Die Wespenfrau

 
  • Deutscher Titel: Die Wespenfrau
  • Original-Titel: The Wasp Woman
  • Alternative Titel: The Bee Girl | Insect Woman |
  • Regie: Roger Corman
  • Land: USA
  • Jahr: 1959
  • Darsteller:

    Susan Cabot (Janice Starlin), Michael Mark (Dr. Eric Zinthrop), Anthony Eisley (Bill Lane), Barboura Morris (Mary Dennison), William Roerick (Arthur Cooper)


Vorwort

Gelée Royale ist ein Sekret, dass eine wichtige Rolle bei der Aufzucht von Honigbienen-Larven (und insbesondere von Bienenköniginnen) spielt; dem Zeug werden allerhand heilende und sonstige Wirkungen zugeschrieben, so dass es in pharmazeutischen Mitteln oder in Schönheitsprodukten zur Anwendung kommt (hat man Pech, kann es auch zu allergischen Reaktionen und im Extremfall zum Tode führen, aber irgendwas ist ja immer). Für unseren Film spielt das insofern eine Rolle, als dass er von Dr. Zinthrop handelt, der aus dem Gelée Royale von Wespen (soweit ich weiss, produzieren diese Insekten kein solches, aber für so was gibt’s künstlerische Freiheit) ein hochwirksames Verjüngungsmittel entwickelt.

Damit geht er zu Janice Starlin, Leiterin der Kosmetikfirma Janice Starlin Enterprises. Selbige schreibt tiefrote Zahlen, seit sich die Chefin weigert, weiterhin als Werbefigur aufzutreten, und das hat damit zu tun, dass die Zeit an der nunmehr Vierzigjährigen nicht spurlos vorbeigegangen ist. Mit Falten lassen sich Kosmetika nicht ganz so gut verkaufen und da Photoshop noch nicht erfunden ist…
Aber eben, in dieser dunklen Stunde spricht Dr. Zinthrop bei Starlin vor und demonstriert ihr die Wirkung seines Mittels, indem er Meerschweinchen in Ratten (?) und alte Kater in kleine Kätzchen verwandelt. Restlos begeistert, bietet sich die Firmenchefin sofort als erstes menschliches Versuchskarnickel an (sooo genau nimmt es der Doktor mit der Forschungsethik zum Glück nicht), doch dauert es ihr entschieden zu lange, bis das Zeug Wirkung zeigt. Also schleicht sie sich eines Abends in das extra für Zinthrop eingerichtete Labor und spritzt sich eigenmächtig eine etwas grössere Dosis. Was kann denn schon passieren?
Zinthrop stellt wenig später fest, dass der Katze Flügel wachsen (!) und das Tier aussergewöhnlich aggressiv ist, doch bevor er irgendwen warnen kann, wird er von einem Auto angefahren und landet in komatösem Zustand in einer Klinik (wo er von Roger Corman persönlich behandelt wird).

Dr. Zinthrops Auftauchen und sein geheimnisvolles Verhältnis zu Starlin wurden übrigens von Anfang an von wohlmeinenden Firmenangestellten argwöhnisch beäugt. Namentlich geht es um den wissenschaftlichen Sachverständigen (und Pfeifenraucher) Arthur Cooper sowie Bill Lane (der, naja, irgendwas macht) und dessen Gspusi Mary Dennison, welche zufälligerweise Starlins Sekretärin ist. Das Trio spioniert die Chefin aus, ohne gross von Skrupel gehindert zu werden, Cooper bricht schliesslich sogar in Zinthrops Labor ein. Hätte er besser bleiben lassen, denn dort tritt er auf seine Chefin, die inzwischen eine unheilvolle Metamorphose durchgemacht hat, und wird ihr erstes Opfer. Als nächstes ist ein „lustiger“, fetter Nachtwächter dran. Können sich Bill und Mary aus der Gefahr retten, in der sie nun schweben? Kann der inzwischen wieder aufgefundene und aus dem Koma erwachte, jedoch an Amnesie leidende Dr. Zinthrop Starlins Verwandlung rückgängig machen? Wird es endlich ein wirksames Mittel gegen Cellulite geben? Und wieso ist in diesem Film keine einzige Wespe zu sehen?


