive, visuelles Gespür oder überhaupt sichtbares Interesse am Stoff er aufbringt. Potentiell wirkungsvolle Segmente wie die Foltereinlagen bleiben dramatisch ohne Impact, weil sie einfach schlecht inszeniert sind (dass Django z.B. hinter die Zielscheibe gefesselt ist und dadurch logischerweise die Kugeln abkriegt, erschließt sich so richtig erst am Ende der Szene – bis dahin fragt man sich, WAS genau Ernest Ward da treibt und warum es augenscheinlich furchtbar böse ist).

Auch die italowesterntypische zynische Gewalt bleibt weitgehend außen vor, die FSK 16 ist zwar in Ordnung, aber gefühlt recht „streng“. Ganz positiv zu vermelden ist der launige Score von Italofilmbeschallungsallzweckwaffe Nico Fidenco, der auch einen ganz schmissigen Titelsong beisteuert.

Wie schon angedeutet hat der Film ein wenig ein Problem mit seinen Hauptdarstellern – George Hilton ist zwar als vorzeitiger Reserve-Terence-Hill ganz patent, gerät aber im Rachepart an die Grenzen seines Könnens; etwas überraschend, weil der gebürtige Uruguayaner trotz einiger Ausflüge ins Agenten- und Giallofach („Der Schwanz des Skorpions“) im Spaghettiwestern – allerdings den eher zweitklassigen Vertretern; einmal durfte er allerdings den „echten“ Sartana spielen, in einem Film, den die deutschen Verleiher dann prompt in einen Django-Film umbenannten: „Django – die Gier nach Gold“) – vorrangig zuhause war. Für mich ist er aber zu sehr „Schönling“ denn „Antiheld“. Der Stuttgarter Gérard Herter, der wenig überzeugend den Oberbösling Ernest gibt, kann eigentlich auch kein SO schlechter Schauspieler sein, wurde er doch von Visconti für „Ludwig II.“ verpflichtet – andererseits ist das (okay, und vielleicht noch „Der Gehetzte der Sierra Madre“) sein einziger Screencredit, der nicht irgendwie nach unbedeutendem Genrefirlefanz klingt (ja, gut, „Caltiki, the Undying Monster“ hätten wir da auch noch…). Letztlich glaube ich einfach, dass ihm die Figur nicht liegt – in Sachen fieser Ausstrahlung und Boshaftigkeit wird er von seinem Filmbruder, dem späteren Jess-Franco-Regular Paul Muller, glatt an die Wand gespielt (und von Jess-Franco-Regulars, die nicht Klaus Kinski heißen, sollte nicht mal ein Käsebrot an die Wand gespielt werden können, öhm). Paulo Gozlino, der sich unter seinem Pseudonym Paul Stanley durch einiges an undistinguiertem Westernkram ballerte, aber immerhin auch den Superhelden „Flashman“ (zu schlecht Deutsch „Der Unsichtbare schlägt zu“) mimte, fällt nicht negativ auf und Claudie Lange („Death Walks at Midnight“, „Ausgepeitscht“) ist halt dabei, weil ein sprechender Satz Brüste einem Film immer gut ansteht, nicht, weil ihre Figur irgendwie dramaturgisch notwendig wäre oder inhaltlich etas bedeutungsvolles tut.

Bildqualität: NUM zeigt den Film in seiner „Django Western Collection“ im durchschnittlichem 1.85:1-Widescreen (anamorph), was für so ein Grabbeltischlabel ja schon fast eine Auszeichnung ist. Der Print ist zumindest weitgehend frei von Defekten und Verschmutzungen, aber stark körnig und bestenfalls mittelscharf…

Tonqualität: Nur die deutsche Synchro (die aber, as said before, nicht von schlechten Eltern ist) in Dolby Digital 2.0 – nothing to write home about qualitativ, aber auch nicht unbrauchbar…

Extras: Nix, dafür ist halt der zweite Film mit auf der Scheibe.

Fazit: Ein potentiell ganz interessanter Westernhybride, der versucht, die Westernkomödie, die eigentlich erst ein paar Jahre später richtig populär werden sollte, mit den düsteren Rachegeschichten der nihilistischen „großen“ Spaghettiwestern zu kombinieren, aber nach ganz vielversprechendem Auftakt an uninteressierter Regie und fehlbesetzt wirkenden Hauptdarstellern scheitert – als Kuriosität für Genrefreunde aber einen Blick wert.


mm
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