Die Werwölfin von London

 
  • Deutscher Titel: Die Werwölfin von London
  • Original-Titel: She-Wolf of London
  •  
  • Regie: Jean Yarborough
  • Land: USA
  • Jahr: 1946
  • Darsteller:

    Don Porter (Barry Lanfield), June Lockhart (Phyllis Allenby), Sara Haden (Martha Winthrop), Jan Wiley (Carol Winthrop), Lloyd Corrigan (Det. Latham), Dennis Hoey (Inspector Pierce), Martin Kosleck (Dwight Severn), Eily Malyon (Hannah), Frederick Worlock (Constable Hobbs)


Vorwort

London um die Jahrhundertwende… Scotland-Yard-Inspektor Pierce ist wenig begeistert darüber, einen vermeintlichen Routinefall aufklären zu müssen: in einem Park wurde ein Mann von einem Tier angefallen und die sensationslüsterne Presse macht aus dem streunenden Köter, den Pierce für den Übeltäter hält, einen Werwolf – und auch sein Assistent Latham ist der Werwolftheorie nicht abgeneigt. Nah am Tatort liegt das Haus der altehrwürdigen Familie Allenby, deren jüngster Sproß Phyllis demnächst den schnieken Junganwalt Barry Linfield zu ehelichen gedenkt. Die gar schaurige Bluttat im Park jagt Phyllis aber mächtig ins Bockshorn. Nun, da Phyllis in einem reinen Frauenhaushalt lebt, kann man ihr schwaches Nervenkostüm möglicherweise entschuldigen, zumal die Verhältnisse kompliziert sind. Ihre Tante Martha, Typ bissiger Hausdrachen und deren Tochter, mithin offiziös Phyllis‘ Cousine Carol, sind nämlich mitnichten Blutsverwandte, vielmehr war Martha nur eine Verflossene von Mr. Allenby, Phyllis‘ Vater (es stellt sich allerdings die Frage, warum das ein großes Familiengeheimnis ist, dass Martha sogar Carol jetzt erst verrät, wo Carol sich unverschämterweise mit dem Gedanken trägt, den armen Künstler Dwight heiraten zu wollen, was Marthas Wohlgefallen absolut nicht findet).

Phyllis befürchtet, unter einem alten Familienfluch zu leiden – Lykanthropie (welche Überraschung). Ihr Verdacht erhärtet sich, als sie eines Morgens aufwacht, ihre Klamotten dreckig und ihre Hände blutbeschmiert sind. Und da im nahen Park in der gleichen Nacht ein kleiner Junge ermordet wurde (was hat der in der Nacht im Park verloren?), hält sich Phyllis zu niemandes gesteigerter Verblüffung für die Mörderin. Deswegen vermeidet sie auch den Kontakt mit Barry, der über Umwege (Haushälterin Hannah und Carol) herauszufinden versucht, was mit seiner Verlobten los ist, aber keine zufriedenstellenden Auskünfte erhält.

Ein paar Nächte später wird Latham im Park von einer mysteriösen Frauengestalt angefallen und umgebracht. Wieder kommt Phyllis mit verschmutzten Kleidern (und einer, hint-hint, Gartenharke neben dem Bett) zu sich und vermutet das übelste. Die von ihr vorgeschlagene ärztliche Untersuchung schmettert Martha ab: „Du kommst ins Irrenhaus!“ Auf Empfehlung von Carol setzt sich Barry endlich-männlich durch und zwingt Phyllis zu einer Kutschfahrt. Die tut dem geschwächten Mädel sichtlich gut, endet aber trotzdem in Tränen, als Barry sie mit fortgeschrittener Werwolf-Lyrik vom alten Shakesbier zutextet. Inspektor Pierce erteilt dieweil seinen Bobbys den dienstlichen Befehl, jedweden nächtlichen Parkbesucher festzunehmen bzw. bei Flucht niederzuschießen (dafür bekommen die traditionell unbewaffneten Bobbys sogar Wummen).

Barry legt sich am Allenby-Anwesen auf die Lauer und tatsächlich verlässt eine mysteriös vermummte Frauengestalt das Haus – es ist Carol! Leider hindern dienstbeflissene Constables Barry mittels einer Personenkontrolle an weiterer Verfolgung, dieweil Dwight von der „Wolfsfrau“ angegriffen wird. Carol taucht am Tatort auf und behauptet, mit Dwight zu einem heimlichen Rendezvous verabredet gewesen zu sein. Am nächsten Tag stellt Barry Carol zur Rede und verdächtigt sie offen, der „She-Wolf“ zu sein, was Carol abstreitet. Martha scheucht Barry aus dem Haus und bezeichnet ihn als „schädlichen Einfluß“ auf Phyllis, bevor sie mit Carol aneinander gerät. Die nächtlichen Schäferstündchen mit Dwight stehen Marthas Plan, Carol mit Barry zu verheiraten, deutlich im Wege. Carol weist darauf hin, dass Barry sowieso Phyllis in den Hafen der Ehe zu führen gedenkt, aber „sie wird Barry nie heiraten“, weiß Martha, denn „sie ist verrückt“.