Inhalt

Dieser liebliche kleine Streifen stammt aus der frühen Phase von Roger Cormans Schaffen und wurde gedreht, kurz bevor der legendäre Regisseur und Produzent seine nicht minder legendäre Reihe von Poe-Verfilmungen in die Welt setzte. Wie „Attack of the Crab People“ oder „Little Shop of Horrors“ ist „The Wasp Woman” ein billig, äh, effizient im Laufe einer Woche heruntergekurbelter Monsterfilm in schöner Tradition der Fünfzigerjahre (insbesondere in Tradition von „The Fly“, der ein Jahr vorher rauskam; Corman rippt nicht erst seit heute prestigeträchtigere Filme ab) und bei allem was würdig und recht ist, nach einem erwähnenswerten finanziellen oder sonstigen Aufwand sieht der Film auch keineswegs aus.

Was Corman uns liefert (unter Mithilfe seines damaligen Protegés Jack „Foxy Brown“ Hill, der fürs Fernsehen einen erweiterten Anfang hinzugefilmt hat), besteht im Wesentlichen aus einer Reihe von Dialogszenen. Bis sich das erste Mal so was Ähnliches wie Action oder Spannung einstellt, vergehen glatt vierzig Minuten, aber auch danach geht’s kaum weniger beschaulich weiter. Nicht zuletzt, weil die nicht gerade enorme Laufzeit immer wieder künstlich gestreckt wird; so zeigt uns der erwähnte nachträglich hinzugefügte Anfang vor allem Dr. Zinthrop, wie der minutenlang durch die Botanik latscht und mit Wespen redet. Und als sei der Film nicht schon redselig genug, werden Dialoge wie das gar lustige Wortgefecht zwischen Starlins Sekretärinnen und ein paar Arbeitern eingefügt, die herzlich wenig zur Handlung beitragen. Immer wieder schön ist zudem das ausführliche Recycling von bereits gezeigten Szenen, wie es hier in der ersten von zwei Montagesequenzen stattfindet. (Diese zeigt Zinthrop bei seinen Forschungen; die zweite handelt von einem Privatdetektiv auf der Suche nach dem bis dahin verschwundenen Doktor – der Film soll ja in New York spielen, doch sieht ein Blinder im Darkroom, dass auf den Strassen von L.A. gedreht wurde.)
Dr. Cormans Spezialgebiet ist Organtransplantation (von wegen alte Organe wiederverwerten und so).

Schliesslich lohnt sich der Streifen vor allem aus zwei Gründen:

– Dr. Zinthrops Kampf gegen eine Katze mit angeklebten Flügelansätzen, die ihm von ausserhalb des Bildes entgegen geworfen wird und ersichtlich nichts Gewalttätigeres als eine Streicheleinheit im Sinne hat. Das Duell entscheidet sich, als er ihr brutalst den Hals umdreht.
– Janice Starlin im Wespenmonster-Modus. Entgegen dem, was einem das Plakat weismachen will, verwandelt sie sich nicht in eine Riesenwespe mit menschlichem Antlitz; stattdessen wachsen ihr ein Wespenkopf und Wespenklauen (und statt aus dem Hintern wächst ihr ein Stachel aus dem Zeigefinger). Dass das Ergebnis bei einem Film dieser Preisklasse weniger bedrohlich als hochgradig albern ist, kann man sich denken.

Ihr Modus Operandi besteht übrigens darin, dass sie ihre Opfer mit einem Stich paralysiert und dann in den Hals beisst, um ihnen das Blut auszusaugen. (Bloss Mary schleppt sie zuerst ins Labor, schliesslich muss die noch von Bill gerettet werden können.) Zu dieser Anleihe beim Vampirmythos (das mit dem Blutsaugen, nicht das mit dem Stechen) kommt ein Hauch „Dr. Jekyll and Mister Hyde“ hinzu, indem Starlin sich jeweils erst auf eine Injektion hin verwandelt, um bald darauf wieder menschlich zu werden (jedenfalls bis zur finalen Metamorphose). Die Verwandlungen werden denkbar unaufwändig mittels Zwischenschnitten inszeniert; wenn das Budget nicht einmal mehr für Überblendungen reicht…

