Die weisse Spinne

 
  • Deutscher Titel: Die weisse Spinne
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  • Regie: Harald Reinl
  • Land: BR Deutschland
  • Jahr: 1963
  • Darsteller:

    Joachim Fuchsberger (Ralph Hubbard), Karin Dor (Muriel Irvine), Horst Frank (Kiddie Phelips), Werner Peters (Sgt. Meals), Dieter Eppler (Summerfield), Mady Rahl (Mrs. Falk), Paul Klinger (Inspector Dawson), Friedrich Schönfelder (Sir James), Chris Howland (Gideon)


Vorwort

Der stadtbekannte Spieler Richard Irvine schraubt sich nach einem weiteren erfolglosen Abend des Kartenspiels mit seinem Wagen gegen eine günstig herumstehende Wand und verscheidet.

Er hinterlässt mit Muriel eine attraktive, nunmehr aber mittellose Witwe, die noch nicht mal die Lebensversicherung kassieren darf, weil es der Gesellschaft spanisch vorkommt, dass die Versicherungssumme kurz vor ultimo von läppischen 5000 auf 50000 Pfund erhöht wurde. Zum Glück – und gegen ein kleines Entgelt, das aus der Versicherungssumme bezahlt werden kann – erklärt sich Richards Anwalt Summerfield bereit, die Versicherung zu verklagen und Muriel einstweilen einen Job bei der „Hilfsfürsorge für Strafgefangene“ zu verschaffen.

Inzwischen wittert Inspektor Dawson von Scotland Yard Foulspiel – in letzter Zeit müssen die Versicherungen überdurchschnittlich viel Kohle austüten. Sein Chef Sir James hält die Theorie, dass hier böse Mordburschen am Werke sind, für Tinnef, aber Dawson ermittelt auf eigene Faust in Soho. Nur leider hat er nicht viel davon, da er umgehend ermordet wird.

Sir James schaltet nun einen Spezialisten ein – den Australier Conway, bekannt und berüchtigt für seine ausgesprochen unkonventionellen Ermittlungsmethoden. Zur gleichen Zeit taucht bei der „Hilfsfürsorge“ der Ex-Knacki Ralph Hubbard auf und macht Muriel schöne Augen. Nachdem Muriel mittlerweile in einer ziemlich unhaltbaren Situation ist – entweder, so wird vermutet, hat sie selbst Richards Ableben in Auftrag gegeben oder mit ihm zusammen einen Versicherungsbetrug inszeniert – und vom ständigen Auftauchen des Maskottchens ihres Mannes, eines Anhängers in Form einer weißen Spinne, ins Bockshorn gejagt wird, lässt sich Hubbard breitschlagen, für Muriel Erkundigungen einzuziehen.

Die Spur führt in den „Club 55“, einen exklusiven Bridgeclub, in dem allerdings, sobald die Polizei nicht hinschaut, primär Baccarat um hohen Einsätze gezockt wird – u.a. Richards Stammlasterhöhle. Hubbard nimmt dort einen Job an. Der Verdacht erscheint nicht unbegründet, denn schon nach kurzer Zeit taucht dort der finanziell ausgehungerte Adelige Lord Ensfield auf und begehrt beim Clubboss das unfallbedingte Ableben seiner reichen Erbtante, das sich auch umgehend einstellt.

Der Chef der Gangsterorganisation hat aber auch ein Auge auf Muriel geworfen und würde gern mit ihr ins Ausland verschwinden, ob sie nun will oder nicht…


Inhalt

Ein weiterer Pseudo-Wallace, durchaus auch als „echter“ Wallace vermarktet, nach einer Romanvorlage des böhmischen Schriftstellers Louis Weinert-Wilton. Noch stärker als beim „Teppich des Grauens“ betonen Harald Reinl und seine Mannen die Ähnlichkeiten zum typischen Wallace-Film, was natürlich auch dadurch hervorgehoben wird, dass die „Spinne“ als einziger Weinert-Wilton-Film eine rein deutsche Produktion ist und daher praktisch *nur* Schauspieler Verwendung finden, die dem Publikum aus den Wallace-Streifen vertraut waren.