(Okay, wer’s bis jetzt nicht begriffen hat, kann auch den nächsten spoiler-intensiven Absatz lesen).

Phyllis vertraut sich Carol an und die hat daraufhin den Durchblick, eröffnet der verblüfften Martha, die Polizei zu unterrichten, weil Phyllis einem mörderischen Schwindel auf den Leim gegangen sei. Barry und Dwight verfolgen Carol. Martha begibt sich in Phyllis‘ Schlafzimmer und flößt ihr ein Schlafmittel ein – und eröffnet der so an Widerspenstigkeiten Gehinderten frank und frei, sie jetzt umlegen zu wollen. Des Rätsels Lösung ist denkbar einfach: Martha wollte Phyllis in den Wahnsinn und damit die geschlossene Anstalt treiben, um das geliebte Allenby-Haus behalten zu können. Jetzt liegt es an der Haushälterin Hannah, die finale Mordtat zu verhindern…


Inhalt

Ich müsste jetzt lügen, wenn ich behaupten würde, viele Filme zu kennen, die sich um weibliche Werwölfe drehen – außer „Das Tier“, der Persiflage „Meine Mutter ist ein Werwolf“ und der „Ginger Snaps“-Reihe, und vielleicht noch „Die Zeit der Wölfe“ von Neil Jordan, fiele mir jetzt keine besonders lange Liste ein. Und, wie sich dem geneigten Leser schon anhand der Inhaltszusammenfassung eröffnet haben dürfte, „She-Wolf of London“ darf man auch nicht auf diese Liste setzen, denn von einem echten Werwolf bzw. einer Werwölfin findet sich in diesem 1946 entstandenen Universal-Thrillerchen nicht mal ein Barthaar.

Wie so oft, wenn Drehbuchautoren nix besseres einfällt, erweist sich nämlich der ganze vermeintlich übernatürliche Spuk als Schwindel, um die junge hübsche Protagonistin in die geistige Umnachtung zu treiben, um an ein wie auch immer geartetes Vermögen heranzukommen (dass die Motivation in diesem Fall ganz besonders dünn ist, soll dieser These für den Moment nicht weiter schaden). Streng genommen qualifiziert sich auch „She-Wolf of London“ daher nicht für die Kategorie „Horror“, sondern bestenfalls für „Mystery“ und, auf’s wesentliche reduziert, gerade mal für „Krimidrama“. Nun, das allein muss einen Film ja nicht von Haus aus ruinieren, aber „She-Wolf of London“, entstanden unter der Regie von Jean Yarborough, einem echten Veteranen, der auch den recht pfiffigen B-Grusler „The Devil Bat“ mit dem einzig echten Bela Lugosi auf dem Kerbholz hat, ist selbst für ein zweitklassiges Murder Mystery keine Offenbarung.

Klar, es ist nicht einfach, in 58 Minuten Laufzeit eine plausible Geschichte zu erzählen – sieht man’s positiv, sorgt die Kürze dafür, dass sich Script und Film nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten dürfen und uns gleich mitten ins Geschehen werfen, sieht man’s negativ (oder realistisch, je nach Lust und Laune), konstatiert man das beinahe völlige Fehlen von Exposition (das, was an Expositionsbrocken hingeworfen wird, hilft nicht wirklich), was aber angesichts der sehr schlicht gestrickten Story kein gesteigertes Problem darstellt. Wer diese Plotte nicht nach zwanzig Minuten durchschaut hat (und aller-aller-allerspätestens, als Phyllis sich nach einer Nacht im vermeintlich abgeschlossenen Schlafzimmer erstens neben einer Gartenharke und zweitens einer fröhlich lächelnden Martha wiederfindet), sollte seinen Intellekt dann doch lieber bei den „Teletubbies“ ein paar Nachhilfestunden nehmen lassen. Der Streifen gibt sich noch nicht mal wirklich Mühe, die Möglichkeit, es könnte *tatsächlich* ein Werwolf aktiv sein, zumindest ansatzweise offen zu lassen (vgl. dazu Jacques Tourneurs „Katzenmenschen“). Aber immerhin erspart diese, nennen wir es mal wohlwollend „Geradlinigkeit“, diese Geradlinigkeit also Make-up-Guru Jack Pierce die spannende Aufgabe, eine Werwölfin zurechtzuschminken (Pierce muss sich daher mit einem der wenigen blutigen Effekte der klassischen Universal-Horrorfilme begnügen, zu besichtigen bei Lathams Sterbeszene)