Dass das titelgebende Monster bei alledem erst nach mehr als fünfzig Minuten auftaucht, ist eine üble Schweinerei, doch ist Janice Starlin auch vor ihrer Verwandlung ein faszinierender Charakter: als Firmenleiterin, die ihr Imperium mit eigenen Händen aufgebaut hat, ist sie eine für ihre Zeit aussergewöhnliche Frauenfigur; die Kontrolle fest in der Hand, lässt sie sich von keinem Mann einschüchtern (bei den Vorstandssitzungen gibt jedenfalls sie den Ton an). Von Anfang an hat sie dabei wespenhafte Züge: die hochgesteckte schwarze Frisur, die strengen (und offenbar mit Theaterschminke auf alt getrimmten) Gesichtszüge, die eng anliegenden Kleider, das Sticheln (!) gegenüber ihren Untergebenen. Sie verkörpert geradezu vorbildlich die männliche Angst vor einer Karrierefrau (es spricht für sich, dass die Opfer des Wespenmonsters vor allem Männer sind).
Bill, der Held, ist dann folglich einer, der seine Chefin von Anfang an herausfordert und ihren unerhörten Status hinterfragt, mit Mary eine Frau als Handlangerin annektiert, ohne gross nachzufragen, was die davon hält (ganz wohl ist es ihr nämlich nicht dabei, ihre Chefin und Geschlechtsgenossin auszuspionieren), und schliesslich die Gefahr bannt, indem er die wortwörtliche Männerfresserin unschädlich macht.
Zu Fall bringt Starlin im grossen Zusammenhang der Dinge allerdings nicht Bill, sondern die typisch weibliche (äh, gemäss dem Film) Eigenschaft der Eitelkeit. Als Gründerin einer Firma für Schönheitsprodukte reagiert sie umso empfindlicher auf ihren einsetzenden körperlichen Zerfall und vergisst bald jegliches Mass und alle Vernunft, als es darum geht, ihre Jugendlichkeit zurückzuerhalten. Dass das in einer Katastrophe endet, ist unvermeidlich.
Man kann den Film also als Warnung davor verstehen, Frauen mit ihrem emotionalen, eitlen Wesen zuviel Macht in die Hände zu geben, andererseits ist er auch dahingehend interpretierbar, dass eine Gesellschaft, in der Frauen weitgehend auf ihr Äusseres und ihre Jugendlichkeit reduziert werden, selbst jemand wie Starlin zu Fall gebracht wird.

Die Faszination der Figur hängt auch mit der für einen B-Film dieser Art überraschenden schauspielerischen Leistung von Susan Cabot zusammen, die sowohl die kühle Vierzigjährige, als auch deren verjüngtes und beschwingtes Ich sowie das Abdriften in den Wahnsinn glaubwürdig rüberbringt. (Mal davon abgesehen, dass sie ziemlich sexy ist.)
Das erste Mal mit Corman drehte Cabot bei „Carnival Rock“ (nachdem sie für Universal vor allem bei Western wie „Tomahawk“ und „Gunsmoke“ sowie bei Tausend-und-eine-Nacht-Filmen wie „Flame of Araby“ oder „Son of Ali Baba“ vor der Kamera stand). Sie sollte weitere fünf Male in dessen frühen Werken auftreten, bis sie mit „The Wasp Woman“ ihre Zusammenarbeit mit dem King of B-Movies und ihre Filmkarriere überhaupt beendete; nach einer Affäre mit König Hussein von Jordanien verlegte sie sich auf Bühnenarbeit. 1986 wurde sie von ihrem zwergwüchsigen Sohn, der wie sie an psychischen Problemen litt, in ihrem Bett mit einer Gewichtheberstange erschlagen (!).