„Die weiße Spinne“ nimmt sich dann, wenn man schon dabei ist, auch ordentliche Anleihen bei Meister Edgar – wem das Szenario nicht aus „Die toten Augen von London“ etwas vertraut vorkommt, der sollte dringend noch mal Nachhilfestunden nehmen (und, falls noch nicht geschehen, die vorzügliche englische Variante mit Bela Lugosi sichten). Da wie dort ist der Schuft ein wahrer Superverbrecher, ein Meister der Maske – das nimmt sogar schon ein wenig „Fantomas“ in der Hunebelle-Version vorweg.

Natürlich sind die „Überraschungen“, die der Film für das zeitgenössische Publikum bereit hielt, aus heutiger Sicht nur noch einfacher zu verraten, wenn man sie einfach aufs Poster schreiben würde. Praktisch jede Maske des Superverbrechers ist problemlos sofort als solche erkennbar, und, tja, dass Ralph Hubbard, der vermeintliche Kleinganove, niemand anderes ist als Inspektor Conway im Undercover-Einsatz, ist auch ungefähr so überraschend wie dass der Heiligabend zuverlässig auf den 24.12. fällt. Es ist Blacky, verdammich, wer anders als der große Held und Ermittler wird er schon sein?

Gut, wir haben heutzutage natürlich 50 Jahre Krimi- und Thrillererfahrung mehr auf dem Kerbholz, insofern darf man das nicht so eng sehen. Über weite Strecken funktioniert „Die weiße Spinne“ richtig gut und zieht alle Register des klassischen deutschen 60er-Jahre-Krimis mit den düsteren Gassen, den fiesen Handlangern des Bösewichts (hier verkörpert von Horst Frank als Killer mit dem hübschen Spitznamen „Kitty“), bedrängte Damsels, und im Vergleich zum bierernsten „Teppich“, auch durch humorige Einlagen aufgelockert – sowohl Fuchsberger selbst ist charmanter und sprücheklopfender als im Vorgängerfilm, und als dezidierter comic relief ist Chris Howland als Angestellter im Club, der durch ständige Todesfälle hochbefördert wird, mit von der Partie.

Natürlich hat es aber auch seine Gründe, warum auch dieser Weinert-Wilton im Vergleich zu den Wallace-Filmen heutzutage ziemlich unbekannt ist. Der Streifen ist mit 104 Minuten ein Eck zu lang für seinen Plot – zwanzig Minuten hätte man da schon abfeilen können, ohne wirklich etwas von Relevanz zu verlieren, und die Art und Weise, wie Conway/Hubbard auf die richtige Spur kommt, ist mit „plot contrivance“ äußert wohlwollend umschrieben. Es muss praktisch wirklich ein zur Zwei-Drittel-Marke ein neuer Charakter auftauchen und Conway erzählen, wer der Mörder ist (nicht in dieser direkten Art, aber es führt eine Figur ein, von der wir zuvor nie gehört haben und die dann logischerweise der Verbrecher sein muss). Fair ist das nicht…

Dafür ist der Cast wieder einmal gut aufgelegt. Blacky Fuchsberger und Karin Dor sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Paul Klinger („Immenhof“) ist quasi die Janet Leigh des Films – ein großer Name mit vermeintlich wichtiger Rolle, der frühzeitig als Schocker abserviert wird. Friedrich Schönfelder gibt sich als Scotland-Yard-Chef die Ehre, Werner Peters ist auch wieder mit dabei, Dieter Eppler („Die Nibelungen“, „Kampf um Rom“, „Der Landarzt“) überzeugt als Anwalt Summerfield. Wichtige Hinweise werden Blacky von Ex-Nazi-Vorzeigemädel Mady Rahl geliefert.

Filmjuwelen bringt den Film auf Blu-Ray wieder in bestmöglicher Bild- und Tonqualität. Die Extras sind leider identisch mit denen des „Teppichs“.

Mit „Die weiße Spinne“ kommt die Weinert-Wilton-Reihe dem großen Vorbild Edgar Wallace schon verdammt nah – die Zutaten sind durchaus schmackhaft angerichtet, könnten nur noch etwas kompakter und schlüssiger serviert werden. Wer an Wallace seine Freude hat, wird aber auch den hier mögen…

3,5/5

(c) 2017 Dr. Acula


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