Aber irgendwie war ja klar, dass ein „Werwölfinnen“-Film von 1946 kaum die z.B. von „Ginger Snaps“ unzweideutig verwendete Metapher der Lykanthropie als Zeichen erwachender weiblicher Sexualität erkunden wird. Es hätte deswegen aber nicht gleich eine reine Mogelpackung sein müssen (das nehmen ja Klassik-Horror-Fans auch Tod Brownings „Mark of the Vampire“ berechtigterweise übel, wobei der „Schummel“ bei Browning noch eine Ecke weiter getrieben wurde als beim „She-Wolf“). Löst man sich von der grundsätzlichen Erwartung, einen Werwolf- oder überhaupt Horrorfilm zu sehen und lässt sich auch nicht dadurch irritieren, dass das Mystery nicht wirklich ein solches ist (zumindest nicht für Menschen wie unsereins, die auf den Ideenfundus aus sechzig Jahren Filmgeschichte zurückgreifen können), ist „She-Wolf of London“ ein zumindest routiniert heruntergekurbeltes, anspruchsloses B-Movie ohne größere Höhen und Tiefen. Jean Yarborough inszeniert den Streifen versiert, über weite Strecken aber auch ohne große Ambitionen – erst im Finale überraschen er und sein Kameramann Maury Gertsman („The Brute Man“, „The Four Skulls of Jonathan Drake“) mit ein paar optischen Einfällen wie gekippten Kamerawinkeln und Bildverfremdungen, die Phyllis‘ labilen Geisteszustand visuell dokumentieren sollen.

Spannend ist das selbstverfreilich nicht sonderlich, aber auch nicht gesteigert langweilig (Kunststück, 58 Minuten). Es ist letztlich die Krux der einstündigen Programmer aus Hollywoods klassischen Kintopp-Tagen, dass sie, da normalerweise für Doppelvorführungen gedacht und daher laufzeittechnisch limitiert, ihre möglicherweise vorhandenen Ideen nicht ausspielen können, da die Plotten auf das Notwendigste reduziert werden mussten. So kann „She-Wolf of London“ weder als Spannungsfilm noch als, hüstel, Psychodrama funktionieren – der Film bleibt einfach eine simple Kriminalgeschichte, deren Kniff fürchterlich vorhersehbar ist und dessen übernatürlicher Aufhänger völlig austauschbar ist. Allerdings darf man eins nicht vergessen – Universal hätte es sich leicht machen können und einfach eine weibliche „Wolf Man“-Variante drehen können… auch wenn die Story keine Granate ist, sie ist wenigstens eigenständig (wenn man nur den Universal-Kanon betrachtet).

Tricktechnisch ist nichts sonderlich „speziell“ zu nennendes zu erwarten – die „Attacken“ finden komplett off-screen statt (es sind ja auch immerhin drei im Filmverlauf, und davon verlaufen wiederum nur zwei tödlich, soviel also auch zum Body Count), mangels eines echten Werwolfs gibt’s natürlich keine Transformationssequenzen.