Die weiteren Schauspieler

– Anthony Eisley (als Bill Lane): Der 2003 verstorbene Fernseh- und B-Film-Star („The Naked Kiss“, „The Navy vs. the Night Monster“, „Dracula vs. Frankenstein”, „The Doll Squad”, Fred Olen Rays „Deep Space”) ist, wie erwähnt, so was wie der männliche Hoffnungsträger im Kampf gegen die Gefahren des Karrierefrauentums.
– Beboura Morris (als Mary Dennison): Die 1975 an einem Schlaganfall Verstorbene spielte seit ihrem Schauspieldebüt in „Rock all Night“ praktisch nur in Filmen Cormans (den sie von ihrer Ausbildung her kannte) mit („A Bucket of Blood“, „The Haunted Palace“, „Man with the X-Ray Eyes“, „The Dunwich Horror“). Sie ist eine relativ „unkonventionelle“ Schönheit, gefällt mir aber grad in diesem Film, auch wenn sie, im Gegensatz zu Cabot, eine typische Frauenrolle innehat (also wenig eigenständig, dafür vom männlichen Helden abhängig ist und sich schliesslich von diesem retten lassen muss).
– Michael Mark (als Dr. Zinthrop): Spielt einen Wissenschaftler, der keinesfalls vom Bösen, sondern von reiner Neugierde und gutem Willen getrieben wird, aber gerade dadurch eine Katastrophe auslöst. In Teenagerjahren von Russland nach Amerika ausgewanderte, ebenfalls 1975 entschlafen. Trat schon seit Ende der Zwanziger in kleinen Rollen in Filmen wie Frankenstein, „The Black Cat“, Son of Frankenstein oder „Casablanca“ auf. Seinen grössten Auftritt neben dem in „The Wasp Woman“ hatte er wohl in Bert I. Gordons „Attack of the Puppet People“.

Zu erwähnen bleibt schliesslich noch die Filmmusik von Komponist und Songwriter Fred Katz. Die ist einfach, aber gefällig; konventionelle, „orchestrale“ Stellen wechseln sich mit jazzigen und „lustigen“ Einlagen ab. Was dem Film an visueller Dynamik fehlt, übernimmt damit ein Stück weit die Tonspur. Katz arbeitete Ende der Fünfziger, Anfang der Sechsziger für mehrere Corman-Streifen (zum Teil hat der seine Kompositionen auch bloss recycelt; Stücke aus „The Wasp Woman“ tauchten beispielsweise in „Little Shop of Horrors“ auf), ansonsten hatte er wenig mit dem Film zu tun und konzentrierte sich auf seine sonstige musikalische Karriere.

Die DVD

Genius Entertainment liefert uns in Rahmen der „Roger Corman Classics Collection 1“ vier Filme auf zwei DVDs (Code 1). „The Wasp Woman“ teilt sich die Silberscheibe mit „The Terror“, auf der anderen sind „A Bucket of Blood“ und „Little Shop of Horrors“ drauf. Ton und Bild halten, was ein nunmehr fünfzig Jahre alter Billigfilm verspricht, es gibt Verschmutzungen, Rauschen und Filmrisse allenthalben. Von wegen „digitally remastered“. Das Bonusmaterial zu „The Wasp Woman“ besteht aus einem lustigen Fragespiel, das exakt eine Frage umfasst.
Wer den Film sehen will, muss sich allerdings nicht für teuer Geld eine DVD zulegen, sondern kann sich an YouTube oder archive.org wenden. (Das Ding ist ja Public Domain und so.)

„The Wasp Woman“ ist so ein Film, mit dem man ganz gut eine Stunde an einem verregneten Sonntatnachmittag totschlagen kann, aber der alles in allem nicht allzu viel hermacht. Ein fingierter Kampf mit einer Katze und ein lächerliches Monsterkostüm machen aus einem dialoglastigen Billigstreifen noch kein Trashfest, aber zumindest gibt es noch eine faszinierende weibliche Hauptfigur.
Übrigens, als Corman dreissig, vierzig Jahre Jahre später Remakes von einigen seiner alten Filme in Auftrag gab, durfte 1995 der allseits geschätzte Jim Wynorski bei der Wespenfrau ran.

3/5
(c) 2009 Gregor Schenker


mm
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