Man kann dem Film möglicherweise das ein oder andere vorwerfen (hauptsächlich eben, dass er aufgrund seiner kurzen Laufzeit nicht wirklich eine spannende Geschichte entwickeln kann), den Schauspielern allerdings kaum. Gut, sie haben allesamt nicht gerade hochprofilierende Rollen zu spielen, sondern müssen lediglich ihre festgelegten Charakter-Attribute spazierenführen, aber das erledigen sie durchaus ansehnlich. June Lockhart, die später in zwei „Lassie“-Filmen spielte, ehe sie durch „Lost in Space“ (die Serie) zum TV-Star wurde und NOCH später in einigen Genreproduktionen wie dem ziemlich gelungenen „Strange Invaders“, „Troll“ und „C.H.U.D. II – Bud the Chud“ agierte, muss nicht viel mehr als kränklich-verzweifelt- traurig wirken, ihre dahingehende Überzeugungskraft ist allerdings beträchtlich (bei ihrem traurig-treuherzigen Augenaufschlag möchte man sie wirklich in den Arm nehmen und knuddeln). Don Porter ist als Barry zwar für die eigentliche Story reichlich überflüssig (er tut nicht wirklich etwas, das zum Fortgang der Ereignisse beiträgt), bekommt den Schwiegermutti-Liebling jedoch ganz gut hin. Der Zeit seines Lebens hauptsächlich in B-Filmen aktive Porter beendete seine Karriere übrigens mit einer kleinen Rolle in Roland Emmerichs Klaugraupe „Joey“. Sara Haden ist schön fies – sie ist kaum eine halbe Sekunde im Bild, schon ist dem Publikum völlig klar, dass dieses Biest nichts Gutes im Schilde führen kann (das nimmt dem Film zwar jegliches Überraschungsmoment, aber das wird der Herr Regisseur schon so gewollt haben). Haden spielte über 10 Jahre eine Stammrolle in der Comedy-/Drama-Filmreihe um die Abenteuer des heranwachsenden „Andy Hardy“ (eine in den 30er und 40er Jahren sehr populäre Serie). Jan Wiley spielte in ihrer kurzen Hollywood-Karriere meist nur kleine Nebenrollen und hat hier ausnahmsweise mal einen größeren Part als Phyllis‘ vermeintliche Cousine Carol (und einzig halbherzigen red herring). Genrefreunde entdecken sie auch in „The Brute Man“ oder „Dick Tracy vs. Crime Inc.“. Wiley macht einen recht sympathischen Eindruck, obwohl sie mit einem recht unglaubwürdigen character turn kämpfen muss. Larry Corrigan, der als Latham so etwas wie einen halbseidenen comic-relief-Charakter spielt, das aber mit ziemlicher Würde, war nicht nur ein vielbeschäftigter Schauspieler, sondern auch Regisseur einer Handvoll Filme in den 30ern und Drehbuchautor der beiden ersten „Fu Manchu“-Filme. Seinen Filmvorgesetzten Dennis Hoey kennt der Fan klassischen Kintopps nicht nur aus „Frankenstein meets the Wolf Man“, sondern auch aus „Phantom Ship“ (mit Bela) und als Inspektor Lestrade aus den 40er-„Sherlock Holmes“-Filmen.

Bildqualität: Wieder mal kein übler Print, den Universal für einen sicherlich weder als Prestigeprojekt gedrehten noch als Kultfilm gehandelten 40er-Klopper in seinen Archiven gefunden hat. Die Schärfewerte sind sehr gut, der Kontrast zufriedenstellen, die Kompression absolut im grünen Bereich. Darüber hinaus sind kaum Defekte oder Verunreinigungen zu verzeichnen.

Tonqualität: Der englische Mono-Ton ist sehr gut verständlich, das Hintergrundrauschen ist minimal und in keiner Sekunde störend – auch hier kein Grund zur Klage, und wie bei der Legacy-Box üblich, kann man natürlich wahlweise auf eine deutsche Synchronisation oder Untertitel zurückgreifen

Extras: Universal liefert den Kinotrailer mit („She-Wolf of London“ teilt sich im übrigen die DVD mit „Werewolf of London“, was ja auch irgendwo nicht völlig unlogisch ist).

Fazit: „She-Wolf of London“ ist mit Sicherheit kein Film, für den man sich auf Knien vor seinem Schöpfer bedanken muss, weil man ihn sehen durfte. Es handelt sich nicht mehr, aber auch nicht weniger als um ein routiniert abgespultes Mystery-Drama, das gar nicht erst versucht, den Zuschauer ernstlich davon zu überzeugen, es wäre ein echter Horrorfilm. Gut, anno 1946 mag der „Schurke-treibt-Opfer-mit-angeblich-übernatürlichem-Hokuspokus-in-die-Irrenanstalt“- Plot noch nicht so abgegriffen sein, wie er es heute ist, und, drauf-rumreit, wenn man nur eine knappe Stunde Zeit hat, kann man keine großartigen falschen Fährten auslegen, das muss man ins Kalkül ziehen, wenn man den Film aus einer eher historischen Sichtweise betrachtet. Diese Umstände eingerechnet, ist der Streifen immer noch keine Offenbarung, aber angemessen gut gespielter Kintopp ohne besondere Vorzüge, aber auch ohne große Schwächen. Immerhin spielt der Film mit relativ offenen Karten, so dass sich beim Zuschauer auch nicht das Gefühl einstellt, er wäre verhohnepiepelt worden. Geht also summa summarum ganz in Ordnung und ist so, da derzeit wohl auch nicht anders erhältlich, als nettes Gimmick zur „Wolf Man“-Box der Universal Monster Legacy, auch wenn nicht wirklich ein Werwolffilm, sozialverträglich.

3/5
(c) 2006 Dr. Acula


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